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Das Heiligendamm-Konzept: Wie Heiligendamm funktionieren kann.

 

Als man 1996 in Schwerin und Bad Doberan den Masterplan des Dürener Fondsinitiators Anno August Jagdfeld in den Händen hielt, staunte man nicht schlecht: Der Mann wollte das erste deutsche Seebad wieder auferstehen lassen und das Herzstück sollte wieder ein Luxus-Hotel sein. Die Fachwelt meinte dazu: „Wenn es einer schafft, dann er.“ 

Mehrere gescheiterte Versuche lagen hinter den Entscheidungsträgern in Schwerin, Bad Doberan und Berlin, das schwere, aber auch großartige Erbe aus der Zeit de Großherzöge an den Mann zu bringen. Zuletzt war es ein Sanatorium für Werktätige und wenn es nach den Doberanern gegangen wäre, dann wäre es dies auch immer geblieben. Das Land jedoch butterte hunderttausende D-Mark nur in den Erhalt der eigentlich dringend sanierungsbedürftigen Bausubstanz und den defizitären Betrieb in der über mehrere Gebäude verstreuten Kurklinik hinzu. Zu DDR-Zeiten kam das Geld von oben, gab es feste Überweisungszahlen, die Belegung war genau kalkuliert und es gab eher zu wenige, als zu viele Betten, sodass man Patienten in Privatunterkünfte einquartierte und der ganze Ort nur für das Sanatorium lebte. Sogar über Erweiterungen dachte man 1993 nach, wollte eine Meerwasserschwimmhalle, ein Kurmittelhaus, eine Kaufhalle, ein Wasserwerk, ein Heizkraftwerk und zwei Wohnblöcke für die Mitarbeiter errichten. Es mangelte einzig am Geld und scheiterte am beherzten Widerstand der Denkmalschützer.

 

Zwei Klinik-Konzepte scheiterten, ein Hotel-Konzept blieb übrig.

Am Geld scheiterte auch die Idee eines Gesundheitshotels. Die Asklepios-Gruppe fand nicht genug Geldgeber für dieses Konzept und musste aufgeben. Der Wunsch nach einem Staatsbad wiederum wurde von der Bundesrepublik nicht erfüllt, denn zum einen wäre die Erfüllung unfair gegenüber den anderen Bädern und zum zweiten ein zu teurer Wunsch. Auch das Land wollte die Bürde nicht weiter tragen. Ein Angebot aus Kanada sah die Umwandlung Heiligendamms in ein Resort vor, aber die Kanadier wurden von den Umstand abgeschreckt, dass sie den Strand nicht mit kaufen und sperren dürfen. Ohne einen eigenen Strand nur für die Resort-Gäste konnten sie sich keinen wirtschaftlichen Betrieb vorstellen, denn in Kanada würde das nicht funktionieren.

So blieb eingangs erwähntes Konzept des Düreners Anno August Jagdfeld übrig. Nicht allein gemacht, sondern von Experten ausgearbeitet, allen voran der amerikanische Urbanisierungsexperte Robert A. M. Stern, der in den USA Experte in der Rekonstruktion und Erweiterung von Universitäten, Colleges, Schulen und Akademien ist, Rathäuser und Bibliotheken baut und für Walt Disney World Gebäude designte. Für jemanden, der für die Yale-University einen eigenen kleinen Studenten-Stadtteil konzipierte, sollte Heiligendamm kein Problem sein. Robert A. M. Stern erarbeitete eine Vision für Heiligendamm und deutsche Experten brüteten über den Deutschland-spezifischen Details. Daraus wurde dann der Masterplan für Heiligendamm.

 

Masterplan ist auf Heiligendamm zugeschnitten.

Dieser Masterplan ist auf Heiligendamm zugeschnitten: Das erste deutsche Seebad ist nicht mehr das, was die nach ihm entstandenen Bäder heute sind. Als künstlich angelegtes und einer Stadt vorgelagertes Seebad konnte Heiligendamm nicht organisch wachsen, wie es bei den aus Fischerdörfern und Hafenstädten entstandenen Seebädern der Fall ist. Als Privatbad des Adels und später Luxus-Bad war Heiligendamm auch stets nur auf eine einzige Gästeklientel zugeschnitten. Das änderten auch die beiden Diktaturen nicht: Im Deutschen Reich reichte die Zeit zwischen Umwandlung in KdF-Bad und Beschlagnahmung durch die Reichsmarine nicht, um Heiligendamm zu einem Seebad zu machen und in der Deutschen Demokratischen Republik spielte Tourismus in Heiligendamm eine eher untergeordnete Rolle, weil alles dem Sanatorium diente und es hier reichte, die Anforderungen an saubere Luft und sauberes Wasser zu erfüllen. Alles was hier neu entstand, war dem Betrieb des Sanatoriums gewidmet, vom Heizkraftwerk über die Gärtnerei bis hin zu den neuen Wohnhäusern für die Mitarbeiter und den Verkaufs- und Dienstleistungsstellen für deren täglichen Bedarf und der Kindergarten für ihre Kinder.

 

Das Seebad muss erst wieder geschaffen werden.

Außer dem Strand mit ein wenig Grundversorgung in Form von Imbissen und Cafés, Saunen und Duschen hatte Heiligendamm bis zum Bau der Seebrücke nichts, was die Grundzüge eines Seebades ausmachte. Boulevards mit Geschäften, Gaststätten und Cafés, einen Ortskern und lange Promenaden haben sich mangels Bedarf nie entwickelt und für die Doberaner als Badewanne reichte das, was da war.

So könnte Heiligendamm im neuen Deutschland natürlich nicht überleben. Kühlungsborn und Warnemünde würden rechts und links davon alles Wasser abgraben. Mit denen zu konkurrieren hieße aber, mindestens genauso gut sein zu müssen, wie sie. Wo aber sollen in Heiligendamm Boulevards mit Geschäften, Sport- und Spielplätze, Konzertgarten, Kino, Schwimmhalle und all die Dinge hin, die Kühlungsborn und Warnemünde ausmachen? Und würde es Sinn machen, in den bestehenden Gebäuden ein Hotel nach dem anderen zu machen oder gar neue zu bauen? Gegen alles Neue bildete sich gleich eine Front: Selbst die MEDIAN-Klinik durfte nicht da bauen wo sie wollte, weil dann Bäume hätten gefällt werden müssen. An eine Erweiterung Heiligendamms in die Wälder hinein war also nicht zu denken.

 

Der Platz reicht nicht für Massentourismus.

Man muss den Platz nutzen, der da ist und weil dieser Platz sehr begrenzt ist, muss das was man dort anbietet sehr kompakt und vielfältig sein. Ein Gebäude muss stets mehrere Funktionen haben und auf keinen Fall darf der geringe Platz mit 08/15-Angeboten verschwendet werden. Alles was in Heiligendamm entsteht muss zwingend einzigartig und so schnell nicht zu überbieten sein.

Warum? Ganz einfach: Kühlungsborn kann 10.000 Gäste auf sein ganzes Stadtgebiet verstreuen und vielfältig bedienen. 10.000 Gäste, die im Durchschnitt jeder fiktive 100 Euro in der Stadt lassen, lassen eine fiktive Million Euro dort. Wie soll Heiligendamm aber auf die fiktive Million kommen, die es auf Grund der geballten historischen Substanz in nur wenigen Händen – diesmal nicht fiktiv – umso nötiger braucht, da die Kosten nicht durch viele Zahlende geteilt werden können? Wer halb Heiligendamm betreibt, muss auch Gewinne machen dürfen, sonst droht dem ganzen Ort Stillstand.

10.000 Gäste nach Heiligendamm locken geht nicht. Schon die Hälfte brachte den Ortsteil 2003 und 2004 an den Rand des Abgrunds. Es passen allerhöchstens 1.000 Menschen in den Ort, womit er aber schon an seine Grenzen stößt.

Wie verdient man nun also mit nur 1.000 Gästen die Million?
Man sorgt dafür, dass sie nicht 100, sondern 1.000 Euro da lassen!

Klingt einfach, ist es aber nicht: Niemand ist bereit, für frische Luft und Meer, schicke Häuser und eine gute Bedienung 1.000 Euro zu bezahlen, wenn ringsherum tote Hose ist. Die Ostsee ist kein Garant für schönes Wetter und im Regen drin sitzen und fernsehen, kann man zuhause billiger haben. Luxus-Hotels gibt es einige, jedes strebt danach, ein Unikat zu sein und zu bleiben.

 

Wer 1.000 Euro von einem Gast haben will, muss ganz besonders sein und bleiben.

Hier kommen die Experten um Jagdfeld ins Spiel. Ihr Plan:

 

Punkt 1: Die Saison muss verlängert werden.
An knapp 100 warmen Tagen des Jahres kommen einfach zu wenig Gäste, um rentabel zu laufen. Ein Luxus-Hotel hat horrende Kosten, die nicht mit dem auch nur eines 4-Sterne-Hotels zu vergleichen sind. Man kann im Winter nicht weniger Wasser im Pool anbieten, das Buffet nicht kleiner machen, nicht einfach gastronomische Angebote streichen. Wenn der Gast das Gefühl hat, im Winter benachteiligt zu werden, dann will er im Sommer Urlaub machen. Da ist das Hotel dann voll ausgebucht und kann ihn nicht aufnehmen, während es im Winter schließen und die Mitarbeiter nach Hause schicken muss, weil kein Gast kommt. Ein klassisches Problem von Kleinvermietern.

Es gibt zwei Lösungsmöglichkeiten:

1. Mehr Zimmer schaffen und Personal einstellen, damit man im Sommer so viele Gäste aufnehmen kann, dass man im Winter schließen kann. Das macht qualifiziertes Personal aber nicht mit und ohne geht es in einem Luxushotel nicht.

2. Den Winter für die Gäste attraktiv machen und für eine ganzjährig gute Auslastung sorgen. Stichwort: Saisonverlängerung.

Wie verlängert man nun die Saison?
Ganz klassisch bietet man das an, was in der Nebensaison gefragt ist. Sonne und Strand kann man nicht bieten, ein im Winter attraktiver SPA-Bereich kann das aber kompensieren. SPA-Hotels laufen im Winter gut und im Sommer schlecht, denn im Sommer liegen die Leute am Strand. Bietet man nun echtes Thalasso und kultiviert das Baden im Meerwasser – lässt man also nicht nur das Becken voll Meerwasserlaufen, sondern bietet eine ganze Meerwasser-Landschaft mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in einem besonderen Haus, wie einem römischen Thalasso-Tempel am Meer, dann hat man etwas ganz Besonderes. Der Masterplan sieht dies an der Seedeichstraße vor.

Das allein reicht aber nicht: Nebensaison ist Ballsaison und wer einen Ballsaal zu bieten hat – am besten einen Ballsaal am Meer – der ist attraktiv für diese Klientel, die natürlich im Grand Hotel übernachtet.

Nebensaison ist für viele Unternehmen auch Konferenzsaison. Die Geschäftsjahre beginnen und enden im Winter und da finden dann auch die Konferenzen statt. Konferenzen am Meer gab es bis zum Bau der Yachthafenresidenz in der Umgebung noch nicht. Kultiviert man auch dies, bietet man Konferenzen im Freien unter blauen Himmel mit Meeres- und Waldluft an und hat eine Besonderheit. Der Masterplan sieht am Fürstenhof so ein Konferenzzentrum vor.

In der Nebensaison brummt auch das Geschäft mit der Gesundheit. Nicht nur, dass man im Herbst schnell mal krank wird – man will angesichts der vielen Kranken gesund bleiben. Viele Leute haben erst im Winter die nötige Zeit für einen Gesundheitskurlaub. Die klassische Kur ist out, denn sie erinnert an Krankenhaus. Der Gast von heute macht Urlaub im Gesundheitshotel.

Wellness und Fitness sind die einen Komponenten dieser Hotels – die bieten das Grand Hotel und das Thalasso-Zentrum an. Die anderen Komponenten sind Yoga und Ayurveda, also die ganzheitliche Behandlung bestehender und die Vorbeugung neuer Krankheiten oder einfach Unstimmigkeiten. Es gehgt gar nicht immer um das Kranksein, es geht um Selbstfindung, Entspannung und inneres Gleichgewicht. Im Masterplan findet sich dafür ein indischer Ayurveda-Tempel und davor eine Schönheitsklinik, um auch diese Nische des Bedarfs abzudecken.

Die Saisonverlängerung würde mit den Angeboten Ballsaal, Konferenzzentrum, Thalasso-Zentrum und Ayurveda-Zentrum plus Schönheitsklinik gelingen – das bestätigen die Experten. Mit jedem Jahr das verstreicht, entstehen aber in der Region solche Angebote und machen es Heiligendamm damit schwerer, mitzuhalten. Für Konferenzen am Meer reicht das Konzept von 1997 bereits nicht mehr, da müssten schon „Konferenzen auf dem Meer“ her, um besonders zu sein.

 

Punkt 2: Die Gästezahl muss erhöht werden.
Die beiden ersten Punkte schließen sich gegenseitig nicht aus. Man kann sie nicht nacheinander angehen: Die hochwertigen Angebote können nicht einfach gebaut werden, ohne dass die nötige Kundschaft da ist, zugleich kann man aber ohne die Angebote keine Kunden anlocken. Angebot und Unterkunft müssen also Hand in Hand geschaffen werden. Die Gästezahl zu erhöhen geht in Heiligendamm nur, wenn auch mehr Betten geboten werden. Nun kann man nicht einfach mehr Betten in die Hotelzimmer bauen und die historischen Gebäude auch nicht vergrößern. Der Ursprungsplan war, die Perlenkette auch dem Grand Hotel zuzuordnen und zusätzlich einen Apartment-Komplex hinter dem Ensemble bis zum Bahnhof und bei Bedarf einen zweiten dahinter zu bauen. Durch die Vermietung dieser Apartments würden mehr Gäste Platz in Heiligendamm finden und zugleich würde man damit Kühlungsborn und Warnemünde das dort oberste Segment abschöpfen können. Das Mehr an Gäste würde den Betrieb der in Punkt eins genannten Angebote erst rentabel machen. Ohne Apartmentkomplex also keine Tempel und ohne Tempel kein Apartmentkomplex, da keine Gäste.

 

Punkt 3: Es müssen dauernd genug Gäste da sein.
Das gehört eigentlich noch zu Punkt 2 und auch fast schon zu Punkt 4, verdient aber einen eigenen Punkt. Es nützt noch immer nichts, dass mehr Gäste kommen, wenn sich ihre Verweildauer doch wieder nur auf 100-200 Tage im Jahr beschränkt. Man kann ein Luxus-Hotel nicht einfach zwei Monate im Jahr dicht machen und man kann es auch aus oben erwähnten Gründen nicht in der Nebensaison auf Sparflamme betreiben. Es müssen immer genug Gäste da sein. In einer Stadt kein so großes Problem, in Heiligendamm jedoch schon. Die Experten fanden auch hier eine Lösung, auf die ein Laie niemals kommen würde: Wo keine Stadt ist, muss eine her. Die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm erwarb zusammen mit dem Ensemble 100 Hektar Ackerland mit der Option, es in Bauland umwandeln und parzelliert verkaufen zu dürfen. Etwa 300 Grundstücke sollen in einer vorerst letzten Entwicklungsstufe Heiligendamms an private Käufer verkauft werden, die dann im Rahmen eines Bebauungsplanes und einer Gestaltungssatzung entweder selbst oder durch Auftrag an die ECH ihre Häuser auf dem Baufeld zwischen Heiligendamm und Vorder Bollhagen bauen sollen.

Ein Villenviertel für Wohlhabende und Besserverdiener, die dort ganzjährig wohnen dürfen, soll für eine dauerhaft ausreichende Auslastung sorgen. Dreihundert neue und zahlungskräftige Einwohner würden die Angebote erst rentabel machen. Viele würden ihre Villa als Zweitwohnsitz nutzen, für einige wäre sie aber auch als Erstwohnsitz steuerlich interessant. Sie würden hier nicht nur Steuern zahlen und einkaufen gehen, sondern natürlich die Angebote des Grand Hotels nutzen. In der Hauptsaison ist es ihnen vielleicht eher zu voll, während sie im Winter unter sich sind, in entspannter Atmosphäre speisen können, von nicht so unter Stress stehenden Angestellten bedient werden und mit etwas Glück den Pool für sich haben. Wenn nur fünfzig Leute am Tag regelmäßig die Angebote nutzen, arbeiten sie kostendeckend – wenn 100 kommen, sogar mit Gewinn. Mehr Gäste länger in Heiligendamm halten – das ist die Lösung.

Nun könnte man meinen, es gäbe doch die etwa 11.000 Bad Doberaner, die im Winter die Bäder und Gaststätten füllen können. Ja, die gibt es. Aber nur die wenigsten sind bereit und in der Lage, mal eben 200 Euro für einen schönen Tag in Heiligendamm auszugeben. Darum macht es Sinn, sich die Leute direkt und dauerhaft nach Heiligendamm zu holen, die das auch wirklich können. Trotzdem kann jeder Einheimische diese Angebote nutzen, wenn er es will und bezahlen kann. Wenn nicht, dann nicht – so war es auch schon unter den Herzögen und so ist es schließlich überall in jeder Gaststätte und jedem Geschäft. Wer sich das teure Kleidungsstück nicht leisten kann, der kauft es nicht, sondern geht zu KIK. Angebot und Nachfrage. Marktwirtschaft. Neue Wirklichkeit.

 

Punkt 4: Bedürfnisse der Zielgruppe befriedigen.
Jeder Gast hat seine Interessen und wählt danach seinen Urlaubsort aus. Der Badegast liebt vielleicht Graal-Müritz, der an Kultur interessierte vielleicht lieber Stralsund. Wer es beschaulich mag, fährt auf den Darß, wer so richtig was erleben will, nach Warnemünde und wer gern bummelt, wird sich in Kühlungsborn wohl fühlen. Was aber will der Gast, der eigentlich schon alles hat, mit seinem Rolls Royce oder Porsche vor fährt und die Turmsuite bucht?

Ganz sicher will er nicht „erst mal zu Penny“, sondern sucht Gucci und Chanel. Das muss Heiligendamm bieten und darum – Stichwort Multifunktionalität – soll das Erdgeschoss des Apartmentkomplexes in Ergänzung zu den gegenüber liegenden Angeboten im Straßenteil der Orangerie eine Bummelmeile bieten. Natürlich würde man hier auch an den Tagesgästen verdienen wollen und ihnen das eine oder andere bieten, hauptsächlich muss aber auf dem ohnehin begrenzten Raum etwas für die gut betuchten Gäste her, die schließlich auch bummeln und Geld ausgeben wollen und gar keinen Grund haben sollen, das in Kühlungsborn oder Warnemünde zu tun. Jagdfelds Wunsch war, dass die Bad Doberaner selbst die Chance erkennen und hochwertige Angebote machen. Einige sind darauf eingegangen, insgesamt hat sich aber Heiligendamm wegen der Differenzen zwischen Stadt und Investor noch nicht so entwickelt, dass es sich für die Händler lohnt.

Dass sich das Gespann Bad Doberan – Heiligendamm zu einer Shopping-Destination der High Socitey entwickelt, ist nicht sehr wahrscheinlich und lag auch zu keiner Zeit in den Händen Jagdfelds. Die von ihm beauftragten Experten sahen darum zwei andere Interessengebiete, die sich in Heiligendamm besser abdecken lassen, als Shopping.

Die Rede ist von Golf und Pferden – eines von beiden mag fast jeder aus der Zielgruppe. Für Golf sollte gleich zweierlei gesorgt werden: Zum einen mit einem Golfplatz direkt im Villenviertel von Heiligendamm, damit es sich rentiert mit angeschlossenem Hotel. Zum anderen durch das Golfresort Wittenbeck, das im High-End-Bereich angesiedelt und turniertauglich ist, denn mit dieses Events lassen sich Gäste anziehen. Das Golf Resort Wittenbeck (GRW) konnte Jagdfeld realisieren, für das Basisangebot vor Ort besteht kein Bedarf, solange das Villenviertel nicht entstanden ist.

Das Thema „Pferde“ wurde mit dem Aufbau des Biolandgutes Vorder Bollhagen (GVB) angegangen. Das Biolandgut erfüllt gleich zwei Funktionen, denn es bietet zum einen zertifizierte hochwertige Bio-Rohstoffe für die gastronomischen Angebote im Grand Hotel. Eine gesundheitsbewusste Ernährung auf biologischer Basis ist ein Muss für ein Luxus-Hotel und wer mit einem quasi eigenen Biolandgut direkt vor der Tür punkten kann, ist besonders.

Zugleich ist aber geplant, das Gut Vorder Bollhagen nach dem Vorbild von Prinz Charles zu einem erlebbaren Gut mit Gutshotel, Gutsladen usw. zu machen. Außerdem soll hier Pferdezucht speziell für die Doberaner Rennbahn betrieben werden, was für diese sehr wichtig ist, denn eine Rennbahn braucht für die internationale Anerkennung auch ein international anerkanntes Gestüt. Mit eben den Kontakten zum britischen Thronfolger wäre Jagdfeld dies mehr möglich, als jedem anderen Gestüt in der Nähe. Als Alternative kämen dann nur ferne Rennstätte in Frage, wie z.B. eine Kooperation mit Hoppegarten, wo Bad Doberan jedoch immer die zweite Geige spielen würde. Inzwischen plant der Rennverein zur Rettung der Rennbahn etwas eigenes und das Gut konzentriert sich eher auf Landwirtschaft, als auf Pferdezucht.

Nebenbei ist das Gestüt aber auch Unterstell- und Versorgungsmöglichkeit mitgebrachter Pferde der Gäste des Grand Hotels. Wo kann man schon mit dem eigenen Pferd in den Luxus-Urlaub reisen und nach einem Ritt durch die reizvolle Landschaft mit ihm am Strand verweilen?

 

Punkt 5: Das Gesamtpaket muss stimmen.
Nichts ist schlimmer, als im Urlaub auf Ecken und Kanten zu stoßen und sich darüber zu ärgern. Der Gast will sich wohl fühlen und will, dass alles reibungslos läuft. Wo es viele unterschiedliche Anbieter gibt, ist das nicht immer einfach. Im obersten Segment hat es sich bewährt, dem Gast eine eigene kleine Welt zu bieten, in der er alles aus einer Hand bekommt und alles aus einem Guss ist.

Resorts sind im Kommen – die Center Parks sind erst der Anfang, auch um uns herum entstehen ständig neue Resorts. Gut Linstow ist bekannt und beliebt, aber auch an der Ostsee entstehen Resort-Hotels und Ferien-Resorts. Börgerende sollte mit dem „Maritim-touristischen Zentrum“ so eines bekommen, jetzt wo das versprochene Hotel in der Mitte aber nur ein Fake ist, wird es kein Resort geben. Das ist am Rande eine Chance für Heiligendamm, denn da die vielen Gäste in Börgerende kaum Angebote finden, wäre eine Schaffung dieser in Heiligendamm naheliegend.

Heiligendamm sollte auch ein Resort werden und die neuen Eigentümer tragen erstmals diesen Begriff auch direkt im Namen. Im Ausland entstehen Resorts oft in der touristischen Pampa abseits der Städte in einer Umgebung, in der es von billigen Arbeitskräften nur so wimmelt. Die Resorts sind Oasen in der Wüste. Das war in Heiligendamm nicht geplant. Zwar sind die Arbeitskräfte hier günstig, aber ein in sich geschlossenes Resort ist in Heiligendamm nicht möglich, da sich kein zusammenhängendes Grundstück realisieren lässt. Im Moment ist Heiligendamm eher die Wüste in einer Oase und genau das soll der Masterplan ändern.

Die Jagdfeld-Gruppe hat mehrere Unternehmen gegründet, die unter ihrem Dach das Resort entwickeln. Die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG (ECH) ist für das Konzept und die Umsetzung zuständig, kauft die Grundstücke, saniert die Häuser und errichtet die Gebäude für die neuen Angebote. Sie wurde 2011 noch einmal geteilt, um das Grundstücksgeschäft und das Sanierungsgeschäft einzeln betreiben zu können. Die Firma AMJ Design GmbH  von Anne Maria Jagdfeld ist für das Interieur zuständig und ihre Departmentstore Quartier 206GmbH & Co. KG stellte bis 2012 in der Orangerie die exklusiven Einkaufsmöglichkeiten zur Verfügung. Das Grand Hotel war eine eigene Gesellschaft (FUNDUS Fonds 34 Grand Hotel Heiligendamm KG) und nach dem Ausstieg der Kempinski-Gruppe gründete sich auch für den Betrieb des Hotels eine eigene Gesellschaft unter dem Dach der Jagdfeld-Gruppe, die Grand Hotel Heiligendamm GmbH & Co. KG. Das Golf Resort Wittenbeck GmbH & Co KG (GHW) ist eigenständiges Unternehmen und für die Entwicklung des Resorts gibt es eine eigene EntwicklungsCompagnie Wittenbeck GmbH & Co. KG (ECWB). Auch das Gut Vorder Bollhagen GmbH & Co. KG (GVB) ist eine eigene Gesellschaft. Die Positionen sind mehrfach durch immer dieselben Personen besetzt: Heiner Zimmermann ist einer der Geschäftsführer der ECH, aber auch der GHW, der ECWB und der ECW (Wustrow). Für das Thalasso-Zentrum existiert bereits die Thalasso Heiligendamm GmbH mit Benedict Jagdfeld als Geschäftsführer und für das Ayurveda-Zentrum  die Ayurveda Heiligendamm GmbH mit Jonathan Jagdfeld als Geschäftsführer. Für den Betrieb der Perlenkette gibt es die Hotel Residenz Heiligendamm GmbH mit Nikolaus Jagdfeld als Geschäftsführer. Außer über seine Söhne hat Anno August Jagdfeld immer über die stille Beteiligung (& Co.) die Fäden in der Hand. Die Vorteile: Alles kommt aus einer Familie und wenn ein Unternehmen pleitegeht, zieht es nicht das Gesamtprojekt mit hinein. Stichwort: Risikostreuung. Wichtig ist natürlich, dass dort, wo alle Fäden zusammen laufen, fähige Leute arbeiten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gesamtpaket Erfolg und Heiligendamm wird zum Leuchtturmprojekt des Landes.

Nachdem das Grand Hotel Insolvenz anmelden musste und verkauft wurde, ist das Gesamtkonzept so nicht mehr umsetzbar. Die nun zwei Eigentümer halb Heiligendamms müssen zueinander finden und die heute noch richtigen Grundzüge in einem Joint Venture umsetzen – unter Einbeziehung der Median-Klinik und mit Abwägung der wirtschaftlichen Notwendigkeiten und der Interessen der Gastgeber und Einwohner. Gemeinsam kann das Gesamtkonzept funktionieren. Gegeneinander oder nur in Teilen umgesetzt funktioniert es nicht und Heiligendamm bleibt Schlusslicht.  

 

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