Spätes Urteil zum Kampfjet-Einsatz zum G8 2007
14 Jahre ist es her, als die Staats- und Regierungschefs der G8 in Heiligendamm tagten. Vor den Sicherheitszäunen campten Demonstranten, Kritiker und Gegner verschiedener Gruppen und Vereine. Eines der offiziellen G8-Camps befand sich in Reddelich, unweit von Heiligendamm. Es wurde damals bekannt, weil ein Kampfjet der Bundeswehr am 5. Juni 2007 kurz vor Gipfelbeginn nur 150 und 114 Meter tief über das Camp flog, um Aufnahmen zu machen.
Die Kläger sind zwei betroffene Demonstranten, die sich durch den „Aufklärungseinsatz“ in der Versammlungsfreiheit eingeschränkt sahen. Es ging um eine Grundsatzfrage: Darf die Bundeswehr im Inneren gegen Demonstranten eingesetzt werden? Zündstoff birgt das Thema genug, denn es stellt sich auch die Grundsatzfrage, wie weit das in einem freien demokratischen Land gehen darf.
Nun gibt es ein abschließendes Urteil:
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.09.2021
– 1 L 9/12 und 1 L 13/12 –
G8 Gipfel in Heiligendamm: Überflug des G8-Gipfelgegner-Camps Reddelich mit einem Tornado-Flugzeug der Deutschen Bundeswehr rechtswidrig
Verletzung der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Versammlungsfreiheit
Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat nach Aufhebung seiner zunächst klageabweisenden Entscheidungen und Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht mit zwei Urteilen festgestellt, dass der polizeilich veranlasste Überflug des Camps Reddelich mit einem Tornado-Flugzeug der Deutschen Bundeswehr am 5. Juni 2007 rechtswidrig war und die Kläger dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzt wurden.
Anlässlich des 2007 in Heiligendamm durchgeführten Gipfeltreffens der acht großen Industriestaaten (G8) hatten in dem Camp zahlreiche Gegner des Gipfeltreffens Unterkunft gefunden.
Bundeswehr machte im Rahmen der Amtshilfe mit einem Kampfflugzeug Lichtbilder vom Camp für die Polizei
Bei dem Einsatz des Bundeswehr-Kampfflugzeugs, der einen Tag vor dem Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm im Wege der Amtshilfe für die Polizei des beklagten Landes Mecklenburg-Vorpommern erfolgte, wurde das Camp in einem Tiefflug von 150 m bzw. 114 m überflogen. Dabei wurden durch die im Flugzeug installierte Kameratechnik Lichtbilder, die keine Identifizierung einzelner Personen ermöglichten, gefertigt und an die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern weitergeleitet.
Verletzung der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Versammlungsfreiheit
Der Senat hat diesen Überflug als rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht der Kläger auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG erachtet und insoweit der Klage stattgegeben. Soweit sich die Kläger auch auf eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen haben, hatten die Klagen dagegen keinen Erfolg.