Hannelore Elsner: In Heiligendamm holte sie „Das Blaue vom Himmel“
Der deutsche Film verliert eine große Gestalt: Die Schauspielerin Hannelore Elsner ist tot. Mit Heiligendamm verband sie Besuche, Lesungen im Grand Hotel, aber auch Arbeit: Der Film „Das Blaue vom Himmel“ entstand in großen Teilen im Alexandrinencottage im ersten deutschen Seebad.
Im März und April 2010 wurde Heiligendamm zum Drehort für eine internationale Filmproduktion. Unter der Regie von Hans Steinbichler entstanden die Szenen für „Das Blaue vom Himmel“ mit Hannelore Elsner und Karoline Herfurth als Marga Baumanis, Juliane Köhler als Sofia Schleier, Niklas Kohrt als Juris Baumanis, Davis Kross und Rüdiger Vogler als Osvaldis Kalnins und Dace Eversa, Juta Vanaga als Ieva Lepere und Fritzi Haberland als Ruta Bertulis.
Das Drehbuch für das Drama schrieben Josephin und Robert Thayenthal. Produziert wurde der Film von der die film gmbh aus München vom Produzenten Dieter Ulrich (Uli) Aselmann. Die Musik kommt von Niki Reiser und die Kamera von Bella Halben.
Die Handlung:
Sofia und ihr Mann leben in Berlin; Sofias Mutter Marga lebt in einem Seniorenheim in Bonn. Gerade als Sofia einen Beitrag über die aktuellen Ereignisse während der Singenden Revolution in Lettland für den SFB produziert, erreicht sie ein Anruf, dass ihre Mutter in die Psychiatrie in Wuppertal eingewiesen wurde. Sie erfährt, dass Marga mit einem Taxi zu ihrem ehemaligen Wohnhaus in Wuppertal gefahren, dort eingedrungen ist und Porzellan zerschlagen hat. Sofia unterbricht ihre Arbeit und fährt am nächsten Morgen nach Wuppertal.
Im Krankenhaus ist sie zunächst verwundert, weil ihre Mutter am Bett fixiert ist. Sie muss erkennen, dass ihre Mutter an Demenz erkrankt und aggressiv ist, auch ihre Tochter erkennt sie nicht mehr. Sofia nimmt ihre Mutter aus dem Krankenhaus mit und fährt mit ihr zu ihrem ehemaligen Elternhaus. Die Eigentümerin überreicht ihr ein kleines Fotoalbum, das Aktfotos einer jungen Frau, die Sofia für ihre Mutter hält, und Sofias Vater Juris als jungen Mann zeigt. Dieses Buch hatte der Eigentümer auf dem Speicher des alten Hauses bei Renovierungsarbeiten gefunden.
Mit den Fotos konfrontiert, schreit Marga und bricht in Tränen aus. Im Laufe der Zeit wird immer deutlicher, dass sich bei Marga Ängste und eine tiefe Sehnsucht nach ihrem seit Jahren verstorbenen Mann Juris offenbaren. Immer mehr verliert sie sich in der Vergangenheit und verlangt plötzlich wie ein Kind nach Zärtlichkeit. Sofia hatte über einen langen Zeitraum kaum Kontakt zu ihrer Mutter und fühlt sich in der Situation überfordert, sich um ihre Mutter kümmern zu müssen.
Als Sofia mit Marga in Berlin eintrifft, entdeckt sie in der Tasche der Mutter Fotos aus Margas Vergangenheit in Lettland. Ihre Mutter hatte immer behauptet, es gäbe keine Fotos aus dieser Zeit. Am darauffolgenden Tag hat ihre Mutter alle Fotos zerrissen. Sofia reist gegen den Willen ihres Mannes, der sich Sorgen wegen der Unruhen in Riga macht, mit ihrer Mutter nach Lettland. Sie will den Ort näher kennen lernen, wo Marga als Deutschbaltin aufgewachsen ist und ihren Mann Juris geheiratet hat.
Sie fahren nach Jurmala zu Osvalds, mit dem zusammen Juris ein Fotoatelier betrieben hatte. Diesen erkennt Marga, obwohl sie ihn seit rund 50 Jahren nicht mehr gesehen hat. Von ihm erfährt Sofia die Wahrheit über Margas und ihre eigene Vergangenheit, die der Zuschauer nach und nach in den Rückblenden erfährt: Juris war zwar mit Marga verheiratet, aber in Ieva, eine lettische Frau, verliebt. Mit ihr hatte er ein Verhältnis; sie ist die Frau auf den alten Aktfotos.
Als Marga seinerzeit vor den anrückenden russischen Truppen nach Deutschland fliehen wollte, fanden Möbelpacker beim Ausräumen des Hauses das Fotoalbum; so kam sie hinter die heimliche Liebschaft. Da Juris im letzten Moment aus dem Zug nach Deutschland ausstieg, blieb auch Marga in Lettland. Während Juris dann bei Ieva wohnte, zog Marga zu Osvalds. Sie war zutiefst verletzt und wollte sich an Ieva rächen. Dazu verschaffte sie sich einige Flugblätter, die Osvalds heimlich gedruckt hatte, um damit zum Widerstand gegen die russischen Truppen aufzurufen. Marga versteckte die Flugblätter in Gardinen und brachte sie zu Ieva in deren elterliche Wäscherei.
Anschließend denunzierte sie Ieva bei den russischen Besatzungstruppen, woraufhin Ieva und ihre Mutter nach Sibirien in ein Gulag deportiert wurden. Marga wollte zuschauen, wie Ieva in einem Zug abtransportiert wurde. Aus Angst, dabei von Soldaten entdeckt zu werden, legte sie sich in letzter Sekunde unter den abfahrenden Zug und musste die Schreie der Gefangenen mit anhören.
Sofia erfährt von Osvalds auch, dass Ieva und nicht Marga ihre Mutter ist. Juris kehrte nach Ievas Deportation mit seiner Tochter zu Marga zurück, die Sofia als ihr eigenes Kind annahm. Es gelang ihr aber nicht, mütterliche Gefühle für Sofia zu entwickeln, sie versuchte anfangs sogar, das Kleinkind umzubringen, indem sie es nackt ans offene Fenster legte.
Sofia und Osvalds finden Marga leicht bekleidet bei tiefen Außentemperaturen unter einem Lkw vor Osvalds Haus. Sie liegt verwirrt unter dem Lkw wie seinerzeit unter dem Zug, der Ieva abtransportierte. Sofia gelingt es, Ieva in Riga aufzuspüren, nachdem Osvalds ihr erzählt hat, dass Ieva nach zwölf Jahren Gefangenschaft wieder nach Riga zurückgekehrt ist und dort heute noch lebt. Verwirrt über die unerwartete Begegnung mit der totgeglaubten Sofia läuft Ieva davon.
Durch die Unruhen im Land kann Osvalds keinen Arzt rufen und so verschlechtert sich der Zustand Margas von Stunde zu Stunde. Kurz bevor Marga stirbt, besucht Ieva sie. Nachdem Marga ihr gesagt hat, dass Juris sie, Ieva, geliebt habe, verlässt sie wortlos den Raum.
Als Sofia ihr nach Margas Tod folgt, findet sie Ieva am Strand. Dort zeigt Sofia ihr ein Foto ihres Sohnes und macht Ieva deutlich, dass dies ihr Enkel sei. Ieva lächelt leise und die beiden schauen gemeinsam hinaus aufs Meer.
(Quelle: Wikipedia)
Am 2. Juni 2011 kann „Das Blaue vom Himmel“ schließlich in die Kinos. Der Film wurde mit dem Bayrischen Filmpreis 2010 ausgezeichnet und Uli Aselmann bekam den Produzentenpreis. FBW 2011 erteilte das Prädikat „wertvoll“ und das IFF in Locarno zeichnete die Filmmusik aus.
Hannelore Elsner wirkte nach diesem Film noch in 26 weiteren Filmen mit. Insgesamt spielte sie seit 1959 in über 220 Fernsehproduktionen und Filmen mit. Am 21. April 2019 verstarb sie im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Sie stand bis zuletzt vor der Kamera, konnte aber die Produktion von „Lang lebe die Königin“ nicht mehr vollenden. In dem Film spielte sie eine sterbenskranke Moderatorin.
Der Drehort: Das Alexandrinencottage
Zwar spielen die Szenen in Riga, aber das schöne Haus an der Ostsee, um das es im Film geht, steht in Heiligendamm. Es handelt sich um das Alexandrinencottage, 1839/40 im Auftrag von Großherzog Paul Friedrich für seine Frau Alexandrine von Preußen gebaut und von ihr bis ans Lebensende 1892 bewohnt. Ursprünglich war das von Georg Adolf Demmler geplante Gebäude weitaus einfacher. Der Turm an der Westseite wurde durch die Nachkommen des Regentenpaares anbauen lassen.
Das schöne Cottage befindet sich im Besitz der EntwicklungsCompagnie Heiligendamm, dem in Heiligendamm tätigen Unternehmen von Investor Anno August Jagdfeld. Das Gebäude ist noch nicht saniert – für die Dreharbeiten wurden die Fassaden repariert und gestrichen und im Innenraum wurde mit mobiler Ausstattung gearbeitet.
Außer für „Das Blaue vom Himmel“ diente das Cottage auch als Filmkulisse für den Film „Zwei Millionen suchen einen Vater“. Die Band „Rammstein“ mietete das Alexandrinen-Cottage 1999 für die Vorproduktion des Albums „Mutter“.
Heiligendamm selbst ist für viele Filme und Dokumentationen Drehort (siehe auch: Welche Filme wurden in Bad Doberan-Heiligendamm gedreht?) und bei den Filmscouts sehr gefragt. Ansprechpartner ist FilmLand MV. Dessen Projektleiterin sagt zu Heiligendamm:
„Heiligendamm ist ein idealer Drehort. Die Kulisse kombiniert die einzigartige Bäderarchitektur an der Ostsee mit der eindrucksvollen Natur an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns.“, sagt Antje Naß, Projektleiterin der FilmlocationMV, einem Projekt unter dem Dach der FilmLand M-V gGmbH, bei der Besichtigung des Drehortes in Heiligendamm.
Bild: Hannelore Elsner bei der Verleihung des Hessischen Filmpreises 2012, Quelle: Wikipedia