Neuer Tempel auf dem Tempelberg wächst heran
Am Rande der Stadt und am Rande des Stadtgeschehens geschieht etwas, über das sich die Doberaner freuen – spätestens, wenn sie diesen Artikel lesen.
Im Frühjahr verschwand ein Wahrzeichen Bad Doberans über den Dächern der Stadt. Die alte Jugendherberge verfiel seit über einem Jahrzehnt zum Schandfleck in exponierter Lage.
Herbergsleiterin wollte Jugendherberge von den DJH übernehmen
Betrieben wurde die Jugendherberge von den Deutschen Jugendherbergen (DJH) und die pachteten das Objekt von der Stadt. Von 1965 bis 1999 übernahmen die Eltern der untergebrachten Kinder die Leitung der Jugendherberge, 1999 wurde Solveig Kraus die Leiterin. Sie wollte nach dem Auslaufen der Pachtverträge Ende 2006 die Jugendherberge übernehmen und privat weiterführen.
Allerdings gab es einen hohen Sanierungsbedarf. Sie bat im Jahr 2000 die Stadt als Eigentümer der Immobilie um Hilfe. Es gab zwar mündliche Hilfsbekundungen, aber als das letzte Jahr anbrach, war noch nichts an Hilfe entwickelt worden. Die städtische GSOM errechnete Ende 2006 Kosten von 2 Mio. Euro für die Sanierung zusätzlich zum Kaufpreis von 352.000 Euro.
Bis dahin avisierte Kraus 1.000 Übernachtungen im Monat, maximal 17.000 im Jahr, bei einem Preis von 14,90 Euro pro Person. Damit ließ sich die Sanierung nicht finanzieren – Kraus schätzte sie eine Million Euro höher ein, als die GSOM. Diese bot an, das Grundstück zu verkleinern und so den Kaufpreis auf 320.000 Euro zu senken. Damit wären die Sanierungskosten unverändert und die Jugendherberge hätte keinen Raum mehr zum Wachsen, wenn sie besser läuft. Solveig Kraus hoffte auf die Hilfe der Politik.
Silvesternacht 2006 war die letzte
Anfang 2007 sollte ein neuer Gesprächstermin stattfinden. Dazu kam es nicht: Solveig Kraus sagte dem Max-Klinger-Chor aus Leipzig für 2007 ab, setzte zu Sylvester die Fahne auf Halbmast und holte sie im Beisein der letzten Gäste aus Dresden um Mitternacht ein. Die Jugendherberge fand nach 987 Jahren in Bad Doberan ein jähes Ende.
Drei Interessenten sprangen ab
Die Stadt schrieb das Grundstück für 352.600 Euro aus. Ein erster Interessent meldete sich, erkannte aber den fehlenden Rückhalt aus dem Rathaus und investierte sein Geld daraufhin in Rostock. Die Verwüstung jedoch war schon nach einigen Monaten komplett – zuletzt waren die Schäden durch Vandalismus und Brand so hoch, dass die bisher angesetzte Sanierungssumme nicht mehr zu halten war.
Die Stadt nahm 2012 an, dass es einen Bestandsschutz gibt, weil die Gebäude weiterhin mit Strom und Wasser versorgt wurden. Das Bauamt nahm an, dass der Bestandschutz sieben Jahre nach der Nichtnutzung gilt, aber der Landkreis widersprach dem. Zwei, höchstens drei Jahre nach Ende der Nutzung erlischt der Bestandsschutz. Die Stadt müsse einen Bebauungsplan aufstellen, sonst käme keine Nutzung in Frage. Zu der Zeit gab es zwei Interessenten, die absprangen, als klar wurde, dass die Stadt keinen Bebauungsplan aufstellen wollte, außer wenn der neue Eigentümer die Kosten dafür übernimmt.
Kompromiss mit eingeschränkten Möglichkeiten
Im Jahr 2013 fanden die Stadt und das Forstamt einen Kompromiss. Weil das öffentliche Interesse am Erhalt nachweisbar war und sich das Grundstück im Sanierungsgebiet befand, war das Forstamt bereit, auf einen Bebauungsplan zu verzichten. Die Stadt musste dafür einen 10 Meter breiten Streifen des Waldes in einen Park umwandeln und fünffache Ersatzpflanzungen vornehmen. Außerdem musste sie die Nebenbauten abreißen und entsorgen. Mit 25.000 Euro Fördermitteln tat sie das umgehend
Die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten waren stark eingeschränkt. In Frage kamen ein Jugendhotel oder eine Kinderpension. Die Stadt bevorzugte eine Nutzung als Ausflugslokal. Das hat einen geschichtlichen Hintergrund. Ursprünglich baute Carl Theodor Severin hier einen kleinen Ausflugspavillon und bis zur Umwandlung zur Jugendherberge im Jahr 1909 war er ein beliebtes Ausflugslokal in Doberan. Hier traf man sich zum Tee und später Kaffee, hier wurde musiziert, getanzt und gefeiert und das auf einer Terrasse über den Dächern der Stadt.
Bundesweite Ausschreibung brachte Treffer in der Nachbarschaft
Die Stadt schrieb die Immobilie bundesweit aus und erhoffte sich, wenigstens den Verkehrswert zu erzielen. So weit musste man allerdings nicht suchen – eine potenzielle Käuferin kam aus dem 4 Kilometer entfernten Hohenfelde. Sie wollte sogar die alten Gemäuer sanieren, aber allein ist das nicht zu schaffen. Fördermittel gibt es aber nur, wenn die Öffentlichkeit etwas davon hat und auch die Baugenehmigung hing davon ab.
Also feilte Daniela Härtel an einem Konzept, das diese Anforderungen erfüllen kann. Ursprünglich wollte sie ein Vital-Aktiv-Zentrum, also einen „Wellnesstempel“. Sie fügte dem Konzept eine öffentliche Gaststätte hinzu und dafür würde es dann die Baugenehmigung und Fördermittel geben. Da eine Gaststätte aber Raum benötigt, die dann dem Vital-Zentrum fehlen, ging die Rechnung wieder nicht auf. Eine Sanierung ist für einen einfachen Unternehmer, wie es die Kosmetikmeisterin ist, nicht zu schaffen und auch ein Investor will sehen, wie seine Investition sich am Ende amortisiert. Alle mussten einsehen: Die Sanierung der Jugendherberge war nicht machbar und weiter warten würde sie letztlich auch zerstören.
Abriss und Wiederaufbau seit April
Im April durfte Daniela Härtel dann mit dem Abriss der alten Jugendherberge beginnen und seitr dem Sommer wächst der neue Tempel in seiner alten Form wieder heran. In bewährter leichter Bauweise, mit großzügigen Fensterfronten – er wird wieder so, wie ihn die alten Doberaner kennen – ohne die Anbauten aus DDR-Zeiten.
Ein Neubau für die Unterbringung von Gästen darf auch erfolgen, kommt aber später. Gästezimmer passen in das Aktiv-Haus nicht mehr hinein, aber dafür hat Bad Doberan dann seine Gaststätte über den Dächern der Stadt wieder.
Die Außenarbeiten sind weit fortgeschritten – bis zur nächsten Saison wird das beliebte Ausflugsziel wieder in neuem Glanz erstrahlen.