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Bauwerke in Heiligendamm

Villa „Großfürstin Marie – Perle“ (Haus A, Haus 6, Maxim-Gorki-Haus)

Alte Namen: Haus A, Haus I, Villa „Perle“, Villa „Großfürstin Marie“, „Maxim-Gorki-Haus“ (Haus 6)

Standort:
Prof.-Dr.-Vogel-Str. 7
54°08’39.1″N 11°50’37.6″E

Bauzeit: 1854 (Perle), 1872 „Großfürstin Marie“
Bauherr: Großherzogliche Badeintendantur / Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg
Architekten: Wilhelm Stern (Perle), Kayser & Großheim, Berlin (Großfürstin Marie)
Umbauten: 1973 Sanierung der Sanitäranlagen
Sanierung: 2007 Abriss, 2010-2012 kompletter Neubau
Architekt: über den Projektentwickler EntwicklungsCompagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG
Umbauten: 2013 Verbindung der Wohnungen in der Villa „Großfürstin Marie“.
Eigentümer: Großherzogliche Badeintendantur / Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg, , Friedrich Franz II. von Mecklenburg, Aktiengesellschaft Baron Otto von Kahlden (1873-1900), Rudolf von Kahlden (1900-1911), Herzog Hugo von Hohenlohe-Öhringen und Ujest (1873-1885), Walter John (1911), Ostseebad Heiligendamm GmbH unter Gläubigerkonsortium (1911-1922), unter Baron O. A. Rosenberg (1922-1938), Beschlagnahmung durch das Deutsche Reich (1938), Reichsmarine (1938-1945), Beschlagnahmung durch die SMAD, herrenloses Gut (1945-1949), DDR über den FDGB (1949-1952), DDR über die Sozialversicherungsanstalt (1952-1990), Ostseeklinik Heiligendamm GmbH (1990-1993), BRD über Oberfinanzdirektion (1993-1997), FUNDUS-Gruppe über EntwicklungsCompagnie Heiligendamm I GmbH & Co. KG (1997-2012), Wohneigentümergesellschaft (seit 2012)
Nachgewiesene Nutzungen Vermietung durch die (Groß)herzogliche Badeintendantur (bis 1872), Badedirection (1872-1938), Kraft durch Freude (1936-1938), Reichsmarine (1938-1945), SMAD (1945-1948), Sanatorium für Werktätige Heiligendamm (1948-1990), Ostseeklinik Heiligendamm (1990-1997), Leerstand (1997-2010), Sanierung (2010-2012), Eigentumswohnungen (seit 2012)

Beschreibung:

Urzustand der Villa „Perle“ (Quelle: A. Beckmann)

Als erstes Haus der Villenreihe entstand 1854 die Villa „Perle“ etwas versetzt hinter dem Denkstein zur Gründung des ersten deutschen Seebades. Die Villa „Perle“ wird von einem fünfachsigen Mittelrisalit dominiert, der auf der Höhe des Mezzanin noch ein weiteres Geschoss und ein eigenes Mezzaningeschoss hat. Drei Achsen bilden ein Halbrund, was dem Turm seine Strenge nimmt. Dazu trägt auch bei, dass er Mittelrisalit nicht mittig steht. Nach Osten hat das Gebäude zwei Achsen, vor denen aber drei Balkone – eigentlich eher offene Loggien – stehen. Auf der Westseite spiegelt sich dieses Motiv zunächst, aber dann gab es noch eine Achse ohne Balkone als Einleitung für die nun folgende einachsige Ecke, die nicht im rechten Winkel auf den Westgiebel zugeht. Die Westseite hatte zwei Achsen, die aber nur im Obergeschoss auch zwei Fenster beinhalteten.

Die Ecke bildete eine Parallele zur Ecke des Mittelrisalits und damit eine harmonische Einheit. Nötig war diese Ecke, weil hier die Promenade in den Platz überging. Eine Ecke im 90°-Winkel hätte nicht so harmonisch gewirkt. Im Risalit sind auch Zinnen angedeutet. Damit wächst der obere Teil über den unteren hinaus. Ursprünglich hatte der Architekt Wilhelm Stern Variationen mit einem Gebäudetypen probiert, der an mittelalterliche Burgen und toskanische Renaissance-Villen erinnert. Die ersten Entwürfe Sterns gefielen nicht. Die angedeuteten Zinnen sind das einzige, was von ihnen übrig blieb. Erst als er sich an Demmler orientierte, traf er den Geschmack seines Auftraggebers.

Nach Fertigstellung der anderen Villen erwies sich die Villa „Perle“ dann insgesamt als zu schmucklos für den Anfang der nach ihr „Perlenkette“ genannten Villenreihe. Das langestreckte Haus „Bischofsstab“ mit seinem markanten Turm bildete den Abschluss der Villenreihe, aber die Villa „Perle“ am Anfang war klein und schlicht.

Entwurf von Willebrandt (Quelle: ECH-Archiv)
Zweiter Entwurf von Willebrandt (Quelle: ECH-Archiv)

Es gab schon 1863 Versuche, das Haus zu vergrößern. Der Großherzog wollte es für ein Familienmitglied umbauen lassen. Herman Willebrandt fertigte zwei Entwürfe an. Der erste ergab unter Nutzung des vorhandenes Baukörpers ein ganz neues Haus ohne Mittelrisalt, weil dieser nicht mittig gewesen wäre. Willebrandt ließ ihn hinter einem breit gelagerten Balkonvorbau verschwinden. Er entwarf aber auch eine zweite Variante mit Mittelrisalit. Beide Varianten sahen den Neubau eines Erkers als Eckbetonung vor. Interessanterweise setzte er in seinen Entwürfen zwar einen Turm an die Villa, aber an der falschen Seite und in seiner runden Form eher einem Leuchtturm ähnlich. Der Abschluss der Villenreihe nach Westen war durch diese Entwürfe nicht gegeben. Diese Ideen fanden keinen Gefallen. 

 

Im Zuge der langen Vorbereitungen zur Hochzeit der Prinzessin Marie von Mecklenburg mit dem Großfürsten Wladimir von Russland wurde der Wunsch des Paares geäußert, in der Villa „Perle“ die Flitterwochen zu verbringen. Standesgemäß hätte dem Paar die Villa „Krone“ zugestanden, was es aber mehrmals ablehnte. Man nahm das zum Anlass, die Vila „Perle“ zu erweitern. Da nach dem Verkauf des Seebades ein Ausbau erfolgte, im Zuge dessen ein neues großes Logierhaus als „Grand Hotel“ entstand und der Seeflügel an das Haus „Mecklenburg“ angebaut wurde, lag es auf der Hand, die damit betrauten Architekten auch in dieser Sache zu konsultieren. Dem renommierten Architekten-Büro Kayser & Großheim aus Berlin gelang es dann auch, mit seinem Entwurf zu überzeugen.

Die Planer rührten die Villa „Perle“ weiter nicht an. Die Wand an der Westseite wurde entfernt und die Ecke ebenfalls abgerissen. Stattdessen wurde diese Achse gerade wieder hochgemauert und somit ein gerader Abschluss im Westen geschaffen. Diese beiden Achsen blieben balkonlos und damit ein beabsichtigter Freiraum zwischen dem alten und dem neuen Gebäude. Westlich wurde nun ein Kubus angebaut, der sich mit seinem flachen Walmdach im Gegensatz zum sichtbaren Walmdach der „Perle“ klar abhebt. Dadurch sind im Mezzaningeschoss Fenster in der normalen Größe möglich. Es wurden zwei Fenster nebeneinander gestellt, um die Gliederung des Mezzaningeschosses weiterzuführen. Im Erdgeschoss und dem Obergeschoss hat man jedoch dreiflügelige Fenster mit nur zwei statt der üblichen drei Sprossen verwendet.

1930er Jahre, Urheber: Otto Gliesmann, Erasmusdruck Berlin (Quelle: ECH-Archiv)

An den Kubus wurde ein Turm angesetzt, der genauso weit zum Meer ragt, wie die rechtwinklige Seitenwand des Mittelrisalit der „Perle“. Der Turm ragt jedoch eine ganze Etage über diesen hinaus. Er bildet den westlichen Abschluss der Perlenkette und lässt diese zu einer Einheit werden, die weder nach Westen noch nach Osten erweitert werden kann. Der Turm nimmt das Motiv des Kubus wieder auf. Im Erdgeschoss und Obergeschoss wurden dreiflügelige Fenster mit je einer Sprosse verbaut und im Mezzanin zwei zweiflügelige Fenster mit je einer Sprosse.

Der Turm selbst thront auf einem breiten umlaufenden Sockel und ist zu allen Seiten dreiachsig. Die Mittelachse kommt jeweils mit Doppelflügelfenstern mit der üblichen Sprossenzahl daher. Umrahmt wird sie durch eingestellte Säulen. An den Seiten finden sich aus den Türmen des neuen Logierhauses „Grand Hotel“ entlehnte schmale Streifenfenster mit ebenfalls der üblichen Anzahl der Sprossen. An der Seeseite wurde ein Erker mit einflügeligen Seitenfenstern vorgesetzt, der auch die Grundlage für den Balkon im ersten Geschoss bildet. Am zweiten Geschoss wurde ebenfalls ein Balkon vorgebaut.

(Quelle: A. Fr. Reincke, Brunshaupten)

Zur Platzseite hin ist der Turm bis auf das dreiachsige Turmgeschoss fensterlos. Der Kubus hat hier noch eine Achse, die über den Turm hervor steht. Diese Achse wurde im Erdgeschoss und Obergeschoss beidseitig durch halbrunde Erker verziert. Über den Erkern gibt es keine Fenster, sodass der hervor stehende Kubus in den Mittelpunkt gerückt wird. Der Kubus selbst ist nach Westen hin dreiachsig. Hier wurde im Erdgeschoss eine Terrasse vorgesetzt, über der sich zwei auf Säulen gelagerte großzügige Balkone befinden. Der obere Balkon kann durch eine Markise geschützt werden, die selbst auch wieder ein Stilelement ist. Zur Südseite hin wurde die dreiachsige Gliederung weitergeführt und die hohen Fenster im Mezzanin übernommen. Als einziges Schmuckstück dient hier ein quadratischer Balkon als Auflockerung der einachsigen Ecke.  Außer mit die verschiedenen Inschriften betonnen auch die an der „Perle“ nicht vorhandenen Stuckaturen an der „Großfürstin Marie“ den Unterschied dieser Häusergruppe.

Die Villa „Perle“ diente als Logierhaus für vier Familien. Die mitgebrachten Angestellten wurden im Mezzaningeschoss untergebracht. Das Haus hatte Schornsteine, aber keine Öfen. Man konnte sich Kanonenöfen ausleihen, nach dem Verkauf Heiligendamms 1872 bekam es feste Öfen. Nach der Erweiterung konnten drei weitere Familien untergebracht werden. Zu der Zeit brachte man zunehmend keine Bediensteten mehr mit. Das Hochzeitspaar nutzte diese Villa nur für ein paar Tage. Die Hochzeit war ein Anlass zur Erweiterung, aber diese wurde schon so vorgenommen, dass die übliche Nutzung als Logierhaus für Familien danach weiterhin erfolgen konnte.

(Quelle: ECH-Archiv / Archiv Friedrich Rochow)

Nach dem 2. Weltkrieg musste das Haus wiederhergerichtet werden, weil ein Rückbau bereits begonnen hatte. Das Seebad mit seinen grün angestrichenen Gebäuden galt als Armeeobjekt, zumal es zuletzt als Reichskadettenschule genutzt wurde. Nach dem Potsdamer Abkommen waren deutsche Militärobjekte zu sprengen, wozu man die Gebäude räumte und auch die Installationen entfernte. Nachdem man davon absah und Heiligendamm zum Sanatorium für Werktätige machen wollte, wurden Adolf Kegebein und Lutz Elbrecht mit der Wiedernutzbarmachung beauftragt. Im Zuge dessen verschwanden alle nicht benötigten Dinge, wie z.B. der Turmaufsatz.

(Quelle: H. Dittmann, Kühlungsborn)
Bildausschnitt, Urheber unbekannt

1953 wurde das Haus als Ganzes in „Maxim-Gorki-Haus“ umbenannt. Über dem Eingang stand der Schriftzug „Glück auf“ mit den gekreuzten Hämmern zu lesen. Das Haus diente als Bettenhaus des Sanatoriums. Zu DDR-Zeiten erfolgten nacheinander starke Vereinfachungen.

Urheber unbekannt, evtl. Lederbogen-Verlag

Später verschwanden die Erker, der obere Westbalkon und alle anderen Balkone, dann wurden die Wandöffnungen verändert und die Türen und Fenster durch sprossenlose Massenware mit messingfarbigen Rahmen und Türblättern ersetzt.

 

Nordwestansicht, 2004
Nordostansicht, 2004
Südostansicht, 2004
Westansicht, 2004

Auf Grund dieser starken Veränderung, aber auch des schlechten Zustandes der noch erhaltenswerten Bausubstanz wurde das Haus 2007 von der Denkmalliste gestrichen. Auch andere Gründe könnten eine Rolle gespielt haben: Das Haus ragte in die Bilder vom weißen Grand Hotel hinein und stand einer Pressetribüne im Weg.

Abriss, 2007
Freifläche, 2007

Der Abriss wurde aber schon 2004 genehmigt, auch wenn er erst 2007 erfolgte. Zum G8-Gipfel 2007 stand hier die Pressetribüne. Danach blieb die Wiese zunächst ungenutzt und wurde zeitweise zur Zucht von Buxbäumen benutzt. Inzwischen wollte der Investor das Konzept der Villennutzung ändern, denn das Grand Hotel blieb hinter den Erwartungen zurück und darum wurde seit 2004 ein eigenes und vom Hotel unabhängiges Konzept für die Villen entwickelt. Sie sollten als „Residenzen Heiligendamm“ vermarktet und über die klassische Immobilienfinanzierung finanziert werden.

Erster Spatenstich, Redner: Anno August Jagdfeld)

Das bedingte ein Dauerwohnrecht für die Erwerber und den Bau einer Tiefgarage, damit die Autos in der Nähe der Wohnungen parken können. Dazu musste der Bebauungsplan geändert werden, was aber erst nach langen Auseinandersetzungen mit Politik und Verwaltung Ende 2009 gelang. Danach dauerte es einige Monate, bis die Arbeiten ausgeschrieben waren, sodass erst Monate nach dem ersten Spatenstich mit dem Bau begonnen werden konnte. 

Neubau Kellergeschoss, 2011 (Quelle: EntwicklungsCompagnie Heiligendamm)

Nach dem ersten Spatenstich am 03.07.2010 erfolgte der Wiederaufbau nach historischem Vorbild. Dazu wurde zunächst der Boden ausgehoben und eine Bodenplatte gegossen. Auf dieser wurde im Gussverfahren ein Kellergeschoss gebaut, auf dessen Decke dann die eigentliche Villa Stein auf Stein neu gebaut wurde. Im Kellergeschoss sind die Hauswirtschafts- und Abstellräume der Wohnungen, Müllraum und Technikräume und die Vorbereitung für den Durchgang zur späteren Tiefgarage.

Baufortschritt 2011

(Quelle: EntwicklungsCompagnie Heiligendamm)
Innenansicht 1. Stock „Großfürstin Marie“
Innensicht, Dachgeschoss

Es wurde auch das einst für das Personal bestimmte Mezzaningeschoss zu Wohnungen umgebaut, sodass das neue Haus auf Grund einzuhaltender Normen einige Zentimeter größer ist. Neu hinzu gekommen sind eine Dachterrasse am Turm und Balkone im Dachgeschoss. Um trotzdem möglichst originalgetreu zu bleiben, sind die Balkonbrüstungen im Dachgeschoss aud rahmenlosem Glas. Der Bau wurde 2012 vollendet und die Wohnungen bis 2014 bezogen.

In Villa „Perle“ befinden sich sechs Wohnungen und in Villa „Großfürstin Marie“ drei. Die Wohnungen in der Villa „Großfürstin Marie“ wurden alle zusammen von einem Erwerber gekauft und nachträglich miteinander verbunden. Als Preisbeispiel dient eine Wohnung mit 199,61 qm zu 2.794.400 EUR. Die Villa heißt seit dem Wiederaufbau historisch korrekt „Villa Großfürstin Marie – Perle“. Mit der „Perle“ ist die Perle in der Muschel gemeint.

 

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