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Kurz vor dem Jubiläum: Das Grand Hotel Heiligendamm ist verkauft.

Das Grand Hotel in Heiligendamm hat einen neuen Besitzer. Es ist kein Bekannter, es ist auch keine Hotelkette und überhaupt weiß man sehr wenig über den „Neuen“. Wer ist er, was will er und wie sind die Aussichten für Deutschlands erstes Seebad? Erste Fakten und Gedanken:

 

Die Verträge sind gemacht – 30 Millionen Euro sollen fließen und das renommierte Grand Hotel Heiligendamm wechselt seinen Besitzer. Heute werden die Mitarbeiter informiert, danach stellt sich „der Neue“ den Stadtvertretern vor. „Der Neue“ sind eigentlich zwei: Die Unternehmen „Palladio AG“, 100%iges Unternehmen eines Berliner Immobilienkaufmanns und „De&De Holding GmbH“, beide ansässig auf dem Kurfürstendamm in Berlin, beide völlig unbekannt und beides Beteiligungsgesellschaften, also „Private Equity“, die seinerzeit Müntefering als „Heuschrecken“ betitelte. Eben das soll man den beiden aber nicht unterstellen, denn anders als die ebenfalls zu den Bietern gehörende MEDIAN-Mutter Advent International liest man über die beiden Berliner nichts schlechtes, weil eigentlich gar nichts – sie sind schlichtweg unbekannt.

Hotelbetrieb in Eigenregie

Was sie vor haben, weiß aber eine Lokalzeitung bereits: Das Hotel soll in Eigenregie geführt werden. Die Stadt wünschte sich einen kompetenten Hotelbetreiber aber eben da Hotelbetreiber kompetent sind, erfüllte keiner ihr diesen Wunsch.

Ein Problem ist das nicht: Jagdfeld führte das Grand Hotel nach dem Ausstieg der Kempinski-Gruppe im Jahr 2009 auch ohne Hotelkompetenz aber im Hotelverbund in Eigenregie weiter. In der Vergangenheit waren es stets Kaufleute, die das Hotel führten, auch wenn sie es zu verschiedenen Zeiten generalverpachteten. Erst Baron Otto von Kahlden machte das herzogliche Bad ab 1873 zum Hotelbetrieb und investierte (zuletzt als Alleininhaber) Millionen in den Ausbau Heiligendamms. Sein Sohn verkaufte nach dem Tod des Vaters 1911 die Anteile an der das Bad tragenden Gesellschaft an Walter John, der es als Spekulationsobjekt nutzte und im selben Jahr Insolvenz anmelden musste. Die Hauptgläubiger – allesamt Kaufleute – retteten das Bad, indem sie es kauften und kräftig investierten. So kräftig, dass das Lübecker Bankhaus Louis Wolff KG die im Aufwind befindlichen Aktien erwarb. Nach der Inflation kaufte der Bankier Oskar Adolf von Rosenberg den Lübeckern das Bad für 4.500 britische Pfund ab und investierte zusammen mit zwei Mitstreitern über Jahre Millionen in eine Aufwertung, die Heiligendamm zu dem machte, was es heute ist.

Ein Erfolg war Heiligendamm nie: Auch unter Rosenberg schwächelte das Bad, konnte oft nicht einmal die laufenden Kosten tragen. Rosenberg butterte dazu, tilgte an der Notverordnung der Nazis vorbei die Schulden der Gesellschaft und als er von der Beschlagnahmung des Bades erfuhr, nahm er sich das Leben. Mit Herzblut war auch Jagdfeld dabei, der das Bad kurz nach seinem 200. Geburtstag erwarb (nachdem zum runden ein Investor verkündet wurde, der aber aus Geldmangel aufgeben musste). Jagdfeld investierte Privatvermögen in einen Fonds, von dem zuletzt alle Welt abriet, nur um zu retten, was zu retten ist und um am Ende doch Insolvenz anmelden zu müssen. Ob die neuen Betreiber in einer Reihe mit Kahlden, Rosenberg und Jagdfeld stehen oder ob sie nur ein kurzer Moment in der Geschichte sein werden, wie Walter John, das muss sich zeigen. Zu viele offene Fragen sind es dieser Tage. Aber eben auch keine Versprechen, wie vor 10 Jahren, als alle Hoffnung auf einem Mann ruhte, dem heute alle Verantwortung für das zugeschoben wird, was im Ort nicht läuft.

 

Vermeintlich auch Wohnungen geplant

Ein wenig weiß ein Lokalmedium schon über das Vorhaben der neuen Betreiber:
Die im Insolvenzverfahren umgesetzte Gesundschrumpfung (Insolvenzverwalter Jörg Zumbaum schloss Burg und Orangerie) soll fortgesetzt und Wohnungen angeboten werden. In welcher Form, ist noch offen. Denkbar wäre, die Burg zum Wohnen und die restlichen vier Gebäude als Hotel zu nutzen, wobei die Orangerie als eigentlich fünftes Gebäude ja an die Median-Klinik gehen soll. Drei entgegen gesetzte Klientel auf so engem Raum sind nicht unproblematisch aber da die drei Cottages westlich der Burg und die Perlenkette östlich des Ensembles auch zum Wohnen genutzt oder angeboten werden, könnte das funktionieren, wenn das Grand Hotel in der Mitte ein echtes Zentrum für die Wohnenden wird. Dazu aber muss die Saison verlängert und kräftig in den Ausbau genau dessen investiert werden, wofür Jagdfeld am Ende das Geld fehlte.

Stadtvertreter stehen vor Bewährungsprobe

Fakt ist, dass eine B-Plan-Änderung ins Haus steht, die man gerade erst einem Investor (König, Strandzentrum) versagte und die sogleich zur Bewährungsprobe für die Zusammenarbeit zwischen Stadt und neuem Hotelbesitzer wird. Diese haben immerhin bekommen, was sie wollen: Der „Stichweg“ wurde gleich im Kaufvertrag vereinbart – das Hotel muss Flächen für einen Weg quer über das Hotelgelände abtreten. Ganz unproblematisch ist so ein Stichweg nicht – die mit dem Grand Hotel bestens vertraute Kempinski-Gruppe warnte jüngst in einem Statement vor der Öffnung des Hotel-Geländes. Den Stadtvertretern liegt dieses Schreiben als Anhang eines achtseitigen Briefes von Investor Anno August Jagdfeld gerade jetzt vor.

Für Jagdfeld hat das Ganze aber auch etwas Gutes: Nun da sich jemand gefunden hat, der Wegflächen für den Stichweg bereit stellen will, muss es „seine“ ECH nicht mehr tun; erübrigt sich jede derartige Forderung. Der Druck auf Jagdfeld ist von denen genommen, die den Kaufvertrag formuliert haben. Auch jenes „Verhandlungsszenario“, das der Heiligendamm-Beirat schaffen wollte, um Jagdfeld zur Zustimmung zum Stichweg zu zwingen und wofür er dann die Baugenehmigung für die Perlenkette wieder kriegen sollte, verliert jeden Sinn. Logische Konsequenz wäre also, ihm die Baugenehmigung wieder zu geben, denn das Grand Hotel ist ja nun nicht mehr insolvent. Auch die Ausschankgenehmigung für den Pavillon auf dem Seebrückenplatz muss es nun geben, denn das Grand Hotel ist nicht mehr insolvent und damit das (an den Haaren herbei gezogene) Argument der Stadt nichtig. So kriegt man auch dort die Kurve.

Nachtrag: Inzwischen ist nicht mehr davon die Rede, dass das Hotel ALLE Flächen für einen zusammen hängenden Stichweg stellen soll. Man hält offenbar an der im B-Plan eingezeichneten Variante zwischen Hotel und Perlenkette hindurch fest, muss also weiterhin über ein Grundstück der ECH, ist also von Jagdfeld abhängig, der erneut die Möglichkeiten eines Stichweges verneinte, sodass der Bürgermeister erneut von einem (Jahre dauernden und im Ausgang ungewissen, sowie gegenüber potenziellen Investoren abschreckenden) Enteignungsverfahren sprach.

Quo vadis Heiligendamm? Wird die Geschichte des ersten deutschen Seebades im 220. Jahr ein Erfolg?
Eines ist gewiss: Eine Chance hat Heiligendamm nur, wenn alle an einem Strang ziehen.