Villa „Seestern“ (Haus D, Haus IV, Haus 9, Walther-Rathenau-Haus)
Alte Namen: Haus D, Haus IV, „Walther-Rathenau-Haus“ (Haus 9)
Standort:
Prof.-Dr-Vogel-Str. 10
54°08’38.7″N 11°50’44.1″E
Bauzeiten: 1858-11/1861
Bauherr: Großherzogliche Badeintendantur / Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg
Architekt: Baurat Theodor Friedrich Krüger
Sanierung: 2019-2020
Bauherr: EntwicklungsCompagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG
Architekt: über den Projektentwickler EntwicklungsCompagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG
Eigentümer: Großherzogliche Badeintendantur / Großherzöge von Mecklenburg(bis 1873), Aktiengesellschaft Baron Otto von Kahlden (1873-1900), Rudolf von Kahlden (1900-1911), Herzog Hugo von Hohenlohe-Öhringen und Ujest (1873-1885), Walter John (1911), Ostseebad Heiligendamm GmbH unter Gläubigerkonsortium (1911-1922), unter Baron O. A. Rosenberg (1922-1938), Beschlagnahmung durch das Deutsche Reich (1938), Reichsmarine (1938-1945), Beschlagnahmung durch die SMAD, herrenloses Gut (1945-1949), DDR über den FDGB (1949-1952), DDR über die Sozialversicherungsanstalt (1952-1990), Ostseeklinik Heiligendamm GmbH (1990-1993), BRD über Oberfinanzdirektion (1993-1997), FUNDUS-Gruppe über EntwicklungsCompagnie Heiligendamm I GmbH & Co. KG (1997-2020), Wohneigentümergesellschaft (seit 2020)
Nachgewiesene Nutzungen Vermietung durch die (Groß)herzogliche Badeintendantur (bis 1872), Badedirection (1872-1938), Kraft durch Freude (1936-1938), Reichsmarine (1938-1945), SMAD (1945-1948), Sanatorium für Werktätige Heiligendamm (1948-1990), Ostseeklinik Heiligendamm (1990-1997), Leerstand (1997-2019), Sanierung (2019-2020), Eigentumswohnungen (seit 2020)
Preisbeispiel: 84,7 qm für 1.422.960 Euro, 185,6 qm für 3.080.960 Euro
Beschreibung:
Bei Villa „Seestern“ kann man heute sehr gut die Entwicklung von der Idee bis zum endgültigen Entwurf nachvollziehen. Im Landeshauptarchiv Schwerin (LHAS) liegen gleich mehrere Entwürfe, an denen man sehen kann, wie sich der Architekt an die Vorstellungen des Bauherren heran tastete. Außer von Villa „Großfürstin Marie“ gibt es bei keiner der Villen so viele Entwürfe.
Villa „Seestern“ sollte das letzte Haus dieser Art sein. Neben ihr sollte eine Restauration entstehen, deren Kubatur eher dem Haus „Bischofsstab“ entsprechen sollte. Darum hatte der erste Entwurf einen Ostturm zum Abschluss der „Perlenkette“. Diese Idee gab man auf, weil die Restauration sich in die Reihe eingefügt hätte. Darum konnte ein Haus ohne seitlichen Abschluss entstehen. Unverkennbar wurde später beim Haus „Bischofsstab“ dieser Entwurf als Vorlage genommen. Die Restauration entstand nicht, stattdessen wurden zuletzt die Villen „Schwan“ und „Hirsch“ in die Lücke gebaut.
Der Schweriner Baurat Theodor Friedrich Krüger nahm augenscheinlich das Motiv der Burg „Hohenzollern“ auf und der dreigeschossige Massivbau mit vierachsigem Kernbau, dem Tudor entlehnten Seitenfenstern und zwei Anbauten an der Seeseite könnte tatsächlich so in England stehen. Mit Chalet-Giebeln, holzgeschnittenen Altanen und Veranden erinnert es aber auch an noble Landhäuser der Alpen und nimmt damit die Formsprache der benachbarten Villa „Möwe“ auf. Die an die spätmittelalterliche Volksarchitektur angelehnte Formensprache ist auch in mecklenburgischen Landhäusern und Stadtvillen zu finden. Auch hier gibt es einen Risalit, der mit der Giebelornamentik aber eher an Villa „Möwe“ erinnert, als an die toskanischen Dreieckgiebel der Villa „Greif“. Es überwiegen Rundbogenfenster, allerdings wie bei der „Möwe“ mit leichterem Bogen als die Klassiker der Villa „Greif“.
Die Achsen sind durch Gesimse stark betont, hinten sogar auf ganzer Höhe mit Pilastern. Vorn gibt es keine Fenster im Mezzanin, hinten nur in der ersten Achse neben dem Mittelrisalit. Die Anbauten haben nach vorn große Balkontüren und nach hinten keine Fenster. An den Seiten gibt es zwar drei sichtbare Achsen, von denen aber nur die beiden äußeren mit Fenstern versehen sind. Im Erdgeschoss befindet sich ein Blendfenster zwischen den beiden echten. Eine Besonderheit ist auch, dass sich an der Westseite der Balkone Wände mit Fenstern befinden, die Balkone also eigentlich Loggien sind. An der Ostseite wurde das nicht so gehandhabt. Dort sind die Balkone kleiner.
Zunächst diente die Villa „Seestern“ als Logierhaus für vier Familien. In den 1920er Jahren wurde sie zu einem Hotel mit Speisesaal, Frühstückszimmer, Café, Buffet und Lesezimmer umgebaut. Zur Seeseite hin gab es eine große Terrasse auf Parterre-Höhe. Während der Nutzung Heiligendamms als Reichskadettenschule (1938-1945) diente sie als Unterkunft für Kadetten und später auch Flüchtlinge.
Mit der Einrichtung des Sanatoriums im Jahr 1949 wurde die Villa zum Patientenhaus. 1953 wurde sie in „Walter-Rathenau-Haus“ umbenannt, 1990 erhielt sie ihren alten Namen zurück. Gemeint ist das Meereslebewesen.
Schon bei der Ausschreibung durch die TLG 1995 stand die Villa leer, wurde 1997 verkauft und bis 2018 klimatisiert und gesichert.
Am 09.11.2018 wurde mit dem ersten Spatenstich die Sanierung begonnen, am 07.11.2019 das Richtfest gefeiert und ab Ende 2020 die Wohnungen bezogen.
Anders als in den anderen Villen wurden hier nicht sechs, sondern fünf Wohnungen von 84,7 bis 185,6 qm für 1.422.960 bis 3.080.960 EUR eingerichtet. Da das Obergeschoss flach und verwinkelt ist und man keine Balkone anbauen kann, richtete man dort nur eine 186 qm große statt zwei kleine Wohnungen ein. Über Seitenbalkone konnten so 50 qm Balkonflächen realisiert werden. Diese Wohnung und eine Zwei-Zimmer-Wohnung waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung noch nicht verkauft.