Bahnhof und Bahnanlagen (Alter und neuer Bahnhof)
Standort:
Kühlungsborner Straße
heute: 54°08’30.3″N 11°50’35.1″E
bis 1938: 54°08’33.8″N 11°50’37.3″E
Baujahr: 1886/1910/1933
Bauherr: Großherzog Friedrich Franz III., Mecklenburgische Friedrich Franz Eisenbahn (M.F.F.E.), Deutsche Reichsbahn
Architekt: unbekannt (1886/1910), Lutz Elbrecht (1933)
Umbauten: 1980er Schließung des Lichthofes, Einbau von Fahrstühlen
Sanierung: 2000-2003
Eigentümer: Mecklenburgische Friedrich Franz Eisenbahn (1886-1919), Deutsche Reichsbahn (1919-1949), Deutsche Reichsbahn der DDR (1945-1990), Mecklenburgische Bäderbahn GmbH (seit 1990)
Beschreibung:
In der Geschichte Heiligendamms gab es drei Bahnhöfe. Der erste Bahnhof entstand 1886 zusammen mit der Bahnverbindung von Doberan nach Heiligendamm.
Er befand sich direkt hinter dem Grand Hotel an der Stelle, wo sich heute die Bushaltestelle und der Parkplatz befinden.
Es handelte sich um eine einfache Wartehalle mit hüfthoher Mauer, auf der Säulen Rundbögen bildeten und das flache Walmdach trugen. Daneben gab es ein kleines Häuschen für die Technik. Die Halle war zu den Gleisen hin offen. Es gab nur einen Bahnsteig.
Vor dem Bahnhof gab es ein zweites Gleis, sodass immer ein Zug los fahren konnte, wenn der andere angekommen war. Damals führte nur eine schmale Straße und ein Gehweg neben den Bahnschienen entlang. Man befand sich also in einer dicht bewachsenen geraden Schneise im Wald, die bis zum Ortseingang reichte.
Im Jahre 1910 wurde die Bahntrasse nach Brunshaupten und Arendsee (seit 1938 Kühlungsborn) verlängert. Dafür musste sie abgeknickt und um das Bad herum geführt werden. Im Zuge dessen wurde der Bahnhof nach Süden verlegt. Offenbar darf man das wörtlich nehmen: Bilder aus dieser Zeit zeigen wieder genau dieselbe Wartehalle. Im Gegensatz zu vorher sind in den Rundbögen Fenster zu erkennen. Ein Teil der Halle war also zumindest nach außen geschlossen.
Der neue Bahnhof bekam aber Anbauten. Links befand sich eine typische Bahnhofsvorhalle und dahinter ein Haus. Rechts gab es ein kleineres Fachwerkhaus. Über offene überdachte Gänge waren beide mit dem Hauptgebäude verbunden. Ein weiteres Haus stand am rechten Rand. Es existierten auch hier zwei Gleise, denn nun gab es Begegnungsverkehr.
Dieser Bahnhof entsprach grundsätzlich den typischen Bahnhöfen, wie sie auch in Kühlungsborn entstanden und wie sie die Deutsche Reichsbahn z. B. auch an der Strecke Rostock-Wismar baute.
Als 1936 der Besuch Adolf Hitlers geplant wurde, fand man den kleinen Bahnhof unpassend. Der Führer würde in Bad Doberan ein riesiges historistisches weißes Bahnhofsgebäude vorfinden und in Heiligendamm nur einen kleinen alten Bahnhof. Der Doberaner Architekt Lutz Elbrecht begann 1933 mit dem Bau eines neuen Bahnhofsgebäudes. Passend zum Rest Heiligendamms wählte er ein klassizistisches Motiv mit großem Mittelteil, hier allerdings durchgehend. Wie Severin wählte er keinen Portikus, sondern stellte die Säulen ein und setzte die Tür nach hinten. Rechts und links des Eingangs gibt es je ein rechteckiges Sprossenfenster.
Das Obergeschoss ist dreiachsig mit quadratischen Sprossenfenstern mit den für diese Zeit typischen grünen Fensterläden. Zugleich nimmt es das Motiv der Orangerie auf. Ein Dreieckgiebel mit umlaufendem Gesims und einer Uhr in der Mitte imitieren das Kurhaus. Der goldene Schriftzug auf blauem Untergrund stammt nicht von Elbrecht und auch die Uhr war nicht farblich unterlegt. Vom Mittelrisalit ging eine Tür nach rechts und es gab kleine Seitenfenster. Zu beiden Seiten hatte der Bahnhof gleich lange Flügel. Der rechte hatte drei Fensterachsen mit denselben Fenstern, wie neben der Tür.
Da der Bahnhof unterkellert ist, sind unter jedem Fenster Kellerfenster. Nach links gab es drei Achsen mit kleinen Fenstern, gefolgt von einem Tor und an der linken Seite ein weiteres Fenster. Die kleinen Fenster waren identisch mit denen im Obergeschoss des Mittelteils. Eine Laderampe mit Treppe schloss mit der Flucht des Hauptteils ab.
Zum Bahnsteig hin wiederholte sich das Motiv weitgehend. Statt der Uhr im Dreieckgiebel gab es ein Ochsenauge, statt drei Fensterachsen im westlichen Teil nur zwei weit auseinander liegende Achsen. Elbrecht hatte hier nur Fenster gebaut, später wurde das rechte Fenster durch eine Tür ersetzt und dazwischen der Fahrplan aufgehängt und eine Bank aufgestellt. Nach Westen hin hatte der Gebäudeteil zwei weit auseinander liegende Fenster. Der Mittelteil hatte ein Vordach und statt einer breiten mittigen zwei weit auseinander liegende Türen für den Zugang und Ausgang. Im östlichen Teil folgte nach der ersten Fensterachse ein Anbau mit umlaufendem Fenster für das Stellwerk. Neben dem Anbau befand sich eine Tür und daneben ein Tor. Auch hier gab es nach Osten hin zwei weit auseinander liegende Fenster. Dieser Teil diente dem Güterverkehr, der erst 1969 eingestellt wurde.
Das kleine entfernt stehende Häuschen übernahm Elbrecht offenbar mit etwas Umgestaltung.
Zum Bahnhof gehörte auch das Schrankenwärterhäuschen am Bahnübergang. Es entstand ebenfalls 1910. Dabei handelt es sich um ein um Grundschnitt nahezu quadratisches Haus mit Zeltdach. Nach Norden dominierte eine Art Zwerchhaus, das aber hinter der Flucht des Daches zurück blieb. Es hatte eine Achse, im Erdgeschoss mit einem Sprossenfenster und im Obergeschoss mit einem Sprossenfensterpaar. Nach Osten bildete eine zweiachsige Gaube mit Flachdach den Ausbau. Im Erdgeschoss war die Nordostecke eine offene Veranda, von der auch die Tür ins Haus ging. Nach Osten hatte das Erdgeschoss ein kleines und ein großes Fenster in weit auseinander liegender Achse. Zum Haus gehörte auch ein Hof Richtung Westen. Zur Bahntrasse nach Süden zeigte nur ein einfaches Fenster in der äußeren linken Achse. Von Westen sind keine Fotos vorhanden.
Schon Bilder um 1970 zeigen die Loggia durch eine Holzwand mit Fenster geschlossen. Inzwischen wurde an der Ostseite links das einzelne Fenster durch eine Doppelflügeltür ersetzt. Es ist nicht überliefert, wann der nach Westen zeigende Anbau an der Nordseite entstand. Bis wann das Haus vom Schrankenwärter genutzt wurde, ist nicht überliefert.
Zu DDR-Zeiten gab es ein kleines hölzernes Haus direkt an den Bahnschranken. Ob es als Ersatz oder Ergänzung diente, ist unklar.
Nach der Wiedervereinigung wurden die Kurbeln für die Schranken direkt auf dem Bahnhof vor das Stellwerk im Bahnhofsgebäude verlegt, sodass die Schranken vom Schaffner bedient werden.
Nach der Wiedervereinigung wurde das Bahnhofsgebäude saniert. Nach Westen baute man eine Fensterachse an, um Raum für die Küche eines neuen Restaurants zu schaffen.
Dazu entstand ein Kellereingang nach Westen. Die beiden einstigen Fenster auf dieser Seite wurden weggelassen.
Die Tür auf der Bahnsteigseite wurde durch ein Fenster ersetzt. Das bahnsteigseitige Tor wurde durch eine Automatiktür ersetzt. In diesem Bereich entstand eine Wartehalle mit Ticket- und Souvenirverkauf. Im Obergeschoss wurden Ferienwohnungen eingerichtet.
Das Restaurant im westlichen Gebäudeteil wurde nach einem Namenswettbewerb „Großherzoglicher Wartesaal“ benannt. Es steht Stand Februar 2021 zum Verkauf. Das kleine Haus am Rande des Bahnhofs wurde zur Toilettenanlage umfunktioniert.
Sehr schöner Beitrag über Bahnhof und Bahnanlagen, insbesondere der Vorher-Nachher-Vergleich. Schon als Kind mochte ich immer Bahnanlagen und Züge, weshalb ich auch eine kleine Ansammlung davon Zuhause habe. Es ist wirklich interessant, dass es in Heiligendamm nur drei Bahnhöfe gab, wobei der erste 1886 entstand!