Eine neue Perle erstrahlt in Heiligendamm: Die Gerüste an Villa „Greif“ sind gefallen.
Sanierung der zweiten Villa der Perlenkette in Heiligendamm vor dem Abschluss. „Möwe“ im Bau, Residenzen im „Seestern“ in der Vermarktung. In Villen „Greif“ und „Möwe“ nur noch eine Wohnung frei.
Immobilien sind so gefragt, wie schon lange nicht mehr. Die hohe Nachfrage sorgt für anhaltend hohe Preise, welche in den vergangenen Monaten geradezu explodiert sind und bei Kaufinteressenten und Mietern für Unmut sorgen. In München kostet der Quadratmeter schon fast 8.000 Euro. Von einer Immobilienblase kann man noch nicht sprechen, eher von einer Flucht der Anleger in Betongold als Vermögens- und Altersvorsorge. Auch ausländische Investoren haben den deutschen Immobilienmarkt für sich entdeckt, ist doch der brave deutsche Mieter ein zuverlässiger Garant für regelmäßige und pünktliche Mietzahlungen. Der Markt ist bald leer gekauft, denn neue Wohnungen entstehen nicht im selben Tempo und können es auch nicht, denn die Auftragsbücher der Baubranche sind brechend voll und es fehlt an Personal, bzw. dem Vertrauen in den Aufschwung, um jetzt Personal aufzustocken. Insgesamt sind es gute Nachrichten: Der Wirtschaftsmotor brummt.
Heiligendamm profitiert vom Immobilienboom
Fernab von München liegt das älteste deutsche Seebad Heiligendamm mit seinen historischen Villen direkt an der Ostsee. Seit 1997 im Besitz der Jagdfeld-Gruppe dümpelten die alten Logierhäuser direkt an der Ostsee ein Jahrzehnt vor sich her, weil die Lokalpolitik den Plänen des Investors Anno August Jagdfeld nicht folgen wollte, in den Villen Residenzen für wohlhabende Leute einzurichten. Nebenan hatte derselbe Investor mit einem FUNDUS-Fonds das legendäre Grand Hotel Heiligendamm wieder aufleben lassen, wie schon zuvor das Adlon in Berlin. Auf dem Weg vom Sanatorium für Werktätige auf volkseigenem Grund und Boden zum Luxushotel auf Privatgrundstück gab es den einen und anderen Wegfall von ehemals von der Öffentlichkeit genutzten Wegen und darüber wiederum einen derart emotionalen Streit, dass am Ende alles zum Stillstand kam, das Grand Hotel in die Insolvenz ging, mit Paul Morzynski einen neuen Eigentümer fand und Jagdfeld und die Stadt 2015 an einer von der IHK vorgeschlagenen Mediation einen Neuanfang versuchten.
Mediation beendete Stillstand und Verfall
Erst nach deren Ende und Inkrafttreten im Jahr 2016 konnte es weiter gehen mit der schon 2004 geplanten Sanierung der „Perlenkette“ genannten Häuserreihe direkt am Meer. Ihr Namensgeber – die Villa „Großfürstin Marie – Perle“ – strahlte schon seit 2011 in neuem Glanz, allerdings nicht als sanierter Altbau, sondern als originalgetreuer Neubau, denn die Villa wurde vor dem G8-Gipfel im Jahr 2007 abgerissen.
Nach der Mediation ging es dann zügig voran: Der bisher einzige Bewohner des Doppelhauses „Großfürstin Marie – Perle“ kaufte noch zwei Wohnungen dazu und besitzt nun komplett den repräsentativen Perlen-Anbau von 1872 namens „Großfürstin Marie“ und auch die anderen Wohnungen waren im Nu verkauft.
Gerüste der Villa „Greif“ sind gefallen
Noch während dessen begann die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm die Sanierung der Villa „Greif“ nebenan. Auch dort waren bei Sanierungsbeginn schon 60% der Wohnungen verkauft. Inzwischen fehlen nur noch die Balkone an der im neuen Weiß strahlenden Villa und es ist nur noch eine Wohnung zu haben. Sie befindet sich im Dachgeschoss auf der Westseite des Hauses und hat 3 Zimmer auf 110,7 Quadratmetern. Der Preis beträgt 1.648.165 Euro bei Eigennutzung oder 1.424.058 € zzgl. Umsatzsteuer bei gewerblicher Ferienvermietung. Denn auch das ist bei den Wohnungen möglich: Man kann sie kaufen und als Sommerresidenz, Ferienwohnung, Zweit- oder natürlich Erstwohnsitz nutzen oder man vermietet sie an Feriengäste. Bei Anschaffungspreisen von fast 15.000 Euro pro Quadratmeter muss man allerdings die Zimmerpreise recht hoch ansetzen und dementsprechend viel bieten, denn im Grand Hotel nebenan schläft es sich schon ab 100 Euro pro Person inklusive Frühstück und SPA.
Top-Lage in erster Reihe mit unverbaubarem Seeblick
Die meisten Residenzen-Erwerber sind Heiligendamm-Liebhaber und wollen selbst in ihrer Wohnung in einer historischen Strandvilla direkt am Meer mit unverbaubarem Blick auf die Ostsee wohnen – dort, wo Herzog Friedrich Franz I. anno 1793 auf Anraten seines Leibarztes Prof. Dr. Samuel Gottlieb Vogel Deutschlands erstes Seebad gründete. Kein Deich versperrt den Seeblick, kein Windrad drängt sich in den herrlichen Sonnenuntergang und das alles in einem Ort, der so klein und beschaulich ist, dass man meint, man wäre in einem Dorf. „Ein solch reizender, solch abstrakter Badeort, wie dieser muß irgendwo existieren und erhalten bleiben, damit wir die Vorstellung gewinnen können, wie es sich im Märchen oder in den Gefilden der Seligen lebt, in denen man alles hat und nichts entbehrt, in denen nur genießende Menschen verweilen und von des Lebens Müh‘ und Arbeit so gut wie nichts zu merken ist“ schwärmte die Schriftstellerin Fannny Lehwald 1879 von diesem Ort, den sie nur auf einer Durchreise kurz streifte und in dem sie den Traum der alten Griechen verwirklicht sah – Arkadien.
Nächste Villa schon fast komplett verkauft
Während Villa Nummer zwei in der Perlenkette wieder in alter Schönheit erstrahlt, ist Villa „Möwe“ links davon ohne Dach und mit zugemauerten Fenstern geradezu zum Sinnbild des Verfalls geworden. Sie war schon seit ihrer teilweisen Zerstörung 1945 und den darauf folgenden Umbauten die glanzloseste Perle der Kette und sollte als eine von dreien abgerissen werden. In der Mediation einigte man sich auf eine aufwändige Sanierung im Bestand. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass es nur dann auch eine AfA-Abschreibung gibt und die zwar nicht der Renner, aber immer noch ein gutes Verkaufsargument ist. Außerdem ist ein Neubau bei aller Originalität nun einmal nicht historisch.
Keine Abrisse mehr: Es wird im Bestand saniert
Es wird also nichts mehr abgerissen in Heiligendamm und alles aufwändig im Bestand saniert. Im Nachhinein hört man den Stolz der Bauherren heraus, sich letztlich doch für den Erhalt entschieden zu haben. Neu bauen kann jeder – im Bestand originalgetreu sanieren nicht. Zumal auch die Auftragsbücher in Mecklenburg-Vorpommern prall gefüllt sind und manche Gewerke einfach gar nicht mehr zu finden sind. Die Jungs, die den Stuck mit Löffeln formen, sind von weiter weg geholt. In diesem entkernten Ding sind bereits 85% der Wohnungen verkauft, also in Zahlen fünf von sechs. Noch zu haben ist hier auch die Wohnung im Dachgeschoss, diesmal aber an der Ostseite. Drei Zimmer auf 134,7 qm, zwei Balkone und ein Turmzimmer erwarten den neuen Besitzer. Das ist auf Jahre das letzte Turmzimmer in ganz Heiligendamm.
Gutes Tempo bei der Sanierung der acht Villen
Beim Richtfest für die Nummer zwei sagte der parteilose Stadtvertreter Jochen Arenz: „Die vierte ist auch in Planung und dann sind es nur noch drei Villen.“ Freude schwang in seiner Stimme, gehörte er doch zu den vielen Befürwortern des Projekts, die am Ende so ihre Zweifel bekamen, dass es in Heiligendamm jemals weiter gehen würde. Mehr als einmal empfahl er, doch einen Richter entscheiden zu lassen, ob etwas lang und breit Diskutiertes richtig oder falsch ist, statt es noch länger und breiter zu diskutieren.
Erfolg hatte er damit nie, denn gerade darum ging es ja im politischen Schachspiel: Zeit schinden, die Jagdfeld nicht hat. Das ging nach hinten los: Hätte er schon 2004 sanieren können, wäre er zwar schon fertig, aber jetzt verdient er mehr, als damals. Den Häusern hat es nicht wirklich geschadet, denn sie waren über die ganzen Jahre mit Klimaanlagen versehen und alles, was an Leitungen irgendwie kaputt gehen konnte, gekappt. Der Vater mehrerer Söhne hätte noch viel mehr Zeit gehabt. Nur sein Traum, einmal durch das neue Heiligendamm zu wandeln, wäre freilich gefährdet gewesen.
Fertigstellung bis 2021 wurde in Aussicht gestellt
Bis 2021 sollen alle Villen saniert sein – so steht es in der Mediationsvereinbarung. Was, wenn nicht, steht nicht zu lesen und scheint inzwischen auch gar nicht mehr relevant, denn der Verkauf für Villa Nummer vier – dem „Seestern“ – ist gestartet. Hier gibt es fünf Wohnungen, von denen zwei mit 73,8 und 54,7 qm auffallend klein sind, dafür aber auch zwei mit 140,4 und 185,6 qm auffallend groß. Das Haus hat den Charakter eines englischen Landhauses – da passt das sehr gut. Die Preise liegen zwischen 1.291.500 und 2.784.000 Euro und setzen damit nach unten und oben neue Marken. Auch hier ist die AfA-Abschreibung möglich. Die Villa soll im Frühjahr 2020 fertig sein.
Und dann sind es wirklich nur noch drei. Bei gleich bleibendem Tempo könnte Ende 2021 für die vorletzte Villa die Vermarktung beginnen und für die letzte die Planung. Dann bleiben noch die Kolonnaden zu sanieren und das Prinzessin-von-Reuß-Palais für weitere Residenzen umzubauen. Thalassozentrum, Ayurvedazentrum, Wohn- und Geschäftshäuser und ein Villenviertel sind nach wie vor geplant.
Die Vision auf dem Weg zur Wirklichkeit
Dann werden längst Jagdfelds Söhne das Erbe ihres Vaters fortführen. Anno August Jagdfeld wird dann vielleicht 80 oder 90 sein – wenn es bei ihm so gut läuft, wie bei der Gründergeneration des ersten deutschen Seebades, wird er dann trotz aller Widrigkeiten und Verzögerungen durch das neue Heiligendamm wandeln.
Unerkannt zwischen den Hotelgästen, Residenzbewohnern, den Urlaubern in den Pensionen und Ferienwohnungen, den Einheimischen und den Tagesgästen. Denn dahin entwickelt sich Heiligendamm seit dem Moment, an dem alle aufgehört haben, die Decke zu sich selbst zu ziehen.
Hier gibt es noch ein wenig bewegte Bilder: