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Arbeiten für Kur- und Heilwald in Bad Doberan begonnen

Schwere Lastwagen fahren an der L13 in das Quellholz hinein und kommen wieder heraus. Sie haben Sand geladen – für neue Wege im uralten Wald. Wo in der Bronzezeit Verstorbene ihre letzte Ruhe in imposanten Hügelgräbern fanden, sollen in Kürze Reha-und Krankenhaus-Patienten und Gesundheitstouristen Vitalität und Entspannung finden. Die große Baustellentafel verkündet:

Hier entsteht ein Kur- und Heilwald. Doch was ist das überhaupt?

Ein Kurwald hat eine eher allgemeine Erholungsfunktion mit gesundheitsfördernden Angeboten. Er ist auf Maßnahmen der Sekundärprävention für Kurgäste und Reha-Patienten ausgerichtet, wie zum Beispiel therapeutisches Wandern oder thematische Terrainkuren.

Kurparks oder auch Kurwälder sind meistens ein Kriterium zur Anerkennung als Kurort. Darum wurde 2009 in Heiligendamm ein Teil des Großen Wohld zum Kurwald umgewandelt und per eigens geschaffener Verordnung anerkannt. Das war ein Novum im Land und sicherte dem ältesten deutschen Seebad das Fortbestehen der Anerkennung als Ostseeheilbad.

Heiligendamm wurde erst 1938 in Bad Doberan eingemeindet, sodass Prädikate nur für den Ortsteil galten. Bad Doberan selbst ist seit 1921 anerkanntes Heilbad und trägt deshalb den Titel „Bad“. Grundlage war der gerade erfolgte Ausbau des Stahlbades, das seit 1945 „Moorbad“ hieß, weil seitdem Badetorf – also Moor – als Heilmittel verwendet wird. Aber den neusten Anforderungen wurde die Stadt nicht richtig gerecht, weil eben ein Kurpark oder Kurwald fehlte.

Zwar wurde anerkannt, dass mit dem Kamp und dem Klostergelände in Bad Doberan verhältnismäßig viel Parkfläche existiert, aber Gesetz ist Gesetz und Verordnung Verordnung und außerdem fehlt bei öffentlichen Parks die Orientierung an den Kur- oder Heilbedürfnissen. Einfach gesagt: Ohne festgelegte Kurwege sind die natürlichen Kurmittel, wie Luft und Wasser nicht wie vorgesehen nutzbar.

Also bemühte man sich viele Jahre um die Schaffung eines Kurparks in Bad Doberan – am liebsten auf der Wiese zwischen dem alten Moorbad (Stahlbad) und dem Alexandrinenplatz. Der Prozess kam nicht über Ideen und Entwürfe hinaus.

 

Kur- und Heilwald entsteht zwischen Reha-Klinik und Krankenhaus

Seit 1996 gibt es das alte Moorbad als Kureinrichtung nicht mehr, aber als direkter Nachfolger hat die gleichnamige Dr.-Ebel-Klinik die Kompetenzen übernommen. Es war naheliegend, um sie herum einen Kurpark zu schaffen, aber da dort nur Wald existiert und man den nicht einfach abholzen kann und darf, war das keine echte Option. Mit der Kurwaldverordnung wurden neue Möglichkeiten geschaffen, die auch dort funktionieren können.

Aber Bad Doberan ist ja vorrangig ein staatlich anerkanntes Heilbad und da reicht kein einfacher Kurwald, sondern braucht es einen Heilwald. Kuren und Heilen sind nun einmal zwei unterschiedliche Dinge: Kur ist vorher, Heilen nachher. Heute fahren mehr Menschen zur Rehabilitation als zur klassischen Kur. Zwar überschneiden sich viele Bedürfnisse, aber in der Ausführung macht es einen Unterschied, ob jemand zum Beispiel gut zu Fuß oder auf Gehhilfen angewiesen ist.

Beim Heilwald soll die konkrete Heilwirkung auf den Menschen im Mittelpunkt stehen. Er kann als ein Behandlungsraum in der Natur verstanden werden.

Heilwälder gibt es in Mecklenburg-Vorpommern nach Angaben des Bäderverbandes MV  bereits in Klink rund um die Müritz-Klinik, in Waren (Müritz) im Waldgebiet Nesselberg und in Plau am See. In Heringsdorf gibt es seit 2021 den ersten Kinderheilwald.

In Bad Doberan entsteht nun also beides in einem: Ein Kur- und Heilwald. So etwas gibt es bisher nur in Heringsdorf auf der Insel Usedom. Bad Doberan hat dann also den ersten Kur- und Heilwald im Binnenland.

 

Umweltministerium fördert Kur- und Heilwald

Die Wege im Wald werden naturnah und einfach zu gehen sein. Der Weg dahin war allerdings nicht so einfach, denn es mangelte mal am Geld, mal an Details und manchmal auch am politischen Willen, Geld in einen Wald zu investieren. Umweltminister Dr. Till Backhaus übergab im März 2017 einen Förderbescheid in Höhe von 281.000 Euro

„Wälder tragen mit ihrem Sauerstoffreichtum erheblich zur sauberen Luft bei und haben die Menschen zu allen Zeiten zur Erholung und Entspannung eingeladen. Die staatliche anerkannten Kur- und Erholungsorte verfügen mit 72.000 Hektar über besonders viel Wald. Dieses hohe natürliche Potential sollte stärker als bisher für die Gesundheitsvorsorge, für Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen erschlossen werden. Deshalb bieten wir in Mecklenburg-Vorpommern seit 2013 die Möglichkeit, ein Waldgebiet für eine gesundheitsorientierte Vorrangnutzung als Kur- bzw. Heilwald zu widmen. Das ist in Deutschland einzigartig“, so der Minister.

 

Viele Beteiligte und viele Interessen

Am Geld sollte es nun also nicht mehr liegen. Doch es gibt in Bad Doberan verschiedene Aspekte, aus denen sich auch verschiedene Interessen ergeben. Kurklinik und Krankenhaus haben recht ähnliche Interessen, Tourismus ist mit diesen durchaus kompatibel. Forstwirtschaft hingegen nur bis zu dem Punkt, an dem die Bewirtschaftung des Waldes gestört wird.

„Mit einer möglichen Verbindung der Waldbereiche nördlich und südlich der Bahnlinie kann außerdem eine übergeordnete Verbindung zur Innenstadt geschaffen und das Stadtleben für den nichtmotorisierten Verkehr spürbar aufgewertet werden.“ hieß es damals. Auch hier gibt es ein Interesse zu beachten, denn diese Idee überquert eine Bahntrasse. Hier ist auch noch nicht das letzte Wort gesprochen.

 

Umfangreiche Maßnahmen angedacht

Zu dem Projekt wurde ein umfangreicher Maßnahmenkatalog erarbeitet. Unter anderem soll das vorhandene Wegesystem im Quellholz erweitert und nach Möglichkeit barrierefrei gestaltet werden, vorhandene Aussichtspunktesollen integriert und ausgebaut werden, auch sollen attraktive Einzelbäume hervorgehoben und beschildert werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, vorhandene Hügelgräber durch Beschilderung und Möblierung zu akzentuieren – und auch die Realisierung eines Waldlehrpfades ist angedacht.

„Ich denke, hier in Bad Doberan leisten wir einen guten Beitrag, um den Wald in seiner Erholungsfunktion weiter auszubauen. Schließlich erhöht das auch die Lebensqualität der Bewohner, macht die Region noch attraktiver für Touristen und stärkt das mit auch langfristig den ländlichen Raum in Mecklenburg-Vorpommern“, sagte der Minister.

Inzwischen ist auch die Stadtvertretung dieser Ansicht und führte 2022 in einer Beschlussvorlage aus:

Der Heilwald Bad Doberan bietet neben der Steigerung des Images der Stadt ein nachhaltiges Freizeitangebot für die einheimische Bevölkerung. Im Tourismuskonzept der Stadt Bad Doberan vom 02.05.2018 wurde der Heilwald im Masterprojekt M4 thematisiert. Ziel muss es sein, mit Hilfe der Entwicklung und Ausweisung des Heilwaldes den Status des Heilbades Bad Doberan zu stärken und langfristig zu sichern.

Partizipieren werden mit Sicherheit auch die Kurgäste des Seeheilbades Heiligendamm. Dazu ist es zwingend erforderlich, den Heilwald baulich umzusetzen, die Öffentlichkeit über die Ausgestaltung zu informieren und „Programme“ zur Nutzung mit den Kurkliniken zu entwickeln.

 

Kur- und Heilwald im Dienste der Wissenschaft

Der Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. will mit seinem Programm „Kur- und Heilwald – eine nachhaltige Chance zur Angebotserweiterung“ das bisherige Alleinstellungsmerkmal „Kur- und Heilwald“ für den Gesundheitstourismus im Land stärken und vermarkten. Dabei wird unter anderem eine wissenschaftliche Evaluation der Wirksamkeit des Waldes auf Wohlbefinden und Gesundheit sowie die Entwicklung wissenschaftlicher Evaluationskriterien im Hinblick auf die Qualitätssicherung untersucht, die Entwicklung eines Weiterbildungsangebotes zum Waldtherapeuten begleitet.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg (Arbeitsbereich Sport und Bewegungsmedizin) werden bedarfs- und zielgruppengerechte Programme für verschiedene Kur- und Heilwälder entwickelt und mit den Krankenkassen zur Übernahme der Waldtherapie als Präventions- und Rehabilitationsleistung verhandelt. Die Gesamtkosten des Projektes betragen knapp 255.000 Euro. Das Wirtschaftsministerium unterstützt aus Mitteln des „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE) in Höhe von rund 230.000 Euro.

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. (SDW) mit Sitz in Güstrow, will unter Beteiligung der Universität Rostock eine modulare Fortbildungsqualifizierung zum „Waldtherapeuten“ in Mecklenburg-Vorpommern etablieren. Die Qualifizierung wird themenspezifisch anhand von Modulen angeboten. Derzeit durchlaufen 24 Teilnehmer in der Projektphase alle Module. Im Ergebnis soll im Juni 2020 ein anwendungsbereiter und marktfähiger Weiterbildungsgang zur Verfügung stehen. Die Gesamtkosten betragen rund 398.000 Euro; das Gesundheitsministerium unterstützt das Vorhaben zu einhundert Prozent aus Mitteln des „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE).

 

Informationen zu Kur- und Heilwäldern

Die Idee für Kur- und Heilwälder ist auf der 8. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft 2012 durch Professor Horst Klinkmann thematisiert worden und mit Unterstützung der BioCon Valley GmbH entwickelt worden. Der Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. hat ein umfassendes Konzept für die Nutzung von Kur- und Heilwäldern im Land erarbeitet und setzt dieses im Land unter anderem mit der Landesforstanstalt und weiteren staatlich anerkannten Kur- und Erholungsorten weiter um.

Nach der Ausweisung des ersten europäischen Kur- und Heilwaldes im Ostseebad Heringsdorf im Jahr 2016 befindet sich der Kurwald im Ostseeheilbad Graal-Müritz im Ausweisungsverfahren. In Plau am See, in Klink und in Bad Doberan erfolgt derzeit der Ausbau der notwendigen Infrastruktur; weitere zwölf Kur- und Erholungsorte sind nach Angaben des Bäderverbandes an der Ausweisung eines Kur- und Heilwaldes interessiert.

Bei Kurwäldern handelt es sich um Waldgebiete, die aufgrund verschiedener Eigenschaften dazu prädestiniert sind, eine gesundheitsfördernde Breitenwirkung zu entfalten.

Heilwälder sind Waldgebiete, die zur therapeutischen Nutzung für Patientinnen und Patienten mit speziellen Indikationen gestaltet sind.

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