Harter Lockdown in MV: Scharfe Kontrollen, Dauercamper und Zweitwohnungsbesitzer müssen raus
306 neue Infektionen, keine neuen Toten und eine 7-Tage-Inzidenz von 146,8 – das sind die Zahlen, mit denen Mecklenburg-Vorpommern heute Nacht in den harten Lockdown geht. Die Landesregierung in Schwerin hat nicht gewartet, bis in Berlin die Änderungen am Infektionsschutzgesetz durch sind. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) kritisiert erneut die Bundesregierung für die Verzögerung und erklärt auch, warum MV voran geht: „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird kein Sommerurlaub in Mecklenburg-Vorpommern möglich sein.“
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Applaus erntet sie dafür nicht. Wirtschaftliche Interessen würden auf dem Rücken der Kinder ausgetragen heißt es von den Eltern. Hinzu kommt, dass viele Touristen gefühlt schon da sind. Zwar kann man das nicht an Kfz.-Kennzeichen festmachen, aber die Mehrheit der Einheimischen empfindet einfach so. Dementsprechend ist auch die Stimmung gegenüber Touristen.
Die dürfen diesmal gar nicht. In Hotels und Ferienwohnungen eh nicht und auch diesmal nicht als Tagesgast. Jetzt trifft es aber auch Dauercamper, Bootsbesitzer und selbst Zweitwohnungsbesitzer, die bisher ihre Zweitwohnung aufsuchen, wenn auch nicht touristisch nutzen durften. Dagegen gab es einige Klagen, die auch erfolglos waren, aber in der neuen Verordnung hat man das natürlich berücksichtigt. Selbst Kleingartenbesitzer dürfen nicht mehr zu ihren Gärten. Das wurde schließlich alles recht großzügig interpretiert und ausgenutzt. Jetzt darf keiner mehr rein, der hier nicht wohnt, lernt, arbeitet, im Krankenhaus oder zur Kur ist oder seine Familie ersten Grades besucht. Ein paar weitere Ausnahmen gibt es, aber insgesamt deutlich weniger als bisher. Wer schon da ist, muss bis 24. April das Land verlassen, sonst wird er hinaus geleitet.
Schärfere Kontrollen
Und es wird ab jetzt härter durchgegriffen. Nicht so, wie 2020, wo die Polizei die Landesgrenzen kontrollierte. Inzwischen hat man dazu gelernt und versucht gar nicht, im Land der Wiesen und der Felder die Grenzen hermetisch abzuriegeln. Man weist nicht einfach die Autofahrer an der Landesgrenze zurück. Diesmal weiß man, wo man suchen muss und holt die Touristen dort raus. Das hat den Nebeneffekt, dass man anders als beim Zurückweisen an der Landesgrenze jetzt auch Strafen auferlegen kann. Das schreckt nicht nur besser davor ab, überhaupt nach MV zu fahren – es bringt auch Geld.
Apropos Bußgeld. Hier gibt es eine Übersicht (PDF-Direktlink:
http://www.ksv-mv.de/fileadmin/download/mitteilungen/Corona/Corona_Bussgeldkatalog.pdf
Ausgangssperren in Landkreisen
Zugleich gelten Ausgangssperren in den Landkreisen mit einer Inzidenz über 100, die ein Verlassen des eigenen Grundstücks oder der eigenen Unterkunft ohne triftigen Grund zwischen 21 und 6 Uhr verbieten. Das gilt also nicht landesweit, sondern je nach Landkreis und dort auch nicht zwangsweise für alle Ämter – die Landkreise können auch einzelne Ämter oder Städte mit der Ausgangssperre belegen. Das ist z.B. im Landkreis Rostock der Fall, wo die Bürger der Stadt Kühlungsborn keine Ausgangssperre haben, aber das die Stadt umschließende Amt Doberan-Land damit belegt wurde. Dadurch dürfen Kühlungsborner ihre Stadt nachts nicht ohne triftigen Grund verlassen.
Aber wozu auch? Die Hotels und Gaststätten haben nach wie vor geschlossen, alle Geschäfte, die nicht den täglichen Bedarf decken (zu dem nun aber auch Baumärkte, Buchläden und Frisöre gehören) sind ebenfalls wieder geschlossen. Da ist dann auch nichts mit Termin und Schnelltest – sie sind wieder zu. Ebenso körpernahe Dienstleistungen, Freizeiteinrichtungen und Kultureinrichtungen. Selbst den Führerschein darf nur machen, wer ihn beruflich benötigt. Kinder- und Jugendsport ist verboten, Sport ohnehin nur noch allein oder zu zweit erlaubt.
Denn es gelten auch die Kontaktbeschränkungen: Ein Haushalt darf sich nur noch mit einer Person eines anderen Haushalts treffen, Kinder unter 14 Jahren zählen nicht. Die Personenbegrenzung von 5 wurde aufgehoben, weil sie sich aus unpraktisch erwies und räumlich getrennt lebende Paare zählen seit März auch als ein Hausstand. Für Patchwork-Familien und getrennt lebende Familien wird es dadurch einfacher.
Schulen und KITAS im Notbetrieb
Auch die Schulen bleiben quasi zu – damit der Urlaub wieder möglich ist. Es ist nicht nur die Präsenzpflicht aufgehoben, wie beim leichten Lockdown. Es ist umgekehrt, wie beim ersten harten Lockdown: Nur wenn ein Elternteil in der „kritischen Infrastruktur“ arbeitet, darf das Kind zur Schule. Es wird dann notbetreut. Frei haben die Schüler aber nicht: Die Eltern müssen die Lehrer wieder einmal ersetzen und mit den Kindern zuhause den Unterrichtsstoff abarbeiten. Für nicht wenige Eltern ist das nicht mehr zu ertragen. Für die Schüler ist es ohnehin ein Problem: Die Erstklässler 2020 sind von Ende August bis Anfang Dezember zur Schule gegangen, hatten dann im „Lockdown light“ keine Präsenzpflicht und damit, auch wenn sie zur Schule gegangen sind, keinen normalen Schulalltag. Mit Maske und später zwei Selbsttests pro Woche sowieso nicht, aber das konnte man ihnen als ihren Beitrag im Kampf gegen Corona noch vermitteln. Freundschaften gibt es 2020/21 nur locker in den Pausen – so richtig bildet sich da nichts und wenn, dann kann es nicht gelebt werden. Gerade die Kleinen – für die Abschlussjahrgänge gelten die Beschränkungen nicht im vollem Umfang – ist der Start ein Fehlstart. Aber alle wiederholen lassen geht nicht, denn die nächsten KITA-Abgänger stehen vor der Tür und die Klassenzimmer in den Grundschulen müssen leer.
Wobei die KITA-Kinder auch nicht so in das Schuljahr starten, wie die Generationen vor ihnen. Viele haben sich durch die ganzen Schließungen gar nicht erst an die KITA gewöhnen können, andere haben sie sich eher noch abgewöhnt und den Vorschulkindern fehlt die Vorbereitung. Selbst wenn sie fachlich vorbereitet sind, fehlt das Feierliche, die Vorfreude und der Stolz. Das merken dann die Lehrer in der 1. Klasse recht bald, wenn die Schulanfänger noch im Kindergartenmodus sind. Das wird eine ganze Generation noch lange beschäftigen. Die Eltern beschäftigt es schon jetzt. „Hauptsache ihr habt euren Spaß“ richten sie ihre Kritik an die Touristen. Urlaub in MV? Wir freuen uns immer noch auf euch. Aber das trifft nicht auf alle zu. Nicht nach dieser Entscheidung.
Öffnungsperspektiven soll es für die Schulen aber noch geben: Die Grenze für den Präsenzunterricht liegt eigentlich bei 150 und gilt pro Landkreis und nicht für das ganze Land einheitlich. Im harten Lockdown gilt diese Regel nicht, aber wenn die Inzidenz landesweit unter 100 sinkt, soll die Öffnung von Schulen wieder möglich sein.
Einiges ist anders, als 2020
Einiges ist diesmal anders als 2020. So werden diesmal keine Spielplätze gesperrt. Das war ohnehin nicht kontrollierbar. Auch die Außenbereiche der Zoos bleiben diesmal geöffnet. Ansonsten regelt die Verordnung klar, wer kommen darf und wer nicht:
Wer seinen Erstwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern hat oder seine Kernfamilie hier besucht, darf einreisen. Auch für Berufspendler sind Aufenthalte in Mecklenburg-Vorpommern möglich – falls sie jedoch aus eine ausländischen Hochrisikogebiet kommen, brauchen sie alle 48 Stunden einen Corona-Test. Einreisen dürfen ebenfalls Hochzeits- und Trauergäste. Achtung: Die Einreise in ein Hochrisikogebiet innerhalb von Mecklenburg-Vorpommern (Inzidenz über 150) ist dennoch beschränkt. Ausdrücklich verboten sind alle Urlaubsreisen und Tagesausflüge aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland.
Innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns wird es auch komplizierter. Generell dürfen Bürger mit Erstwohnsitz in MV im eigenen Land überall hin – auch als Tagesausflug. Es gibt aber Landkreise, in die sie ohne triftigen Grund nicht dürfen, weil die Inzidenz zu hoch ist. Im Moment sind das Vorpommern-Greifswald und die Mecklenburgische Seenplatte, aber das kann sich auch jederzeit wieder ändern.
Vier Wochen Lockdown mit drei Indikatoren für Lockerungen
Vier Wochen gilt der harte Lockdown erst einmal – bis Mitte Mai. Aber man hält nicht starr daran fest, sondern kontrolliert ständig die Inzidenz, die Impfquote und die Auslastung des Gesundheitssystems. Das hatte nämlich im Nordosten Alarm geschlagen – in jenem Land, das 2020 noch wegen freier Kapazitäten Corona-Patienten aus anderen Bundesländern „importierte“.
Das ist erst einmal alles aus den Nordosten der Republik. Bitte bleiben Sie gesund!
Fragen und Antworten hat der NDR sehr schön zusammengestellt:
https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/MV-zieht-die-Notbremse-Die-neuen-Corona-Regeln,coronavirus3470.html
Bild: Pixabay