Pensionopolis 2.0 oder Fewopolis 1.0?
Als Heiligendamm verkauft und unabhängig von seiner Mutterstadt Doberan wurde, erhob der Großerzog den Flecken 1879 zur Stadt. Privatiers und Rentiers ließen sich nieder und so entstanden die Villenreihen entlang der Goethestraße und Dammchaussee. Zehn Jahre später hatte die junge Stadt den Beinamen „Pensionopolis“ weg, denn die meisten Bewohner waren Pensionäre.
Knapp 130 Jahre später wachsen reihenweise ganze Komplexe mit altersgerechten Wohnungen aus der Erde oder werden Gebäude um genutzt, um altersgerechte Wohnungen darin unterzubringen. Natürlich kann auch jeder junge Mensch diese Wohnungen kaufen oder mieten – altersgerecht heißt ja nur, dass es möglichst wenige Barrieren gibt. In der Praxis ziehen aber tatsächlich überwiegend Senioren in die Wohnungen. Der Trend ist nicht nagelneu, begann eigentlich schon 1996. Seitdem sind zwei Pflegeheime entstanden, es gibt au0er Seniorenresidenzen auch betreutes Wohnen und viele kleine und große Pflegedienste leben von den Senioren. Längst hat sich auch der Handel auf diese Kundschaft eingestellt und selbst in der Gastronomie ist der Seniorenteller inzwischen Standard und nicht Zusatzservice.
Parallel setzt die Stadt auf das, was schon in der Weimarer Republik und der DDR erfolgreich war: Jedem sein eigenes Häuschen. Die günstigen Grundstückspreise locken viele auch junge Leute in die Stadt und die Wohngebiete sind jetzt schon voll ausgebucht.
Wo hört eigentlich „jung“ auf und wo fängt „alt“ an?
Das sind berechtigte Fragen. Die „Alten“ beschweren sich über die teilweise schlechten Gehwege und den „Jungen“ fehlen Radwege. Die „Alten“ bemängeln die recht eintönigen Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung und die langen Wege zu den vielfältigeren Angeboten und den „Jungen“ fehlen Discotheken, Clubs und Fastfood-Restaurants. Die Interessen könnten kaum gegensätzlicher sein – lediglich die Bordsteinkante vereint Oma mit dem Rollator und Mama mit dem Kinderwagen, wenn sie mal wieder unüberwindbar ist.
Wie kann eine Stadt diese unterschiedlichen Interessen vereinen?
Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung beschäftigt sich mit dieser Frage und ist zu dem Schluss gekommen, dass Stadtquartiere generationsübergreifend gestaltet werden müssen. Nicht das „Jungen-Ghetto“ hier und das „Alten-Ghetto“ dort, sondern eine Stadt, in der die Bedürfnisse aller Generationen berücksichtigt sind.
Muss man sich also nicht für Jung oder Alt entscheiden?
Die Verlockung ist groß: Wer sich im Ruhestand eine Wohnung kaufen kann, der kann das ab einem gewissen Alter nicht auf Kredit tun, hat also offenbar Geld. Das ist für manchen eine interessante Klientel. Andererseits kommen mit Familien – auch wenn das Haus erst mal abbezahlt werden muss und solange der Gürtel enger geschnallt wird – gleich mehr Menschen ins Haus und sie geben als Familie tendenziell schon einmal mehr Geld aus. Das Kind geht in die KITA oder Schule, die Eltern haben beide Arbeit, bestenfalls bei einem Arbeitgeber, der seine Abgaben auch in der Stadt zahlt. Das alles klingt gesund. Und das ist es auch: Kann man Jung und Alt für die Stadt begeistern, ist die Stadt gesund.
Und wenn man sich kein Haus leisten kann?
Das ist ein großes Problem in Bad Doberan und auch in anderen Orten mit Tourismus als Wirtschaftsfaktor. Die Grundstücks- und Immobilienpreise sind um ein vielfaches höher, als 50 km weiter südlich im Binnenland und dementsprechend bewegen sich auch die Kaltmieten in Sphären, wo man anderswo für eine doppelt so große Wohnung das gleiche Geld als Warmmiete bezahlt.
Es muss billige Saisonkräfte geben, sonst kann die Hotellerie und Gastronomie nicht überleben. In Orten, in denen in der Nebensaison nichts los ist, muss an 100 Tagen im Jahr so viel Geld verdient werden, dass es für das ganze Jahr und darüber hinaus reicht. Ein Hotel muss auch im Winter seine Mitarbeiter bezahlen können und eine Saisonkraft muss auch in der Nebensaison ihre Miete zahlen können. Wenn aber die Mieten zu hoch sind, ist das nicht möglich und dann können die Saisonkräfte nur entweder weiter weg wohnen oder gleich dort zu arbeiten beginnen, wo sie auch günstig wohnen können.
Touristenhochburgen setzen falsche Prioritäten
Das übersehen viele Touristenhochburgen einfach. Sie schaffen keinen bezahlbaren Wohnraum für die Saisonkräfte oder lassen nicht einmal Platz dafür frei, damit es wie in Heiligendamm, wo Grand Hotel und MEDIAN-Klinik Mitarbeiterwohnungen bauen wollen – private Investoren tun können.
Viel eleganter noch wäre eine ganz andere Lösung: Die Orte so zu gestalten, dass ein Hotel auch in der Nebensaison noch so gut funktionieren kann, wie in der Hauptsaison. Würden die Gäste das ganze Jahr über in ausreichender Menge kommen und lange genug bleiben, weil der Ort einfach von Wellness und Fitness bis hin zur Kultur genug zu bieten hat, dann würden die Hotels gar keine Saisonkräfte brauchen, sondern könnten ihre Stammbelegschaft das ganze Jahr über behalten.
Das wäre auch für die Hotels einfacher, denn man müsste nicht ständig rekrutieren, anlernen und gegen die Fluktuation kämpfen. Stattdessen wird den Hotels aber das Leben schwer gemacht, indem Investoren massenhaft Ferienwohnungen in die Orte stopfen dürfen. Ferienwohnungen dienen dazu, in Spitzenzeiten – wenn alle Hotels und Pensionen ausgebucht sind – die Nachfrage stillen und Unterkünfte anbieten zu können. Nur als Auffangschale nützen Ferienwohnungen den Kommunen etwas, ansonsten sorgen sie nur für viel Unruhe bei wenig Steuereinnahmen und wenig Kaufkraft, denn Fewo-Mieter sind Selbstversorger und kaufen im Discounter ein. Im Winter stehen die Fewo-Komplexe leer und ganze Orte werden zu Rollladensiedlungen. Stünden dort funktionierende Hotels, wäre es nicht so.
Schlimm: In einigen prominenten Fällen hätten diese Fewo-Komplexe gar nicht entstehen dürfen, weil die Bebauungspläne an dieser Stelle ein Hotel oder eine Pension vorsehen. Während der Landkreis flächendeckend privaten Hauseigentümern die Nutzung von Ferienwohnungen in allgemeinen Wohngebieten auf Grund geltenden Rechts untersagt, genehmigt er großen Investoren Fewo-Komplexe an Stellen, in denen diese Nutzungsart auf Grund genau desselben geltenden Rechts nicht genehmigt werden dürfte.
Hallo Martin,
erst beim zweiten Blick habe ich Börgerende erkannt.
Ist schon krass…… Bin mal auf den Gastronomen gespannt und was das kleine Schwimmbad für Einheimische kostet.
Schönen Sonntag
und viele Grüße