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Bauwerke in Heiligendamm

Wohnhaus Kühlungsborner Straße 8 (Seehospiz Armenkrankenhaus)

Alte Namen: Armenkrankenhaus

Kühlungsborner Str. 8
54.14085873507017, 11.840313348863834

Bauzeit: 1809-1810 / verm. 1837
Bauherr: Loge zum Tempel zur Wahrheit
Architekt: unbekannt
Abriss verm. 1837
Neubau verm. 1837
Bauherr: Großherzogliche Badeintendantur (Großherzog Paul Friedrich)
Eigentümer: Loge zum Tempel zur Wahrheit (1810-1942), unbekannt (1942-2018)
Nutzungen: Armenkrankenhaus (1810-1942), Flüchtlingsunterkunft (1942-1948) Wohnhaus (1948-2018), EntwicklungsCompagnie Heiligendamm (seit 2018)

 

Beschreibung:

Das Seehospiz geht auf eine Initiative Professor Vogels aus dem Jahr 1808 zurück.
Im „Kalender für die Provinzial-Loge für Mecklenburg, 1821, erster Jahr. Parchim, bei Zimmermann – von Vogels Annalen des Seebades, 1811, 1812“ stand zur Gründung des Armenkrankenhauses:

„Professor Vogel schlug als Logenmeister den Brüdern der Loge zum Tempel zur Wahrheit in Rostock den Vorschlag, den Großherzog um die Erlaubnis zu bitten, das die Loge die Veranlassung werden dürfe, eine Anstalt für arme Kranke am Seebade zu Doberan zu gründen.“

Albert Ludwig Dornblüth, der diesen Absatz von besagter Quelle zitierte, führte in der „Darstellung der Medicinal-Polizei-Gesetzgebung und gesamter Medicinal“ aus:

„Die Bruderschaft stimmte zu und führte die Anfrage aus. Herzog Friedrich Franz I. genehmigte durch ein allerhöchst eigenhändig vollzogenes Rescript vom 12. September 1808, nicht allein die alleruntertänigste Bitte, sondern geruhen auch, sämtliche Materialien zu dem zu erbauenden Hause zu schenken und die freie Anfuhr derselben zu bewilligen. Die Loge bestritt nun die übrigen Kosten zur Erbauung der Meublierung und Anschaffung der Wirthschaftsutensilien und vollendete im Jahre 1810 das Gebäude, so dass es der Badedirection überliefert werden konnte.“

Der Bau begann 1809 hinter dem Badehaus (heutiger Standort der Burg) und wurde planmäßig 1810 vollendet. Zu den Armen gehörten u. a. Lehrer, Pastoren und Ärzte, welche so wenig verdienten, dass es nicht zum Leben reichte. Vogel wollte diesen je eine Woche Kur auf Kosten der Bruderschaft bieten. Herzog Friedrich Franz I. erließ ein Reglement, nach dem diese Kurgäste nur zu bestimmten Zeiten das Haus verlassen durften, damit sie nicht mit der Badegesellschaft in Berührung kommen.

Der Großherzog erteilte dem Armenkrankenhaus erst 1817 die Rechte, weil bis dahin die politischen Entwicklungen Vorrang hatten. Bis 1813 war das Land von Franzosen besetzt und bis 1815 hatte man aber weiterhin mit Napoleon zu tun.   

Albert Ludwig Dornblüth führte in der „Darstellung der Medicinal-Polizei-Gesetzgebung und gesamter Medicinal und Sanitäts-Anstalten für den Civil- und Militairstand im Großherzogthume Mecklenburg-Schwerin aus:

„Se. Königl. Hoheit geruhen demnächst zu erklären, daß diese Stiftung mit ihrem Schutze begnadigen und ihre Erhaltung besonders berücksichtigen würden. Unterm 14. Januar 1817 haben Serenissimus dieser Armenanstalt das privilegium pii corporis beigelegt. Das massive einstöckige Haus liegt etwa 200 Schritte von der Badeanstalt und der Ostsee entfernt, auf welche die Aussicht giebt. Von der Hinterseite ist es durch Wald geschützt, der dazu gehörige Vorplatz, Hof und daran stoßende große Garten, der für die Krankenbeköstigung Gemüse und Früchte liefert, ist durch Staketen eingeschlossen.

Am Fronton des Hauses befindet sich eine Sonne mit einem Auge in der Mitte, neben derselben Winkelmaaß und Zirkel, unter derselben die Inschrift: Den Armen. Das Gebäude enthält außer einer Stube für die Krankenwärterin, Speisekammer, Küche und Keller, 6 geräumige Zimmer, jedes mit 2 Bettstellen, deren Lager aus 1 Langmatratze, 1 Pfühl, 1 Kissen, 2 Laken und 1 wollenen Decke bestehen; sie sind ferner mit 2 Brettstühlen, 2 Wandschränken, Tischen, Spiegeln und anderen zur Bequemlichkeit nöthigen Gerätschaften, so wie das ganze Haus mit allen Utensilien, die zu einer vollständigen Hauswirthschaft gehören, ausgestattet.

Für die angemessene Bewirthung und Beaufsichtigung der Kranken, für Ordnung, Reinlichkeit und Ruhe des Hauses sorgt der im Hause wohnende Oeconom. Ein in den Zimmern angeheftetes Reglement belehrt die Kranken über ihre Verhalten. Im Januar 1834 machte die Badedirection einen Nachtrag zum bestehenden Notificatorium. Sie wollte den bestehenden Missbrauch des kostenlosen Kurangebots im Armenkrankenhaus unterbinden.“

 

Rückseite 2019

Mit dem Baubeginn für die Burg „Hohenzollern“ wurde das Armenkrankenhaus nach Süden an den Ortsrand verlegt. Da der Baubeginn der Burg nicht ganz klar ist, kann die Verlegung 1837 oder erst 1846 stattgefunden haben. Das Armenkrankenhaus wurde 1852 reorganisiert, sodass jährlich vom 21.07. bis 20.09. in drei Wohnperioden jeweils 16 unbemittelte Kranke aufgenommen werden konnten. Jeder bekam einen Monat kostenlos Kost, Logis und Kur. Die Zahl der disponiblen Freistellen ist in der Regel schon für alle 3 Wohnperioden vor Ablauf des April besetzt.

Blick in den Hof 2019

Badearzt Dr. med. Adolf Lange schrieb im 1887 erschienenen Bericht „Das Armenkrankenhaus zu Heiligendamm“:

„In der von mir angeordneten, geleiteten und täglich genau kontrollierten Kur dieser 48 Personen während jeder Saison hatte ich in länger als 20 Jahren immerhin Gelegenheit, einige sichere Positionen für die balneologische Bedeutung eines wohlgerüsteten und zweckmäßig benutzten Seebades zu gewinnen. Denn der Leiden, welche ich hier gesehen, waren mancherlei; ihr Verzeichnis würde den größten Teil der bei uns landläufigen chronischen Krankheiten aufzuführen haben, mit Ausschluss einiger weniger, welche mit den Verhältnissen des Hauses unverträglich sind.

Nach einer Richtung hin ist besonders eine scharfe Grenze gezogen, nämlich insofern niemandem sein Gesuch, auf Grund gewisser Atteste aufgenommen zu werden, bewilligt wird, wenn er nicht imstande ist, sich alle ihm nötigen Handreichungen selbst zu leisten; denn Wärter werden hier nicht gehalten; nur in seltenen Fällen, bei entsprechendem Zusammentreffen von günstigen Umständen, darf eine Ausnahme gemacht werden, und z. B. eine gesunde Mutter ihr krankes Kind begleiten. Dass oft die Erfolge unsrer Kuren weit über jede Erwartung hinausgingen, liegt schon für viele Fälle aus dem Grunde nahe, weil unsre Kurgäste in meist diametrale Gegensätze mit den gewöhnlich trüberen Verhältnissen treten, welche sie zu Hause für einen Monat verlassen haben.

Dort die Sorge um das tägliche Brot, hier – wenn auch in bescheidenstem Maße – das Märchen von „Tischlein decke dich“ verwirklicht; zu Hause Arbeit von früh bis spät, hier Ruhe, soviel – ja mehr als jeder zu bedürfen glaubt. Dort muss der mittellose Kranke zum Arzt und um seine Hilfe bitten, wenn die Not groß ist; hier kommt der Arzt ungerufen täglich zum Kranken, für dessen Bedürfnisse von vornherein möglichst gesorgt ist. – „Zu Hause“ lebten viele von ihnen in mangelhaft gelüfteten Räumen, in schlechter Luft und in zweifelhafter Reinlichkeit; hier schwelgt jeder in Seeluft und Waldluft, so viel es die Witterung gestattet; und kehrt er in sein Zimmerchen zurück, so findet er es gelüftet und gereinigt.

Die Bewohner des Krankenhauses, obgleich unbemittelt, sind nur sehr selten ganz arme Personen, die der Gemeinde zur Last fallen; die meisten leben von ihrer Arbeit, sind aber nicht in der Lage, eine Kur gegen ihre chronischen Krankheiten oder Siechtümer, für welche ihre Häuslichkeit ganz ungeeignet ist, auf eigne Kosten in einen passenden Kurort zu verlegen. Lehrer, Lehrerinnen, Handarbeiterinnen, Handwerker, Arbeitsleute, ihre Frauen und Kinder (wenn sie keiner Wartung bedürfen), erwachsene Schüler höherer Lehranstalten – sie sind es, welche die Räume des Häuschens für einen Monat für sich zu gewinnen trachten.“

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Das-Armenkrankenhaus-zu-Heiligendamm

Den Namen „Seehospiz“ erhielt das Armenkrankenhaus 1901. Hintergrund war nicht die Nutzung als Hospiz im heute verstandenen Sinne. Genauso wenig war das Haus ein Krankenhaus. Der Begriff „Seehospiz“ war in Mode gekommen und klang besser als „Armenkrankenhaus“. Das Haus blieb eine Einrichtung für Vorsorge- und Heilkuren für Minderbemittelte.

Erst 1943 (andere Quellen nennen 1939) erfolgte eine Auflösung gegen eine Abfindung von 26.000 Mark aufgelöst, die Auflagen Prof. Vogels wurden aus dem Grundbuch gestrichen und Obdachlose in das Haus einquartiert. Das spricht für 1943 und gegen 1939., denn 1943 wurden Flüchtlinge aus den Ostgebieten in Heiligendamm einquartiert.

Zustand 2017

Bis 2017 beherbergte das Haus vier Wohnungen. 2018 wurde es leer zum Verkauf angeboten und von der EntwicklungsCompagnie Heiligendamm erworben. Pläne gibt es derzeit nicht.

Grundriss Untergeschoss aus einem Inserat
Grundriss Obergeschoss aus einem Inserat

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