Schon zwei Workshops für neues Tourismuskonzept für Bad Doberan-Heiligendamm.
Neues Tourismuskonzept für Bad Doberan – Heiligendamm in Arbeit. Wie es dazu kam, wer es beauftragt hat, welche Firma es macht und wie es in den Workshops zuging. ZAM berichtet.
Aktuelles Tourismuskonzept ist 20 Jahre alt
Wie alt das aktuelle Tourismuskonzept der Stadt Bad Doberan ist, fällt schon beim Lesen ins Auge. Da geht es um die Jugendherberge, die seit Jahren leer steht, verfällt und abgerissen werden soll oder um die Ostseeklinik, die längst in die MEDIAN-Klinik umgezogen und deren einstigen Gebäude heute das Grand Hotel Heiligendamm sind. Dieses kommt gar nicht im Tourismuskonzept vor und auch sonst ist vieles weit überholt. Kein Wunder, ist das Konzept doch aus dem Jahre 1997, als in der Münsterstadt gerade an jeder Ecke gebaut und saniert wurde. Erst am Ende dieses Jahres wurde halb Heiligendamm an die FUNDUS-Gruppe verkauft und die MEDIAN-Klinik und das neue Moorbad waren noch gar nicht gestartet.
Stadtpolitik versuchte sich selbst am Tourismus
Die Stadtvertreter waren nach 1997 nicht untätig und haben versucht, den Tourismus zu steuern. Einzig in der Frage wohin, war man sich nicht einig und ist es immer noch nicht. Sanfter Tourismus oder Massentourismus? Klasse oder Masse? Kurort oder Wohnstadt? Irgendwie wollte man immer alles sein: Ein Ort zum Urlaub machen für Familien, aber auch Paare und Singles, für Jung und Alt, für Arm und Reich, für Ruhesuchende und Partylöwen, aber auch ein Ort zum Leben und Wohnen, zum Arbeiten und Geldverdienen, zum Einkaufen und Vergnügen und seine Ruhe will man auch haben.
Stadt ist zu klein, um alles zu sein
Was in einer Großstadt durchaus möglich ist, indem man die einzelnen Stadtteile in Zonen unterteilt, scheitert in Bad Doberan-Heiligendamm an der Beschaulichkeit dieser Kleinstadt. Einigen ist schon der Sportplatz im Herzen der Stadt zu laut, andere wünschen sich Tempo 30 oder weniger in der Innenstadt und manchem Anwohner sind es zu viele Veranstaltungen. Stadtvertreter sind letztlich auch nur von den Bürgern gewählt, denen alles Mögliche stört und so geben sie regelmäßig etwas zu bedenken und kommen aus ihren Bedenken gar nicht mehr heraus. Die Konzepte werden diskutiert und zerfetzt und am Ende landen sie unbrauchbar in der Schublade, bis zur nächsten Legislaturperiode, wenn die Neuen wieder über den Tourismus in Bad Doberan – Heiligendamm reden wollen und die Alten sich daran erinnern, das doch schon mal getan zu haben.
Jade-Hochschule lieferte bereits Ideen
Einer der alten Stadtvertreter ist der parteilose Jochen Arenz, der bei der letzten Wahl als absoluter Liebling der Wähler wieder ins Stadtparlament einzog und der nie müde wird, sein offenes Ohr den Bürgern entgegen zu halten. Als Chef des Wirtschafts- und Tourismusausschusses lud er aus dem fernen Wilhelmshaven Professor Enno Schmoll und seine Studenten der Jade-Hochschule ein, damit sie sich drei Tage lang ein Bild von Bad Doberan und seinen Stärken und Schwächen – oder im Expertenenglisch „strength and weakness“ – machen. In mehreren Gruppen entstanden bemerkenswerte Ideen für Bad Doberan-Heiligendamm vom Badekarren in Heiligendamm über einen Barfußpfad zwischen den beiden Ortsteilen und einem Molli-Selfie-Stand an der Rennbahn und einem Molliwaggon als Touristinfostand bis hin zu ausgefeilten Rundfahrt- Rundgang- und Erlebniskonzepten.
Touristinformation soll ausgelagert werden
Auch die Auslagerung der Touristinformation war ein Thema und das nicht nur konzeptionell, sondern auch räumlich, denn das Rathaus liegt nicht an den Touristenrouten und die Touristinfo ist darin eher versteckt. Die ehemalige OSPA-Filiale wurde ins Spiel gebracht und als Favorit gilt der Rote Pavillon. Auch Info-Stände, wie die erwähnte Info-Molli wurden vorgeschlagen. Insgesamt wurde von den Studenten die Auslagerung der Touristinformation befürwortet, da sie als eigenständiger Betrieb mehr finanzielle Möglichkeiten hat, als jetzt in Form einer von den freiwilligen Ausgaben des Haushalts abhängigen Stabstelle des Bürgermeisters.
Als die Jade-Hochschüler wieder weg waren, gerieten ihre Ideen auch schnell wieder in Vergessenheit. Einzig in der Auslagerung der Touristinfo sah man sich nun bestätigt und wollte hier nun Nägel mit Köpfen machen. Jochen Arenz schlug vor, dann auch gleich Professor Schmoll als Berater zu engagieren, aus der SPD kam hingegen der Vorschlag, den Städte- und Gemeindetag zu konsultieren. Es soll untersucht werden, ob in Bad Doberan eine unabhängige GmbH oder ein kommunaler Eigenbetrieb, ähnlich dem TSK in Kühlungsborn besser ist. Dem folgten die Stadtvertreter und so ist die Auslagerung nur eine Frage der Zeit.
Mittendrin Wechsel in der Leitung der Touristinfo
Auf Zeit wurde dann auch die neue Tourismuschefin eingestellt, die man schnell finden musste, weil die Kurdirektorin Kerstin Morgenroth mitten in diesem Wandlungsprozess das Handtuch warf. Nicht wegen der Veränderungen, sondern wegen Unstimmigkeiten mit dem Chef um die Vergütung ihrer Tätigkeit. Vom gerade insolvent gegangenen Unternehmen German Pellets kommend wechselte die Landkreis-Rostockerin Andrea Lang aus der PR-Abteilung der Wismarer Unternehmenszentrale in das Bad Doberaner Rathaus, um dort als bisher jüngste Kurdirektorin das zu tun, was sie gelernt hatte. Befristet, aber mit der Option, dann der neuen Tourismuszentrale anzugehören.
Neue Tourismuschefin gab Tourismuskonzept in Auftrag
Schnell lernte Lang, was in Bad Doberan alles nicht geht und dass man gewisse Leute lieber gar nicht erst fragen sollte, wenn man es nicht muss. Bis zu einer gewissen Wertgrenze muss die Stadtvertretung nicht gefragt werden und so beauftragte sie das Unternehmen ift Freizeit und Tourismusberatung GmbH mit der Ausarbeitung eines neuen Tourismuskonzepts. Den Ausschussmitgliedern des Tourismusausschusses gefiel diese Vorgehensweise gar nicht. Trotzdem reisten schon bald Jan-F. Kobernuß und sein Team in den Norden, um den Auftrag auszuführen. Die Potsdamer Büroleiterin Katja Stefanis sprach mit touristischen Leistungsträgern und Vereinen und sammelte ihre Ansichten und auch erste Ideen.
Kritik am ersten Workshop
Anfang Oktober fand dann der erste Workshop im Rathaus statt. Die Leistungsträger waren eingeladen und erschienen auch, wenngleich der Zeitpunkt so ungünstig gewählt war, dass nicht alle den Termin wahrnehmen könnten. Einzig die Verwaltung machte sich rar. Die Tourismuschefin hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis davon, dass ihr befristeter Vertrag nicht verlängert wird und da der Eigenbetrieb im Februar noch nicht steht, muss sie sich einen neuen Job suchen. Sie meldete sich krank und ihr Chef, der Bürgermeister Torsten Semrau kam nur kurz vorbei, weil er noch einen Sitzungstermin hatte. Das Resümee der ersten Sitzung war vernichtend: Die Verwaltung wurde von vielen Teilnehmern kritisiert und der erste Eindruck der Veranstaltung war, dass das nichts werden kann, weil es keinen gemeinsamen Nenner gibt. Trotzdem gelang es ift, aus dieser Diskussion die Schwerpunkte herauszufiltern und in einer Zusammenfassung richtig wiederzugeben.
Zweiter Workshop mit guter Zusammenarbeit
Beim zweiten Workshop war dann alles schon einfacher: Zwar begann der Abend wieder mit Grundsatzdiskussionen über den Sinn der von den Experten vorgeschlagenen Verfahrensweise, aber Kubernuß ließ sich nicht beirren und versicherte, dass es funktionieren wird. Jochen Arenz mahnte, endlich anzufangen und schon landeten große Zettel in kleinen Gruppen und auf ihnen kleine und große Ideen, Problemformulierungen und Lösungsansätze. Alle konnten sich ein Thema aussuchen und so saßen immer Gleichgesinnte in Grüppchen beieinander und die Ideen sprudelten nur so aus ihnen heraus. Am Ende stellte jede Gruppe ihre Ergebnisse vor und niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Diesmal war auch der Bürgermeister Torsten Semrau selbst die ganze Zeit über anwesend und brütete mit dem Hotelier und Mitglied im Tourismusbund Volker Stark, der PR-Managerin Grand Hotels Dorit Wehmeyer und Gästeführer und ZAM-Autor Martin Dostal über das Thema Heiligendamm.
Molli, Forst und Verkehrsplaner sollen mit an den Tisch
Der nächste Workshop hätte schon im Dezember stattfinden dürfen und angesichts des gesteckten Termins – im Januar sollte der nächste Schritt gegangen werden – auch sein müssen. Die Teilnehmer einigten sich aber auf den Januar 2018 für den nächsten Workshop und äußerten den Wunsch, auch die Mecklenburgischer Bäderbahn und die Forst mit an den Tisch zu bekommen, denn der Molli ist wichtig für viele Ideen und vieles von dem, was verbessert oder neu entstehen soll, betrifft die Wälder um Bad Doberan. Außerdem mahnten Stadtvertreter an, die parallel laufenden Planungen für das Verkehrskonzept mit zu berücksichtigen. Dass ein Verkehrskonzept und ein Tourismuskonzept parallel entwickelt werden, ohne dass der eine vom anderen weiß, wurde von vielen kritisiert. Kubernuß wies darauf hin, dass er nur den Auftrag für ein Tourismuskonzept ausführen kann und das durchaus auch unabhängig vom Verkehrskonzept möglich ist, jedoch wolle man versuchen, den Wunsch zu berücksichtigen.
ZAM bleibt dran
So wird dann das Jahr 2018 vielleicht das Jahr, in dem die Weichen gestellt werden, damit der Tourismus Fahrt aufnehmen kann und auch weiß, wohin die Reise gehen kann. Zwanzig Jahre nach dem alten Tourismuskonzept der Stadt kann also ein neues erblühen.
Als Gästeführer ist ZAM-Autor Martin Dostal auch am Geschehen beteiligt. Die ersten Ergebnisse und Ideen gibt es also in Kürze hier auf ZEIT AM MEER, dem Insidermagazin für die Nord- und Ostsee.