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Bauwerke in Heiligendamm

Evangelische Waldkirche (Lutherische Kirche)

Standort:
Großer Wohld
54.14015237927908, 11.83426404167924

Bauzeit: 1904
Bauherr: evangelische Kirchgemeinde
Architekt: Gotthilf Ludwig Möckel

 

Beschreibung:

(Quelle: A. Beckmann)

Bei der Einweihung der katholischen Kapelle regte Staatsminister Friedrich von Bülow wegen anhaltender Kritik an, auch eine evangelische Kirche zu bauen. Großherzog Friedrich Franz III. stiftete am 14.07.1893 zum unmittelbar bevorstehenden 100. Geburtstag des Seebades einen Platz an der Südseite des Kleinen Wohld für den Bau der Kirche. Dazu kam er extra aus seiner Sommerresidenz im Jagdschloss Gelbensande ins ihm wegen seiner Atemwegs- und Kreislauferkrankungen nicht angenehme Seebad. In Gelbensande hielt er sich im Wald auf, weil ihm die Luft gut tat. Das hatte er als Kind auch schon in Heiligendamm getan und eben diesen Spielplatzt seiner Kindheit stiftete er und dazu noch 10.000 Mark. Mit dem Bau wurde Gotthilf Ludwig Möckel beauftragt.

(Quelle: A. Beckmann)

Am 31.07.1904 fand die Weihe statt. Erst 1903 war das erforderliche Geld durch den Verein aufgebracht worden, um mit dem Bau, dessen Pläne wiederum von Möckel stammten, zu beginnen. 1904 konnte die kleine Waldkirche geweiht werden.

Mit 140 Quadratmetern ist die evangelische Kirche bedeutend größer als die katholische Kapelle. Das Langhaus ist dreijochig, der Chorraum polygonal. Der Eingang zeigt nach Westen und der Chor nach Osten. Den Turm setzte Möckel nicht an die Westseite, sondern fügte ihn an die Ecke der Ost- und Südseite an. Bei der Verzierung verwendete er Putzblenden, Formsteine und Glasurziegel.

Aus der Predigt des Landessuperintendanten Dr. Kleminger vom 18. Juli 2004 anlässlich des Festgottesdienstes zur hundertsten Wiederkehr der Kirchenweihe:

„Blicken wir zurück. 1793 war zu Zeiten Friedrich Franz I. auf Anregung des Rostocker Arztes Samuel Gottlieb Vogel das erste deutsche Seebad in Heiligendamm  errichtet worden. Zunächst begann der Badebetrieb zur schleppend. Doch ab 1839 entdeckte die großherzogliche Familie Heiligendamm für sich.

Fortan wurde hier kräftig gebaut. Es entstanden die „neuen Logierhäuser“, wie sie damals hießen. Es war nicht anders als heute, den Aufschwung nahm das Bad erst, als zahlungskräftige Badelustige aus Süddeutschland nach hier kamen. Und weil sie mit der   Eisenbahn kamen, nannte man sie hier „de Isenbahners“. Diese Isenbahners waren nun zumeist katholisch und sie beklagten sich, dass sie weit und breit keine katholische Kirche zum Gottesdienst besuchen könnten. Sie hätten immerhin bis Schwerin oder Ludwigslust fahren müssen. Zunächst gestattete der Großherzog Friedrich Franz II., der ja zugleich der für die evangelische Kirche Zuständige war, dass die Katholiken in einem Raum des Badehauses Gottesdienst hielten. Und wenig später gestattete er auch den Bau einer Kapelle. Entworfen hatte sie Gotthilf Ludwig Möckel. Bereits 1888 wurde sie eingeweiht.

„Nun hagelte es Beschwerden seitens der evangelischen Badeurlauber, die sie beim Badeintendanten in Doberan einreichten. Sie wollten auch eine Kirche haben. Aber das sahen sowohl der Großherzog als auch die evangelischen Pastoren in Doberan ganz anders. Sie sahen keine Notwendigkeit zum Bau einer evangelischen Kirche.

Als Lösung des Konflikts bot der Großherzog etwas Einmaliges an. Er ließ alle 14 Tage sonntags einen Sonderzug nach Doberan fahren. In diesem „Kirchenzug“ konnten die Fahrgäste unentgeltlich fahren.

Wiewohl nun Badegäste und Insassen des Armenkrankenhauses 14-tägig auf Kosten des Großherzogs unentgeltlich zum Gottesdienst nach Doberan fahren konnten, zeigte sich auch damals, dass die Mecklenburger nicht sehr beweglich waren, wenn es darum ging, zum Gottesdienst in einen anderen Ort zu fahren. Also nahm der Druck ab 1892 zu, es möge in Heiligendamm doch wenigstens einmal in der Woche Nachmittags- oder Abendgottesdienste geben. Insbesondere auch für die Bediensteten des Bades und die Diener der Badegäste.

Das Ministerium für Medicinalangelegenheiten wurde in der Sache beim Großherzog vorstellig. Jetzt war dies bereits Friedrich Franz IV. Dieser bat den Landessuperintendanten Dr. Hardeland in Doberan um ein Gutachten. Zwar schreibt dieser ein viele Seiten dickes Gutachten. Drin steht aber nur: Es soll alles beim Alten bleiben. Der Kirchenzug hat sich bewährt. Einen Nachmittagsgottesdienst könne man in einem Raum im Badehaus für Bedienstete abhalten – wenn solche Trennung von Klassen auch nicht im Sinne des Evangeliums sei. Der Hilfsprediger zu Althof sollte die Gottesdienste halten.

Diesem Gutachten schließt sich der Oberkirchenrat an. Graf von Plessen aus Ivenack und der Drost des Amtes Doberan von Bülow treiben die Sachen voran. Beide Männer gewinnen den neuen Landessuperintendenten von Doberan Behm für ihre Pläne. Staatsrat von Pressentin nahm in Schwerin die Dinge in die Hand und entwarf ein Konzept:

Der geheime Baurat Möckel möge die Kirche bauen. Kosten max. 35.000 M (Bau, Fenster und Türen 25.000; Inneres 7.000)

Die Kapelle soll kirchlich zu Doberan gehören.

In der Zeit vom 01. Juli bis Ende August soll sonntäglich Gottesdienst in der Kapelle stattfinden. Dafür sollen zwei Kurprediger eingestellt werden, die jeweils für einen Monat dort arbeiten. Dies auf ausdrücklichen des Großherzogs.

Der Küster soll für jährlich 60 M angestellt werden. Ein Doberaner Volksschullehrer soll in zehn Gottesdiensten im Jahr für die Kirchenmusik sorgen – ebenfalls für 60 M.

Eine Orgel ist vorzusehen.

Ein Gesangschor ist entbehrlich.

Der Landesherr unterstützt den am 07. Juli 1893 begründeten Kapellenverein.

Noch manche Briefe und Gutachten werden gewechselt. Bspw. heißt es darin, dass es viel wichtiger sei, in Graal-Müritz eine Kirche zu bauen – oder auch in Brunshaupten oder Ahrendshoop.

Für die Kranken des Armenkrankenhauses wollte man schließlich einen Beetsaal an das Krankenhaus anbauen. – Dafür würden schließlich auch die vorhandenen 20.000 M reichen.

Aber letztlich ziehen sich alle Briefschreiber auf das Urteil des Großherzogs in der Sache   zurück. – Mit anderen Worten, sie schielten nach den Fördermitteln. Der Großherzog lässt sich auch nicht lumpen. Er bewilligt am 11. März 1902 weitere 12.000 M und stellt einen Bauplatz zur Verfügung.

Am 23. April 1904 schreibt das großherzogliche Ministerium, Abteilung geistliche Angelegenheiten, an den Oberkirchenrat, dass die Unterhaltungskosten für die Kapelle zu Lasten der großherzoglichen Renterei gehen. 700 M jährlich werden für zwei Geistliche bereitgestellt, die jeweils 1 ½ Monate Dienst tun sollen. Küster, Kantor, Bälgetreter sollen aus dem Kapellenärar bezahlt werden. In diesen zahlt der Großherzog jährlich 300 M ein.

Die Einweihungsfeiern für diese Kirche wurden von Landessuperintendent Brehm, Geheimem Baurat Möckel und Amtshauptmann von Bülow genauestens geplant.

Die Weihe fand schließlich am 31. Juli 1904 statt. In einer lange Prozession zog man durch den Wald. Zuerst Küster, Chor und Organist. Dann der Landessuperintendent und die Assistenten Klieforth und Brückner. Es folgten die allerhöchsten Herrschaften mit ihrem Gefolge. Sodann der Vorstand des Vereins zur Erbauung einer evangelischen Kirche am Heiligen Damm. Jetzt die Handwerksmeister. Und zum Schluss die Gemeinde, an die Eintrittskarten ausgegeben worden waren.

 Am Westportal angekommen, begrüßte Graf von Plessen den Großherzog und meldete die Vollendung des Baus. Baurat Möckel übergab den Schlüssel. Der Großherzog übergab den Schlüssel an den Landessuperintendenten und der schloss auf.

Da das Geld nicht für den Bau einer Orgel oder die Anschaffung eines Harmoniums gereicht hatte, spielte bei der Einweihung das Kurorchester. So viel über das Werden dieses Hauses. In den folgenden 100 Jahren wurden mancherlei Sanierungen nötig, Ausstattungsgegenstände verschwanden. Das Gestühl wurde erneuert.

Interessant war für mich zu lesen, dass die Messingtaufschale dieser Kirche bereits aus dem Jahr 1864 stammt.  So ist es wohl, dass wir in allem Neuen aus älterem schöpfen.  – Dass wir von Vorgegebenem leben. Das wir aufnehmen und erwerben, um es zu besitzen. Nun besaß Heiligendamm zwei kleine verschwiegene Kapellen, im Buchenhochwald gelegen, abseits der Weißen Stadt am Meer, aus dem roten Backstein der norddeutschen Gotik gebaut.“

 

Die Kirchen in Heiligendamm waren ausschließlich Orte der Andacht. Es gab keine Friedhöfe. Nach 1943 gab es mehrere Ereignisse, die das änderten. Es ist überliefert, dass im April 1943 ein Soldat bei Bombenabwürfen über dem Wald getötet wurde. Vom 12.06. bis 14.06.2002 wurde der Friedhof aufgelöst und durch die Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit Hilfe von Berufsschülern die Gebeine auf den Ehrenfriedhof in Bad Doberan umgebettet. Es wurden zwei Reihen mit 10 einfach, einem doppelt und einen dreifach belegten Grab geöffnet. Dabei fand man einen zum Todeszeitpunkt 20-25 Jahre alten 1,72m großen Marinesoldaten mit Resten des Soldbuchs, den Uniformknöpfen und Fotos im Zigarrettenschachtelformat.

Außer dem Soldaten waren 13 Zivilisten begraben worden. Im Mai 1945 wurden drei bis fünf Betreuer in Heiligendamm begraben, nachdem sie aus Angst vor den einrückenden Russen Suizid begangen haben. Das Geschlecht und die Betreuungseinrichtung sind nicht überliefert. In Frage kommen Betreuerinnen des Kindererholungsheimes oder Betreuer der Reichskadettenschule. Das Seehospiz war zu dieser Zeit schon aufgelöst. Die Leichen wurden von den Familien 1946 in die Westsektoren umgebettet. Das spricht für BetreuerInnen des Kindererholungsheimes, denn das wurde von der AOK Hamburg betrieben. Heute gibt es keine Gräber mehr an der evangelischen Kapelle.

Der letzte Gottesdienst fand Anfang August 1943 statt – danach war es wegen möglicher Blindgänger verboten. Die Kirche wurde ausgeraubt und durch Vandalismus beschädigt. Nach Instandsetzungen konnte sie am 05.08.1951 wieder für Gottesdienste geweiht werden. Seitdem wird die Kirche wieder betrieben. Eine Generalsanierung der Kapelle konnte im Jahr 2005 mit der Entfernung der Glastrennwand und dem Treppenumbau sowie Elektroarbeiten beginnen. Nach Trockenlegungsarbeiten und dem Entfernen von schadhaftem Putz im Jahr 2008 gab es 2012 weitere Bau- und Restaurierungsmaßnahmen.

Die Waldkirche wurde auch vom Verein der Freunde der Waldkirchen Heiligendamm gepflegt. Das Gebäude gehört zur evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Bad Doberan, die zur Propstei Rostock gehört.

Die Waldkirche war Drehort für Szenen des vom 19. August bis zum 16. September 2009 gedrehten Films „Alles Böse zum Hochzeitstag“ der TV-Serie „Mord in bester Gesellschaft“ mit Fritz und Sophie Wepper. Siehe auch: Welche Filme wurden in Heiligendamm gedreht?

 

Bitte spenden Sie für den Erhalt dieses historischen Kleinods:

Kontoinhaber: Ev.-Luth. Kirchengemeinde Bad Doberan
IBAN: DE12 5206 0410 0005 3501 15
BIC: GENODEF1EK1
Verwendungszweck: „Kirche Heiligendamm“

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