Hamburger Abendblatt: Anno August Jagdfeld ist mit Heiligendamm gescheitert.
Es gibt einen gravierenden Unterschied bei der Berichterstattung zu Heiligendamm in den Lokalmedien und in Medien aus ferneren Regionen. Ein aktueller Artikel vom 20.03.2012 im „Hamburger Abendblatt“ spricht eine andere Sprache, als wir es von lokalen Medien gewöhnt sind.
Autor Volker ter Haseburg hat Heiligendamm besucht und mit Investor Anno August Jagdfeld und Bürgerbund-Chef Hannes Meyer gesprochen. Er berichtet über Jagdfelds Vita, seine Ansichten, seine Vorliebe für Ästhetik und Schönheit, seine Bewunderung der alten Römer und Griechen und hebt hervor, dass der Investor mehr als 800 Bauten – Wohnungen, Supermärkte, Büros, Hotels und Gewerbekomplexe – baute. Von 56.000 Anlegern sammelte er dafür mehr als fünf Milliarden Euro ein. Der Autor betont, dass zwei Projekte die bekanntesten sind: Das erfolgreiche Hotel Adlon in Berlin und das vorerst gescheiterte Grand Hotel in Heiligendamm. Aber auch die (gefloppte) Gutenberg-Galerie in Leipzig zählt zu den bekannteren FUNDUS-Investitionen.
Von willkommenen und unwillkommenen Gästen.
Das Hamburger Abendblatt beschreibt auch die Situation in Heiligendamm: „Es kamen die Gäste in sein Fünf-Sterne-Hotel, die er sich erhofft hatte: gut situiert, mit Blick für das Schöne. Doch es kamen auch Gäste, die Jagdfeld nicht so willkommen waren: Tagestouristen, Neugierige.“
Das Blatt zitiert Jagdfeld: „…dass die Tagesgäste mit Fahrradhelm und reflektierender Kleidung über das Gelände gestromert seien. Dass sie die Hotelgäste gefragt hätten, ob sie mal bei ihnen aufs Klo dürften. „Wenn 4000 Menschen am Tag hier reinkommen, dann verdient das Hotel daran nichts. Diese Menschen vertreiben nur die zahlenden Gäste. Wer in den Urlaub fährt, der will nicht scheel beäugt werden, sondern seine Ruhe genießen.“
Jagdfeld kennt Kempinskis Dilemma in Heiligendamm.
Weiterhin wird berichtet, dass Kempinski als Reaktion auf das nicht gut laufende Hotel Angebote bei Tchibo „verramscht“ hat und dass das Hotel dadurch zwar ausgebucht war aber die Folgen fatal waren. Das Blatt schildert: „Zwischenzeitlich war das Hotel deshalb ausgebucht: mit Menschen, die morgens die Liegen am Pool mit ihren Handtüchern belegten, das Frühstücksbüfett plünderten – und das Zigarren-Löschwasser tranken. „Ein großer Imageschaden“, sagt Jagdfeld. Er trennte sich von Kempinski. Er sah nur eine Lösung: Er musste das Hotel abschotten. Da war das Kulturdenkmal, das allen gehören soll – und auf der anderen Seite das Hotel. Er entschied sich für sein Hotel. „Das ist der Unterschied zwischen einem Unternehmer, der etwas anpackt. Und Leuten, die im Klassenkampf leben.“
Bürgerbundler Hannes Meyer wird bloßgestellt.
Die zweite Hälfte widmet das Blatt den Jagdfeld-Gegnern (und benutzt dabei genau diesen Begriff). Befragt wird Hannes Meyer, von dem wir nun erfahren, dass er in Heiligendamm geboren wurde und sein Elternhaus heute der Jagdfeld-Gruppe gehört.
Meyers Klassendenken wird schnell offensichtlich, zitiert das Blatt ihn so: „Kaum war der Investor aus dem Westen da, habe er den Küstenwanderweg gesperrt, Wege zur Natur gekappt. Obwohl diese alle öffentlich gewesen seien. „Er hat Heiligendamm Stück für Stück dichtgemacht“.
Ertappt: Jagdfeld-Gegner kämpfen um „Faustpfand“.
Richtig aufschlussreich wird der Abendblatt-Artikel mit diesem Zitat: „Meyer versuchte, mit Jagdfeld zu verhandeln. Doch der, so Meyer, wollte von seiner Position nicht abrücken. Irgendwann kämpften auch die Gegner um alles, was sie kriegen konnten. Als Faustpfand.“
Am Ende lässt Meyer sich noch einmal richtig aus: „Heiligendamm besteht eigentlich nur noch aus Zäunen. „Er konnte es nur machen, weil er Rückendeckung von der Landesregierung hatte. Diese ganzen Pfeifen haben ihn hofiert“, sagt Meyer. Wohl auch, weil das Land 50 Millionen Euro zugeschossen hatte.“
G8 brachte eine unerwartete Wende, die keiner gebrauchen konnte.
Im weiteren Verlauf berichtet das Blatt über den G8-Gipfel und die Hoffnungen, die das Hotel darin setzte. Jagdfeld wird zitiert, dass die kleinen unauffälligen Zäune das Problem mit den Tagesgästen zwar lösen aber mental keine Lösung gefunden wurde. Die Reichen mieden Heiligendamm und Jagdfeld weiß: „Wenn Sie einmal ein mieses Urlaubserlebnis hatten, fahren Sie da nicht mehr hin“
Der Investor nennt die wahre Zielgruppe: Leute wie er selbst sollen Heiligendamm für sich entdecken. Doch „statt 70-Jährigen kamen junge schicke Paare nach Heiligendamm“. Das Hotel stellte sich darauf ein, stellte fünf Kindergärtnerinnen ein. Das führte zu einer skurrilen Situation: Einerseits wunderten sich eintreffende junge Paare über den steifen Diener und anderseits wunderten sich ruhesuchende Gäste über Kindergeschrei (von dem ich auf ZAM auch in einem Foto-Rundgang von 2009 berichtete). Es passte alles nicht zusammen.
Hannes Meyer kennt den Schuldigen.
Für Hannes Meyer ist klar, dass Jagdfeld Schuld ist und sich verkalkuliert hat: „Er hatte viel zu hohe Ansprüche: fünf Sterne, alles vom Feinsten – das klappte nicht.“ Außerdem könne ein Hotel nur funktionieren, wenn es auf Akzeptanz in der Region stoße. Irgendwann seien keine Menschen mehr nach Heiligendamm gekommen. Weil sie vor Jagdfelds Zäune liefen. Und die, die eingezäunt im Hotel saßen, fühlten sich nicht wohl.
Will der Bürgerbund Tote schänden?
Meyer behauptet weiter seine irrsinnige These, Heiligendamm sei ein toter Ort. Wenn der Bürgerbundler das so sieht, warum hat er dann Pläne für die Leiche? Warum trägt er den Kadaver nicht einfach zu Grabe, wirft Sand drüber, steckt eine Blume drauf und gibt Ruhe? Warum will er einen anderen Arzt, andere Medikamente und Operationen? Wenn der Patient doch längst mausetot ist? Wirr!
Fakt ist, dass Heiligendamm außer dem Grand Hotel nichts zu bieten hat, da die Stadt, für die Hannes Meyer Entscheidungen trifft, nichts weiter als eine Seebrücke und eine provisorische Promenade entwickelt hat: Drei Buden und ein heruntergekommenes Klo-Haus ist alles, was der Gast am Hauptanlandepunkt vorfindet. Selbst eine Strandversorgung wird zum Politikum – die FDP feuert dagegen, um ihre Konzept-Bewerber zu unterstützen, während der Bürgerbund (bis jetzt erfolgreich) seinen Freund in Heiligendamm (Ralf Goedeke) unterstützt. Beide Parteien werfen zugleich Jagdfeld vor, mit seinem Firmengeflecht Familienmitglieder sich gegenseitig begünstigen lassen.
Hat Jagdfeld Heiligendamm als einziger oder als einziger nicht verstanden?
Meyer glaubt auch, dass Jagdfeld Heiligendamm als einziger nicht verstanden hätte. Jagdfeld hingegen sieht es umgekehrt und sagt von sich, „dass er das „Produkt Heiligendamm“ als einer der ganz wenigen verstanden habe. „Das lag daran, dass ich einen Sinn für Ästhetik und Schönheit habe. Ich dachte, dass jeder mich dabei unterstützen kann. Aber Ästhetik ist nur für einen Teil der Menschen der Treiber.“
Commerzbank-Aktionäre sind schlimmer dran, als Heiligendamm-Aktionäre.
Interessant sind auch die Ausführungen der Zeitung zur Insolvenz. Über die Anleger sagt der Investor: „Wer hier dabei war, war beides: Anleger – und mit der Seele dabei. Die meisten sind sehr freundlich und nett, weil sie gesehen haben, dass ich mich über alle Maßen engagiert habe.“
Über die Insolvenz sagt er: „Und außerdem bekämen sie die Hälfte ihrer Verluste von der Steuer wieder zurück, es sei doch alles gar nicht so schlimm.
Jagdfeld rechnet vor: „Wenn sie in Heiligendamm 100.000 Euro investiert haben, haben sie 50.000 verloren. Wenn sie zur selben Zeit mit dem Geld Commerzbank-Aktien gekauft haben, dann haben sie 80.000 verloren.“ Gab es denn empörte Rückmeldungen? „Keine einzige.“
Jagdfeld will in Heiligendamm bleiben. Er fühlt sich hier zu Hause. „Die Gegend hat so einen erdverbundenen, melancholischen Grundton“, sagt er. Seine Firma besitzt hier noch viele Villen, die saniert und verkauft werden sollen.
Zum vollständigen Artikel:
http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article2221453/Anno-August-Jagdfeld-ist-mit-Heiligendamm-gescheitert.html