Außer Ruinen nichts zu bieten: Quo vadis, Heiligendamm? Eine ausführliche Analyse.
Wer einmal da war, kommt nicht wieder: Ruinen verfallen an einer provisorischen Promenade, die scheinbar in Sackgassen führt und auf eine nicht schiffstaugliche Seebrücke mündet. Das Umfeld ist von Provisorien, Verfall und Abriss geprägt, es gibt keine Geschäfte, nur Buden und Wagen, keine vernünftige Strandversorgung und kein attraktives Zentrum. Das Hotel ist eingezäunt und die Wege sind teils abgeschnitten und führen in Sackgassen. Gäste finden oft nicht zum Strand oder Bahnhof, Kurpatienten beschweren sich über Umwege zum Strand und Einheimische beschimpfen oder loben im Wechsel das Grand Hotel, Jagdfeld und seine FUNDUS-Gruppe oder die Stadtvertreter und den ehemaligen Bürgermeister. Deutschlands erstes Seebad ist eine einzige große Enttäuschung – manche sagen, es sei ein Müllhaufen. Warum ist das so? ZAM erklärt in diesem Spezial die Geschichte und Gegenwart des ersten deutschen Seebades. Was fehlt der Weißen Stadt am Meer und was führt sie zum Erfolg? Quo vadis – wohin geht die schwächelnde lebende Legende?
Eine Kurzversion ohne die genauen Details gibt es hier.
Seit der Hotel-Insolvenz und den Berichten um eine mögliche Seeheilbad-Titel-Aberkennung ist das Interesse gestiegen, erreichen mich alte Fragen neu und werde ich mit Zusammenhängen konfrontiert, die ich bisher nicht sah. Puzzleteile fügen sich zum Gesamtbild und dieses möchte ich Ihnen zeigen, damit auch Ihnen sich Heiligendamm erschließt:
Hier geht es zur kurzen Version in Form einer Zusammenfassung.
Das bessere Verständnis erlangen Sie aber, wenn Sie hier weiter lesen:
Es gibt Interessenten für das Grand Hotel in Heiligendamm und es gibt viele alte und neue Ideen, Deutschlands ältestes Seebad in eine gute Zukunft zu führen. Viele dieser Ideen gelangen auf verschiedenen Wegen zu mir und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um laut über die nachzudenken. Ich lade Sie ein, sich daran zu beteiligen und gemeinsam zu sehen, was möglich und was unrealistisch ist. Ein paar der gängigen Ideen habe ich aufgenommen aber zunächst muss ich meinen und Ihren Blick nach hinten richten, um die Vergangenheit zu verstehen, auf die die Zukunft aufbauen soll.
Vom Privatbad zum Zuschussobjekt
Die Geschichte Heiligendamms ist den meisten Lesern geläufig: Am Anfang stand die Idee, hier im Wasser der Ostsee baden zu gehen und Heilung und Genesung zu finden. Was mit einer Wagenremise begann, entwickelte sich über Badekarren, Schilderhäuser und Badehäuser zum ersten Seebad auf dem europäischen Festland. Damals war es das Privatbad des Herzogs und seiner Familie, schnell folgten auch Verwandte und Freunde dem Regenten und schon bald war das Seebad öffentlich für alle, die (wohlgemerkt!) es sich leisten konnten.
Reichte zunächst ein Badehaus am Heiligen Damm und Logis in Doberan, entwickelte sich die kleine Lichtung bald zur „Weißen Stadt am Meer“ mit dem klassizistischen Kurhaus und dem erst barocken und später historistischen Badehaus im Mittelpunkt und den herzoglichen Cottages am Rande. Das Seebad war stets ein Image-Projekt – finanziert durch den Verkauf von 1000 mecklenburgischen Soldaten nach Oranien (Niederlande), stets aus der herzoglichen Schatulle privat bezuschusst, um überhaupt bestehen zu können und kaum marktfähig aber gefragt wie Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt.
Der Großherzog – Wolf Karge nennt die Erscheinung „Primus inter pares“ – war es, der die Massen anzog und das Bad mit Leben füllte. Als er das Bad nach einer Sturmflut an den Baron von Kahlden verkaufen musste, weil es eben kein ökonomischer Selbstläufer war und er den Wiederaufbau nicht bezahlen konnte, weil eine wichtige Geldquelle – das Glücksspiel (durch den Beitritt Mecklenburgs zum Deutschen Bund wurde es verboten) – entfiel, standen sofort Erweiterungsmaßnahmen an. Ein weiteres Logierhaus musste her und Familien-Ferienwohnungen gebaut werden. Die ursprünglichen Pläne eines Berliner Architekturbüros sahen viel größere Erweiterungen vor aber die Aktiengesellschaft konnte sich nur einen Teil davon leisten und der Großherzog hatte immer noch etwas in Heiligendamm zu sagen und war gegen ein riesiges Schloss am Meer. Durch den Neubau des Flügels parallel zum Haus „Mecklenburg“ und die damit einher gehende Erweiterung der Kapazitäten sollte das nun „Grand Hotel“ (Großes Hotel) genannte Ensemble marktfähig werden.
Die Tatsache ist, dass Heiligendamm trotz aller Erweiterungen und Angebote niemals marktfähig wurde: Das Bad reagierte empfindlich auf jede Veränderung am Markt, kam mit plötzlichen Besucherrückgängen nicht klar und schwankte parallel zu den gesellschaftlichen Ereignissen, während andere deutsche Traditionsunternehmen wie Felsen in der Brandung lagen. Die Pächter in Heiligendamm kamen und gingen, in schneller Folge gab es Insolvenzen, wurden Anteile an- und verkauft, das Unternehmen umfirmiert und somit das Seebad über Wasser gehalten.
Der österreichische Baron und Aktionär Oskar Adolf von Rosenberg butterte jedes Jahr viel Geld dazu, damit die Aktiengesellschaft ihre Zinsen und Rechnungen bezahlen und die Schulden begleichen konnte. Selbst die Nationalsozialisten machten deshalb vor dem Juden Rosenberg Halt, während dieser eine ungeahnte Meisterleistung vollbrachte und jedes Jahr Geld nach Heiligendamm pumpte, obwohl wegen der Notverordnung alle jüdischen Konten eingefroren und Überweisungen von ihnen gar nicht möglich waren. Erst als die Nationalsozialisten das Bad beschlagnahmten, gab Rosenberg sich geschlagen und beging Selbstmord.
Nichts nach dem Verkauf konnte das Grand Hotel nicht mehr zu dem machen, was es unter den Herzögen war. Hinzu kam, dass das Bad sich immer weiter von Doberan löste, bald eine eigenständige Einheit und gar nicht mehr auf die eigentliche Residenzstadt angewiesen war. Es gab Bemühungen, die beiden Orte wieder zu vereinigen, die aber an den eigenen Sorgen in Heiligendamm scheiterten.
Heiligendamm lief allein nicht gut aber Doberan lief ohne Heiligendamm richtig schlecht. Der Großherzog versuchte, den Verfall Doberans zu verhindern, indem er dem Flecken 1879 das Stadtrecht verlieh, was u. a. die Errichtung eines Gymnasiums und jede Menge Rechte ermöglichte. Erst die Bahnverbindung zum Heiligen Damm brachte die beiden Orte wieder näher zusammen, dennoch stand das alte Doberan immer im Schatten der mondänen und modernen Tochter.
Vom Bad der Reichen und Schönen zum Volksbad.
Es war nicht so, dass Heiligendamm damals allein ein Ort der Reichen unter sich gewesen wäre. Heiligendamm war wie später Sylt ein Ort der Prominenz – der Reichen und Schönen und all jener, die entweder glaubten, dazu zu gehören oder von den Anwesenden profitieren wollten. Heiligendamm war ein anerkannter Treffpunkt für geschäftliche und politische Verhandlungen in lockerer Atmosphäre. Die relativ hohen Preise (die einerseits zur Erhaltung und Erweiterung der Angebote nötig waren und andererseits eine gewisse Exklusivität bewahrten) regulierten die Nachfrage. Es kam nur, wer es sich leisten konnte und dazu gehörten eben damals die Oberschicht und die heute nicht mehr so vorhandene Mittelschicht.
Der Rest arbeitete bestenfalls in Heiligendamm, konnte dort im „Schilling-Bad“ auch für einen Schilling baden gehen aber dieses stand am östlichen Rand, weit weg vom Zentrum. Auch das von Prof. Vogel initiierte „Armenkrankenhaus“ hatte ein schweres Los, stieß auf Widerstand des Herzogs und wurde schließlich mit Regeln belegt, damit die Armen (damals waren das Lehrer, Pastoren und einfache Ärzte) den Badegästen nicht über den Weg laufen. Später wurde diese Unterkunft recht weit nach Süden verlegt (heute: „Seehospiz“), um an ihre Stelle die Burg zu bauen. Bis zur Übernahme durch die NS-Ferienorganisation „KdF“ kamen Größen aus Wirtschaft, Politik und Adel nach Heiligendamm. Es gehörte einfach dazu, einmal da gewesen zu sein – Heiligendamm war eine „In-Location“, das „Sylt des 19. Jahrhunderts“.
Erst als KdF-Bad wurde Heiligendamm auch für das einfache Volk salonfähig. Wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass es in der nationalsozialistischen Ideologie ja keine Klassengesellschaft gab, womit sowieso jeder Gast gleich viel wert gewesen wäre – auch wenn es in der Praxis anders ablief. Nun wurden in kurzen Abständen planmäßig 20.000 Deutsche in Heiligendamm in Massenabfertigung kuriert, um für die Sache ihres Führers fit und froh bereit zu stehen. Die Folgezeit können wir getrost in Stichworten zusammen fassen: Kadettenschule, Reservelazarett, Notunterkünfte, Besetzung, Demontage, Geisterstadt, Ruinen, Sprengbefehl, Aufhebung – Glück gehabt.
1949 setzt Heiligendamm wieder dort an, wo es ein Jahrzehnt zuvor aufgehört hat. Statt „KdF“ waren es nun der „FDGB“, die Sozialversicherung der DDR und das Reisebüro der DDR, sowie die VVN, die Heiligendamm zur „Massen-Kur“ gebrauchten. Das Prinzip blieb dasselbe: In kurzer Abfolge möglichst viele Menschen kurieren und wieder „kampffähig“ für die Sache des Sozialismus machen.
Es gab spezielle Abteilungen für spezielle Krankheitsfelder und auch spezielle Bereiche für bestimmte Menschengruppen. Zum Beispiel hatte die Forstwirtschaft ein eigenes Ferienheim, die Verfolgten des Naziregimes (VdN) hatten ein eigenes Haus in der Perlenkette (Schwan) und einen eigenen Speiseraum im Haus „Berlin“, wo es dann auch mal Südfrüchte gab, was wiederum den Unmut der benachbarten „normalen“ Kurpatienten hervor rief. Die Bergleute wohnten ausschließlich in der Burg (daher Haus „Glück auf“) und auch die Studenten der Fachschule für angewandte Kunst (FaK) waren eine Gruppe für sich.
Heiligendamm in der DDR: Eine eigene kleine Welt.
Zu DDR-Zeiten war ganz Heiligendamm eine eigene kleine Welt mit eigenem Konsum, eigenem Kindergarten, eigener Drogerie, Post, Gärtnerei, sogar eigenem Wasserwerk, Blockheizkraftwerk und Klärwerk. Der Ort wuchs nach Bedarf: Für die direkten und indirekten Mitarbeiter wurde die Gartenstraße parzelliert, sodass jeder sein Haus bauen durfte, wobei er aber Zimmer zur Verfügung stellen musste. Mit wachsendem Bedarf wurde auch in die Höhe gebaut, entstanden zwei Wohnblöcke in industrieller Fertigbauweise, wurden Um- und Anbauten vorgenommen.
Planungen aus den 80er Jahren sehen den Bau einer Kaufhalle, einer Meerwasserschwimmhalle und eines Kurmittelhauses vor. Aus diesem Plan wurden nur die Versorgungseinrichtungen (Wasserwerk, Klärwerk und Heizkraftwerk), sowie die Wohnblöcke realisiert. Für alles andere fehlten Geld und Zustimmung der Denkmalschützer. Diese erklärten dann in den 80ern fast ganz Heiligendamm geschlossen zum Denkmalschutzgebiet. Auch Chefarzt und Klinikdirektor Dr. Cuno Serowy protestierte gegen die Dauerbaustellen an der Perlenkette. Damit endeten die wilden Umbauten an den Villen, die durch das Einsetzen von Massenartikeln, durch Vereinfachungen und neue Grundrisse sehr viel von ihrem alten Charme verloren hatten. Besonders schwer von den Umbauten betroffen waren die Villen „Schwan“ und „Perle“, in denen selbst die Fenster durch bronzefarbene und sprossenlose Massenartikel ersetzt wurden, wofür gnadenlos die Rundbögen entfernt und Öffnungen verkleinert wurden.
Im Heiligendamm der DDR-Ära war alles auf den Kurpatienten ausgerichtet: Es gab die „Palette“ mit ihren legendären Partys und einem Bedarf von bis zu 50 Fässern Bier an einem Wochenende, das „Schwanen-Café“, das pro Wochenende bis zu 140 Torten und Kuchen verkaufte, die beiden Imbisse am Kinderstrand und der Promenade mit ihren nie enden wollenden Schlangen, es gab den Konsum, die Drogerie und ein Geschäft in den Kolonnaden, einige Dienstleister, wie z. B. den Frisör und es gab viele Tagesgäste, die Heiligendamm überwiegend nur passierten und hier kurz Rast machten, im Sommer eben auch Badegäste aber nicht in dem Ausmaß wie heute – es verteilte sich alles etwas besser. Wichtigster Aspekt: Heiligendamm wurde vom Staat getragen: Die Kuren kosteten den Patienten nichts, dem Steuerzahler aber etwa 2.000 Mark und auch die Versorgung war in der DDR teilweise subventioniert.
Wende-Ende für die Stadt in der Stadt.
Nach der Schließung der Ostsee-Klinik brach all das zusammen: Es durften nach Auflagen des Gesundheitsministeriums nur noch 200 Patienten pro Monat geheilt werden, die Außenbetten in den Privathaushalten fielen ganz weg und auch innerhalb der Klinik selbst wurden Bereiche zusammen gelegt und aus den Villen und Cottages in die großen Bauten umgesiedelt. (Dasselbe tut der Insolvenzverwalter des Hotels Stand Juli 2012 auch wieder). Ohne die Massen an Patienten aber konnte die Klinik ihren laufenden Betrieb gar nicht aufrecht erhalten – an Instandhaltungen der alten Gebäude war gar nicht zu denken.
In die leer werdenden Villen und Cottages mieteten sich Studenten der FaK ein, gleichzeitig leerten sich aber die Wohnungen gerade in den älteren Stadthäusern an der Kühlungsborner Straße. Viele Heiligendammer zogen nach Bad Doberan oder in das Umland, in dem ein Bauboom bei Wohneigentum herrschte. Andere zogen ihrer Arbeit hinterher. Schon dadurch wurde es in den verbliebenen Geschäften Heiligendamms leerer.
Findige Unternehmer versuchten, kleine Hotels zu etablieren: Die „Palette“ erhielt im Obergeschoss Zimmer, das Fritz-Reuter-Haus und Max-Planck-Haus wurden saniert und mit Zimmern versehen, letzteres wurde zum „Residenz-Hotel Heiligendamm“ aber schnell wieder aufgegeben und an eine Kette (Akzent Hotels) übertragen, die es ebenfalls nach ein paar Jahren wieder aufgab und das Haus an die ECH verkaufte, die dort Mitarbeiterwohnungen einrichtete. Die kleinen Hotels hielten nicht lange, denn die Gäste fuhren in die Länder, in die sie zu DDR-Zeiten nicht fahren konnten und später genügten die Hotels nicht mehr den gestiegenen Ansprüchen der nun durch ihre Urlaubserfahrungen anspruchsvoller gewordenen Gäste. Man konnte nicht einfach weiter machen, wie bisher.
Mit den FaK-Studenten verschwand eine Attraktion.
1996 endete dann auch die Ära der Fachschule in Heiligendamm – sie zog zurück nach Wismar und so ging weitere enorme Kaufkraft und eine gewisse Attraktion (die Studenten brachten erst Leben in den Stadtteil – die Kurpatienten wurden ja erst zum Abend hin bis 22 Uhr im Ort aktiv) verloren. In Heiligendamm verblieben nun nur noch die etwa 200 – 300 Einwohner und die etwa 200 Kurpatienten.
Fast alle Heiligendammer hatten freie Zimmer und orientierten sich um – boten die Zimmer nun statt Kurpatienten jedermann an. In der Folge kamen Urlauber aus ganz Deutschland, die in Heiligendamm billig Urlaub machten. Für viele war es der erste Heiligendamm-Urlaub, denn zu DDR-Zeiten konnte nur hier Urlaub machen, wer dem FDGB angehörte, einen Ferienplatz über das Reisebüro ergattern konnte oder Mitarbeiter in der Forstwirtschaft war. Das Kontingent an Ferienwohnungen für Jedermann war auf ein paar private Haushalte begrenzt, die entweder mehr Zimmer als Kurgäste (Außenschläfer) oder zwischendurch einmal eine Lücke in der Belegung hatten.
Da mit der Unterbringung von Urlaubern nach der Wende nur eine bestehende Lücke gefüllt wurde, fanden diese Billigurlauber vor Ort mit den bestehenden genügend Angebote, konnten essen und trinken, für den täglichen Bedarf einkaufen und ansonsten wollten sie ja auch Baden und die Natur genießen. Dennoch konnten sie nicht die weggefallenen Menschenmassen ersetzen – der Trend war wie gesagt rückläufig, da gerade die Ostdeutschen nach der Wende andere Urlaubsziele hatten – lieber in den Süden reisten.
Magere Zeiten für Heiligendamms Gewerbe.
Für das Gewerbe in Heiligendamm bedeutete dies magere Zeiten: Statt 140 Torten am Wochenende verkaufte das „Schwanencafé“ nur noch 40 in der ganzen Woche, in der „Palette“ reichten inzwischen Kästen statt Fässer, um den Durst der Besucher zu löschen und die Imbiss-Betriebe hatten Mühe, mit den Saisoneinnahmen den Winter zu überstehen. Alles rentierte sich irgendwie noch und es hing ja immer eine Familientradition mit drin aber wirklich lohnenswert war in Heiligendamm kaum noch etwas. Was an Gewerbe ging, kam nicht wieder und was sich an Räumen leerte, füllte sich nicht wieder.
Weiße Stadt im Sterben: Retter dringend gesucht.
Heiligendamm drohte wieder zur Geisterstadt zu werden, das Land wollte die in die Tausende gehenden Zuschüsse nicht länger bezahlen, die Möglichkeit eines Staatsbades wurde in Bonn und Schwerin aus ökonomischen und Kostengründen verneint, die „Renaturierung“ (Abriss und Einebnung) Heiligendamms als wirklich allerletzte Möglichkeit in die Schublade gelegt. Was man mit dem schweren Erbe anfangen sollte, wusste man nicht aber es sollte irgendwie wieder das alte sein: Irgend etwas mit Gesundheit und Kurwesen, damit Heiligendamm Seebad und Bad Doberan Kurort bleiben kann.
Einzelausschreibungen der Häuser brachte keinen Erfolg.
Also schrieb man die 26 von der Oberfinanzdirektion (OFin) Rostock verwalteten Häuser einzeln aus und fand auch Interessenten für ein paar Villen und Cottages, keinen jedoch für die sechs großen Häuser. In Schwerin fürchtete man, auf den sanierungsbedürftigen Riesen sitzen zu bleiben (Haus „Mecklenburg“ war inzwischen wegen Baufälligkeit geräumt) und Doberans Bürgermeister Berno Grzech fürchtete, in einer Antragsflut für Carports, Mülltonnenstellplätze, An- und Umbauten zu ersticken. Außerdem drohte das Gesamtkunstwerk zerstört zu werden – man hatte keinen Einfluss auf das, was in den Häusern geschieht, konnte nur über Gestaltungssatzungen Farbgebung und Umfeldgestaltung, sowie über den Denkmalschutz die Art und Güte der Sanierung beeinflussen.
Von Ferienwohnungen über Nachtclubs bis hin zur Discothek wäre vieles möglich gewesen, was nicht zu Heiligendamm passt und den Kurortstatus gefährdet hätte. Auch die Unterbringung von Asylbewerbern in Heiligendamm war kurzzeitig angedacht, weil es dort ja genügend leer stehende Häuser gab. Selbst die Disco kommt nicht von ungefähr: Sie sollte Einwohnern zu Folge in den Eiskellern direkt am Ensemble entstehen. Was in einem 10 Kilometer langen Kühlungsborn für Abwechslung und Leben sorgt, drohte den Traum, Heiligendamm Kurort bleiben zu lassen, zu zerstören. Auf so engen Raum muss das Gemisch ausgewogen sein und das hatte keiner in den Ratsstuben in der Hand, weil es einfach keine Gesetze dafür gab.
Also schürte man die 26 Häuser zusammen in ein Paket und bot es erneut an. Wer alles zusammen kauft, würde es auch ausgewogen entwickeln – schließlich musste es ja funktionieren, um damit Geld zu verdienen. Da man den Fokus auf das Kurwesen legte, würde ein Investor einer Kurstätte die einzelnen Gebäude schon nicht zu Nachtclubs und Discotheken machen, so der Gedanke.
Die Ära Dr. Marx: Jagdfelds Probleme, hatte auch die MEDIAN-Klinik.
Diesmal meldeten sich große Investoren. Unter ihnen ein kanadischer Hotel-Investor, der aber Strand und Promenade mit kaufen und für die Öffentlichkeit sperren wollte, was in Deutschland rechtlich nicht möglich ist. Ein weiterer Investor wollte ein Gesundheitshotel einrichten, fand aber nicht genug Mitstreiter, um die Gebäude zu sanieren, entwickeln und betreiben und musste aufgeben.
Der dritte große Investor war die Dr.-Marx-Gruppe, die in dem Ensemble eine Median-Klinik einrichten wollte und damit die Herzen in Schwerin und Bad Doberan höher schlagen ließ. Allerdings wollte die Gruppe einen Funktions-Neubau neben den Cottages „Marie“ und „Krone“ errichten und dafür 80 Buchen fällen.
Dagegen wehrte sich eine schnell gegründete Bürgerinitiative aus Alteingesessenen, Naturschützern und Architekten, die sich den Namen „Bürgerrat“ gab und gegen die Fällungen der Bäume kämpfte. Die Stadt konnte kurz nach der Wiedervereinigung mit so viel Demokratie noch nicht umgehen und suchte einen alternativen Standort, den sie an der Straßenkreuzung mit Bahnübergang (heutiger Standort) fand. Damit rutschte die Klinik aus der heilklimatisch relevanten Zone heraus, in der sie sich direkt neben den Cottages befunden hätte.
Die Dr.-Marx-Gruppe war nun auch nicht mehr bereit, das 26-Häuser-Paket zu kaufen, erteilte eine Absage und baute 1996 nur ihre schon genehmigte Klinik. Im selben Jahr erhielt Heiligendamm seine Seebrücke wieder – diese wurde so geplant, dass an ihr nur kleine Schiffe anlegen können, wozu sie auf eine Sandbank gesetzt wurde. Dadurch konnten größere Schiffe, wie die MS „Baltica“ nicht in Heiligendamm anlegen und damit folglich auch nicht ihre Passagiere über das Seebad ergießen.
In Bad Doberan wollte man Massentourismus in Heiligendamm verhindern, weil das Bad nicht dafür ausgelegt war. Stattdessen wollte man in Bad Doberan den Massentourismus mittels eines Ferienparks mit 1000 Betten auf dem Kammerhof fördern. Zugleich kostete die Seebrücke der Stadt kaum Geld, wenn sie eine bestimmte Länge nicht überschritt. Eine schiffstüchtige Seebrücke hätte der Stadt also Geld gekostet, das sie nicht auszugeben bereit war
Wer küsst die Prinzessin wach? Die Ära Jagdfeld.
Nun stand man in Heiligendamm wieder am Anfang. Der Hoffnungsträger wurde verschreckt und wollte das Ensemble nicht mehr haben, stieß aber die Tür auch nicht zu. In diesen Tagen las im fernen Düren der Fondsmanager Anno August Jagdfeld in einer großen Zeitschrift den Artikel „Wer küsst die Prinzessin wach?“, sah die Bilder Heiligendamms, glaubte nach seinen Aussagen, dass „Hollywood hier seine Kulissen vergessen hatte“, fuhr hin, verliebte sich in den Ort und seine Möglichkeiten, ließ eifrig seine Experten der Kölner FUNDUS-Gruppe und den amerikanischen Stararchitekten Robert A. M. Stern denken und planen und legte schließlich eine umfangreiche und detaillierte Bewerbungsmappe vor, die großen Zuspruch in Schwerin fand, von wo aus man die OFin und die Stadt Bad Doberan regelrecht bedrängte, sich diese Chance nicht entgehen zu lassen.
Einer, der Heiligendamm verstanden hat: Die Vision von Robert A. M. Stern.
Die Idee Sterns: Dort ansetzen, wo 1938 aufgehört wurde und Heiligendamm konsequent weiter entwickeln. Das Bad war in hundertfünfzig Jahren stetig von der Mitte nach Westen, Osten und Süden gewachsen und sollte nun noch weiter wachsen. Das Fünf-Sterne-Plus-Hotel sollte der historische und touristische Mittelpunkt Heiligendamms sein und sich über die ganze Küstenlinie erstrecken. Auch die Villen der Perlenkette sollten zum Hotel gehören, ebenbürtig sein.
Ganz spezielle Angebote sollten Heiligendamm besonders machen: Ein Thalassozentrum (Meeresschwimmhalle mit Außenbecken, Wellness- SPA- und Saunalandschaft) und ein Ayurvedatempel nach indischem Vorbild, plastische Chirurgie und Gourmet-Restaurants. Damit diese sich auch in der Nebensaison rechnen, sollten im ersten Schritt Apartmenthäuser mit Gewerbeflächen im Erdgeschoss gebaut werden, um einerseits durch dauerhafte Versorgung Leute zum langfristigen Wohnen zu animieren und andererseits das zusammen gebrochene Angebot an Waren und Dienstleistungen wieder aufzubauen.
Sterns Gedanke dürfte gewesen sein, dass sich alles wie zu Herzogs Zeiten selbst regelt: Geschäfte mit hochwertigen Waren bedienen die Klientel, an der die FUNDUS-Gruppe ihr Geld verdient und der Rest würde in sich entwickelnden Umfeld fündig werden. Was Stern nicht wissen konnte: Das Umfeld entwickelt sich nicht – die Stadt treibt das nicht voran, Gegner verhindern jeden Versuch und mögliche Investoren sind verunsichert, meiden fast schon Heiligendamm.
Im letzten Schritt wollte die FUNDUS-Gruppe richtig Geld verdienen und Heiligendamm auf die nächste Stufe heben: Ein Gebiet für 150-300 Landhäuser – gekauft als Ackerland – sollte parzelliert und als Bauland weiter verkauft werden. Hier wollte der Investor gezielt die Klientel dauerhaft und fest (also mindestens als Zweitwohnsitz) ansiedeln, die in Heiligendamm einkaufen, sich entspannen und erholen, in Wittenbeck Golf spielen und in Vorder Bollhagen ihre Pferde ausführen sollte. Dieses Villenviertel wäre das Garant für eine dauerhafte gute Auslastung der SPA- und Erholungsangebote, Restaurants, Cafés, Dienstleister und Händler. Die Stadt verstand diesen Gedanken und genehmigte den nicht unumstrittenen Verkauf von Ackerland zur Umwandlung in Bauland.
Sterns Vision scheitert am Faktor Mensch: FUNDUS kann planen aber nicht wahrsagen.
Heiligendamm hatte nun mehrere Standbeine, die einander befruchteten: Das beste Luxushotel der ganzen Region in der Mitte, um in der Saison Millionen einzunehmen; Dauerbewohner in der Peripherie, um auch in der Nebensaison Gewinne einzufahren und Handel und Gewerbe, um einerseits den Leuten etwas zu bieten und andererseits natürlich auch an ihnen zu verdienen.
Dazu dann ein Konferenzzentrum der besonderen Art (u. a. Konferenzen unter freiem Himmel) und Jagdfelds Bestreben, in Heiligendamm eine Künstlerkolonie (Klein Weimar) zu gründen und Heiligendamm zum Tagungsort der Bundesregierung zu machen – all das mit dem Ziel, Heiligendamm bekannter zu machen, Leute aus aller Welt zu begeistern und sie hier ihren nächsten Urlaub machen oder gar ihren Lebensabend verbringen lassen. Dieses Konzept war durchaus durchdacht und schlüssig und es war Heiligendamms würdig.
Was die Planer in Düren und Berlin aber nicht konnten ist, in die Zukunft zu schauen. Es fing damit an, dass Stadt und Land der FUNDUS-Gruppe die Häuser leer übergeben wollten und kurz vor Weihnachten 1997 den 35 Mietparteien kündigte. Hier dürften sich die ersten Feindschafts-Wurzeln finden, fühlten sich Leute wie Klaus-Peter Behrens aus Heiligendamm verjagt und forderten adäquaten Ersatz für seine Mietwohnung mit DDR-Mietvertrag (ein Haus in Heiligendamm oder auf Wustrow oder 100.000 DM in bar – das Gericht sprach ihm Geld zu). Die Stadt handelte hier taktisch unklug, denn natürlich projizierte man die Schuld auf den neuen Investor, für den ja die Häuser geräumt wurden. Dieser sollte das Grand Hotel zuerst und die Villen danach – spätestens aber 2004 – sanieren.
Während der Sanierung des Grand Hotels und der zeitgleichen Küstenschutzsanierung durch das StAUN war Heiligendamm eine Großbaustelle. Der Strandkorbvermieter warf in dieser Zeit das Handtuch, der Imbiss an der Seebrücke verschwand. Dadurch verschwanden Angebote für die Tagesgäste, während außer „Cocos Milchbar“ und dem „Café am Golfteich“ zunächst keine neuen entstanden.
Es war einmal ohne Zäune: Das Grand Hotel auf grüner Wiese.
Die ECH Sie sanierte das Grand Hotel und eröffnete es auf einer grünen Wiese. Zwar wurde das reichhaltige alte Wegenetz entflochten, Wege wurden entfernt und zusammen gelegt aber eine gewisse Anzahl und Führung von Wegen war vorgeschrieben: Die Fußgänger und Radfahrer mussten die Seedeichstraße passieren können; die zwei Wege durch den heutigen Kurwald, von denen einer neben den Kolonnaden und einer neben dem Prinzessin-von-Reuß-Palais auf die Professor-Vogel-Straße mündete; sie mussten diese Straße selbst von Anfang bis Ende durchqueren können; zwischen Grand Hotel und Perlenkette hindurch; zwischen Grand Hotel und Kurhaus hindurch und zwischen Kurhaus und Burg hindurch zur Promenade gelangen.
Es war erlaubt, Radfahrer mit versetzten Zäunen auf den Wegen zum Absteigen zu zwingen und es war erlaubt, die Gäste von den Grünflächen auf die Wege zu verweisen. Letzteres organisierte ein Sicherheitsdienst, der mit schwarzer Security-Kluft, Sonnenbrille und Funkgerät für Unbehagen bei den Tagestouristen und Einheimischen sorgte. Damals war das eine brauchbare Lösung, im Nachhinein halten Kritiker dem Investor immer wieder vor, mit dieser Praxis Tagesgäste ausgegrenzt zu haben.
Die Geister, die sie riefen…
Weil das Grand Hotel natürlich Gäste anlocken wollte aber nicht schreiben konnte „Suchen solvente Gäste mit mindestens 1.000 Euro Urlaubskasse“, inserierte die 2003 in den Betrieb eingestiegene (und 2009 wegen Meinungsverschiedenheiten mit Jagdfeld wieder ausgestiegene) Kempinski-Gruppe Anzeigen in breit gefächerten Medien, die Gäste anlocken sollten.
Kempinski hat scheinbar Heiligendamm nicht verstanden und darum nicht den Anspruch auf Exklusivität gehabt. Am Ende (seit 2006, als das Hotel nicht mehr richtig lief) bewarb die Kempinski-Gruppe das Grand Hotel über TUI und Tschibo und zog damit Leute an, die sich zwar den Aufenthalt aber nicht das Drumherum (mit dem das Hotel erst richtig verdient) leisten konnte.
Folglich blieben die wirklich zahlungskräftigen Gäste bald aus, weil sie durch das Vorhandensein dieser eigentlich nicht wirklich wohlhabenden Menschen nichts besonderes und exklusives mehr im Grand Hotel sahen. „Möchtegerns“ konnten sie auf Sylt billiger haben.
2009 stieg Kempinski aus, weil Jagdfeld die Vermarktungsstrategie über TUI und Tschibo scharf kritisierte und versuchte, als Geschäftsführer Einfluss auf das Management zu nehmen. Es lagen auch andere Dinge im Argen, die Jagdfeld nicht hinnehmen konnte, sodass Kempinski fluchtartig aus Heiligendamm ausstieg und damit einen sauberen Übergang unmöglich machte. In Folge dessen brauchte das Grand Hotel eine Bürgschaft vom Land, um die Kreditlinie erhöhen und mit dem geliehenen Geld die Buchungssysteme und Marketingmittel umstellen und wie gefordert den Kempinski-Schriftzug aus allen erdenklichen Ausstattungsgegenständen verschwinden zu lassen.
Das Kempinski-Konzept funktionierte 2003 – zusammen mit dem Medienrummel – durchaus: Die Gäste kamen in Scharen, Autokolonnen krochen auf Sightseeing-Tour durch die beiden einzigen Durchfahrtstraßen des verstopften Ortes, Radfahrer und Fußgänger tummelten sich wie Ameisen auf der Promenade und zwischen den Häusern des Hotels und irgendwann kamen sogar Reisebusse mit Touristen, deren Ziel „Heiligendamm-Gucken“ war – nicht selten artete es in „Reiche-Gucken“ aus. Von bis zu 5.000 Gästen an einem Wochenende ist in den Medien die Rede – rechnerisch nicht unmöglich und gefühlt auch wahr.
Heiligendamms Hauptproblem: Viele Gäste aber keine Angebote.
An sich wären die vielen Besucher kein Problem, sondern ein Segen gewesen. Bad Doberan bekommt die Gäste auf dem Silbertablett serviert und es sind von den einfachen Jugendherbergs-Absteigern (die seit 2007 mangels Jugendherberge in Bad Doberan nicht mehr absteigen können) über Pensionsurlauber bis hin zu Luxushotel-Gästen alle Kategorien dabei.
Aber sie fanden außer den Angeboten in dem von ihnen als unerreichbar betrachteten Grand Hotel in Heiligendamm nur einem Imbiss, eine Eismilchbar und zwei Cafés nichts vor, sodass sie „um die Häuser“ zogen. Die einen, um neugierig das strahlend weiße Ensemble zu betrachten und fotografieren (was anderes gibt es ja kaum zu fotografieren), die anderen, um neugierig die Gäste auf den Terrassen (oder nach Berichten sogar hinter den Fensterscheiben) des strahlend weißen Ensembles zu betrachten und fotografieren und die dritten, um den Ortskern zu suchen, in dem sie zu finden hofften, was sie suchten und was einen Urlaubsort nun einmal aus macht: Geschäfte, Boutiquen, Bäcker, Restaurants, besondere Cafés, vielleicht einen Markt… nichts davon hatte und hat Heiligendamm zu bieten und solange Sterns Vision unverwirklicht bleibt, bleibt es auch dabei.
Aber das ist nicht Schuld des Investors: Der hat Heiligendamm 1997 so vorgefunden. Das Seebad erfüllte nicht einmal die neuen Mindestvoraussetzungen für ein Seebad (und erfüllt sie auch 2012 noch nicht). In den sieben Jahren bis Jagdfeld und auch in den sechs Jahren bis zum Grand Hotel hatte die Stadt es nicht geschafft, das Umfeld des Grand Hotels aufzuwerten. Auf städtischen Filetgrundstücken entstanden Schotterparkplätze, zunächst mit Parkuhren, später mit Parkschein, damit die Gäste wenigstens etwas Geld im Ort lassen (müssen!) Auch im 22. Jahr hat die Stadt es nicht geschafft, eine Strandversorgung zu realisieren – der vorerst letzte Versuch scheiterte Mitte 2012 an schlampig ausgearbeiteten Verträgen, die vom Landkreis kassiert werden mussten.
Doch wo nur das Grand Hotel schön ist, da wollen die Gäste auch nur zum Grand Hotel hin, scheitern dort aber an eben den Zäunen die verhindern sollen, dass sie in Strömen dorthin ziehen und schauend und knipsend die Hotelgäste und Hotellogistik stören. Abgesehen vom Unverständnis, das dadurch am laufenden Band produziert wird, empfinden die Tagesgäste das Hotel als Fremdkörper. So wie damals suchen auch heute die Leute noch „den Ort Heiligendamm“ oder „den Ortskern“, „die „City“, „das Zentrum“, in dem sie (in ihrer Preislage) zu finden hoffen, was ihnen im Grand Hotel unerreichbar aber begehrenswert erscheint. Hunderttausende würden sie dort jedes Jahr ausgeben und Händler und Dienstleister glücklich und das Stadtsäckel prall machen.
Heute wie damals sind sie enttäuscht: „Was, das ist alles?“. Mehr hat Deutschlands ältestes Seebad nicht zu bieten?
Keinem Gast ist zuzumuten, dass er die Geschichte Heiligendamms kennt und die Grundidee des Seebades für den in Doberan wohnenden Adel und Unternehmer versteht. Ich werde immer und immer wieder gefragt, wo man außer ins Grand Hotel noch hin gehen und etwas essen kann. Ich verweise dann auf das Jagdhaus, den großherzoglichen Wartesaal, das DECK, das Café am Golfteich und das Café der Familie Mundt.
Die Imbissbuden finden sie von selbst. Es kommt dann fast immer die Frage „Ach und da gibt es dann alles?“, worauf ich nachfragen und erfahren muss, dass mit „Alles“ Geschäfte gemeint sind. „Nein, Geschäfte gibt es in Heiligendamm nicht – was speziell brauchen Sie denn?“ Ein Dialog, den Sie täglich hören können – fragen Sie die Einheimischen, wonach die Gäste sie fragen! Heiligendamm ist eine Goldgrube, an der scheinbar kein Mensch teilhaben will – und wenn, dann wird er öffentlich beschimpft – „bashed“.
Die Gäste Heiligendamms suchen den Ortskern, finden ihn nicht und für sie ist Heiligendamm „Drei Buden, drei Cafés, zwei Restaurants und ein Hotel, in das sie nicht hinein oder das sie sich nicht leisten können“. Nicht einmal eine richtige Strandversorgung gibt es, kaum Sport- und Freizeitangebote und nur wenig Kultur außerhalb des Grand Hotels.
Robert A. M. Stern hatte Recht: Es wird sich von allein regulieren. Heiligendamm wird seine Tagesgäste verprellen, verlieren und an ihnen erst recht nichts mehr verdienen. Die Hotelgäste kann das kaum stören: Sie haben nichts von Tagesgästen und sie vermissen auch nichts ohne Tagesgäste. Höchstens die dann auch noch weg fallenden Cafés, in denen sie billiger als im Hotel ihren Kaffee trinken können. Aber auch hier würde das Hotel auf Mangelerscheinungen reagieren und einfach die Wünsche seiner Gäste zu befriedigen versuchen – die Strandbar ist ein gutes Beispiel. Jedoch stört die Hotelgäste das hässliche Umfeld, sodass auch das Hotel am Ende sehr wohl von einer Entwicklung Heiligendamms profitieren würde. Richtig gut laufen würde das Luxushotel, wenn es eine weitere Seebrücke mit Yachthafen und Wassersportangeboten gäbe, sowie Läden, Ateliers, Cafés, Bars und Restaurants. Der Masterplan der FUNDUS-Gruppe sieht das vor. Die Umsetzbarkeit scheint gescheitert.
Urlaub im „Reichenzoo“: Bezahlen, um begafft zu werden.
2003 war alles etwas anders: Heute würden die Hotelgäste sich nicht an den Tagesgästen stören, weil sie weit genug weg von den Terrassen des Hotels sind. Die Berichte von damals von furzenden Anglern an der Kurhaus-Terrasse und von Halbnackten vor den Zimmerfenstern sind – wenn sie wahr sind – heute nicht mehr möglich.
Das Grand Hotel stand ein Jahr nach seiner Eröffnung vor einem rapiden Abschwung und Umfragen bei den Gästen brachten ans Licht, dass diese sich von den neugierigen Tagesgästen gestört fühlten.
Direkt vor der Terrasse, in großen und lauten Scharen – womöglich noch halbnackt und furzend – wollte diese sonst gar nicht störenden Gästescharen keiner haben. Die Gäste fühlten sich wie Exponate eines Freilichtmuseums, was so gar nicht zum Versprechen passte, hier Exklusivität, Entspannung und Ruhe zu finden.
Bezahlen, um begafft zu werden oder zumindest, um nicht die versprochene Ruhe zu finden, wollte keiner. „Reichenzoo“ ist übrigens ein geläufig gewordener Begriff, wenn es um Heiligendamm geht. Zu verdanken haben wir das einer düstereren Anti-Jagdfeld-Internetseite – also einem Mitverursacher des Reichenzoos.
Die Kritiker Jagdfelds haben – wenn auch an die falsche Adresse gerichtet, denn Jagdfeld war ein Gegner dieser Praxis und zeigte das auch, sodass es 2009 zum Bruch mit Kempinski kam – durchaus Recht wenn sie sagen, dass Kempinski mit den breit gefächerten Werbeanzeigen Geister rief, die es nicht mehr los wurde. Nur trägt diese Kritik im Nachhinein nicht mehr zu einer Lösung des Problems bei und ihre ständige Wiederholung ändert nichts. Heute würde man gezielt nur die Klientel ansprechen, die man haben möchte. 2003 dachte man nicht daran und beging einen Fehler. Während heute immer noch einzelne Leute kritisieren, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist, holt keiner von ihnen es dort heraus. Auch damals musste das Hotel allein mit dem Problem fertig werden. Das Konzept ändern ging schon einmal nicht:
Andere Zeiten – andere Sitten. Und andere Ansprüche.
Heiligendamm war zu Zeiten des Herzogs ein Ort der Freude (Der Spruch am Kurhaus heißt übersetzt: Hier empfängt dich Freude nach einem gesunden Bade.), der Promenade und Prominenz, der rauschenden Ballnächte, des Spektakels und des „Sich-in-die-Menge-stürzen“. Das funktionierte, weil hier die „High-Society“ unter sich war, weil nur sie sich Kutsche und Molli-Billet leisten und den Weg ins abgelegene Heiligendamm auf sich nehmen konnte. Und weil nur sie einen Grund hatte hier her zu kommen. Wer sich in Heiligendamm eh nichts leisten konnte, ging dort nicht hin und zum Baden wählte man in der damaligen Zeit einen ungesehenen Ort, um kein Ärgernis zu erregen und niemanden mit dem Anblick seiner Blöße zu beleidigen.
Die Zeiten haben sich geändert: Heiligendamm liegt 5 Minuten von Bad Doberan entfernt, mit dem eigenen Auto kostet die Fahrt hin und zurück nicht einmal einen Euro. Baden kann jeder fast überall und ob er etwas und was er am Körper trägt, interessiert heute keinen. Da macht es schon Sinn, den Tagesgast mit Parkgebühren und Kurtaxe (das gab es vorher nicht) zurück zu schrecken und an denen, die dennoch bleiben, zu verdienen. Trotzdem: 5 Euro hat jeder übrig, um zu baden, ein wenig zu bummeln und ein kleines Eis zu schlecken, um dann glücklich und erholt wieder nach Hause zu fahren. Damit ist Heiligendamm ein Jedermann-Bad und nicht mehr Bad der Schönen und Reichen. Doch mit den Schönen und Reichen lässt sich mehr Geld auf kleinem Raum verdienen (nur wer nicht selbst daran verdient, kann dagegen sein) und die Schönen und Reichen wollen nicht mehr Party feiern, sondern in Heiligendamm Ruhe und sich selbst finden. Für rauschende Bälle und deftige Gelage gibt es längst andere Orte. Heiligendamm steht für Abgeschiedenheit, Erholung, Gesundheit, Selbstfindung und Sommerfrische.
Heiligendamms Entwicklung läuft gegen die Tagesgäste.
Nun ist es auch nicht Aufgabe des Investors, auch noch den Tagesgast zu bedienen. Das wäre Aufgabe der Stadt, deren Bürgermeister Hartmut Polzin (1998-2011) aber 2004 angeblich verlauten ließ, Heiligendamm brauche die Tagesgäste nicht. Was Polzin wirklich meinte ist, dass Heiligendamm die Luxustouristen bedienen solle und die Tagesgäste sich nach Bad Doberan verlagern würden und dass Heiligendamm daher nicht auf die Tagesgäste ausgerichtet werden solle – es braucht die solvente Klientel wegen des engen Raumes nötiger als den Massentourismus. (Auch Massentourismus-Hochburg Kühlungsborn hat die Nachteile erkannt und setzt seit einiger Zeit auf „sanften Tourismus“.)
Polzins Vorstoß sahen die meisten Stadtvertreter anders, protestierten aber taten andererseits auch nichts, um die Tagesgäste zu bedienen, von denen sie sagten, dass sie sehr wohl gebraucht werden. Dass in Heiligendamm gar kein Platz für alle Gäste-Kategorien ist, nahmen viele von ihnen nicht zur Kenntnis. Bad Doberan als Ganzes MUSS alle Gästegruppen bedienen aber seine Ortsteile KÖNNEN das nicht – Heiligendamm nicht und auch Vorder Bollhagen, Walkenhagen und Althof nicht. Jeder Ortsteil hat seine Stärken – Vorder Bollhagen das Biogut, Althof die Geschichte des Klosters und seiner Mönche und Walkenhagen die Natur und das Gewerbe. Zu nutzen weiß das kaum jemand.
Die Stadt löste alte auf und baute neue Parkplätze, deren Stellplatz-Menge stets herunter gehandelt wurde, sodass schon durch die Zahl der Parkplätze und die nicht für Ausflugsschiffe gebaute Seebrücke die Aufnahmekapazität Heiligendamms künstlich begrenzt wird. Die aktuelle Situation gibt den Entscheidern Recht: Wenn alle Parkplätze voll sind, ist auch der Strand fast voll. Aber eben nur fast und darum sieht man aktuell im Rathaus noch Spielraum für einen Saisonparkplatz, um den Strand ganz voll zu kriegen und natürlich über Parkgebühren und Kurtaxe (und Knöllchen) gut daran zu verdienen.
Dass auch Gäste eines in Planung befindlichen Ferienparks in Bad Doberan später noch an den Heiligendammer Strand passen müssen, wird dabei nicht bedacht. Seinerzeit war von 1000 zusätzlichen Gästen die Rede, realistisch dürfte die Hälfte sein. Entweder weichen die Einheimischen oder die Ferienpark-Gäste. Solange es nur beim Ausweichen bleibt, gibt es nur nicht mehr Einnahmen aber wenn die Gäste weg bleiben, gehen auch die Einnahmen des Ferienparks und damit die Steuereinnahmen zurück.
Was nicht passiert: Die Versorgung der Strandgäste wächst nicht mit der Zahl der Parkplätze. Hunderte Leute verteilen sich auf drei Imbissbuden und zwei Cafés und wer sich das nicht antun will, bringt sein Essen und Trinken mit und hinterlässt überquellende Mülleimer und einen verschmutzten Strand. Die Folge: Da der Strand regelmäßig gereinigt werden muss, schaffen die Bauhofmitarbeiter es nicht, auch den Rest Heiligendamms regelmäßig zu pflegen:
Unkraut und Büsche wuchern auf die Wege, Wasserflächen verwuchern, Wege werden nicht ausgebessert, defektes Mobiliar nicht schnell genug repariert oder ausgetauscht. Zugleich werden die Gäste unzufrieden und suchen sich andere Orte zum Baden, wo sie sich willkommen und nicht abgezockt fühlen und ihre Augen nicht durch den Anblick schäbiger Grünflächen beleidigt werden. Selten suchen diese Leute die Schuld bei der Stadt, denn allgemein geht das Gerücht um, ganz Heiligendamm würde der FUNDUS-Gruppe (resp. Jagdfeld persönlich) gehören und diese(r) hätte kein Interesse an Tagesgästen.
Wider den Gerüchten: Grand Hotel bedient auch Tagesgäste.
Dabei hat das Grand Hotel die Tagesgäste längst für sich entdeckt, sperrt sie nicht wie Kempinski aus, sondern hat seit 2009 eine Klingel am Haupttor installiert, damit auch Tagesgäste auf das Gelände gelangen, um die Restaurants und Bars oder den SPA-Bereich zu besuchen. Nicht aggressiv aber dennoch aktiv bewirbt das Hotel seine Bars und Restaurants auch für Tagesgäste, betont selbst die ECH immer wieder, dass diese willkommen sind und steht dieses auch immer wieder in der kostenlosen Hauszeitung zu lesen.
Hier geht Sterns Idee auf: Wer denkt, es sich sowieso nicht leisten zu können oder nicht willkommen zu sein, klingelt nicht. Kein Nörgler und Neider wird dort je klingeln und wenn, dann wird er zwar gucken und nörgeln oder beneiden aber kein Geld ausgeben. Auch von Norden her ist man bereit, den Tagesgast zu begrüßen, hat je nach Auslastung saisonal einen Pagen am Findling stehen, der die Speisekarten bereit hält, Fragen beantwortet und das Tor öffnet.
Selbst am Strand verdient das Hotel am Tagesgast. Dort wurde eine sehr feine kleine Strandbar eröffnet, die Getränke, Eis und Snacks an die Gäste ausschenkt. Eine ungünstige Regelung verbot bis 2012 die Bedienung von Nicht-Hotelgästen. Wer glaubte, vom Grand Hotel ausgeschlossen zu werden und nun an der Strandbar die Frage verneinte, ob er Hotelgast sei und daraufhin nicht bedient wurde, der hätte darin eine Bestätigung gefunden – Fazit: Böses Hotel, böser Investor. Zum Glück haben die Strandbar-Mitarbeiter charmante Möglichkeiten gefunden, um dieses Dilemma zu umgehen und zum noch größeren Glück dürfen sie seit 2012 jeden bedienen, der kommt.
Zwei Strandversorgungs-Investoren warten auf ein Signal aus dem Rathaus.
Während also das Grand Hotel nach dem Ausstieg Kempinskis das Ruder herum gerissen hat, die Tagesgäste nicht ausschließt, gleichwohl aber auch nicht mehr das Hotel über Tchibo und TUI, sondern exklusiv und zielgruppenorientiert vermarktet, hat man im Rathaus die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Zwei Standorte für Strandversorgungen sind vorbereitet – eine östlich des Golfteiches am Ortsausgang und dem geplanten Standort des Saison-Parkplatzes und eine an der Kurve der Seedeichstraße direkt neben dem Golfteich.
Die erste war schon länger geplant, ein Investor aus der Nähe von Berlin hat sie entwickelt aber aus unbekannten Gründen bisher nicht realisiert. Nun ist er nach eigenen Angaben (gegenüber der Ostsee-Zeitung) verunsichert, weil die Stadt eine zweite Strandversorgung plant. Grundsätzlich könnten beide Strandversorgungen existieren und die am Ortsrand ist recht anspruchsvoll geplant. Würde der Investor jetzt beginnen, hätte er schon einmal den Fuß in der Tür, könnte Stammkundschaft aufbauen und sich etablieren, bevor sie zweite Strandversorgung kommt.
Gerade da diese noch auf sich warten lässt: Es gab eine Idee der Doberaner Gastronomen und Gastgeber Stefan Rolfs und Tom Wosar und ein fertiges Konzept des Heiligendammer Architekten und Gastgebers Axel Goedecke. Die Stadtvertreter favorisieren die zweite – weil ausgereifte – Variante und auch die ECH hat eine gute Meinung zu dieser Variante (obwohl Goedecke absolut kein Freund der ECH ist) aber FDP-Stadtvertreter Harry Klink möchte das Konzept seiner Parteifreunde nach seiner Auffassung „gleichwertig behandelt“ sehen und äußert jede Menge Bedenken zum Konzept des Bürgerbund-nahen Goedeckes, sodass aus einer simplen Sache ein Politikum wird, das bis jetzt den Bau der Strandversorgung verhindert. Zuletzt scheiterte das Vorhaben Mitte 2012 an inkompetent ausgearbeiteten Verträgen, die vom Landkreis kassiert werden mussten. Während die zweite Strandversorgung verzögert oder gar verhindert wird, zögert der erste Investor noch, weil er ein Bekenntnis der Stadtvertreter vermisst, dort willkommen zu sein und unterstützt zu werden.
Neuer Hotel-Investor könnte auch die Strandversorgung übernehmen.
Ein neuer Hotel-Investor kann die Strandbar weiter führen und im Westen des Ensembles Geld an den Tagesgästen verdienen und er kann auch im Osten eine eigene Strandversorgung eröffnen. Das war sogar angedacht: Das Grand Hotel wollte Walter Butzes „Bistro am Strand“ in Eigenregie als weitere Strandbar führen, nachdem Butze den Ermahnungen der ECH nach Ordnung und Sauberkeit nicht nachgekommen sein soll und der Mietvertrag darum nicht verlängert wurde. Der verregnete Sommer 2011 machte aber das Projekt überflüssig und die Insolvenz 2012 macht es vorerst nicht realisierbar.
Die Fläche gehört der ECH und hier könnte eine Strandversorgung entstehen, allerdings nicht durch einen unbeteiligten Dritten, sondern durch die Investorengruppe selbst oder einen von ihr ausgesuchten Dritten. Der Investor kann auch versuchen, die Grundstücke für die nicht realisierten Strandversorgungen zu erwerben und dann eigene Strandversorgungen aufzubauen (etwas anderes lässt der Bebauungsplan nicht zu – wer das Grundstück hat, muss eine Strandversorgung darauf bauen). Das beides würde aber heißen, dass der neue Investor auch bestimmt, was in die Strandversorgung hinein kommt und das wird freilich nicht KIK – der Textildiscount sein und auch nicht Mc Donalds oder Backfactory.
Es besteht die Gefahr, dass eine vom Investor geführte oder initiierte Strandversorgung die finanziellen Möglichkeiten der Tagesgäste übersteigt, sie also vergrault und sich damit wieder bei Ausbleiben (und Einnahmeeinbußen der Stadt) oder Selbstversorgung (und damit Müllbelastung für die Stadt) der Kreis schließt. Bei einer Strandversorgung durch kleine Unternehmer werden diese eher nicht im oberen Segment nach Mietern suchen, sondern entweder bekannte lokale Unternehmen ins Boot holen oder die Strandversorgung selbst betreiben (damit verdient man ja mehr als mit Mieteinnahmen). Darum sollte die Stadt zusehen, dass sie noch vor dem Einstieg eines neuen Investors die Strandversorgungen wie geplant auf den Weg bringt.
Die Stadt in der Stadt braucht einen Ortskern, um erfolgreich zu sein.
Strandversorgung allein reicht aber nicht: Es muss in Heiligendamm auch Geschäfte geben, in denen die Tagesgäste richtig einkaufen können. Die wenigen Geschäfte, die es in der Orangerie gibt, bedienen in erster Linie das Grand Hotel. Die Betreiber laden zwar offen auch Einheimische und Tagesgäste ein aber das exklusive Ambiente schreckt diese meistens ab.
Es gibt in Heiligendamm keinen Laden, wo der Tagesgast schon von außen sieht „Hier bin ich richtig.“ Erreicht werden könnte dieser Effekt durch die Ansiedlung von bekannten Marken – außer Gucci und Chanel dann eben auch Adidas, Puma oder Jack Wolfsskin. Oder eben bekannte Drogerieketten, wie Douglas und DM.
Das Problem: Es gibt keine ansprechenden Ladenflächen in Heiligendamm. Die Kolonnaden sind historisch zwar geeignet aber zu klein, zu versteckt und innerhalb eines in Zukunft für Tagesgäste nicht mehr erreichbaren Gebietes. Darum sollen hier auch Wohnungen entstehen, statt Gewerbeflächen. Auch die Gartenstraße ist zu versteckt gelegen – der Gast folgt der Hauptstraße und sucht das Zentrum irgendwo am Bahnhof.
Darum auch Sterns Idee, das Gewerbe an der Kühlungsborner Straße zwischen Grand Hotel und Bahnhof anzusiedeln – es gibt keinen geeigneteren und besseren Standort! Der Gast soll nicht im Hotelgelände einkaufen können – dann würde man die Kundenzahl unnötig auf die Zahl der Hotelgäste begrenzen. Der Gast soll im Ort einkaufen – an der Kühlungsborner Straße zwischen Grand Hotel und Molli-Bahnhof. Dort soll jeder Gast einkaufen können – für jeden soll etwas dabei sein und wer wo kauft, soll kein Zaun, sondern allein das Konto bestimmen.
Das Grundstück aber gehört der ECH, diese wollte die Apartments aus einer Querfinanzierung und Immobilienfinanzierung realisieren, das Grand Hotel fällt aus der Querfinanzierung heraus und die Banken geben keine Immobilienfinanzierung mehr. Allgemein ist kaum noch jemand bereit, Jagdfeld Geld zu leihen und kein Drittinvestor ist bereit, sich dem der ECH auferlegten Hü und Hott anzuschließen und für die ECH zu entwickeln. Damit scheinen die Pläne vorerst gescheitert. Die einzige Rettung könnten die Gewinne aus dem Verkauf der Ferienwohnungen in der Perlenkette sein aber erstens dauert die Sanierung noch Jahre und zweitens sind die Gewinne nicht so hoch, um allein davon die Appartment-Komplexe zu stemmen.
Hier kann ein neuer Investor entweder mit der ECH zusammen arbeiten und die Pläne verwirklichen oder sich mit der ECH über eine Übernahme und Fortführung der Pläne einig werden. Beides hätte zur Folge, dass hier Apartmentkomplexe mit Gewerbeflächen entstehen. Auch hier lässt der B-Plan kaum Spielraum zu: Jeder andere Investor – auch zehn einzelne – müsste/n hier Apartments und Gewerbeflächen bauen.
Tut er oder tun sie das nicht, wird Heiligendamm nicht erfolgreich sein, weder als Luxus-Bad, noch als Touristenort – hier MUSS ein Ortskern entstehen. Zur Not ließe ich auch ein ausbaufähiger kleiner Anfang realisieren (erst einmal nur ein Teil des Komplexes); eine sehr gute Übergangslösung wäre auch die Zusammenarbeit mit Börgerende, wo gerade Gewerbeflächen in den Villen des Waterkant-Areals entstehen, die gezielt als Ergänzung für Heiligendamm fungieren könnten, bis dort eigene Gewerbeflächen gebaut werden können. Dabei würden die beiden Orte sich näher kommen und ihre einzigartige Chance kennen lernen, sich gemeinsam zu präsentieren.
Strandversorgung und attraktiver Ortskern heißen die beiden Ruder, mit denen die Prinzessin ihr Boot ans Ziel steuern kann. Nur ein Ruder lässt sie im Kreis fahren – es werden beide gebraucht, um wirklich voran zu kommen. Von beiden profitieren die Tagesgäste, die Feriengäste in den Pensionen und Zimmern, die Hotelgäste, die Stadtkasse und im großen Maß eben auch die Bürger selbst.
Ein gerettetes Heiligendamm ist nicht automatisch wieder ein weißes Heiligendamm.
Außerdem: Gehört wirklich alles Anno August Jagdfeld, resp. der FUNDUS-Gruppe?
Die Sorgenkinder „graue Häuser“ scheinen damit noch nicht gerettet. Diese muss ich separat behandeln, denn sie sind eine Besonderheit, die immer wieder missverstanden wird. Es gibt in Heiligendamm noch viele graue Häuser, womit sich der Stadtteil nicht von anderen ostdeutschen Stadtteilen unterscheidet. Es gibt auch in Wismar viele graue Häuser und auch in Rostock verfallen in besten Lagen Gebäude.
Der Unterschied: In beiden Orten gehört jedes Haus einem anderen Eigentümer – in Heiligendamm musste die FUNDUS-Gruppe alle 26 Häuser nehmen, ob sie sie nun nutzen konnte oder nicht. Zudem erwarb die ECH im Laufe der Zeit weitere zum Verkauf stehende Häuser und Grundstücke dazu. Hintergrund: Wenn diese Immobilien an Dritte gegangen wären, hätte die ECH keinen Einfluss auf das, was mit ihnen geschieht.
Während Wohn- und Ferienhäuser unproblematisch wären, gibt es durchaus auch Angebote, die mit den FUNDUS-Plänen konkurrieren oder sie hätten gefährden können. Für das Projekt sind die erwähnten Nachtclubs und Diskotheken nicht zuträglich aber auch Vier-Sterne-Hotels würden dem Grand Hotel eine unerwünschte Konkurrenz entgegen stellen. Möglich wäre das z.B. im „Mecklenburgischen Heim“ in der Gartenstraße, das zwar teilweise einsturzgefährdet aber für einen potenten Investor groß genug ist, um dort ein Hotel zu errichten.
Auch um dieses Risiko zu unterbinden, hat die ECH bei Verkäufen mitgeboten. Nicht immer hat sie dabei die Immobilie letztlich auch erzielt – über dem Wert eingekauft hat sie in Heiligendamm nicht. Man muss auch den Hintergrund sehen, dass die ECH keine Planungssicherheit hat: Sie kann sich auf die Stadt nicht verlassen und wenn jemand eine Gartenanlage kauft darf sie befürchten, dass die Stadt ihm da auch noch einen Hotelneubau drauf genehmigt. Die vielen Aktionen einzelner Stadtvertreter gegen die Investorengruppe haben das Vertrauen dieser in die Stadt möglicherweise geschädigt. Das sagt sie zwar nicht offen aber Unbeteiligte denken auch so.
Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens war auch, dass die ECH somit Lücken zwischen den ihr schon gehörenden Grundstücken schließen, zusammenhängende Entwicklungsflächen erlangen und Probleme vermeiden konnte. Diese Probleme zeichneten sich nämlich sehr schnell überall dort ab, wo Privateigentümer über ECH-Grundstücke zu ihren Grundstücken mussten. Einige verließen sich darauf, dass das so bleibt, verzichteten auf schriftliche Verträge und waren dann entrüstet, als die ECH im Wissen um die Rechtmäßigkeit ihre Grundstücke einzäunte (z. B. um Müllsünden und Wildparken zu verhindern) und damit die Zufahrten der Anlieger unpassierbar machte.
Auch so entwickelten sich letztlich Unzufriedenheit und Feindschaften, wo einfach nur saubere Grundstücke und Kostenersparnisse der Grund waren.
Grundlagenvertrag schreibt vor: Erst Ensemble, dann Perlenkette, dann Neubauten.
Hinzu kommen die Vorwürfe der Kritiker, die ECH würde Gebäude aufkaufen und absichtlich verfallen lassen. Fakt ist, dass der Grundlagenvertrag zwischen Stadt und ECH vorschreibt, dass zuerst die sechs großen Bauten des Ensembles zu sanieren seien, dann die Perlenkette und erst danach dürfen Neubauten entstehen.
Möglicherweise waren die seitens der Stadt mit der Ausarbeitung des Vertrages befassten Experten nicht überzeugt, dass die FUNDUS-Gruppe alles stemmen könne und wollten wenigstens die als Ladenhüter erfahrenen großen Gebäude saniert sehen – wenn es dann nicht weiter ginge, ließen die Villen sich auch einzeln verkaufen, was natürlich Sache der ECH als Grundstückseigentümer und nicht der Stadt wäre.
Diese schloss Rückfallklauseln für vererbpachtete Grundstücke in die Verträge ein, was aber meistens unbebautes Land betraf. Das Grand Hotel wurde von 2000 bis 2003 saniert, für die Perlenkette war als Sanierungsbeginn das Jahr 2004 vorgesehen und zum G8-Gipfel 2007 hoffte man, fertig zu sein und danach mit den Neubauten beginnen zu können.
Vorgesehen war, die Perlenkette auch als Hotel zu betreiben und dem Grand Hotel zu unterstellen. Das aber barg Schwierigkeiten, denn das Versorgungszentrum des Grand Hotels liegt zu weit von der Perlenkette entfernt und die kleinen Elektromobile hätten über öffentlichen Grund fahren müssen, was versicherungstechnisch nicht so einfach ist und auch Probleme mit den Toren und dem Gästeverkehr gegeben hätte.
Darum plante man um und wollte eine eigene Versorgung für die Perlenkette im „Ensemble Palais“ unterbringen, in dem auch ein Ballsaal und Aufenthaltsräume für Mitarbeiter gebaut werden sollten, damit diese z. B. nicht so einen weiten Weg zur Toilette haben (denn die Gästetoiletten sind für Mitarbeiter tabu).
Die Perlenkette als „Adlon am Meer“ scheiterte an rot-grünen Gesetzesänderungen.
Mit eigener Versorgung konnte die Perlenkette auch eine eigene Einheit werden, darum plante man hier mit dem Plannamen „Adlon am Meer“ ein eigenständiges Hotel neben dem Grand Hotel aber dessen Angebote (Restaurants, Bars, SPA etc.) nutzend. Das entspricht dem historischen Vorbild: Auch die damaligen Gäste in der Perlenkette speisten im Kurhaus und nutzten die Angebote des damaligen Grand Hotels. Finanziert werden sollte das Vorhaben durch einen neuen Fonds, womit der Fonds 34 unabhängig wäre und damit auch Erfolge oder Misserfolge der beiden Fonds diese nicht gegenseitig gefährdet hätten. Beides wären eigenständige Projekte gewesen.
Jedoch wurden 2004 unter dem Kabinett Schröder II der rot-grünen Regierung Gesetze geändert, was unter anderem den Wegfall steuerlicher Vergünstigungen für Fondsanleger hatte. Fondsanteile ließen sich nicht mehr so gut verkaufen und damit war an einen neuen Fonds für das „Adlon an Meer“ nicht mehr zu denken. Aus dem bestehenden Fonds 34 für das Grand Hotel durfte sich die ECH auch nicht bedienen, also musste sie umdenken. Im Prinzip sollte nun dasselbe getan werden, wie geplant aber es sollte kein Hotel mehr entstehen, sondern nur Wohnungen, deren Käufer Managementverträge mit dem Grand Hotel abschließen können sollten. Für die Bewohner der Perlenkette sollte es auch Vergünstigungen für die Angebote des Grand Hotels (SPA, Golf etc.) geben.
Streit um die Perlenkette: Stadtvertreter blockierten Pläne zur Ferienwohnungs-Vermarktung.
Die ECH begann noch 2004 mit der Konzeption und Vermarktung und zeigte ersten Interessenten die möglichen zukünftigen Wohnungen. Damit es sich rechnet, sollen nach historischem Vorbild sechs Wohnungen pro Villa (der Herzog forderte seinerzeit 4-6) eingerichtet werden, die Käufer sollen bei Grundriss und Ausstattung mitbestimmen.
Die Käufer sollen Anzahlungen leisten, mit denen plus Eigen- und Fremdkapital die jeweilige Villa saniert wird, während der Rest des Kaufpreises fließt. Das Konzept ist altbekannt und bewährt und hat auch in Bad Doberan schon viele Häuser gerettet oder neu entstehen lassen. Die weißen Mehrfamilienhäuser zwischen den Moorwiesen und der Kröpeliner Straße sind auch auf diese Weise finanziert worden.
Erste Gespräche zeigten zwei schwerwiegende Probleme auf: Den Käufern der Perlen-Wohnungen fehlten Parkplätze am Haus und sie wollten selbst bestimmen können, wann und wie lange sie ihre Wohnungen bewohnen. Das erste Problem konnte die ECH lösen, indem sie einen Tunnelparkplatz (Tiefgarage) plante. Hierüber lassen sich zugleich Kellerräume realisieren (die meisten Villen sind nicht unterkellert) und durch die Tiefgarage kann auch die gesamte Versorgungseinrichtung (Kabel, Leitungen) verlaufen.
Selbst die Hotellogistik lässt sich unter die Erde verlegen, sodass keine Mitarbeiter zwischen den Häusern umher laufen müssten und wie die Heinzelmännchen ungesehen (dezent) ihre Arbeit verrichten können. Die Zufahrt soll über die für das Thalassozentrum geplante weitere (teilweise öffentliche) Tiefgarage erfolgen.
Dazu aber war eine Änderung des Bebauungsplanes B 25 nötig, da im B-Plan keine Parkplätze vorgesehen waren – die Perlenkette war als Teil des Hotels vorgesehen und dieses hatte seinen Parkplatz am Bahnhof, wo nun auch die Perlen-Bewohner hätten parken müssen, was keiner von ihnen auf sich nehmen wollte.
Für das zweite Problem brauchte es nur einer Änderung desselben B-Planes: Die Perlenkette musste aus dem „Sondergebiet Hotel“ heraus genommen werden, damit wären die Villen normale Wohnhäuser und es wäre dauerhaftes Wohnen möglich gewesen. Außerdem ist die ECH in dem Moment, wo die Perlen nicht mehr zum Hotel gehören, zum Bau von ausreichend Parkplätzen regelrecht verpflichtet – das eine ergibt also das andere.
Die Anträge für diese Änderungen wurden 2004 eingereicht, im selben Jahr zog der von Mitgliedern des einstigen „Bürgerrates“ (Siehe Median-Problematik) gegründete „Bürgerbund“ in die Stadtvertretung ein. Den „Bürgerrat“ gab es nicht mehr – an seine Stelle trat die von Bürgerrat-Mitgliedern mitbegründete „Bürgerinitiative Pro Heiligendamm“, von denen auch Führungsmitglieder für den Bürgerbund direkt in die Stadtvertreterversammlung einzogen. Der Bürgerbund stimmte geschlossen gegen die Änderungsentwürfe und wurde von einzelnen Stadtvertretern anderer Parteien unterstützt, sodass die Pläne 2004 nicht genehmigt wurden.
Es bestand nach Auffassung der Kritiker bereits 2004 Baurecht für die Sanierung der Perlenkette, was die ECH auch nicht verneint aber darauf hinweist, dass zur Sanierung eben auch eine Finanzierung gehört, der eine vorherige Vermarktung zu Grunde liegt.
Einfach gesagt: Erst werden Interessenten gesucht, diese leisten eine Anzahlung oder gehen eine Finanzierungsvereinbarung ein, mit diesem Geld, Eigenkapital und Krediten saniert die ECH die Villa und nach Übergabe der Kaufpreise werden die Banken bedient, das entnommene Eigenkapital wieder zurück gelegt und es kommt natürlich auch Gewinn für die ECH dabei heraus. Mit dem Gewinn aus der einen Villa lässt sich das Eigenkapital der nächsten finanzieren, sodass am Ende Geld für die Neubauten (hinter der Perlenkette wären das das „Ensemble Palais“ und eine neue Villa „Ensemble Villa“) übrig wäre.
Einzige Voraussetzung für das Funktionieren dieses Konzeptes sind Käufer für die Wohnungen. Ohne Parkplatz am Haus und Dauerwohnrecht gab es schlichtweg keine Käufer. Und da die Stadtvertreter diese beiden Bedingungen nicht erfüllen wollten, fand die ECH keine Käufer, bekam keine Finanzierung zu Stande und konnte die Villen nicht sanieren.
Sie sanierte daher nur die beiden Cottages „Krone“ und „Marie“; erstere hatte der Hamburger Unternehmer gekauft und mit Hilfe der ECH saniert und „Marie“ sanierte die ECH auf eigene Kosten, einerseits, um der „Krone“ ein würdiges Nachbarhaus zu geben und andererseits in dem Wissen, dass man dieses Cottage verkauft kriegt. Bei beiden Villen stehen Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe zur Verfügung, sodass hier nicht mit den Problemen der Perlenkette gekämpft werden musste.
Professor der Rostocker Universität forderte Zäune zur Beruhigung des Hotelgeländes.
Die ECH versuchte in der Folgezeit alles und ließ vieles über sich ergehen, um weiter zu kommen. Da aber das Grand Hotel 2004 unter den Tagesgästen litt, die Hotelgäste ob der Tatsache, von einem zum anderen Hotelgebäude Touristenströme durchqueren und diese auch beim Essen und Entspannen vor der Nase haben zu müssen, sich beschwerten oder konsequent nicht wieder kamen, wurde ein von der ECH in Auftrag gegebenes Gutachten des Rostocker Universitätsprofessors Behnkenstein vorgelegt, der die Einzäunung des Grand Hotels forderte. Mit diesen Plänen stieß die Investorengruppe auf breite Ablehnung, die bald nicht mehr nur die Zäune umfasste, sondern auch die Tiefgarage, das Dauerwohnrecht und die längst vereinbarten Neubaupläne.
Die Geburtsstunde des organisierten Widerstandes: Jagdfelds Gegner sammelten sich.
Mit Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Postwurfsendungen und Handzetteln wurde seitens der Bürgerinitiative „Pro Heiligendamm“ und des Bürgerbundes Stimmung gegen den Investor gemacht und durch private Internetseiten („Zoo für Reiche“, „Heiligendamm Urlaubserfahrungen“, „Gutshäuser in MV“) und den Internetauftritt des Bürgerbundes und der Bürgerinitiative „Pro Heiligendamm“ unterstützt. Besonders aktive Gegner investieren viel Zeit in das Kommentieren von Zeitungsartikeln und Verfassen von Forenbeiträgen und nutzen selbst Googles Bilderdienst „Panoramio“ als Plattform für ihre Verbreitungen (indem sie Bilder veröffentlichen und in Kommentaren dazu ihre Thesen verbreiten, wobei sie auf Gegenrede unsachlich reagieren.)
Auch Politiker anderer Parteien entdeckten, dass man sich mit Stimmung gegen den Investor profilieren konnte, in dieser Zeit wurde z.B. FDP-Ortschef Harry Klink sehr aktiv und ist bis heute in den Medien sehr präsent; zuletzt musste er sich (auf seine Bitte außergerichtlich) verpflichten, bestimmte Lügen über Teile der Investorengruppe nicht mehr zu verbreiten.
Genauso bildete sich aber auch eine Gegenströmung: Der parteilose Stadtvertreter Jochen Arenz brach immer wieder eine Lanze für die ECH und das Grand Hotel, SPD-Stadtvertreter Frank Pieplow und Linke-Stadtvertreterin Anke Bitter verließen ihre Parteien und gründeten zusammen mit dem Bad Doberaner Verwaltungsangestellten Wolfgang Schünemann und dem Heiligendammer Waldkirchen-Vereinsrepräsentanten Eckart Paap das „Bündnis für Bad Doberan“ (BfBD), letzterer gründete auch die Initiative „Pro Seebad Heiligendamm“, die im Gegensatz zu „Pro Heiligendamm“ nicht Heiligendamms Status quo (den von 1993) erhalten, sondern heben will, indem sie die Entwicklung Heiligendamms (maßgeblich durch die ECH aber auch durch Einbringung eigener Ideen) unterstützt.
Stadtvertreter Horst Gühler verließ zusammen mit zwei Mitstreitern die CDU wegen Unstimmigkeiten und sie gründeten die „Christlich demokratische Gemeinschaft“ (CDG). Gühler fiel durch seine sachlichen und unbestechlich logischen Erklärungen auf, leistete damit der ECH gewissermaßen Hilfe, indem er gegenüber den anderen Stadtvertretern sagen konnte, was die ECH nicht zu sagen vermochte (weil sie nicht mit Rederecht an den Sitzungen teilnehmen konnte oder man ihr nicht zuhörte.
Diese Gegenströmung hat sich nicht 2004, sondern im Laufe der Zeit gebildet. Das Prinzip ist, mit gutem Beispiel voran zu gehen und die Konfrontation mit den „Gegnern“ zu meiden, um nicht unnötig und unsinnig Reibung zu verursachen. Viele Ideen Paaps sind von der ECH und auch der Stadt berücksichtigt worden, so z.B. die dekorative Variante der Verkehrsberuhigung in der Gartenstraße; andere wurden ignoriert, wie der vorgeschlagene Rückbau der Plattenbauten um eine Etage – stattdessen wurde noch eine Etage drauf gesetzt.
Expertenkolloquim beriet 2004. Mit abenteuerlichen Entwürfen und nüchternem Ergebnis.
Um die festgefahrene Situation zu entschärfen, drängte die Stadt auf ein Expertenkolloquim, um die Entwicklung Heiligendamms neu zu verhandeln. Obwohl die ECH angesichts der bereits von Experten ausgearbeiteten Pläne nichts zu verhandeln sah, stimmte sie „um des Friedens willen“ (Hans Schlag) zu und setzte sich zusammen mit ihren Experten und denen der Stadt, sowie der Stadt selbst und Vertretern von Ämtern, Behörden und Bürgern zusammen, um mehrere Tage lang moderiert über Heiligendamm zu beraten.
Dabei kamen recht abenteuerliche Entwürfe auf den Tisch, die teilweise sogar eine Bebauung von Denkmal- oder Naturschutzgebieten und die Fällung von Bäumen vorsahen. Bis zur Errichtung des Hauses „Brahn“ (Kinder Club) im 19. Jahrhundert war es ein ungeschriebenes Gesetz in Heiligendamm, dass keinem Neubau ein Baum weichen durfte. Das entsprach dem damaligen romantischen Verständnis des Einpassen der Architektur in die Landschaft.
Nun sollten an die Villen in der Seedeichstraße weitere angehängt werden, hinter den Kolonnaden sollte eine Parkpalette entstehen und selbst um den Golfteich herum und im Grünstreifen der Mollitrasse wurden Bebauungen vorgeschlagen. Das Forstamt lief Sturm gegen Pläne, die Wald kosten würden, die Denkmalschützer lehnten von vornherein alle Entwürfe ab, die einen Eingriff in den Denkmalschutz bedeuteten und das StAUN lehnte alles ab, das den Küstenschutz tangieren würde.
Am Ende blieb keiner der Entwürfe heil – wohl aber sahen alle Verantwortlichen in den Plänen der ECH (die sie ja schon seit 1997 in- und auswendig studiert und mitgestaltet hatten) entweder die bessere Wahl oder wenigstens das kleinere Übel im Gegensatz zu den neuen Entwürfen. Ein richtiges Ergebnis hatte die Expertenrunde wohl nicht – am Ende blieben die ECH-Pläne übrig, das Jahr war um und nichts geschehen (außer den sprichwörtlichen Spesen).
Da die ECH-Pläne als einzig anerkannt übrig blieben war es nur logisch, die B-Plan-Änderungen noch einmal auf den Tisch zu bringen und zu beschließen. Wieder wurden die Änderungen versagt, die ECH konnte weiterhin nicht mit der Sanierung beginnen.
Die ECH bezahlt: Bad Doberan lässt sich vom Investor ohne Gegenleistung aushalten.
Der Investor versuchte, die Stadt von seinem guten Willen zu überzeugen: Die ECH bezahlte städtische Anteile für den Bau der Erschließungsstraße um Heiligendamm herum, tauschte ohne Wertausgleich Grundstücke oder gab kleine Flurstücke für den Straßenbau unentgeltlich ab, beteiligte sich bei der Finanzierung des Parkplatz-Baus, nahm der Stadt Kosten für den Bau der Ortsdurchfahrt ab, schenkte der Stadt zuletzt einen fertig möblierten Kurwald, damit sie den begehrten Seeheilbad-Status behält und stellte weitere Kostenübernahmen, wie für die Sanierung der Promenade und später den Bau eines Rundweges und ggf. viel später einmal dem Bau einer zweiten Seebrücke in Aussicht. Sie versprach sogar die Sanierung der Villa „Perle“ binnen eines Jahres nach Genehmigung der B-Plan-Änderungen.
Gern nahm die Stadt die Angebote an und „ließ sich vom reichen Mann aus dem Westen aushalten“ (Zitat aus einer E-Mail) aber nichts konnte die Stadtvertreter überzeugen: Immer wurde der Vorwurf der Erpressung oder des Erkaufens laut (wohl gemerkt: Die Stadt nahm die „Erpressungsangebote“ gern an) und immer stimmte eine knappe Mehrheit gegen die Änderungsanträge. Natürlich profitiert in erster Linie das Grand Hotel davon, dass der komplette Verkehr zwischen Bad Doberan und Kühlungsborn nicht mehr am Hotel vorbei muss und dass die Parkplätze in Hotelnähe durch Ortsrandparkplätze entlastet werden und natürlich profitiert das Hotel auch von modernen Straßen und Bushaltestellen, funktionierender Straßenbeleuchtung, anständigen Fuß- und Radwegen, Wegverbindungen, die um das Hotel herum führen und vom Seeheilbad-Status.
Aber nicht nur die ECH profitiert von dieser Investition: Jeder, der in Heiligendamm Geld verdient, profitiert von den ECH-Investitionen, die eigentlich die Stadt hätte bezahlen müssen. Das ist auch allen Heiligendammer Gewerbetreibenden und Gastgebern bewusst – letztere werben auch mit diesen Schönheiten und mit Angeboten des Grand Hotels aber einige von ihnen mögen nicht zugeben, vom Hotel zu profitieren und stellen lieber Verluste von Gewohnheiten in den Vordergrund. So lautet die Antwort auf die Frage, warum man hier und dort unbedingt einen Weg haben möchte immer wieder „Weil es immer so war“. Für Bürgerbund-Chef Hannes Meyer geht es längst nur noch um „Faustpfand„.
Neue Stadtvertretung stimmte 2009 nach fünf Jahren Stillstand den ECH-Anträgen zu.
Erst die Kommunalwahlen 2009 brachten eine Wende: Zuerst schwelte ein Streit über zwei Kandidatenlisten der CDU, von denen nur eine eingereicht werden durfte. Der Vorstand reichte die zuerst erstellte Liste ein, sodass die Kandidaten, die auf der zweiten aber nicht auf der ersten standen, nicht zur Wahl zugelassen wurden. Unter ihnen waren CDU-Leute, die zuvor gegen die FUNDUS-Pläne die Hand hoben und die nun nicht mehr Stadtvertreter werden konnten. Auch hier liest es sich so, dass einige Betroffene Jagdfeld persönlich dafür verantwortlich machen; gleichwohl wurden Zusammenhänge nie erklärt und Beweise nie erbracht und FUNDUS-Mann Peter Sähn als einziger nachweislich für die ECH arbeitender Bewerber zog nicht für die CDU ins Rathaus ein.
Die Wahl wurde von verschiedenen Bürgern (u. a. SPD-Mann Bodo Wiegand Hoffmeister) später angefochten aber für gültig erklärt. CDU-Mitglied Andreas Unterfranz (der nicht auf der Liste stand) warf später dem Bürgerbund-Chef Hannes Meyer vor, dass dieser erst für eine Anfechtung plädiert habe aber als er dann sah, dass er selbst es geschafft hatte, nichts mehr anfechten wollte. Wenn der Sachverhalt so stimmt, dass Unterfranz zusammen mit zwei anderen CDU-Kandidaten auf der Liste stand, die nicht zur Wahl zugelassen wurde (auf der zugelassenen stand er jedenfalls nicht), dann hätte er durch eine erfolgreiche Anfechtung und Neuwahlen die Chance gehabt, doch noch Stadtvertreter zu werden. Dann würde sich sein Zorn auf Hannes Meyer so erklären. Das nur am Rande um zu verstehen, warum Bürgerbund-Chef Hannes Meyer im Juli 2012 der CDU vorwarf, dass sie seit 2009 ihren Kurs in Bezug auf Heiligendamm geändert hätte.
Da nun aber durch die Wahlen sich die Zusammensetzung der Stadtvertretung änderten (der Bürgerbund fuhr Verluste ein, andere Parteien verloren Sitze oder gewannen welche dazu; zwei NPD-Stadtvertreter zogen ins Rathaus ein), gab es zur erneuten Abstimmung über die Änderungen im B-Plan 25 noch keine festen Mehrheiten, sondern überwiegend eigenverantwortlich für sich selbst abstimmende Stadtvertreter. Die Änderungen wurden genehmigt und wie versprochen begann die ECH im Frühjahr 2010 mit der Sanierung der Villa „Perle“.
Kämpfe an allen Fronten: Die unsägliche Geschichte vom „geschundenen“ Küstenwald.
Zugleich durfte das Grand Hotel sich den Hotelpark zwischen Villa „Krone“ und dem Strandabgang „Liegnitzsteg“ einrichten. Auch hier ging ein zäher Kampf voraus: Der Hotelpark sollte ursprünglich im Großen Wohld zwischen Severin-Palais und Seedeichstraße entstehen, was für das Hotel durchaus Sinn und im Nachhinein auch jegliche Stichweg-Diskussion überflüssig gemacht hätte. Dieser Hotelpark hätte von Hotelgästen und Perlen-Bewohnern gleichermaßen genutzt werden können und Dank einer Einzäunung wären die Tagesgäste außen herum gelaufen – intelligent geforstet hätten sie es nicht einmal bemerkt.
Die Stadt braucht aber zur Anerkennung als Seebad einen Kurpark und dieser sollte nicht am Rande des Ortes liegen, sondern möglichst mittendrin. Das Waldstück um den Bahnhof herum wäre nicht geeignet gewesen (zu klein, kaum entwicklungsfähig und auch zu laut) und einen Kurpark im Kleinen Wohld zu errichten, wäre etwas fragwürdig gewesen, denn das ist zu weit vom Geschehen entfernt und auch nicht besonders gut zu erreichen.
Das Grand Hotel hingegen hatte kein Problem, den Kleinen Wohld als Hotelpark zu nutzen. Erstens ist das eine abwechslungsreiche Landschaft mit niedriger und hoher Flora im Wechsel, zweitens auf der Küstenkante mit Seeblick-Sichtachsen sehr reizvoll und drittens historisch auch so angedacht, denn Gartenbaumeister Lenné hatte dieses Areal eigens zum Park für die Cottages des Herzogs gestaltet. Für Jagdfelds Vorhaben, die „Alexandrine“ privat zu bewohnen, war ein Hotelpark in der Nachbarschaft auch besser geeignet, als ein Kurpark.
Also stimmte man dem Tausch der Flächen zu: Kurpark hinter der Perlenkette und Hotelpark neben den Cottages, die ECH erklärte sich bereit, den Kurpark auf eigene Kosten herzurichten und zu möblieren und ihn dann der Stadt quasi als Geschenk zu übergeben, damit diese den Seebadstatus weiterhin verliehen bekommt, wovon ja auch das Grand Hotel profitiert. Eine Änderung musste zunächst erreicht werden: Man kann keinen Park im Wald einrichten, sodass weder Kurpark noch Hotelpark rechtlich realisierbar waren. Also wurden in Schwerin Gesetze und Verordnungen erlassen und geändert und Heiligendamm bekam den ersten und einzigen „Kurwald“ des Landes.
Während die Umwandlung des Waldes in einen Kurwald, die aufwändige Sanierung und Möblierung auf Kosten der ECH allseits begrüßt wurde, wollten nun einzelne Stadtvertreter den zweiten Part der Abmachung nicht einhalten: Den Kurwald der Stadt schenken sollte die ECH aber ihren eigenen Hotelpark einrichten sollte sie plötzlich nicht mehr. Es entbrannte ein Streit um die Umwidmung des öffentlichen Waldes (Wald ist in MV immer öffentlich) in einen Privatwald. Das Verfahren ist nicht unüblich – jeder der ein Grundstück mit Wald kauft und den Wald einzäunen will, muss ihn vorher zugewidmet kriegen.
In Heiligendamm blockierten Stadtvertreter von Bürgerbund und FDP aber auch aus Grüne, Linke und einzelne Vertreter anderer Parteien das Verfahren, weil sie befürchteten, dass mit „Privat“ letztlich nicht das Grand Hotel, sondern FUNDUS-Chef Jagdfeld selbst (das „Alexandrinencottage“ gehört seiner Frau Anna Maria Jagdfeld) gemeint sei. Andere verfolgten das Ziel, zwar von der ECH zu nehmen (Kurwald) aber auf keinen Fall irgend etwas zu geben. Bürgerbund-Chef Hannes Meyer fasst es im März 2012 gegenüber dem Hamburger Abendblatt in einem Interview mit dem Begriff „Faustpfand“ zusammen. Die Diskussion um den Hotelpark war der vorerst traurige Höhepunkt der Unsachlichkeit in der Heiligendamm-Diskussion.
Neue Geschütze gegen Jagdfeld: ProHeiligendamm-Mitglieder gründeten „IHG“.
2009 gründeten Mitglieder der Bürgerinitiative „Pro Heiligendamm“ eine „Interessengemeinschaft Heiligendammer Gastgeber (IHG)“. Angeführt wird die IHG von den beiden Gastgebern und „Pro-Heiligendamm“-Mitgliedern Birgit Koch (Villa „Seemöwe“) und Axel Gödecke (der mit dem besseren Strandversorgungs-Konzept). Zur Initiative gehört nicht das Grand Hotel und eine Zusammenarbeit mit diesem (schließlich größten Gastgeber Heiligendamms) wurde von vornherein ausgeschlossen.
Gleich nach der Gründung distanzierten sich eine Reihe Heiligendammer Gastgeber von der IHG, darunter öffentlich (in der Zeitung) auch die Pension Hildebrandt, die ihre Interessen nicht durch die IHG vertreten sah. Der erste Akt der IHG war dann auch eine Liste von Forderungen, die andere erfüllen sollten. Während die Forderung nach einem Spielplatz noch Sinn machte, waren eine Reihe von Forderungen (Stichweg, Zäune abreißen) eher polemischer Natur. Fragen beantwortete die IHG nur gegenüber ausgewählten OZ-Redakteuren (meistens Klaus Walter) – meine Fragen nach dem Wie und Warum der Forderungen wurden vertröstet aber nie beantwortet. Nach der Umwandlung des Waldstückes verschwand die IHG wieder von der Bildfläche und die Internetdomain wurde wieder aufgegeben.
Neuer Höhepunkt der Unsachlichkeit: Medien-Hetze gegen Hotelpark-Pläne.
In der Hotelpark-Diskussion hob sich die IHG durch Interviews mit OZ-Redakteur Klaus Walter und einer großen Anzeige hervor, in der sie die „Rettung des Waldes als ein Stück Heimat“ forderte und damit suggerierte, der Wald würde vernichtet werden, wenn es zur Umwidmung käme.
Grundlage für diese Anschuldigungen ist ein Plan aus den Anfangsjahren des Heiligendamm-Projekts, in dem alle Bäume eingezeichnet und nummeriert sind, die irgendwie von diesem Projekt betroffen sind. ECH-Chefplaner Hans Schlag ließ bei einer Vielzahl von Bäumen die Gesundheit und Standfestigkeit überprüfen und ließ über Jahre hinweg die Reaktion der Bäume auf das für den Bau des Wirtschaftsgebäudes abgesenkte Grundwasser überprüfen.
Auf dem Plan nun waren nur die Bäume eingezeichnet, die auch tatsächlich beobachtet wurden – alle anderen Bäume waren nicht eingezeichnet. Dieser Plan passierte schon Jahre vorher einmal die Stadtvertretung und Bürgerbund-Mitglieder zeigten auf die „baumlosen“ Flächen und regten sich auf, dass hier „Kahlschlag“ betrieben werden solle, damit „Jagdfeld einen Rasen vor dem Haus“ bekäme (den er auch ohne Kahlschlag hätte).
Architekt und Heiligendamm-Kenner Frank Mohr konterte mit der Feststellung, dass dies „bösartige Unterstellungen“ seien und klärte die Stadtvertreter über den obigen Sachverhalt auf.
Nun in der Diskussion holten die FUNDUS-Gegner diese Unterstellung wieder hervor und schürten die Angst der Bürger vor dem Kahlschlag. Die Ostsee-Zeitung interviewte einen in Heiligendamm kurenden Ex-Förster aus Sachsen, der an Markierungen zu erkennen glaubte, dass hier tatsächlich Bäume gefällt werden sollten. Auch Ex-Förster Helmut Mattke aus Heiligendamm wurde interviewt und durfte die gute alte (DDR-) Zeit loben und seinen Unmut über den „Ort ohne Leben“ (in dem er selbst lebt!) öffentlich machen und seine neuen Bücher bewerben.
Nur harte Fakten konnten diese Diskussion um den „geschundenen Wald“ (O-Ton Ostsee-Zeitung) beenden: Das Forstamt nahm öffentlich Stellung, die mit dem Bau des Hotelparks beauftragte Landschaftsbaufirma ebenso und schließlich auch die ECH selbst, auf diese Schreiben verweisend. Den Aufklärungen des Forstamtes und der Landschaftsingenieure war zu entnehmen, wie sehr sich die längst berenteten Forst-Experten irrten und was wirklich geplant war. Klar war auch, dass das Forstamt die Umwidmung wollte, die ECH strenge Auflagen im Umgang mit dem Wald und Schaffung von Ausgleich (Waldaufforstung und Geldzahlungen) hat und Schwerin nur auf grünes Licht der Stadtvertreter wartete.
Erst nach der Wahl 2009 stimmte die neue Stadtvertretung zu. Das Teilstück des Waldes war bis dahin (seit den 90er Jahren) schon vom Forstamt durch einen Holzbalkenzaun eingezäunt worden, um den Wald zu schonen.
Bis 2000 führten hier einige in Karten eingezeichnete und viele wilde Fuß. und Radpfade hindurch, die dem Wurzelwerk der Bäume zu schaffen machten und indirekt auch die Erosion der Steilküste förderten, weil kranke Bäume umfielen oder gefällt werden mussten. Das Forstamt hatte auch Aufforstungen von Niedriggehölzen versucht, insbesondere um eine Vielzahl von Wegen zu renaturieren und nur einige gezielte Wege zu belassen.
Die ECH tat nichts anderes, als die Holzzäune (die aber überwindbar waren) durch nicht so überwindbare Metallzäune zu ersetzen. Es wurden Tore installiert, damit Hotelgäste den Park zur Straße hin verlassen und wieder betreten können. Nichtsdestotrotz ist der kleine Waldabschnitt nicht für die Öffentlichkeit verloren:
Wer am Haupteingang durch das meist offene oder durch Klingeln zu öffnende Tor geht, gelangt problemlos auch in den Hotelpark und kann sich ein Bild davon machen, dass sich hier die Wege behutsam um den bestehenden Baumbestand herum schlängeln, alte und neue Sichtachsen für tolle Aus- und Einblicke sorgen und dieses Waldstück kaum wahrnehmbar vom Rest des Waldes abgeschirmt ist, ohne sich dabei eingesperrt zu fühlen.
Wichtig war den Planern eine intime Atmosphäre, die es auf den weiträumigen Rasenflächen des an öffentliche Wege grenzenden Hotelgeländes ja nicht gibt. Denn auch die Zäune um das Grand Hotel haben nur die Höhe, die erlaubt ist – ein „Einmauern“ des Grand Hotels, um sich den Blicken zu entziehen, ist nicht zulässig. Der Hotelpark ist für im Grand Hotel gastierende Liebende oder Geschäftsleute und auch für Ruhesuchende und Jogger genau das, was für alle anderen der Kurwald ist. Bei der Ausstattung hat die ECH bewusst keine Unterschiede gemacht, lediglich hat sie mit Rücksicht darauf, dass der Bauhof den Kurwald nach Ablauf einer Frist selbst pflegen muss, einige pflegeintensive oder laufende Kosten verursachende Dinge im Kurwald nicht, im Hotelpark hingegen schon realisiert. Die Stadt hat offenbar sogar bei dieser Frist geschlafen und vergessen, nach Fristablauf die Pflege des Kurwaldes zu übernehmen – dementsprechend verwildert sieht es dort jetzt (Juli 2012) aus.
Küstenwald-Kämpfer sind auf einem Auge blind.
Leider kämpften die „Befürworter des Küstenwaldes“ nur für ein kleines Stück des Kleinen Wohldes und stellten ihr Engagement in dem Moment ein, als der Hotelpark rechtskräftig wurde. In der Folgezeit entwickelte sich hinter den Zäunen ein sehr ansprechender Park mit den genannten Wegen und Sichtachsen, der eine ausgewogene Pflege erfährt und doch natürlich bleibt. Tritt man aus diesem Stück Wald heraus in den es umgebenen viel größeren Wald, verlässt man eine heile Welt.
Der Rest des Kleinen Wohldes ist noch immer von wild getrampelten Wegen und von schwerem Gerät zerfurchten Zufahrten durchzogen, hat kaum noch niedrige Flora und dient großflächig als (natürlich kostenpflichtiger) Waldboden-Parkplatz. Der einst bekannte und selbst auf Postkartenmotiven abgebildete „Spiegelsee“, dem der Dichter Rainer Maria Rilke ein Gedicht widmete, ist versandet, verwuchert und kann kaum noch umrundet werden.
Es gibt Pläne des Forstamtes, die Wege im Wald zu sanieren und neue Rundwege um das Grand Hotel herum zu schaffen, die den Spiegelsee und die evangelische Kirche wieder in die Sightseeing-Touren der Waldwanderer einbeziehen. Als besondere Attraktion ist ein hölzerner Aussichtsturm am Kinderstrand geplant.
Auch die ECH hat sich an einem Rundweg beteiligt, den sie als Alternative zu einem Stichweg akzeptiert hat und dessen Kosten sie trägt. Ein neuer Investor tut gut daran, die Steigerung der Attraktivität des Kleinen Wohldes zusammen mit dem Forstamt aber vielleicht auch zusammen mit der davon ebenfalls profitierenden Median-Klinik voran zu treiben.
Stichwege, Rundwege, gesperrte Wege, öffentliche Wege:
Heiligendamm und die Wegediskussion.
Stichwort: Rundwege. Diese haben in Heiligendamm eine besondere Bedeutung, denn in einem kleinen Ort sind die Wege zu kurz, um einfach nur von A nach B zu führen. Schon früh haben die Architekten Heiligendamms den Rundweg als Verlängerung der kurzen Wege für sich gefunden und in Heiligendamm solche Wege realisiert.
So konnte man stets Heiligendamm einmal umrunden: Von Osten kommend ging es auf die Promenade, durch den Wald oder am Strand entlang und am Liegnitzsteg oder wahlweise erst am Kinderstrand oder gar erst in Wittenbeck oder Fulgen (Kühlungsborn) kam man wieder auf den Waldweg und hinter dem Ensemble wieder heraus. Mit dem Baubeginn an der Hitler-Eliteschule wurde dieser Weg ein Stück nach Süden verlegt, mit der Aufgabe des Bauvorhabens aber wieder zurück an die alte Stelle.
Von Zeit zu Zeit konnte man auch einzelne Häuser und Häusergruppen umrunden aber das wurde schon nach dem Verkauf des Bades im 19. Jahrhundert eingeschränkt; zu DDR-Zeiten war es dann teilweise wieder möglich und nun ist das Grand Hotel großräumig zu umrunden, kann betreten aber von Tagesgästen nicht problemlos durchquert werden. Darum forderten insbesondere die Bürgerinitiative „Pro Heiligendamm“, später auch „Bürgerbund“ und „IHG“, die FDP-Fraktion und einzelne Stadtvertreter aus Linke, Grüne, SPD und CDU einen so genannten „Stichweg“.
Nach ersten Vorstellungen sollte dieser zwischen dem Kurhaus und dem Grand Hotel verlaufen, würde aber direkt an der Terrasse vorbei führen, weshalb man sich auf einen Weg entlang der Professor-Vogel-Straße zwischen Grand Hotel und Severin-Palais, sowie Grand Hotel und Villa „Perle“ verständigte. Beide Varianten zerschnitten das Hotelgelände an empfindlichen Stellen, behinderten die Hotellogistik, das Ein- und Auschecken und im letzten Fall mussten Hotelgäste zum und vom Schwimmen und Saunen mit dem Bademantel durch die Touristenströme.
Darum genehmigte die Stadt 2004 die Schließung der Professor-Vogel-Straße zwischen Grand Hotel und Severin-Palais und vererbpachtete in der Folgezeit auch die zuvor entwidmete (also der Öffentlichkeit entzogene und privatisierte) Professor-Vogel-Straße bis hin zur Seedeichstraße. Auch eine Verlegung der Straße nach Süden, um den Neubau des Thalasso-Zentrums zu umgehen, wurde genehmigt. Hier und auch beim Ausbau der Seedeichstraße durch das Land interessierten übrigens niemanden die gefällten Bäume.
Die letzte Stichweg-Variante sollte schließlich den alten Weg vom Bahnhof durch den Kurwald nehmen, dort jedoch nicht auf der Professor-Vogel-Straße verlaufen, sondern vor den geplanten Neubauten „Ensemble-Palais“ und „Ensemble-Villa“ nach Westen abbiegen und über die jetzige Liegewiese des Severin-SPA verlaufen, die Professor-Vogel-Straße überqueren (und damit wiederum die Hotellogistik behindern) und dann zwischen der Nelson-Bar im Grand Hotel und Terrasse der Villa „Perle“ auf dem Seebrückenvorplatz münden.
Stichweg-Kompromiss könnte Schuld an sieben Jahren des Stillstandes sein.
Das Grand Hotel sah seine Existenz gefährdet und die ECH gab ein Gutachten bei der Universität Rostock in Auftrag, um die Lage zu analysieren. Prof. Behnkenstein sah keine Möglichkeit, einen Stichweg zu etablieren – dieser würde das Hotel mit großer Sicherheit ruinieren. Die Stadt verzichtete nach langen Diskussionen 2004 auf den Stichweg für die nächsten sieben Jahre, stellte aber drei Bedingungen: Das Grand Hotel sollte in 7 Jahren nachweisen, dass es ohne Stichweg besser läuft, es sollte eine Vereinbarung mit der Median-Klinik vorlegen, in der das Passieren des Hotelgeländes durch Patienten geregelt wird und die ECH soll 20% des Investitionsvolumens in die Perlenkette investiert haben.
Nun erinnern Sie sich sicherlich, dass zwar 2004 schon Baurecht für die Perlenkette bestand aber praktisch noch die Tiefgarage und das Dauerwohnrecht benötigt wurden, welches beides erst Ende 2009 genehmigt wurden. FUNDUS-Pressesprecher Christian Plöger formuliert es sinngemäß so, dass dieselben Leute, die den Zustand der Perlenkette kritisieren, in der Stadtvertretung (SVV) gegen die zur Sanierung nötigen B-Plan-Änderungen stimmten und damit die Sanierung blockierten.
Es existiert auch eine Version, nach der die Gegner Jagdfelds alles dafür tun, dass das Hotel keine Gewinne erzielt und die ECH die Perlenkette nicht sanieren kann, damit die Auflagen nicht erfüllt werden können und damit der Stichweg wieder auf den Tisch kommt. Tatsächlich brachten Bürgerbund und FDP das Thema schon kurz vor dem Ablauf der Frist auf den Tisch und damit an die Öffentlichkeit, die von dieser Vereinbarung bis dato gar nichts wusste und untermauerten damit diese These.
Fakt ist, dass nicht ganz ein halbes Jahr nach der Genehmigung der B-Plan-Änderungen die Bagger anrollten und mit den Wiederaufbau der Villa „Perle“ begonnen. In den verbleibenden eineinhalb Jahren bis zum Fristablauf konnte die ECH nicht 20% der Investitionssumme investieren. Wohl aber konnte das Grand Hotel verbesserte Bilanzen vorlegen und der Chef der Median-Klinik erklärte, dass es ein begrenztes Kontingent an Tor-Karten für das Grand Hotel in der Median-Klinik gibt, das aber nur für Extremfälle gedacht ist – ansonsten sollen die Patienten sich an der frischen Luft bewegen und den etwas längeren Weg zum Strand nehmen. Nach der Insolvenz des Grand Hotels las sich das plötzlich anders: Nun machte die Klinik klar, dass sie mit einem neuen Eigentümer neu in Verhandlungen treten und einen dauerhaften direkten Weg zum Strand erzielen will. Der vermeintliche Sinneswandel ist logisch: Wenn die Möglichkeit besteht, etwas besseres als den erzielten Kompromiss zu bekommen, dann muss es versucht werden.
Die Bedingungen zu überprüfen erwies sich als schwierig. Hätte die Stadt einfach gesagt, die Bedingungen seien nicht erfüllt, hätte das Grand Hotel klagen müssen und die Stadt vor Gericht die Frage beantworten müssen, wie die 20% Investitionssumme investiert worden sein sollen, wenn die Investition doch so lange heraus gezögert wurde. Der parteilose Stadtvertreter Jochen Arenz schlug vor, einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen erfüllt seien.
Das geschah nicht (möglicherweise hätte die Stadt einen Rechtsanwalt bezahlen und dann auf den Stichweg endgültig verzichten müssen) und so verlief die Sache im Sande, ohne dass die Stadt klar sagte, ob die Voraussetzungen erfüllt seien und ob denn nun ein Stichweg käme oder nicht. Die ECH und das Grand Hotel wurden im Ungewissen gelassen. Für FDP-Chef Harry Klink stand nur eines fest: Wenn ein Stichweg möglich sei, solle die Stadt ihn einfordern. Bezahlen könne ihn ja die ECH. Ähnlich äußerten sich auch Bürgerbund-Stadtvertreter Hannes Meyer und Bürgerbund-Stadtvertretervorsteher Guido Lex.
Der damalige Bürgermeister Hartmut Polzin (SPD) sah die Entscheidung über den Stichweg allein bei den Stadtvertretern. Diese verfolgten zunächst 2011 das Ziel nicht weiter, weil sich noch andere Probleme auftaten. So wurde die Vereinbarung mit dem Grand Hotel geschlossen, der Stichweg aber würde zum Teil über ECH-Grundstücke verlaufen oder müsste noch weiter auf die Liegewiese des Severin-Palais verlegt werden. In dieser Situation war es zu unsicher, einen Stichweg zu fordern. Die ECH unterdessen ging davon aus, dass mit dem von Harry Klink und Sylvia Stracke (beide FDP) erzielten Rundweg-Kompromiss keinen Bedarf mehr für einen Stichweg bestünde, quasi also wenn Klink den von ihm geforderten Rundweg bekommt, er nicht noch einen Stichweg fordern würde.
Der Streit um das Vorkaufsrecht:
Die ECH konnte dem Grand Hotel nicht mehr helfen.
Anfang 2011 verkaufte die ECH für vorgesehen die Villen der Perlenkette einzeln an das Schwesterunternehmen „ECH II“ und private Investoren, damit die Perlenkette abgetrennt von den anderen Projekten der ECH saniert werden konnte. Diese Abtrennung hat den Hintergrund, dass im Falle eines Scheiterns der Vermarktung der Perlenkette nicht gleich die ganze ECH und damit das ganze Heiligendamm-Projekt in Gefahr gerät. Auch würde die Insolvenz eines Sanierers nicht die ganze Perlenketten-Sanierung gefährden.
Üblicherweise hätte die Stadt mangels finanzieller Möglichkeiten auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet und im Juni 2011 ein Negativattest auszustellen gehabt. Das wäre Sache des Bürgermeisters gewesen aber Bürgermeister Hartmut Polzin (SPD) brachte diese Angelegenheit in die Stadtvertreterversammlung ein, wofür er zunächst von Harry Klink (FDP) und Guido Lex (Bürgerbund) gescholten wurde – sie sahen die SVV nicht als zuständig. Polzin mag diese Entscheidung unüblicher weise den Stadtvertretern überlassen haben, um nicht wieder als Buhmann und Jagdfeld-Unterstützer da zu stehen und die bevorstehende Bürgermeisterwahl zu verlieren. Er hätte das Attest einfach ausstellen können und die Stadtvertreter dafür nicht gebraucht; gleichwohl haben aber gerade Klink und Lex ihm immer wieder in Sachen, die er allein entscheiden durfte und darum nicht die Stadtvertreter fragte Alleingänge und Verstöße vorgeworfen (auch mit Klagen gedroht, diese aber nie realisiert). Nun wollte er nicht allein entscheiden und wurde von denselben Leuten wieder dafür kritisiert, weil er ihnen „ihre Freizeit nehmen“ würde.
Dennoch ließen die Stadtvertreter die Beschlussvorlage in der SVV, statt sie einfach an den Bürgermeister zurück zu geben. Allen voran am meisten zitiert Stadtvertreter-Vorsteher Guido Lex und sein Kollege Hannes Meyer (beide Bürgerbund), sowie Harry Klink (FDP) machten aus der Sache ein Politikum, indem sie immer neue Bedingungen stellten und Beschlussvorlagen einzubringen oder zu ergänzen versuchten. Obwohl die Frist für das Vorkaufsrecht längst erloschen war, pochten diese und einige andere Stadtvertreter auf die Offenlegung der Kaufpreise, die sie für ihre Entscheidung als wichtig sahen. Wohl gemerkt: Sie sollten nur beschließen, dass ein Negativattest über den längst erfolgten Vorkaufsverzicht auszustellen ist. Es ging nicht mehr darum, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen und es macht auch keinen Sinn, das der ECH von Rechts und Amts wegen zustehende Negativattest zu verweigern und sich damit eine Klage beim Verwaltungsgericht einzuhandeln.
Die genannten Stadtvertreter suggerierten den Bürgern zusammen mit der Ostsee-Zeitung aber, dass es immer noch um Vorkaufsmöglichkeiten in Heiligendamm ginge. Sie führten aus, dass es für die Stadt Möglichkeiten gäbe, die Perlenkette zurück zu erwerben und ggf. an Dritte zu übertragen. Gastronom und FPD-Mitglied Tom Wosar wurde in der Ostsee-Zeitung zitiert, dass es Interessenten gäbe, die er namentlich aber nicht nennen wollte. Damit stärkte er das Gerücht, ein Konkurrent Jagdfelds würde seit Jahren Leute in Schlüsselpositionen dabei unterstützen, Jagdfelds Pläne für Heiligendamm zu vereiteln und möglicherweise sogar nach dem Rückzug der FUNDUS-Gruppe das „gemachte Nest“ günstig zu übernehmen. Wie gesagt: Ein Gerücht – man wird sich nun aber den neuen Investor umso genauer ansehen.
Sinnlose Stadtvertreter-Sitzungen auf Kosten der Steuerzahler.
In der Folgezeit gab es mehrere Beschlussvorlagen und Stadtvertretersitzungen zum Vorkaufsrecht in Heiligendamm, die allesamt dazu taugten, sich als Politiker zu profilieren und Sitzungsgelder zu kassieren aber keinerlei Nutzen und Sinn hatten. Denn das Vorkaufsrecht bestand nicht mehr; es war ein Negativattest auszustellen und über dieses gab es nichts zu diskutieren, sondern nur zu beschließen, wie es etwa 100 Mal im Jahr jeweils binnen fünf Minuten getan wird aber nun ausgerechnet bei der ECH verweigert wurde. Die ECH hatte die Villen Anfang 2011 verkauft aber die Verkäufe werden nur mit der Ausstellung des Negativattestes rechtskräftig. Erst dann fließt Geld und erst dann können Bauanträge gestellt werden. Böse Zungen unterstellten, die ECH würde die Perlen für „einen Appel und ein Ei“ an Mitglieder und Freunde der Jagdfeld-Gruppe verscherbeln und die besagten Stadtvertreter forderten diesem juristisch gar nicht möglichen Unsinn (das wäre Steuerhinterziehung in aller Öffentlichkeit) folgend die vehement Nennung der Kaufpreise – zuerst an den Bürgermeister, der sie aber nicht nennen wollte und dann an Jagdfeld selbst, der sie nicht nennen musste und es daher auch nicht wollte (was seine Gegner als Bestätigung der „Appel-und-Ei-These“ ansahen).
Monatelanges Politikum im Rathaus hat das Grand Hotel endgültig ruiniert.
Die ECH hatte rund 40 Millionen Euro durch die Verkäufe zu bekommen, die nun aber durch das Fehlen des Negativattestes festhingen. Der völlig verregnete Sommer 2011 machte dem Grand Hotel zwischenzeitlich sehr zu schaffen, dringend nötige Investitionen durch ECH und Grand Hotel zur Erweiterung der Angebote und damit zur Erhöhung der Auslastung bei touristisch nicht attraktiven Wetter konnten nicht vorgenommen werden und schließlich konnten auch Forderungen nicht mehr beglichen und Kredite nicht mehr bedient werden. Nach dem dritten Anlauf zur Ausstellung des Negativattestes im Februar und dem zweiten Gleichstand bei der Abstimmung sah Grand Hotel – Geschäftsführer Anno August Jagdfeld keinen anderen Ausweg, als die Anmeldung der Insolvenz.
Der bestellte Insolvenzverwalter Jörg Zumbaum bescheinigte zunächst, dass es sich um ein ordentlich geführtes Hotel handelt, das in seinem Segment etabliert ist und auch weiterhin als 5-Sterne-Plus-Hotel funktionieren soll und muss. Was gern übersehen wird: Das Grand Hotel wurde durch die von etwa 2000 Anlegern eingezahlten Millionen aus dem FUNDUS Fonds Nr. 34 aufgebaut und betrieben. In guten Zeiten sollte das Hotel Gewinne erwirtschaften und Überschüsse erzielen, die in Form von Renditen an die Fondsanleger ausgeschüttet werden sollten. In schlechten Zeiten jedoch würde das Hotel in einem festgelegten Maße von den Fondseinlagen zehren müssen und die Anleger würden keine Ausschüttungen bekommen, üblicherweise aber auch nicht zur Kasse gebeten werden.
Das Grand Hotel stand schon zuvor kurz vor der Zahlungsunfähigkeit aber es gab immer Möglichkeiten zur Rettung, z. B. durch eine Landesbürgschaft im Jahre 2009 oder durch einen Kapitalschnitt im Jahre 2011. Durch den Kapitalschnitt verzichteten die Anleger auf 90% ihrer eingezahlten Einlagen – 10% wäre demnach besser als der Totalverlust. Mit der Insolvenz sind für die Anleger auch diese 10% weg – sie gehen wahrscheinlich leer aus, eventuell drohen einigen von ihnen sogar Nachzahlungen für erhaltene Vergünstigen.
Nach dem Kapitalschnitt sollten die Anleger noch Geld einzahlen – zuerst also auf 90% ihrer Einlagen verzichten und dann noch Geld in den Fonds einzahlen. Es ist nur menschlich, dass die überwiegende Mehrheit der Fonds-Investoren sich verweigerten. Dadurch jedoch gaben sie ihrem eigenen Investitionsobjekt den Todesstoß, denn die zur Steigerung der Gästezahlen (besonders in der Nebensaison) benötigten Angebote waren ohne dieses Geld nicht zu finanzieren. Etwa 40 Millionen Euro hätte diese Ausbaustufe gekostet, Jagdfeld konnte nicht einmal ein Drittel davon einwerben. Die ECH hätte genau diese Summe zur Verfügung gehabt, wenn ihr das Negativattest ausgestellt worden wäre und hätte möglicherweise aushelfen können. Durch die Verzögerungen aber war ihr das nicht mehr möglich, von den Investoren war nichts mehr zu erwarten, von den Banken auch nicht mehr, eine erneute Bürgschaft erschien ebenso aussichtslos und so blieb Jagdfeld nur der Gang zum Insolvenzgericht.
Damit war das Grand Hotel nach nur 10 Jahren endgültig gescheitert und der Fonds 34 geplatzt. Millionen an Steuergeldern, eine Landesbürgschaft und das Geld von fast 2000 Anlegern waren pfutsch. Die einen hatten es schon immer gewusst und die anderen sahen die Schuld bei den ersten. Natürlich war in 10 Jahren den meisten klar geworden, dass einige Stadtvertreter sich an Heiligendamm profilierten und deshalb immer wieder Öl ins Feuer gossen – für die Stadtvertreter, auf die man durch bloßes „Zurückspulen der Ereignisse“ unweigerlich kommen musste, war die Pleite des Hotels ein Problem: Sie hatten sich zusammen mit der Ostsee-Zeitung in einem Täuschungsgeflecht verheddert, konnten nicht mehr die Wahrheit (nämlich, dass es nie ums Vorkaufsrecht, sondern um ein Attest ging) sagen, ohne als Täuscher und Lügner entlarvt zu werden. Auch die Ostsee-Zeitung nahm die Tatsachen erklärende Leserbriefe nicht an und schrieb nie wieder etwas zum wahren Hintergrund zum Vorkaufsrecht (das habe erst ich im Stadtanzeiger am Samstag getan und erntete dafür Anfeindungen von CDU-Kreistagsmitglied – und Ex-Stadtvertreter – Andreas Unterfranz).
Die betroffenen Stadtvertreter konnten nicht mehr zurück: Ohne erkennbaren Grund plötzlich die Meinung zu ändern, kam für keinen in Frage. Auch der scheidende Bürgermeister Hartmut Polzin konnte nicht mehr zurück: Er hatte nach der verlorenen Wahl zwar versucht, die Stadtvertreter zu überzeugen, dass es kein Vorkaufsrecht mehr gibt und die Stadt sich den Kauf eh nicht hätte leisten können aber es hörten ihm und Bauamtsleiter Norbert Sass keiner zu – stattdessen wurde er wieder der Täuschung beschuldigt. Das beste für ihn war, drei Monate still zu halten und es vorüber gehen zu lassen. Damit hatte der Amtsnachfolger den Scherbenhaufen und dass man an Scherbenhäufen wachsen kann, zeigt die Kammerhof-Pleite, deren Folge (Rücktritt von Berno Grzech) Polzin erst in sein Amt hievte.
Neuer Bürgermeister löffelte die Suppe aus und löste das Problem seines Vorgängers.
Erst der neue Bürgermeister Thorsten Semrau (parteilos) erreichte, dass die Stadtvertreter ohne Gesichtsverlust aus der Sackgasse wieder heraus kamen: Er verhandelte mit der ECH über die Nennung der Kaufpreise im nichtöffentlichen Teil der Stadtvertretersitzung und nur an die Stadtvertreter. Diese stimmten nun dem Negativattest zu, einige von ihnen meinend, ja nun die Kaufpreise zu kennen (was natürlich nichts daran ändert, dass die Kaufpreise für die Ausstellung des Negativattestes völlig irrelevant sind). Das Täuschungsmanöver wurde von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – diese hatte überwiegend den Anschein, die ECH wolle mit der Perlenkette spekulieren und die Stadtvertreter würden das zu verhindern versuchen. Erst nach einigem Abstand erkannten die Bürger die Lügen aber inzwischen war es den meisten egal, da es für sie eh nicht beeinflussbar war und weil es sowieso nur zwei Meinungen gibt: 1.) „Endlich geht es weiter mit der Sanierung“ und 2.) „Es geht ja trotzdem nicht weiter mit der Sanierung“. Hier helfen nur handfeste Tatsachen und die kann nur die ECH liefern, indem sie die Perlenkette saniert, was ja nun in der heißen Vorbereitungsphase ist.
Abhörskandal in nichtöffentlicher Sitzung als abschließender Höhepunkt.
Überschattet wurde diese Stadtvertretersitzung durch einen Skandal: Die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten, schnell herunter gelesenen Kaufpreise inklusive Nachkommastellen standen einen Tag später in der Ostsee-Zeitung. Einer Pressemitteilung des Rathauses war später zu entnehmen, dass kein Stadtvertreter diese Informationen nach außen getragen hat (Damals anwesende Stadtvertreter sagen, dass es gar nicht möglich gewesen ist, die Preise so schnell auch nur mitzuschreiben), sondern ein Mitschnitt erfolgte. Inzwischen ist es in Bad Doberan ein offenes Geheimnis, dass ein bekanntermaßen Jagdfeld-kritischer Redakteur der Ostsee-Zeitung „seine Tasche vergessen“ hat.
Nachdem nun das Negativattest ausgestellt wurde und Geld fließen konnte, laufen die Planungen für die Sanierung der Villen „Greif“ (durch die ECH II) und „Möwe“ (Abriss und Neubau durch einen Privatinvestor) auf Hochtouren. Aber auch hier vergeht ein gutes Jahr Zeit, bis alle Anträge genehmigt, die Aufträge ausgeschrieben und vergeben wurden. Vor 2013 wird für die beiden Villen noch kein Bagger anrollen. Villa „Perle – Großfürstin Marie“ jedoch soll noch 2012 wieder in cremeweiß erstrahlen und voraussichtlich 2013 bezogen werden können.
Kritik am neuen Bürgermeister mobilisiert Jagdfeld-Gegner neu.
Kurz vor der Sommerpause 2012 und damit ein Jahr vor den Kommunalwahlen ist eine neue Diskussion entfacht worden. Die Ostsee-Zeitung resümiert die ersten 100 Tage des neuen Bürgermeisters Thorsten Semrau und lässt dabei Kritiker aus dem Umfeld des Bürgermeisters, sowie von den Fraktionschefinnen der SPD und CDU zu Wort kommen. Außer den bekannten Befürwortern des Bürgermeisters melden sich nun zeitgleich viele Kritiker des Heiligendamm-Projekts und damit auch Gegner des Ex-Bürgermeisters Polzin zu Wort. Angefangen bei Harry Klink und Heike Ohde lobt auch Hannes Meyer den Bürgermeister und ermuntert ihn zu Offenheit, Teamarbeit und neuen Wegen. Hier dürfte es sich um den Versuch handeln, den Bürgermeister auf seine Seite zu ziehen und für die eigenen Interessen zu gebrauchen. Zeitgleich kündigt Harry Klink an, die B-Pläne für Heiligendamm überprüfen und an die noch gar nicht bekannten Bedürfnisse des noch gar nicht gefundenen neuen Investors anpassen zu wollen, auch um ihm Raum für Wachstum zu geben. Raum für Wachstum gibt es in Heiligendamm in unmittelbarer Hotel-Umgebung nur auf Privat- und ECH-Grundstücken, sodass irgend jemand verdrängt werden muss, wenn das Hotel dort hin wachsen soll. Die aktuelle Entwicklung ist besorgniserregend – offensichtlich soll Jagdfeld mit seiner Gruppe nach der „erfolgreichen“ Hotel-Insolvenz nun ganz aus Heiligendamm vertrieben werden.
Trotz akribischer Originaltreue bei der Sanierung Kritik vom Bürgerbund.
Die „Perle“ zeigt, mit welcher Akribie die ECH arbeitet: Da zu DDR-Zeiten (gleich nach dem 2. Weltkrieg) der Turm an der Seebrückenseite entfernt wurde und die wenigen Zeitzeugen sich natürlich nicht an solche Details erinnern, hat die ECH sämtliche alte Bilder aufgekauft um zu erfahren, wie genau der Turm beschaffen war. Anhand dieser Bilder konnten die damalige Größe der Fenster und Türen vermessen und Rückschlüsse auf die verwendeten Materialien und benutzten Verzierungen gezogen werden. Die ECH hat alles was sie anhand der Bilder rekonstruieren konnte auch in die Wirklichkeit umgesetzt, lediglich ist eine von außen nicht sichtbare Dachterrasse hinzu gekommen und es wurden einige Dachfenster zusätzlich eingesetzt. Die Grundrisse sind natürlich den Bedürfnissen der heutigen Zeit und der Käufer angepasst (sie wurden ja schon zu DDR-Zeiten massiv an die damaligen Bedürfnisse angepasst), die tragenden Wände jedoch sind weitestgehend originalgetreu; hinzu gekommen ist ein Kellergeschoss für die Wirtschafts- und Versorgungsräume und die Anbindung an die zukünftige Tiefgarage.
Obwohl selbst historische Bausünden – wie z. B. eine Differenz von 70 cm in der Höhe der Fußböden in einer der Wohnungen – übernommen wurden, findet Architekt und Bürgerbund-Stadtvertreter Hannes Meyer kein gutes Haar an der „billigen Kopie“. Die Perle ist für ihn ein „überdimensionierter Klotz“, der nicht mehr dem Original entspricht. Das Original kann der Architekt nur von Bildern kennen – als er geboren wurde, war die „Perle“ bereits das erste Mal umgebaut worden. Meyer ist einer der vielen Architekten, die sich in Bürgerbund und Bürgerinitiativen gegen Jagdfeld und die ECH verbündet haben. Ein Gerücht besagt, das sie Rache an abgesagten Bewerbungen üben – die ECH hat ihre teils festen und teils in anderen Projekten bewährten Experten weitestgehend mitgebracht, arbeitet aber auch mit Leuten zusammen, die Heiligendamm hervorragend kennen und verstehen, wie dem Architekten Frank Mohr (hat eine große Heiligendamm-Sammlung geerbt und mehrere Bücher, Publikationen und Ausstellungen zu Heiligendamm realisiert.) und dem Kunstschul-Professor Prof. Joachim Skerl (seit den 70er in Heiligendamm aktiv und Kenner des Ortes und seiner Geschichte und Kunstwerke).
Tatsache ist, dass die Länge und Breite der Perle identisch mit dem Vorgängerbau ist, lediglich die Höhe nach unten (Kellergeschoss) und nach oben (70 cm, um die Geschosshöhen-Normen einzuhalten) hat sich nicht wahrnehmbar verändert.
Das Geamtkunstwerk Heiligendamm wurde zu DDR-Zeiten fast zerstört.
Zu DDR-Zeiten wurde dem durch Reparationen an die Sowjetunion bereits entleerten und des Zierrates beraubten und in bröckelnden Tarnfarben angestrichenen Gebäude der Turmaufsatz abgerissen, die Rundungen entfernt; der Putz komplett erneuert und dabei die gesamte Stuckatur entfernt; die historischen Fenster und Türen wurden entfernt und durch DDR-Massenartikel (bronzefarbene Aluminiumfenster und ohne Sprossen) ersetzt, wofür die Öffnungen verkleinert und Rundbögen zugemauert wurden; der obere Balkon wurde abgetragen, die restlichen gusseisernen oder hölzernen Brüstungen, Palisaden, Balustraden und sonstigen Schmuckelemente angetragen, das Dach mit Teerpappe neu gedeckt, Wände wurden entfernt, durchbrochen oder versetzt; Türen zugemauert; neue Wände ohne Rücksicht auf Türen oder Fenster eingezogen und Grundrisse wurden neu geschnitten. Am Ende war die „Perle“ ihres historischen Gesichtes beraubt, durch die sprossenlosen Fenster „blind“ und durch die abgerissenen Schmuckelemente ausdruckslos. Der einzige Charme des Hauses ging davon aus dass man wusste, dass es fast 200 Jahre alt war und hier eine Herzogstochter mit dem Sohn des russischen Zaren wohnte. Ansonsten hatte das Haus denselben Charakter, wie jede der damals schon grau angelaufenen Villen in der Goethestraße und Dammchaussee.
Der Neubau der Villa „Perle – GF Marie“ nach historischem Vorbild und größtmöglicher Originaltreue ist für Hannes Meyer die schlechtere Wahl, als der bloße Umbau eines von Hausschwamm, Schimmel und Stockflecken zerfressenen Gebäudes, von dem nur noch die Außenwände und das Dachgebälk weitestgehend (noch nicht einmal durchgängig) original waren. Für die entscheidenden Denkmalschützer war das was zu retten war zu wenig, um den Aufwand zu rechtfertigen. Gleichwohl steht es ihnen frei, nach Absprache den Bauschutt nach brauchbaren Relikten zu durchwühlen oder komplette Dächer mitzunehmen und woanders aufzusetzen. Sinn macht das alles nicht.
Beim Grand Hotel, dem Kurhaus, der Burg, Orangerie und dem Haus „Mecklenburg“, den Villen „Krone“ und „Marie“ hat die ECH die Gebäude ganz oder teilweise entkernt und von innen neu hochgezogen. Bei den Villen „Greif“, „Seestern“, „Hirsch“, „Anker“ und den Kolonnaden will sie dasselbe tun, lediglich die in sich teilweise zusammengestürzte Villa „Schwan“ und die ebenfalls von innen nicht mehr zu rettende Villa „Möwe“ sollen abgerissen und neu gebaut werden. Für die Villa „Alexandrine“ liegen Pläne vor, die eine leichte Vergrößerung der Villa – hauptsächlich durch Veränderung der Traufhöhen zu Gunsten eines der Norm entsprechenden Dachgeschosses – vor.
Erhaltung der unsanierten Gebäude kostet tausende aber der Aufwand lohnt sich.
Für die ECH ist es das größte Kapital, die Gebäude nicht einfach nach Madame-Tussaud-Manier möglichst original neu zu bauen, sondern historische Gebäude mit lebendiger Geschichte vermarkten zu können. In drei Fällen (Perle, Möwe und Schwan) rechnet sich das jedoch nicht, sodass ein Neubau günstiger ist, als eine aufwändige Sanierung, die dann doch nichts durchgehend und greifbar historisches mehr rettet. Das alles geschieht mit Genehmigung der obersten Denkmalschützer aus Schwerin, auch wenn einzelne regionale oder städtische Denkmalschützer die Entscheidung nicht teilen.
Bis zur Sanierung werden die Häuser klimatisiert und instand gehalten. In jedem der denkmalgeschützten oder denkmalgeschützt erworbenen Häuser hat die ECH eigene Stromleitungen verlegen lassen, um Aggregate aufzustellen, die die Luft der meistens völlig abgedichteten Häuser aufnehmen und 16°C warme trockene Luft über dicke Leitungen im ganzen Haus verteilen. Vereitelt werden solche Bemühungen durch Einbruchsversuche oder eingeworfene Fensterscheiben, die unentdeckt sogleich das Klima verändern. Darum unterhält die ECH einen Wachdienst, der regelmäßig nach dem Rechten sieht.
Das alles kostet laufend Geld, sodass die ECH gar kein Interesse haben kann, die Häuser ungenutzt verfallen zu lassen. Jeder Tag Nutzung bringt Geld, jeder Tag Nichtnutzung kostet Geld. Dennoch können nicht alle Gebäude gleichzeitig saniert werden: Zum einen gibt es die vorgeschriebene Sanierungsreihenfolge, die durch die langen Wartezeiten erst jetzt die Sanierung der Perlenkette ermöglicht und zum anderen ist es ökonomisch sinnlos, ein Haus zu sanieren, um es dann nicht zu nutzen. Genau das würde aber z.B. bei den Villen „Eikboom“ und „Seeadler“ der Fall sein. Für beide Villen gibt es kein Nutzungskonzept, wohl aber die Idee, sie in den Bereich des Ayurveda-Zentrums zu integrieren. Die Villen zu sanieren und zum Kauf anzubieten, macht nicht viel Sinn, denn heute stehen die beiden Häuser in der Seedeichstraße am Waldrand – in Zukunft jedoch stehen sie zwischen Ayurveda-Tempel und Thalasso-Zentrum. Es macht eigentlich nur Sinn, sie für das Ayurveda-Zentrum zu nutzen aber dieses ist noch lange nicht in Sicht, sodass der Erhalt der Häuser im Moment mehr Sinn als die Sanierung macht. Oder auch das Beispiel Gartenstraße: Dort konnte die ECH sich vorstellen, ein Gourmetrestaurant in die Villa „Alexandra“ zu integrieren. Das Restaurant soll aber nicht nur für die Hotelgäste sein, sondern auch den Bewohnern Heiligendamms (denen in der Perlenkette und den Apartments) Gaumenschmaus bieten. Da es diese Bewohner im Moment schlichtweg noch nicht gibt, macht auch eine Sanierung hier noch keinen Sinn. Wo es Sinn machte zu sanieren, hat die ECH das getan: Beim Mariencottage z.B. kann sie sich sicher sein, es verkaufen zu können. Gleich nach Fertigstellung gab es erste Interessenten, allerdings war es dem einen zu klein – über die anderen ist nichts bekannt.
Auch das große ehemalige „Mecklenburgische Heim“ in der Gartenstraße wurde durch die ECH hinzu gekauft. Hier ist der Sanierungsaufwand enorm – ganze Geschosse sind einsturzgefährdet und gesperrt. Darum wird derzeit geprüft, wie dieses Haus (in dem Jagdfeld sich eine Künstlerkolonie vorstellen kann) am effektivsten genutzt werden kann. Für andere Gebäude gibt es Pläne: Der Fürstenhof z. B. soll ein Konferenzzentrum mit Zimmern und Mitarbeiterwohnungen werden. Derzeit aber reicht für Konferenzen das Grand Hotel vollkommen aus (ein Ballsaal, also das Ensemble-Palais wäre erst einmal wichtiger) und auch die Mitarbeiter sind mit den angemieteten Wohnungen in den Wohnblöcken und den Zimmern im Prinzessin-von-Reuß-Palais im Moment gut versorgt. Es gibt einfach keinen Bedarf, der die Sanierung zu diesem Zeitpunkt rechtfertigen würde: Die Klimatisierung zur Erhaltung ist hier noch die bessere Alternative. Schließlich kann ach die ECH nicht die Sanierungen aus eigener Tasche bezahlen (schon gar nicht, wenn Stadtvertreter Einnahmen verhindern) und so braucht sie Banken, die Konzepte sehen wollen. Alles zu seiner Zeit.
FUNDUS hat in 10 Jahren saniert, was in 100 Jahren aufgebaut wurde.
Was die Zeit betrifft: Bis in Heiligendamm nach seiner Gründung das erste Badehaus stand, dauerte es drei Jahre. So lange dauerte es auch, bis FUNDUS nach dem Kauf mit der Sanierung begann – drei Jahre später waren vier Gebäude saniert und zwei neu gebaut. Severin hat allein für das Kurhaus drei Jahre gebraucht und vom Baubeginn der ersten bis zur Fertigstellung der letzten Perle vergingen drei Jahrzehnte. Erst zum 50. Jubiläum erhielt Heiligendamm einen Gedenkstein, der zugleich ein Etappenziel markierte. Noch 120 Jahre nach der Gründung wurden in Heiligendamm Häuser gebaut und erst 1914 endeten die letzten Umbaumaßnahmen am Kurhaus.
In Heiligendamm war immer viel möglich aber es ging nie besonders schnell – Bad Doberan wuchs schneller, als Heiligendamm. Heiligendamm ist maßvoll und geplant entstanden und gewachsen – alles war seinem Zweck geschuldet und nichts entstand ohne Sinn und Verstand (und vor allem nie ohne Aussicht auf Einnahmen). Mit diesem Rezept sind die Gründer Heiligendamms gut gefahren, waren mit Herzblut dabei und willens, auch einmal mehr zu geben, als zu nehmen (dazu zu buttern). Bad Doberan muss wieder zu Heiligendamm finden, es neu kennen und verstehen lernen. Es muss sich vom Rathaus bis zum einfachen Bürger zu Heiligendamm bekennen – zum ersten deutschen Seebad, das durch seine reichen und prominenten Gäste einen ungeahnten Aufschwung und eine anhaltende Nachahmung erfuhr und dass heute nur deshalb nicht funktioniert, weil diese Art von Gästen sich in einem umstrittenen und verhöhnten (auf jeden Fall aber vernachlässigten) Ort nicht wohl fühlt. Die Gäste aufzunehmen, sie willkommen zu heißen und zugleich auch die Tagesgäste zu bedienen und ihnen nichts schlechteres zu bieten, das ist das Rezept für den touristischen Erfolg Heiligendamms und auch Bad Doberans.
Weiterhin explosiv: Das Stichweg-Problem ist noch nicht vom Tisch.
Nachdem Ende 2011 die Auflage ablief, nachdem das Grand Hotel eine gute Bilanz und eine Vereinbarung mit der Median-Klinik vorlegen und die ECH 20% der Gesamtinvestition an der Perlenkette getätigt haben muss und die Bestrebungen einzelner Stadtvertreter nach einem Stichweg im Sand verliefen und nachdem nun das Grand Hotel Insolvenz anmeldete, präsentierten Stadtvertreter-Vorsteher Guido Lex und seine Kollegen vom Bürgerbund im Einvernehmen mit FDP-Chef Harry Klink die „Heimfallklausel“. Diese ist in einigen Verträgen verankert und erlaubt es der Stadt, im Falle einer Insolvenz des Grand Hotels vererbpachtete Grundstücke wieder an sich zurück zu nehmen. Inwiefern das auch ECH-Grundstücke betrifft, ist noch offen aber es betrifft Grundstücke, über die man im Zickzack-Kurs einen Stichweg vom Kurwald zum Seebrückenplatz bauen könnte, wenn man dafür die Liegewiese des Severin-Palais teilweise wieder auflösen würde. Lex, Klink und Meyer machten keinen Hehl daraus, dass sie den Stichweg auf diese Weise realisieren wollen. Der inzwischen aktive Insolvenzverwalter Jörg Zumbaum gab den Stadtvertretern jedoch zu verstehen, dass er sich mit allen Mitteln dagegen wehren und die Stadt wegen Gefährdung des Insolvenzverfahrens verklagen wird. Vorerst ist Ruhe im Kurwald aber ein neuer Investor wird gleich als erstes mit diesem Problem konfrontiert werden.
Neuer Investor muss sich neu zum Stichweg positionieren.
Ein neuer Investor muss klar sagen, wie es weiter gehen soll. Er muss entweder den Stichweg von vornherein über mögliche Verträge ausschließen oder klare Bedingungen daran knüpfen. Und er muss zeigen, dass er sich nicht beeinflussen und beirren lässt – muss den bisherigen Widersachern des Hotels klar zeigen, wo es lang geht. Am Besten geht das mit Transparenz – die ECH hat zusammen mit dem Grand Hotel nach dem G8-Gipfel eine Zeitung „Zukunft Heiligendamm“ heraus gebracht, um seine Vorhaben und die Hintergründe aktueller Diskussionen zu erklären. Vehemente Gegner wie Grünen-Chef Heinz Keuer sticheln zwar auch gegen dieses Blatt aber anders herum zitieren seine Mitstreiter immer wieder gern daraus.
Ein Stichweg wäre nach all den bisherigen Erkenntnissen nicht völlig unmöglich. Wenn er weit genug östlich verläuft und damit das Hotel und die Perlenkette nicht berührt, stellt er auch keine Gefahr für beide Projekte dar. Historisch macht ein Weg zwischen der Perlenkette (also Prinzessin-von-Reuß-Palais und Haus Bischofsstab) und dem zukünftigen Thalasso-Zentrum hindurch zur Promenade durchaus Sinn. Die Idee der Erbauer, Heiligendamm von Osten her zu betreten und damit das sich öffnende Ensemble zu erleben, würde mit dieser Wegführung realisiert werden, das Thalassozentrum soll ohnehin auch für die Tagesgäste geöffnet sein, die öffentliche Tiefgarage würde sich dort befinden, die Strandversorgung wäre gleich rechts von diesem Anlandepunkt und links davon wäre das Eiscafé und das Restaurant. Der Fußweg an der Seedeichstraße würde entlastet und gerade in der Kurve ein Gefahrenpunkt genommen werden.
Die Gäste könnten nach Westen gehen und erleben, wie sich das Ensemble Haus um Haus dem Auge eröffnet, könnten auf die Seebrücke gehen, zur Strandbar oder den neuen Rundweg unter die Füße nehmen, in einem dann hoffentlich attraktiven Wald spazieren und durch ihn hindurch wieder zum Ausgangspunkt zurück kehren. Nach Osten ließe sich parallel zur Promenade ein Weg am Waldrand entlang und um den Conventer See herum realisieren, mit Aussichtsturm für Naturliebhaber, Picknickbereichen und Anbindung an Rethwisch, Börgerende, die Rennbahn und Bad Doberan. Ein schon einmal da gewesenes Strandbad im Conventer See würde die Attraktivität enorm steigern und dem Fischer zugleich die verhassten Kormorane fern halten. Für Börgerende und Heiligendamm könnte das sogar der für Börgerende zum Kurort und für Heiligendamm zum Seeheilbad benötigte gemeinsame Kurpark werden. In Börgerende könnten die Gäste in den kleinen Läden des neuen Börgerendes einkehren und würden das derzeit in Heiligendamm nicht realisierbare Ortskern-Angebot vorfinden. Anders herum finden die anspruchsvollen Feriengäste in Börgerendes neuer ersten Reihe in Heiligendamm für sie geeignete luxuriöse Angebote vor. So würde ein kurzer und meiner Meinung nach unschädlicher Stichweg dem Seebad viel Nutzen bringen.
Ende der Stichweg-Diskussion wäre Ende der Ein-Themen-Stadtvertreter.
Taktisch wäre es auch nicht dumm, einen Stichweg zu bauen, denn einige Stadtvertreter haben nur das Thema „Heiligendamm“. Der Bürgerbund ist mit dem Stichweg-Streit ins Parlament eingezogen und Harry Klink hat sich mit demselben immer wieder Gehör verschafft. Würde man diesen Streit so beenden, dass es dem Hotel nicht schadet, wäre das Feuer aus und keiner könnte mehr Öl hinein gießen. Bei der Median-Klinik hat es geklappt: Der Bürgerrat löste sich auf (und seine Mitglieder fanden in Jagdfeld ein neues Thema). Für die Stadt wäre es sogar sehr nützlich, wenn die besagten Stadtvertreter sich neue Themen suchen oder gar mit dem Tagesgeschäft auseinander setzen müssten. Nur ein Bruchteil der gegen Jagdfelds Projekt aufgebrachten (und am Ende doch ohne die von ihnen gewünschten Endergebnisse gebliebenen) Energie würde reichen, um dem Moorbad-Investor auf die Sprünge zu helfen oder Interessenten für die Jugendherberge zu finden. Liegen gebliebene Sachen, wie das Parkraumbewirtschaftungskonzept, das Tourismusmanagement und die Strandordnung könnten wieder in Angriff genommen und Möglichkeiten der Stadtverschönerung ausgearbeitet werden. Nicht zuletzt ist die Strandversorgung das wichtigste Thema für die Tagesgäste und Einheimischen und wer sich profilieren will, bringt die Realisierung dieser Pläne auf den Weg.
Wie kann die kranke Prinzessin geheilt werden?
Zauberwörter für den Erfolg: Zwiebelprinzip und Tourismuspyramide
Mir wurde das Bild einer Zwiebel nahe gebracht: Das Grand Hotel ist der Kern dieser Zwiebel. Um diesen Kern herum und aus ihm heraus wachsen die weiteren Zwiebellagen, die zugleich zum Schutz des Kerns dienen. Natürlich muss die Frage beantwortet werden, warum man einen Wirtschaftsbetrieb schützen will und ihn nicht sich selbst tragen lässt. Die Antwort lautet: Weil der Betrieb viel Geld in die Stadt bringt. Schon das schwächelnde Hotel brachte mehrere hunderttausend Euro nur an Gewerbesteuern, die Gäste zahlen Kurtaxe, stecken Geld in Parkautomaten, gehen essen, bezahlen für Kultur und Sehenswürdigkeiten, kaufen ein, tanken und lassen Geld in der Region. Da sie mehr als die Tagesgäste davon zur Verfügung haben, geben sie auch mehr aus.
Die jetzt schon vorhandenen 300 direkten Arbeitsplätze und nicht gezählten indirekten Arbeitsplätze bringen Menschen in Lohn und Brot, erhöhen die Kaufkraft und die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt, der mit steigenden Preisen reagiert und die Einnahmen steigert, sodass neue Investitionen möglich werden. Es gibt tausend Gründe, ein 5-Sterne-Hotel mit dem begehrten Plus in seiner Stadt haben zu wollen – dies sind nur die wichtigsten. Doch dieses Segment ist hart umkämpft, denn die reichen Gäste sind die begehrtesten Kunden überhaupt. Da muss die Stadt zu so einem Hotel stehen und bereit sein, es zu unterstützen – zu geben, statt nur zu nehmen. Viele Unternehmer haben das erkannt und arbeiten mit dem Hotel zusammen. Viele Bürger sehen keinen unmittelbaren Nutzen, empfinden mitunter eher noch Neid und unterstützen daher das Grand Hotel nicht.
Ein funktionierendes Grand Hotel lässt die Zwiebel wachsen, die Lagen dicker und kräftiger werden, weniger anfällig und ertragreicher. Wer das begreift, der begreift die Vision von Robert A. M. Stern.
Die erste Zwiebellage um den Kern ist die direkte Umgebung um das Hotel. Diese Lage ist momentan unansehnlich, denn die Villen verfallen, der Strand ist mittelmäßig, die Promenade provisorisch, der Kurwald auch nur ein besserer Wald und eine Strandversorgung oder gar Einkaufsmöglichkeiten sind kaum der Rede wert. Die erste Schicht um den Kern muss von gleicher Güte und Klasse sein: Fünf-Sterne-Ferienwohnungen in anspruchsvollen Villen in einem ansprechenden Umfeld – die ECH arbeitet daran aber es wird Jahre dauern, sodass sie für Privatinvestoren unter Eigenregie offen sein muss, um den Prozess zu beschleunigen. Anders herum würden eine niveauvolle Strandversorgung, ein attraktiver Bade- und Sportstrand, ein richtiger und ansprechender Kurpark und ein aufgeräumtes, entwirrtes und gepflegtes Umfeld den Verkauf der Ferienwohnungen erleichtern.
Hier ist die Stadt in der Pflicht, zusammen mit Forst, StAUN und dem Landkreis eine einem Luxus-Seebad angemessene Strandversorgung zu realisieren (was sie in 22 Jahren nicht geschafft hat, obwohl Jagdfelds Gruppe dem nie im Weg stand), einen richtigen Kurpark anzulegen und eine Strandordnung zu verabschieden, die einen Bade- und Sportstrand ermöglicht. Die Promenade ist wieder Sache der ECH – ihre Fertigstellung erfolgt nach dem Bau der Tiefgarage. Wenn Sie sich jetzt fragen, wo bei einer niveauvollen Strandversorgung die Einheimischen und Tagesgäste mit ihren kleineren Geldbörsen bleiben: Kein Gastronom verzichtet freiwillig auf Kundschaft – es werden sich Lösungen finden, auch den kleinen Geldbörsen gerecht zu werden. Außerdem gibt es in Heiligendamm zwei Standorte, an denen Strandversorgungen entstehen dürfen – diese würden sich von selbst ergänzen. Die Currywurst mit Pommes für 3 Euro wird es auch in Zukunft in Heiligendamm geben – nur eben noch viel mehr als das, viel abwechslungsreicher, vielleicht sogar gesünder.
Es wird weitere Lagen in der Zwiebel geben. Das Grand Hotel ist die Spitze der touristischen Pyramide und diese Spitze hat keinen Unterbau, weil es historisch nicht vorgesehen und nicht nötig war – es war ja nur ein Privatbad und später Kurklinik. Inzwischen haben sich Anbieter im Bereich von keinen bis drei Sterne heraus gebildet aber der Vier-Sterne-Bereich ist ungedeckt – die Spitze schwebt in der Luft über dem Stumpf. Der Platz in Heiligendamm ist begrenzt, doch die Pläne der FUNDUS-Gruppe sehen den Bau von mehrgeschossigen Appartment-Komplexen gleich hinter dem Grand Hotel (eigentlich vor ihm – in der Kühlungsborner Straße) vor.
Diese Wohnungen und Zimmer sollen das Vier-Sterne-Segment abdecken, zugleich eine feste Kundschaft für das Grand Hotel sichern (wer hier wohnt, geht ins Grand Hotel zum essen, baden, entspannen). Und hier sollen auch die Läden und gastronomischen Angebote hinein, die alle Gäste in Heiligendamm vermissen. Weil dieses Projekt derzeit finanziell nicht realisierbar ist hat man darüber nachgedacht, die Suiten in der Orangerie an Stammgäste zu verkaufen oder vermieten, um wenigstens einen sehr bescheiden kleinen Unterbau zu bekommen. Ohne Unterbau stürzt die Pyramidenspitze irgendwann ab und statt fünf, gibt es dann nur noch vier Sterne.
Die beste Alternative zu den derzeit nicht realisierbaren Projekten in Heiligendamm liegen so nah, dass sie übersehen werden: Im benachbarten Börgerende sind anspruchsvolle Villen in einem unverwechselbaren Stil entstanden und weitere sind im Entstehen. Wie in Heiligendamm kann hier direkt am Wasser eine Wohnung erworben und entweder als Ferienwohnung vermietet oder zum Eigenbedarf genutzt werden. Viele dieser Wohnungen bedienen das Vier-Sterne-Niveau, sind aber teilweise gefühlt noch darüber. Den Wohnungen fehlt es jedoch an einem gleichwertigen Hotel, in dem die Gäste essen oder schwimmen gehen, an die Bar gehen, Billard spielen, lesen oder an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen können.
Was in Börgerende als Hotel geplant ist, bedient zwar andere Ferienwohnungen aber nicht die hochwertigen. Die Gäste dieser Wohnungen finden aber genau das was sie suchen in Heiligendamm im Grand Hotel. Wiederum gibt es in den Villen Börgerendes Gewerbeflächen, in denen man genau das ansiedeln könnte, was in Heiligendamm fehlt und derzeit aus Platzmangel nicht angesiedelt werden kann. Börgerende und Heiligendamm müssen in der derzeitigen Situation zusammen arbeiten, sonst hat keine der beiden Gemeinden den erhofften Erfolg.
Leider sieht das momentan kaum jemand – die großartigen Chancen bleiben ungenutzt und die Zeit läuft davon – läuft gegen diese Region Ostseeküste, hängt sie ab und macht es ihr unmöglich, die sich rasant entwickelnden Seebäder wieder ein – oder gar zu überholen. Dabei bildet Heiligendamm-Börgerende jetzt schon eine Einheit, indem es eingerahmt von Wäldern weit genug von Kühlungsborn und Warnemünde entfernt liegt, das Touristenzentrum Bad Doberan in seiner Mitte und die Ostsee vor der Haustür. Ein gemeinsamer echter Kurpark könnte die beiden Orte verbinden, eine gemeinsame originelle Seebrücke mit Visitor-Center könnte sie verbünden und ein Rundweg um den Conventer See könnte sie an Bad Doberan und die Rennbahn anbinden. Gemeinsam können Heiligendamm und Börgerende ein neues Touristenzentrum werden: Deutschlands ältestes und jüngstes Seebad Hand in Hand. Besser geht es nicht!
Bad Doberan darf jedoch nicht im Hintergrund bleiben. Die Münsterstadt ist die nächste und vorerst letzte Lage der Zwiebel. Sie ist die dicke Schale, die alles schützt und die das Resultat der anderen Lagen ist. Bad Doberan ist durch Heiligendamm gewachsen – durch das erste Bad des Großherzogs, durch die Gründung des ersten deutschen Seebades. Aus dem 800-Lehmhütten-Flecken wurde durch Heiligendamm erst die Residenzstadt, die sich ein Jahrhundert später „Bad“ nennen durfte. Das haben viele Bad Doberaner vergessen oder nicht gelernt. Bad Doberan war der Unterbau Heiligendamms, der sich ganz automatisch gebildet hat, als außer dem Hochadel auch Leute aus Wirtschaft und Politik kamen, die wiederum den Mittelstand anlockten. Bad Doberan ist eine funktionierende Tourismus-Stadt, vieles könnte besser sein, man könnte viel mehr verdienen, müsste aber auch viel mehr investieren.
Dennoch: Bad Doberan bietet den Touristen die Einkaufs- Kultur- und Vergnügungsmöglichkeiten, die Heiligendamm-Börgerende auf Grund ihres begrenzten Raumes niemals bieten können werden. Bad Doberan unterfüttert das Ganze und rundet es ab – als Dreiergespann ist dieses Stück Ostseeküste einmalig und unschlagbar. Und genau so ein Alleinstellungsmerkmal brauchen wir – wir sind nicht irgendwer, irgendwo in der Mitte – wir sind einmalig. Darum war es Jagdfelds Botschaft zur Jahrtausendwende, dass die Bad Doberaner die Chancen erkennen und ihre Angebote auf Heiligendamm und die Luxustouristen ausrichten möge. Das haben viele nicht verstanden aber wer es verstanden hat, führt heute ein gut laufendes Geschäft.
Egal, wer das Grand Hotel kauft: Er wird an diesem etablierten Standort ein Luxushotel im 5-Sterne-Plus-Bereich betreiben. Der Insolvenzverwalter wird es nicht für weniger her geben und die Stadt kann nicht weniger wollen, denn niemand verzichtet auf die Million und gibt sich mit Zehntausend zufrieden – schon gar nicht, wenn die Zehntausend ihn nicht einmal aus den roten Zahlen heraus bringen. Alle Vorschläge, im Grand Hotel und daneben etwas mit weniger Niveau anzusiedeln, sind rein populistischer Natur und sollen den Wähler umgarnen, der sich mehr nicht leisten kann.
Kein Bad Doberaner macht im Grand Hotel eine Woche Urlaub – nicht die Wähler, sondern die Touristen sollten also wichtig sein. Wer Luxustouristen nicht will, der will sie nicht, weil er ihnen nichts bieten und darum sowieso nicht an ihnen verdienen kann. Man kann aber die Schwachen nicht stärken, indem man die Starken schwächt: 10 Millionäre haben mehr Geld als 1000 Normalverdiener und zehn Millionäre sind schneller geworben, als 1000 Normalverdiener. Wo Platz ist, kann man mit 10.000 Normalverdienern auch Millionen verdienen aber in Heiligendamm gibt es nur 25 ha, wovon sich nur etwa ein Viertel in 1A-Lage befindet, sodass sich damit richtig viel Geld verdienen lässt, wenn das Niveau hoch ist. Die einzige Alternative wären 20-stöckige Häuser mit 5-stöckigen Tiefgaragen als Herbergen für 1000 Normalverdiener und Sandaufspülungen, damit die 1000 Leute auch zusätzlich zu den Einheimischen und Tagesgästen noch etwas von der Ostsee haben, wegen der sie ja kommen.
Die Attraktivität der Region wird durch den „Tourismus für die oberen Zehntausend“ nicht leiden – im Gegenteil: Für anspruchsvolle Gäste ist das Beste gerade gut genug – die Region (besonders die Stadt) muss sich heraus putzen, muss gepflegt, sauber, kulturell und touristisch attraktiv sein, eine gute Infrastruktur und touristenfreundliche Öffnungszeiten haben. Sie muss frei sein von sichtbaren sozialen Brennpunkten, sich zivilisiert und menschenfreundlich zeigen, ein gutes Verkehrskonzept haben und durch ein gutes Miteinander glänzen. Das alles kommt jedem Einheimischen genauso zu Gute, denn auch er will eine schöne, saubere und organisierte Stadt. Das alles ließe sich überbieten, wenn man den hohen Ansprüchen der reichen Gäste gerecht wird. Wir alle könnten so wohnen, wie anderes es sich kaum zu erträumen wagen: In einer Touristenstadt, die mit vollen Händen investiert.
Dazu muss dieses Ziel aber klar definiert sein – die Stadtvertreter und der Bürgermeister müssen – die Bürger hinter sich wissend – Konzepte für das „Starnberg des Nordens“ erarbeiten und diese auch umsetzen. In einer politisch links dominierten Stadt ist das nicht einfach aber – Berlin und Rostock machen es vor – keinesfalls unmöglich. Das Stichwort lautet „Flair“ so etwas vermissen die Gäste unserer Stadt. Links und rechts von uns finden sie ihn – darum laufen diese Orte auch besser.
Was braucht es?
Auf keinen Fall eine Versammlung aller Beteiligten und Unbeteiligten. Das Experten-Kolloquium 2004 führte zu keinem brauchbaren Ergebnis. Am Ende erwiesen sich die FUNDUS-Pläne bis auf ein paar kompromissbereite Feinschliffe als die einzig umsetzbaren. Kein Wunder, denn Jagdfeld hat Experten aus ganz Europa und mit dem Urbanisierungsexperten Robert A. M. Stern auch einen renommierten Amerikaner Visionen erstellen und Konzepte ausarbeiten lassen. Das führte zwar zum Verdruss bei einigen hiesigen Architekten und Ingenieuren, die sich Aufträge versprachen aber das nur Zeit und Geld verschwendende Kolloquium zeigte, dass deren Vorstellungen nicht zum gewünschten Ziel führen.
Nur wer Ziele hat, kann andere dafür begeistern. Wer keine hat, kann seine Wähler nur durch seine Person begeistern, ist für die Stadt aber völlig nutzlos und verschwendet durch seine Selbstinszenierung Steuergelder. Genau das macht aber fast die Hälfte der Stadtvertreter.
Die Stadt hat bereits eine eigene Entwicklungsgesellschaft, die aber derzeit mit Heiligendamm nichts anfangen kann und darum die Stadt nicht als Ganzes behandelt. Wer Heiligendamm jedoch nicht berücksichtigt, der hisst weniger Segel, als er hat und braucht dementsprechend länger, um ans Ziel zu kommen, stellt zugleich dort fest, dass er unter den Möglichkeiten bleibt, eine Chance vertut.
Politik und Verwaltung haben nie die Möglichkeiten, die ein Wirtschaftsbetrieb hat. Darum gibt es städtische Wohnungsgesellschaften, städtische Verkehrsbetriebe, städtische Ver- und Entsorgungsbetriebe und städtische Kulturbetriebe, wie die Theater- Messe- oder Stadthallengesellschaften. Die Kommunen gründen diese städtische Eigenbetriebe, weil sie als Wirtschaftsunternehmen viel mehr Möglichkeiten haben, viel flexibler und vor allem schneller reagieren können. Zugleich hat die Politik zwar Einfluss, kann aber nicht im Alleingang steuern, sodass die Unternehmen nicht so den Machtspielen der Politiker ausgesetzt sind, wie Ausschüsse, Räte oder Gremien innerhalb des Rathauses.
Darum braucht es eine Entwicklungsgesellschaft, in der Profis das ausarbeiten, was die nicht umsonst als Laien gewählten Stadtvertreter beschließen und der Bürgermeister mit seiner Stadtverwaltung umsetzen muss. So funktioniert es in hunderten Städten. Nur nicht in Bad Doberan.
Das ist bereits der Lösungsweg – mehr muss nicht getan werden. Allerdings müssen Laien akzeptieren, dass Profis zu anderen Schlüssen kommen als sie und Stadtvertreter müssen akzeptieren, dass die Ergebnisse nicht immer mit ihren eigenen Vorstellungen überein stimmen können. Die Wirtschaft funktioniert anders, als die Politik. Hier zählt, was am Ende in der Kasse liegt – Geld lässt sich sparen und anlegen und vermehrt sich durch Zinsen. Wählerstimmen jedoch muss man sich jeden Tag neu verdienen – man kann sie nicht im Voraus bunkern, sie lassen sich nicht anlegen und vermehren tun sie sich nur durch gute Taten und Ergebnisse. Wer sich profiliert und viel redet, kann für einen Moment hoch hinaus kommen aber er fällt tief, wenn die Leere seiner Worthülsen beim Wähler durchschaut wird.
Es braucht aber auch den Rückhalt der Bürger und dazu gehört, dass sie sich eine objektive Meinung aus echten Fakten bilden können. Das wiederum ist Aufgabe der Medien, die nicht Meinung bilden, sondern Fakten transportieren soll. Das klappt bei vielen Themen gut und bei Heiligendamm wird regelmäßig Populismus betrieben, eher verwirrt, als informiert. Die Bürger jedoch müssen sich mit den Zielen des Rathauses identifizieren, was bei guten Zielen auch gar nicht schwer fällt. Die Politikverdrossenheit und niedrige Wahlbeteiligung ist dem Umstand geschuldet, dass die Wähler keine Veränderungsmöglichkeiten sehen. Sie sehen nur „ziellos umher irrende und dabei laut gackernde Hühner“, mit denen sie sich beim besten Willen nicht identifizieren können. Wenn man keinem zutraut, die Stadt voran zu einem gemeinsamen Ziel bringen (oder auch nur ein solches zu erarbeiten) dann kann man gar nicht wählen, sondern hat nur die Wahl zwischen Hingehen oder Zuhause bleiben. Die Politiker gefährden die Demokratie.
Ausführlich: Das Rezept zur Heilung der kranken Prinzessin:
Man muss weder Experte, noch Befürworter des Grand Hotels sein, um die Missstände in Heiligendamm zu analysieren. Ist man aber Einheimischer, fällt der differenzierte Blick auf Heiligendamm schwer. Ich habe mich besonders mit einer Person ausgetauscht, die nicht in der Region wohnt und mit ihrem Fachwissen und ihren Kenntnissen dazu beiträgt, dass ich Ihnen Heiligendamm besser erklären kann. Es ist nicht schwer, das gekenterte Boot wieder flott zu machen und auf Kurs zu bringen. Das braucht es dazu:
1. Ein funktionierendes Grand Hotel.
Klingt einfach aber die Realität sieht anders aus: Das Grand Hotel wurde 2003 mit viel Aufsehen eröffnet aber es zog mehr als nur die gewünschte Klientel an, sodass es sich einzäunen musste und somit auf Ablehnung in Teilen der Bevölkerung stieß. Bürgermeister Hartmut Polzin hatte erkannt und öffentlich geäußert, dass die Stadt sich für eine Touristengruppe in Heiligendamm entscheiden müsse und es ratsam wäre, sich auf die Luxus-Hotel-Gäste zu spezialisieren. Die Ostsee-Zeitung bezog diese Aussage auf die ganze Stadt und schlussfolgerte sinnentfremdet, „dass laut Polzin Bad Doberan keine Touristen brauche“.
Es folgten Aktionen von Medien, Politikern und Bürgerinitiativen, die den Ruf des Luxushotels schadeten und immer noch schaden und die letztlich auch zur Insolvenz beitrugen aber nicht zu 100% ursächlich dafür sind. Es gibt viele Gründe für die Insolvenz – definitiv auch hausgemacht – , die hier aber nichts zur Sache beitragen. Die betuchten Gäste ließen sich durch die linke Propaganda nicht so abschrecken, wie durch die Realität vor Ort: Die verfallenen Villen, das ungünstige Parkkonzept des Grand Hotels und das völlig inakzeptable langweilige Umfeld sind die Kritikpunkte der Hotelgäste in den Bewertungsportalen.
1.1 Hotelerweiterung für eine erfolgreichere Nebensaison.
Die Hotelgäste vermissen nicht die fehlende Strandversorgung – ihnen ist eher das Schwimmbecken im Hotel zu klein. Dieses zu vergrößern und auch den SPA-Bereich aufzuwerten war das aktuelle Ziel des Grand Hotels. Dazu hätte es frisches Geld gebraucht, das die Anleger des Fonds nicht zu geben bereit waren. Alternativ hätte die ECH diese Investition übernommen, was aber durch den Verzug der Stadt bei der Ausstellung des Negativ-Attestes bezüglich des Vorkaufsrechtes für die Perlenkette nicht machbar war. Damit war schon im Februar klar, dass man 2012 nicht genug Geld einnehmen wird, um Stundungen bei den laufenden Forderungen zu erreichen. Außerdem konnte man schon im Februar die Kreditzinsen nicht mehr bezahlen. Jagdfeld konnte und musste darum Insolvenz anmelden – jeder Versuch, das Hotel über die Saison zu bringen, hätte den Tatbestand der Insolvenzverschleppung erfüllt.
Der neue Investor muss diese Pläne umsetzen, das Schwimmbecken vergrößern und den SPA-Bereich überarbeiten. Das ist ein Garant für bessere Auslastung bei schlechterem Wetter und in der Nebensaison: Sich die Ostsee ins Haus holen. Wenn der SPA-Bereich dafür nicht mehr ausreicht, ist der Bau des Thalasso-Zentrums durchzuführen und wenn auch dieser an seine Grenzen stößt, würde der Ayurveda-Tempel an der Reihe sein. Die B-Pläne dafür stehen – die Frage die zu klären ist: Macht es die ECH selbst oder macht es ein neuer Investor? Darum muss der neue Investor sich mit der ECH an einen Tisch setzen. Der neue Betreiber kann aber nicht die Probleme auf der Ebene lösen, auf der sie entstanden sind. Er muss einen Schnitt machen und von vorn beginnen – dazu muss er auch alte Strukturen aufbrechen und teilweise beseitigen. Unvoreingenommene neue Leute würden den vorsichtig gewordenen alten Hasen neuen Mut geben. Auch die Kommunikation des Grand Hotels nach außen ist verbesserungswürdig – wer dem Hotel Kunden bringen will, sollte angehört werden.
1.2. Selbstläufer statt Zuschussobjekt.
Dennoch muss das Hotel sich selbst tragen können. Die Insolvenz birgt die Chance, ein schuldenfreies Hotel zu übernehmen, die Altlasten zu tilgen und ohne Erwartungen von enttäuschten Anlegern neu anzufangen. Das macht es ja so attraktiv und begehrt bei den Bietern. Wie das Hotel letztlich zu dem Selbstläufer wird, das es niemals in seiner Geschichte war, müssen Experten heraus finden. Gerade da der Weg vom sozialistischen Sanatorium zum Luxus-Resort der denkbar längste ist, sollte man für eine gute Kondition sorgen und nicht sich durchwursteln. Dennoch sollte man sich nichts vor machen: Heiligendamm fehlen die wichtigsten Grundlagen (Basics) eines Seebades und ein Interessent wird dies genau wie jeder Gast sofort bemerken. Wenn die Stadt diese Grundlagen nicht schafft (und das hat sie in 22 Jahren nicht getan), dann muss es der neue Betreiber zusammen mit der ECH tun oder die ECH dabei unterstützen oder alles allein bewerkstelligen. Ohne die Grundlagen eines Seebades wird Heiligendamm seinen Seeheilbadstatus schon bald verlieren. Das Grand Hotel wird ohne diese Grundlagen immer ein Fremdkörper sein – eine Oase in der Wüste. Nur trägt diese Oase nicht dazu bei, Gäste in die Wüste zu locken: Woanders lockt das Paradies – siehe Warnemünde, Boltenhagen etc..
2. Ein ansprechendes Umfeld.
Das eine ergibt das andere: Im Moment wird den Hotelgästen (im Prinzip allen Gästen Heiligendamms) eine provisorische Promenade geboten, an der verfallene leere Villen stehen, die zwar die Fantasie anregen mögen aber eine Schande für das Ortsbild und eine Beleidigung für die Hotelgäste sind. Niemand bezahlt ein zweites Mal mehrere hundert oder tausend Euro für den Aufenthalt in einem Ort, der von Verfall und Moder geprägt ist und in dem es mehr nach Abriss, als nach Aufschwung aussieht. Für weniger Geld bekommt jeder Gast ein paar Kilometer weiter eine Stadt, in der es komfortable Hotels, eine lange Promenade, einen guten Strand, Bummelmeilen, eine Szene und ein Nachtleben gibt. Hier kann er mit der MS „Baltica“ zu anderen Seebädern fahren oder mit der eigenen Jacht anlegen. Zwar haben Kühlungsborn und Warnemünde kein 5-Sterne-Plus-Hotel aber dafür stimmt so vieles drum herum, was Heiligendamm nicht hat und das 5-Sterne-Plus nicht wett machen kann.
2.1. Die Sanierung der Perlenkette muss Vorrang haben.
Ruinen in einem Luxus-Seebad passen nicht dorthin. Der erste Part muss daher die Sanierung der Perlenkette sein. Das ist Sache der ECH und einiger privater Investoren und muss nun nach den vielen Verzögerungen durch die Differenzen mit dem Rathaus schnell voran getrieben werden. Eine zweistellige Zahl von Jahren, bis die Perlenkette fertig ist, wird das Grand Hotel eine zweistellige Zahl von Jahren lang schädigen oder gar nicht mehr auferstehen lassen. Logischerweise kann die ECH nicht aus eigener Tasche alle Villen sanieren aber zu hoffen, dass Leute sich Wohnungen in den jeweils geplanten Villen kaufen, während die restlichen weiter verfallen, ist bedenklich. Notfalls muss man tatsächlich die noch nicht finanzierten Villen „kosmetisch behandeln“ – das Auge kauft mit. Sinnvoller wäre jedoch, weitere Investoren ins Boot zu holen und gemeinsam (also FUNDUS mit geworbenen Drittinvestoren) zu stemmen, was die Differenzen jahrelang unmöglich machten.
2.2. Ortsverschönerung und Infrastrukturkonzept.
Aber auch die Stadt, Forst und StAUN haben viel zu tun: Die Schotterparkplätze müssen weg, der Wildwuchs beseitigt werden, die Promenade ihre endgültige Form bekommen (ist teilweise ECH-Angelegenheit und hängt mit der Tiefgarage zusammen) und die Sackgasse im Westen entschärft werden. Entweder durch eine Attraktion, wie ein Visitor-Center oder einen Info- und Versorgungspunkt oder durch den geplanten Rundweg – oder durch alles zusammen.
In Heiligendamm müssen wieder Blumen wachsen (statt nur Gras) und das Wegenetz muss entflochten und saniert werden. Die sanitären Anlagen gehören dringend saniert, die Kapazitäten reichen nicht – es müssen neue sanitäre Anlagen her. Es fehlt an Unterstellmöglichkeiten, wenn es im Sommer plötzlich regnet – und es regnet hier immer nur plötzlich und ohne erkennbare Ankündigung. Auch die Verkehrsführung von Autos, Fußgängern und Radfahrern durch die Seedeichstraße ist zu überdenken – diese Gefahrenzone ist unnötig und kann durch Parallelwege behoben werden. Die Straße gehört noch nicht der Gemeinde – hier ist das Land gefragt. Wünschenswert aber kaum realisierbar ist eine Abzweigung nach Börgerende schon am Kreisel hinter der Rennbahn, sodass gar kein Durchgangsverkehr mehr durch Heiligendamm hindurch fahren müsste.
3. Attraktive Versorgungsmöglichkeiten.
Auch hier ergibt das eine das andere: Im anspruchslosen Umfeld befinden sich zwischen den Ruinen an den Schotterparkplätzen auch nur anspruchslose Versorgungsmöglichkeiten. Von Pommes über Wurst, Schnitzel und aufgewärmte Tiefkühlpizza bis hin zum Fischbrötchen, Kuchen und Eis kann man in Heiligendamm alles haben, was man auch im heimischen Einkaufszentrum findet. Außer, um auf der Suche nach irgend etwas für Heiligendamm sprechendes billig und kalorienreich seinen Hunger zu stillen, sind diese Ansammlungen von Buden und Wagen auf der Wiese zu nichts gut.
3.1. Spürbare Gegenwerte für die Kurtaxe bieten.
Hotelgäste meiden die stinkenden Frittenbuden und schmutzigen Pissoirs und Tagesgäste verstehen nicht, warum Deutschlands ältestes Seebad so anspruchslos ist und sich nicht vermarktet. Es gibt Parkscheinautomaten und es wird Kurtaxe für „einmal gucken“ oder bloßes Baden kassiert. Von kulturellen Angeboten, Pflege und einer Touristinformation, die eigentlich von der Kurtaxe bezahlt werden sollten, merkt man in Heiligendamm nichts: Das Geld fließt direkt nach Bad Doberan, dort gibt es die Touristen-Information und saisonal wöchentliche Kurkonzerte. In Heiligendamm ist der Strand sauber und man kann sich von ausgebildeten Gästeführern gegen Entgelt zeigen lassen, was man sowieso sieht – nur mit ein paar Erläuterungen.
3.2. Nicht nur nehmen – auch geben.
Was man in Heiligendamm nicht kann und wofür man beim nächsten Mal gleich nach Warnemünde oder Kühlungsborn fährt: Shoppen gehen.
Selbst der Tante-Emma-Laden (Laden Nr. 4) hat wieder dicht gemacht. Alles was es gibt, ist ein verstreutes und kaum wahrnehmbares Mini-Sortiment an Dingen, die man gern mal zu Hause vergisst: Sonnencreme, Strandschaufel, Wasserball, Getränkeflaschen. Bei Strandmuscheln oder Sonnenschutz hört es dann auch schon wieder auf. Bei Familie Mundt in der Gartenstraße gibt es ein paar Postkarten und am Molli-Bahnhof ein paar Molli-Souvenirs, der Rest wird vom Grand Hotel durch Läden in der Orangerie abgedeckt, in die kaum einer hinein geht, weil er denkt, es sich sowieso nicht leisten zu können.
Bikinis, Badehosen, Handtücher, Stranddecken, Strandmuscheln; Klappstühle, Kosmetik, Schuhe, Schmuck; Bekleidung, Accessoires, Kunstgegenstände; Unterhaltungselektronik, Tabak, Zeitschriften; Konzertkarten, Bücher, Tonträger; Waren des täglichen Bedarfs, Hygieneartikel und Andenken – das alles gibt es in Heiligendamm nicht.
Es gibt keinen Bäcker und Konditor, also keine frischen Backwaren, kein Obst und Gemüse, keinen Tabak- oder Zeitschriftenladen, kein gehobenes aber preisgünstiges Café, keinen Gosch-Sylt (das Minium für einen anerkannten Luxus-Ort) und schon gar keinen In-Treffpunkt (wie in Bad Doberan Bäckerei „Sparre“ und das Torhaus), keinen Laden zum Stöbern, keine Passage zum Bummeln und kein Atelier zum Staunen. Es gibt nichts, wo man freiwillig Geld ausgeben kann – alles was man in Heiligendamm an Geld lässt, sind Pflichtausgaben. Man wird abgezockt!
Auch für Kopf und Herz ist nichts dabei: Es gibt keine Springbrunnen, keine Statuen, keine Gedenktafeln, keinen Park (der Kurwald ist letztlich auch nur ein Wald mit Lichtung und festen Wegen), keine Gartenbaukunst (zwar gibt es auf dem Hotelgelände gepflegte Blumenrabatte aber das ist selbst im Vergleich zu DDR-Zeiten dürftig), keinen Markt, kein Zentrum – Heiligendamm hat nichts zu bieten und kaum einer hat den Mut, daran etwas mit der Eröffnung eines Gewerbes zu ändern.
Hingegen wird genommen, wo es geht: Die Zugfahrt kostet 4,50 Euro pro Person für eine einfache Fahrt, das Auto würde (so man einen Parkplatz findet) für derzeit 50 bis 150 Cent die Stunde parken – Preistendenz steigend. Auch Kurtaxe wird beim Betreten der Promenade und des Strandes fällig – 1-2 Euro ohne spürbare Gegenleistung, sehr wohl aber durch einen Strandvogt kontrolliert.
Nun kann man entweder Ruinen, Wildwuchs und Anspruchslosigkeit angucken (was man in jedem verlassenen Industriegebiet jeder deutschen Stadt auch kann) oder man investiert Geld in Eis, Fritten, aufgetaute TK-Pizza oder Fischbrötchen, die man zuhause auch kriegt. Vielleicht verirrt man sich in die Orangerie oder geht ins Jagdhaus, dem Großherzoglichen Wartesaal oder ins „Medinis“ oder Grand Hotel zum essen, was man wiederum nicht zur alljährlichen Angewohnheit werden lässt – also so schnell nicht wieder kommt.
Heiligendamm wirbt mit „Meer“. Mehr als „Meer“ findet der Besucher hier auch nicht und einfach nur baden kann er woanders billiger und in schönerem Ambiente. So abgezockt kommt keiner wieder.
3.3. Gesamtkonzept erarbeiten: Auch Bad Doberan kann mehr.
Dasselbe gilt übrigens auch für Bad Doberan. Hier wirbt man mit „Münster, Molli, Moor und Meer“. Das Münster ist gut besucht aber die Mehrzahl der Münster-Besucher sucht gar nicht die Stadt oder findet sie wegen schlechter Beschilderung nicht. Wer am Möckelhaus steht und Richtung Stadt blickt, der sieht dort nur eine Straße mit Häusern, von denen eines (07/2012) auch noch verfallen ist. Für viele lohnt es sich nicht, dort hin zu gehen und sie lernen Severin- und Mollistraße gar nicht kennen; lassen also kein Geld in der Stadt. Ich habe schon oft Leute am Möckelhaus umkehren sehen.
Molli fahren lohnt sich: Ab nach Kühlungsborn, bummeln, shoppen, sich ins Café setzen und am Ende des Tages mit dem Gefühl wieder kommen, dort für sein Geld etwas bekommen zu haben, was man in Bad Doberan „eh nicht bekommen hätte“ (was nicht wahr ist). Die Doberan-Gäste lassen ihr Geld in Kühlungsborn und beim nächsten Mal fahren sie direkt dort hin.
„Moor und Meer“ sind Unsinn: Das Moorbad ist eine Klinik, in die sich kaum ein Tagesgast hinein verirrt. Für Moorbadanwendungen braucht es einer ärztlichen Genehmigung, sodass ins Moorbad nur geht, wer dort auch wirklich hin will. Das Moorbad zieht nicht spontan Gäste an – dazu liegt es zu weit außerhalb. Es liegt auch nicht in der Natur einer Kurklinik, massenhaft Tagesgäste zu bedienen. Ein Moor-Spezialladen wäre sicherlich eine nette Idee aber das eher nicht am südlichen Stadtrand.
Meer hat Bad Doberan nicht und mehr auch nicht: Die Mollistraße, Severinstraße und auch der optisch anspruchslose Markt werden für Touristen interessant sein, wenn sie denn dort hin finden würden. Wer nicht gerade mit dem Molli kommt oder den Mollischienen und Hauptverkehrsadern folgt oder einmal zu den viel zu hoch angebrachten eintönigen und daher uninteressanten Wegweisern hinauf schaut, der verläuft sich nicht zufällig in die Stadt. Die Parkgestaltung zwischen Klostermauer und Kornhaus lädt zum Gang in die Stadt ein aber hier fehlt eine direkte Fußweg-Anbindung an den Bachgarten, also ein Durchgang links vom Amtshaus. Außerdem ist der Städtische Bauhof mit seinen herunter gekommenen Häusern und der unaufgeräumten Hoffläche ein enormer Störfaktor in der sonst attraktiven Parkanlage.
Bad Doberan kann mehr – Bürgermeister Thorsten Semrau hat es richtig erkannt, muss nun aber auch konkret herausfinden, was genau „mehr“ ist und das konsequent umsetzen.
3.4. Einkaufs- und Bummelmöglichkeiten in Heiligendamm schaffen.
In Heiligendamm gibt es bereits Konzepte, die auf der Vision des Star-Architekten Robert A. M. Stern beruhen und von der FUNDUS-Gruppe ausgearbeitet wurden: Die Pläne sehen an der Kühlungsborner Straße zwischen Bahnhof und Grand Hotel einen Gebäudekomplex vor. In diesem soll es hochwertige Wohnungen geben, die man sich langfristig – z. B. als Zweitwohnung – mieten kann. Wer sich diese Wohnungen leisten kann, würde auch von den kulturellen Angeboten des Grand Hotels, dem SPA-Bereich, dem Golf-Ressort, Biohof etc. Gebrauch machen und somit auch in der Nebensaison für Einnahmen sorgen.
Im Erdgeschoss dieses den Stilen des Klassizismus und Historismus nachempfundenen Komplexes soll es Gewerbeflächen geben. Über die FUNDUS-Gruppe selbst würde hier ein ausgewogener und ausgefeilter Branchenmix entwickelt werden, ähnlich wie im Ostsee-Park gezielt nur bestimmte Geschäfte und Gewerbe angesiedelt werden. Dieser Branchenmix würde alle Gäste ansprechen, denn es wäre für jeden etwas dabei, von Gucci bis Tom Taylor.
Nicht zuletzt mag zwar das belegte Brötchen bei „Kamps“ teurer sein, als beim Lila-Bäcker aber es sind keine ungewohnt hohen Preise: Auf vielen Hauptbahnhöfen gibt es auch „Kamps“. Der Ritterschlag für jeden, der von sich sagt, ein attraktiver Touristenort zu sein, ist Gosch-Sylt. Warnemünde hat ihn – Bad Doberan und Heiligendamm nicht.
Aktuell ist die Frage offen, wie dieser so wichtige Punkt umgesetzt werden soll: Die Finanzierung war vom Erfolg des Grand Hotels und der Perlenkette abhängig. Beides wurde jahrelang eher behindert als unterstützt und somit ist die Finanzierung derzeit und wohl längerfristig nicht möglich. Die ECH wird hier möglicherweise Partner finden müssen, maßgeblich ist aber auch hier der neue Betreiber des Hotels gefragt, denn die Bewohner der Appartements müssen die Angebote des Grand Hotels nutzen können und die Gäste wiederum profitieren von den Gewerbeangeboten.
3.5. Heiligendamm mit Bad Doberan und Börgerende verbinden.
Wer auch immer in Zukunft die Geschicke in Heiligendamm lenkt, der muss diese Geschäfte an diesem Standort aufbauen. Damit wird Heiligendamm den Ortskern bekommen, den so viele irritierte Gäste jetzt suchen und nicht finden. Da es in Börgerende neu entstandene und teilweise hochwertige Villen direkt an der Küste gibt, sollte man bis zum Bau eigener Geschäfte in Heiligendamm auf die dortigen Gewerbeflächen zugreifen und in Börgerende all das ansiedeln, was in Heiligendamm fehlt. Die Idee der Erweiterung Heiligendamms nach Osten ist 150 Jahre alt und wurde bis zum Ende der Monarchie konsequent voran getrieben.
Zwar ist es rechtlich heute nicht mehr möglich, Heiligendamm und Börgerende baulich zu verbinden aber es ist möglich, die Promenade auf ganzer Länge ansprechend auszubauen und somit zur längsten der Ostseeküste zu machen. Diese Verbindung bringt anspruchsvollere Gäste aus Börgerende nach Heiligendamm, wo sie im Grand Hotel die Angebote finden, die sie in Börgerende vermissen. Und sie bringt die Gäste Heiligendamms nach Börgerende, wo sie einen Teil dessen finden, was Heiligendamm derzeit und die nächsten Jahre nicht bietet.
Aus dieser anfänglichen Zusammenarbeit kann sich eine touristische Einheit mit gemeinsamen Marketing bilden, denn Heiligendamm und Börgerende liegen einerseits eng beieinander und andererseits weit genug entfernt von Warnemünde und Kühlungsborn. Beide Orte können voneinander zehren: Ein gemeinsamer echter Kurpark würde für den Seeheilbadstatus Heiligendamms und den Seebadstatus Börgerendes gleichermaßen zuträglich sein. Alles was die Einheit „Heiligendamm-Börgerende“ nicht zu bieten vermag, kann Bad Doberan ergänzen. Dieses Trio wäre unschlagbar, wenn es zueinander finden würde. Den Investoren (Käufern der Wohnungen in den Villen) in Börgerende wurde ein gleichwertiges Hotel in ihrer Mitte versprochen, außerdem wurde ein ansprechendes Umfeld in Aussicht gestellt. Nichts davon ist realisiert worden und darum wollen die Investoren mit dem Grand Hotel zusammen arbeiten. Leider zeigt sich das Grand Hotel derzeit (07/2012) zwar offen für dieses Konzept, lässt aber sinnlos Zeit verstreichen, sodass die ungeduldige Klientel in Börgerende sich in Warnemünde zu orientieren droht.
4.0 Meer bieten.
Für uns Selbstverständlichkeit, für unsere Gäste das Ziel schlechthin: Die Gäste kommen wegen der Ostsee. Wer hätte das gedacht? Offenbar nicht viele, denn wir haben eine Strandordnung, die es Nacktbadern erlaubt, vor der Promenade nackt zu baden (95% der Badenden würden das nie tun – hier werden also 5% der Badenden bevorzugt und 95% ignoriert). Aber wir haben keine Beach-Volleyball-Netze, keinen Sport- und Spielstrand, keine Badeinsel, keine Strandversorgung, keine Unterstellmöglichkeiten bei plötzlichem Regen, stattdessen nur Sand, Steine und Meer.
Auf einem Schotterparkplatz hinter der Düne parken und an den Strand und ins Wasser gehen kann der Gast auch anderswo und muss dafür nicht erst einen Parkplatz suchen und bezahlen oder zumindest geht es an hunderten Stellen der Nord- und Ostseeküste auch ohne Kurtaxe. Warum soll der Gast gerade in Heiligendamm baden, warum soll er hier herkommen und Kurtaxe bezahlen? Was bekommt er hier, was er anderswo nicht bekommt? Diese Fragen müssen wir uns stellen und ehrlich beantworten: Nichts.
Wer aber mit „Meer“ wirbt, muss auch „Meer“ bieten. Mir wurde klar gemacht, dass die Gäste nicht wegen Wäldern oder Wiesen kommen (die haben sie auch zuhause oder fahren in den Thüringer oder Bayrischen Wald) und auch nicht wegen der Stadt an sich (schon Kühlungsborn und Warnemünde haben mehr zu bieten). Die Gäste kommen nicht, weil sie im Sommer rodeln oder weil sie skaten wollen und sie kommen auch nicht, weil sie ins Gewerbegebiet „Eikboom“ (wozu auch) oder zu den Discountern in der Innenstadt wollen. Sie kommen nicht, weil hier Lidl, Netto und KIK sind und auch die Verwaltungen interessieren sie nicht – das alles haben sie auch zuhause.
Wer an Architektur oder Landschaft interessiert ist – wer also sich Bad Doberan und Heiligendamm ansehen will – der kommt einmal und ist dann zufrieden; kommt erst einmal nicht wieder. Ebenso verhält es sich mit Geschichts-Interessierten: Wer fährt denn schon jedes Jahr nach Bad Doberan, um das Münster zu besichtigen? Wer fährt jedes Jahr hier her, um mit dem Molli zu fahren? Wer fährt jedes Jahr hier her, um alle Geschäfte und Restaurants abzuklappern (und was macht er, wenn er damit fertig ist – was ja angesichts der überschaubaren Anzahl in einem Urlaub zu schaffen ist?).
Der einzige Grund, warum Gäste immer wieder kommen, ist das Meer – die Ostsee mit dem Strand zum Baden. Das zieht die Leute in Scharen an – immer und immer wieder. Aber wenn das Umfeld nicht stimmt, fahren sie im nächsten Sommer woanders hin und es werden immer und immer weniger – das, womit wir Geld verdienen, wird immer wertloser. Das hat Bad Doberan (Heiligendamm) nicht begriffen und bietet nur Strand, nichts weiter und das hat auch Börgerende nicht begriffen, dort bietet man nicht einmal einen ordentlichen Strand, sondern ungepflegte Brandung mit Steinen und angespültem Dreck und einem Plastik-Strandzugang – auch hier FKK vor den Villen.
Meer bieten heißt, einen sauberen feinsandigen und optimaler Weise bewachten Strand zu bieten, die Brandung steinfrei und die Buhnen und Dünen in Ordnung zu halten, einen Sportstrand mit Beach-Volleyball-Netzen auszuweisen, eine Badeinsel anzulegen, saubere Toiletten und eine ansprechende Strandversorgung mit Food- und Nonfood-Angeboten vorzuhalten, eine Strandordnung zu haben, damit Textil- und FKK- Badende nebeneinander aber nicht miteinander baden müssen (95% der Deutschen lehnen Nacktbaden ab) und nicht zuletzt, vernünftige Parkplätze anzubieten. Nichts davon ist in Heiligendamm gegeben. Der einzige Vorteil wenigen anderen Stränden gleich nebenan gegenüber ist, dass der Heiligendammer bewacht ist, dafür kostet das Baden aber Kurtaxe.
5.0 Geschichte erlebbar machen.
Bad Doberan und Heiligendamm haben gegenüber allen anderen Festland-Seebädern einen entscheidenden Vorteil: Wir sind kein erwachsenes Fischerdorf, sondern eine planmäßig entstandene Residenzstadt. Hier residierte und logierte der mecklenburgische Adel. Der Ort mit seinem Ortsteil hat eine großartige Geschichte – die Herzöge aus Schwerin residierten nicht in den großen Hansestädten oder den imposanten Landgütern, sondern in der 80-Lehmhütten-Siedlung Bad Doberan. Hier machten sie Urlaub und hier ließen sie ihre Gebeine im Münster beerdigen.
Hier bauten sie ein Logierhaus, ein Badehaus, später einen Salon, ein Gesellschaftshaus, ein Palais, die Pavillons, das Moorbad, weitere Logier- und Bürgerhäuser – alles großartige und vor allem einzigartige Bauwerke bekannter Baumeister. Aus dem Flecken wurde eine Stadt, aus der Lichtung an der Ostsee das erste Seebad auf dem europäischen Festland. Größen aus Adel, Politik und Wirtschaft, Stars und Sternchen gaben sich die Klinke in die Hand.
Villen wohlhabender Leute schossen wie Pilze aus dem Boden, immer mehr von ihnen siedelten über, um ihren Lebensabend hier zu verbringen. Die Baumeister Seydewitz, Severin und Möckel machten Doberan-Heiligendamm zu ihrem Lebenswerk, brachen daheim alle Zelte ab und ließen sich in Doberan nieder. Heiligendamm war das Sylt des 19. Jahrhunderts, Bad Doberan das Starnberg des Nordens. Heute zieht es mehr Leute hier weg, als hin.
5.1. Kloster geschickt vermarkten.
Diese Geschichte ist durch die DDR-Zeit verloren gegangen. Nach der Wende hat das Doberaner Münster sie für sich wieder entdeckt und vermarktet erfolgreich die Geschichte des Klosters. Die Besucherzahlen geben dem Verein Recht: Über 200.000 Menschen strömen jedes Jahr in das Münster.
Auch Sternekoch Tillmann Hahn hat das begriffen und setzt mit seinem „Torhaus“ auf klösterliche Spezialitäten, während es nebenan im „Klosterladen“ die „Nonfood-Artikel“ mit Kloster-Bezug gibt und gegenüber hat ein Restaurant mit Galerie neu eröffnet – ebenfalls mit Bezug zum Kloster. Um diese Ecke Bad Doberans muss man sich also keine Sorgen machen. Ideen gibt es trotzdem noch: Erlebnisgastronomie, also Essen und Trinken wie die Mönche. Oder Erlebnis-Produktion: Selbst Brot backen, Bier brauen, Schnaps brennen, Wein keltern, Öl pressen, Essen zubereiten – siehe Karls Erdbeerhöfe, die Besuchermagneten der Region schlechthin. Auch Übernachten wie die Mönche wäre eine interessante Variante – vielleicht sogar Kloster-Gruppenurlaub – leben wie die Mönche. Es gibt noch viel Potenzial – es braucht nur Mut, diese Ideen umzusetzen.
5.2. Molli geschickt vermarkten.
Wir werben mit „Münster, Molli, Moor und Meer“. Während das Münster schon gut vermarktet wird, könnte es beim Molli noch etwas mehr sein. Die MBB (Meckl. Bäderbahn) selbst vermarktet sich gut: Es gibt Erlebnisfahrten, den Molli-Führerschein, Führungen, besondere Wagen wie den Salonwagen oder die Traditionswagen, das Molli-Museum, die Restaurants „Großherzoglicher Wartesaal“ und „Mollis Lo(c)kschuppen)“, originalgetreue Fahrkartenschalter, Souvenirs, Marketingartikel und regelmäßige Veranstaltungen, wie der Molli-Lauf, das Bahnhofsfest „Schall und Rauch“ oder das Herzogliche Anbaden.
In Bad Doberan selbst jedoch wird zwar gern auf den Molli als Namensgeber zurück gegriffen aber während man im Steakhaus wenigstens den versprochenen „Molliblick“ hat, ist in der „Molli-Apotheke“ augenfällig nichts vom Molli zu finden – oder ist dor auch der Blick auf den Zug gemeint? Aus Lakritz und Salmiak lässt sich vieles formen – auch eine Dampflok (wenn die MBB mit macht). Das Weinhaus „Schollenberger“ in der Mollistraße hat die Idee verstanden und verkauft „Black Molli“ – einen Lakritzlikör – sowie andere Spirituosen mit regionalem Bezug. An Souvenirs mangelt es nicht – jeder Laden hat irgend etwas zu bieten und die Molli ist immer mit dabei. Das ist lobenswert. Aber an Erlebnissen mangelt es: Außer dem Molliblick oder der Möglichkeit, direkt neben den Schienen zu sitzen, gibt es keine molli-typischen Angebote. Es gibt in Bad Doberan kein Restaurant, das Molli-mäßig eingerichtet ist und in der Mollistraße würden sich Molli-Artefakte geradezu anbieten. Die Terrasse auf dem Molli-Güterwagen ist in Kühlungsborn der Renner. Wie auch alles andere „mollige“ in Kühlungsborn. Aber eigentlich ist doch Bad Doberan Mollis Zuhause. Nicht zuletzt ist natürlich auch die Bahnhofs-Umgebung wichtig für die Attraktivität der Stadt. Hier gibt es bedingt durch Leerstand und Verwahrlosung Nachholbedarf.
5.3. Die gute alte Zeit vermarkten.
Noch weniger gibt es Angebote, die auf die Geschichte Bad Doberans als Residenzstadt eingehen. Dieses Kapitel wurde in der DDR-Zeit aus ideologischen Gründen ausgespart und heute fällt es vielen Münsterstädtern schwer, sich mit der Zeit der Herzöge zu identifizieren. Würden Händler aber begreifen, dass sie mit dieser guten alten Zeit Geld verdienen können, wäre das ein Fortschritt.
Historische Badebekleidung, Kostüme oder auch nur Wimpel, Fahnen und Flaggen sucht man vergebens, historische oder auch nur Geschichts-Bücher findet man inzwischen im Klosterladen und der Tourist-Information aber beides nur mit einem Teil des ganzen Angebotes. Alte Karten oder historische Bilder muss man suchen, wie die Nadel im Heuhaufen, die vom Roten Pavillon gezeigte Dokumentation „Verlorene Gebäude“ war ein voller Erfolg nicht nur bei den Bad Doberanern selbst. Das Interesse an der 826jährigen Geschichte Bad Doberans ist groß, ist es doch die Wiege der Christianisierung des Ostseeraumes.
Es gab in Bad Doberan eine Brauerei, eine Senffabrik und eine Parfümfabrik – hier ließe sich an Traditionen anschließen und zugleich Erlebniseinkauf anbieten. Kein Geschäft in der Stadt wirkt traditionell alt – alle erscheinen wie gerade erst eröffnet. Man sieht, wer schon seit 1990 dabei ist und wer erst seit 2000 aber fast nichts sieht aus, wie 1879 (es sind eher Gaststätten, die das Prinzip verstanden haben aber selbst der Ratskeller sieht neu statt alt aus). In einigen Städten gibt es ganze historische Viertel, in der es vor Geschichte nur so strotzt. In Bad Doberan ist diese Geschichte leider nur äußerlich. In Heiligendamm hingegen weiß man die Historie und Legende zu vermarkten – im Grand Hotel fühlt man sich in die alte Zeit zurück versetzt. Das ist übrigens ein kleiner aber feiner Unterschied: Man soll sich in die alte Zeit zurück versetzt fühlen – das bedeutet aber nicht, dass alles alt und schäbig aussehen soll. Es soll so sein, wie damals. Und es will auch keiner die alten Zeiten zurück: Nur reisen, nicht umziehen.
5.4. Dem Gast die Sommerfrische erleben lassen.
Kennen Sie ein anderes Wort für „Sommerfrische“? Scheinbar gibt es keines – das Wort beschreibt einen Zustand, der seit Jahrhunderten positiv besetzt ist. Sommerfrische in Heiligendamm – das ist ein Synonym für Leichtigkeit, Fröhlichkeit und Erholung. Wenn man als Gast tagsüber durch eine laute und verstopfte Stadt spaziert, dort möglicherweise noch seinen Nachbarn wieder trifft und abends vergeblich ein offenes Restaurant sucht, dann ist man fernab von Sommerfrische. Mit „Sonntags – Leben in Doberan“ hat das nicht viel zu tun. Dabei könnte man gerade diese in so vielen Büchern transportierte Faszination gewinnbringend vermarkten.
Wer möchte nicht auch einmal speisen, wie seine Durchlaucht – in gediegener Atmosphäre von 1825? Oder mit den Händen das selbst gebackene Brot brechen und in die aus Zutaten des Klostergartens selbst gemachte Suppe tunken, wie anno 1300? Oder in einem sommerlichen Café von hübschen Deerns in historischen Kostümen und strammen Buben in Uniformen bedient werden, wie der Herzog persönlich? Diese Ereignisse dürfen nicht nur einmal im Jahr für eine inszenierte Veranstaltung einem festen Personenkreis zugestanden werden. Bad Doberan stand für Sommerfrische, für Leichtigkeit, Ungezwungenheit, Frohsinn und Gemütlichkeit. Heute aber ist es eine Stadt, wie jede andere: Zu viel Verkehr, zu wenig Parkplätze, überlaufene Bürgersteige, zerstückelte Radwege, alles kostet Geld und man bekommt nur was für die Tüte, nichts für das Herz.
5.5. Die Gäste nicht nur bedienen, sondern einladen.
Die erklärenden Tafeln an den historisch wichtigen Gebäuden Bad Doberans, die Stadtführungen, Tage der offenen Tür und die viel zu seltenen Sommerkonzerte sind ein Anfang. Aber sie reichen nicht, denn sie sind zu passiv. Die Leute müssen auf der Straße angesprochen und abgeholt werden – man muss sie einladen, an die Hand nehmen, ihnen zeigen, warum sich Bad Doberan lohnt. Es darf nicht sein, dass Händler und Gastronomen geschröpft werden, wenn sie ihre Auslagen oder Tische nach draußen stellen, um damit Gäste anzulocken. In Leipzig ist das „Barfußgässchen“ eine echte Attraktion: Ein schmaler Gang zwischen unzähligen Tischen und Stühlen und Schirmen – Gaststube an Gaststube. Sehen und Gesehen werden. Wer sie nicht passiert hat, war nicht in Leipzig.
Es kann nicht angehen, dass jemand der eine Bank und einen Sonnenschirm vor die Tür stellt kleinlich abgemahnt wird, weil daneben ein Werbeschild steht. Im Gegenteil: Wer die Stadt verschönert, sollte belohnt werden – sollte dezent für sein Gewerbe werben dürfen.
Man muss ehrlich sein und zugeben, dass im Moment in Bad Doberan und seinen Ortsteilen nicht viel lohnenswertes vorhanden ist, man sich nicht auf welken Lorbeeren ausruhen darf und die riesigen Potenziale nutzen muss. Wir brauchen die Touristen heute schon – nicht erst in 10 Jahren. Wir werden uns nicht durchwursteln, werden es nicht „irgendwie schaffen“, es wird sich auch nichts „von selbst ergeben“ oder „schon wieder einrenken“ – das funktioniert mit den heimischen Finanzen schon nicht, es funktioniert in zerrütteten Beziehungen nicht, in schlecht geführten Unternehmen nicht: Warum in aller Welt sollte es also in einem so großen Gebilde wie eine Stadt funktionieren?
6.0 Stadtentwicklung darf kein Zufall sein.
Als der parteilose Thosten Semrau die Nachfolge des SPD-Bürgermeisters Hartmut Polzin antrat, sprach er von einem Miteinander und sagte „Wer vom Ziel nichts weiß, kann den Weg nicht finden.“ Dieser Leitspruch muss Leitspruch der Stadt werden. Alle Bürger (also auch die Politiker und Wirtschaftsleute) Bad Doberans und seiner Ortsteile müssen sich bei diesen Fragen einig werden:
Wem wollen wir etwas bieten?
Für wen entwickeln wir die Stadt?
Für wen entwickeln wir Verkehrskonzepte?
Für wen bauen wir Straßen, Radwege und Rundwege?
Für wen erstellen wir Bebauungspläne und genehmigen Bauanträge?
Für wen bringen wir Beschlussvorlagen ein und stimmen über sie ab?
Wenn die Antwort auf diese Fragen lautet „Für uns Bürger“, dann können wir unsere Hotels schließen, die Läden dicht machen, uns aus den Urlaubs-Angeboten streichen, aus Marketing-Initiativen austreten, unseren Seeheilbad- und Kurortstatus zurück geben. Dann bauen wir in die leer werdenden Häuser Wohnungen hinein, machen das Moorbad zum Wohnhaus, bauen Schulen und Kindergärten, Straßen, Geh- und Radwege, Parks und Einkaufszentren und werden wie Rostocks Stadtteile Schmarl und Groß Klein – gute fußläufige Wohnorte mit hoher Bürgerzufriedenheit aber ohne jeglichen touristischen Reiz. Wir haben den Strand für uns, müssen uns nicht über volle Straßen, Parkplatznot und verstopfte Bürgersteige ärgern, können um 12 Uhr öffnen und um 20 Uhr schließen, jeder kennt jeden und jeder grüßt sich, wie in jedem Dorf üblich.
6.1. Touristenmagnete müssen für Touristen da sein.
Es ist sonnenklar, dass eine Stadt für seine Bürger da sein will: Touristen gehen ja in ihrer Heimat zur Wahl, während Bürger hier wählen gehen. Man will den Bürgern gefallen. Das Problem: Gibt man Geld dafür aus, den Bürgern zu gefallen, bleibt kein Geld mehr für Tourismus übrig. Die Wünsche der Bürger vermehren sich mit ihrer Erfüllung. Wer alles tut, um eine bürgerfreundliche Stadt zu werden, vergrault die Touristen. Es ist wie mit der Familie: Wer erst seine Familienmitglieder bedient und zuletzt den Gast, der wird diesen Gast nicht wieder sehen.
Zugleich ist es in Bad Doberan schon längst gar nicht mehr möglich, den Bürgern alles zu bieten, was sie im Alltag brauchen. Es fängt damit an, dass man in Bad Doberan an Ampeln warten und im Stau stehen muss, um dann einen Parkplatz zu suchen, der in der Regel kostenpflichtig ist. Dann erst beginnt der im Zeitfenster des Parkscheins eingeordnete Bummel und für Alltagsbesorgungen muss man die Severin- und Mollistraße ablaufen, seine Tüten füllen und schleppen. Das alles muss man nicht, wenn man in einen Discounter oder ein Einkaufszentrum fährt, sein Auto auf dem kostenlosen Parkplatz abstellt, einen Korb nimmt, ihn durch den Markt oder die Geschäfte schiebt, die Waren ins Auto um lädt und nach Hause fährt. Umso größer das Einkaufszentrum, umso komfortabler ist es für den Kunden – also hier in erster Linie den Einheimischen, den die Discounter und Einkaufszentren ja vorrangig ansprechen.
Kurzum: Das City-EKZ (Netto, KIK), das EKZ am Walkmüller Holz (Edeka, ALDI) und der Ostsee-Park in Sievershagen laufen gut, die Discounter auch aber die Innenstadtgeschäfte werden von Einheimischen nur am Wochenende besucht, so sie dann überhaupt geöffnet sind. Man kann in Bad Doberan nichts gegen diese Entwicklung tun. Die Händler haben sich darauf eingestellt und ihre Angebote ganz auf die Touristen ausgerichtet. Nur wenige Innenstadt-Geschäfte decken den täglichen Bedarf der Bürger ab. Die Händler bedienen die Gäste, während die Politiker noch versuchen, die Bürger zu umgarnen und es den Händlern und Gastgebern damit schwer machen. Darum sind es auch die Händler und Gastgeber, die am lautesten auf das Rathaus einreden. Zu Recht! Ihnen muss zugehört werden.
6.2. Management-Team statt Mädchen für alles.
Das Rathaus aber ist es, das Verkehrs- und Parkraumbewirtschaftungskonzepte erstellen und den Tourismus steuern muss. Es reicht nicht, eine ( wenn auch wirklich kompetente) Person einzustellen, damit sie die Tourismuszentrale steuert, wenn sie sich das Konzept dafür allein ausarbeiten und auf das Wohlwollen ihres Arbeitgebers hoffen muss. Auch mit Helfern schafft es die Chefin der Tourismuszentrale nicht, gleichzeitig Kurortmanagerin und Citymanagerin zu sein, so wie es der Bürgermeister nicht schaffen würde, auf seine Amtsleiter zu verzichten. Es ist nett, sie unterstützen zu wollen und darum zu suggerieren, sie hätte alles im Griff aber es nützt nichts, wenn es nicht so ist. Sie hat zu wenig Kompetenzen und handelt nicht nach einem stadtumfassenden Plan. Sie ist gezwungen zu reagieren, kann aber kaum initiativ werden.
Auch in einer Steuerungszentrale muss es verteilte Aufgaben geben: So wie das Schiff einen Kapitän, einen Ersten Offizier und einen Leitenden Ingenieur hat, so braucht auch das Schiff „Tourismuszentrale“ eine feste Aufgabenteilung. Will man der Tourismuszentrale zugleich Kurort- und Citymanagement zumuten, muss es einen Kurortmanager und einen Citymanager geben, über denen beiden dann die Chefin der Tourismuszentrale in der parallelen Aufgabe als Tourismusmanagerin steht. Alle Managements müssen dabei logischerweise Hand in Hand gehen – beim Schiff kann auch nicht jeder machen, was er will.
7.0. Ziele definieren und Konzepte entwickeln.
Ohne definiertes Ziel fährt man sinnlos umher und kommt nirgendwo an. Leider ist das derzeit die Situation der Stadt: Keiner weiß, wohin es gehen soll und somit treibt das Boot über lange Strecken und wenn gerade ein paar Leuten etwas einfällt, wohin man ja mal fahren könnte, dann bekommt der Steuermann den Auftrag, das Schiff dorthin zu lenken. Dort angekommen finden andere es anderswo schöner und wollen lieber dort hin. So fährt das Schiff im Zickzackkurs kreuz und quer über den See, nie ist jemand zufrieden und nie kommt es an. Am Ende ist der Tank leer und alle werden hungern, vielleicht meutern und sich gegenseitig abschlachten.
Welche Konzepte braucht man nun genau?
Zuerst muss ein Tourismuskonzept her: Welche Zielgruppe möchte ich ansprechen? Nur die Tagesgäste, von denen ich raue Mengen brauche, um an ihnen zu verdienen und die mir dafür die Stadt verstopfen, Müll und Abgase verursachen?
Oder lieber anspruchsvolle Gäste, denen ich zwar nicht mit Sommerrodelbahn und Strand-Imbiss kommen brauche, die aber gut bedient und zufrieden mehr Geld bei weniger Leuten bringen würden?
Oder bediene ich das Mittelmaß, bin also nur mittelmäßig und reihe mich in die Liste der namenlosen Seebädchen und solcher ein, die es werden möchten oder zu sein vorgeben?
Oder will ich allen etwas bieten: Vom anspruchslosen Camper bis hin zum luxusverwöhnten Unternehmer?
Kann ich das bieten – habe ich überhaupt den Platz dafür? Ein Fünf-Sterne-Hotel in Bad Doberan zu bauen (z. B. das Moorbad) wäre kein so großes Problem. Hingegen aber in Heiligendamm außer den Luxus-Urlaubern auch noch Camper unterzubringen und eine Jugendherberge zu bauen, funktioniert nicht.
Verbindet man Heiligendamm mit Börgerende, ist mehr drin, nimmt man Bad Doberan mit dazu, geht fast alles. Trotzdem: Man braucht ein Tourismuskonzept, muss sich die Fragen beantworten, welche Klientel man mit welchen Angeboten locken, befriedigen, uns loben und immer wieder her kommen lassen kann. Die Gäste müssen Platz finden, ihre Erwartungen (Ostsee-Urlaub) müssen vollständig erfüllt und am Besten noch übertroffen werden.
7.1. Nach dem „Wohin?“um das „Wie“ kümmern.
Wenn man ein Ziel hat, findet man auch einen Weg dorthin. Zwei Beispiele zeigen, dass man mit Visionen nicht unbedingt zum Arzt muss: Als Hamburg ganz unten war, kam Henning Voscherau und vermittelte die „Vision der wachsenden Stadt Hamburg“. Er fand Anhänger und Mistreiter und schon bald arbeiteten Mehrheiten in Senat und Bürgerschaft für eine wachsende Stadt. Die Folgen sind unübersehbar: Hamburg wuchs und wächst immer noch. Das hat natürlich auch eine Kehrseite, denn die Stadt frisst das Umland aber die Hamburger sind wieder stolz auf ihre Stadt und Voscherau war einer der beliebtesten Oberbürgermeister der Hansestadt.
Auch in Rostock folgte man Visionen: Das herunter gekommene graue Rostock sollte wieder in altem hanseatischen Glanz erstrahlen; wieder bedeutendste Hafenstadt des Landes werden; Universitätsstadt, Gesundheitsstadt und Einkaufsstadt werden. Die Infrastruktur sollte überarbeitet und Rostock für das internationale Parkett tauglich gemacht werden. In Rekordzeit veränderte Rostock sein Gesicht, wie keine andere ostdeutsche Hansestadt: Wahrlich auferstanden aus Ruinen ist eine bunte und abwechslungsreiche Stadt mit einem Messe- und Kongress-Zentrum, großen Einkaufstempeln, einem stetig wachsenden Klinik-Komplex, einer sich behauptenden und immer weiter aufstrebenden Universität und einer Kulturlandschaft, die schwerpunktbildend für die ganze Region ist. Das Straßennetz wurde saniert, der Warnowtunnel und der Autobahnzubringer gebaut, das Straßenbahnennetz erweitert, es entstehen wichtige Verkehrsknotenpunkte und auch der Hafen befindet sich im stetigen Wachstum. Noch immer gibt es reges Interesse an Grundstücken, es entstehen Bürohäuser, Hotels, Wohnkomplexe, Gewerbeflächen und Gebäude für Wissenschaft und Forschung.
Der amtierende Oberbürgermeister Roland Methling legte jüngst eine neue Vision vor: Die Neugestaltung des Stadthafens als Wohn- und Gewerbekomplex, Kulturstandort und maritime Erlebniswelt. Folgen Senat und Bürgerschaft auch dieser Vision, werden sie Geschichte schreiben.
In Bad Doberan gibt es keine Visionen: Keiner weiß, wohin die Stadt sich entwickeln soll. Soll es eine reine Wohnstadt sein oder soll sie Touristenmagnet werden, soll sie eine Einkaufsstadt sein; will man nur das Umland ansprechen oder ganz Deutschland? Wollen wir Luxus-Tourismus oder reichen uns die anspruchslosen Massen; wollen wir viel Geld verdienen oder reicht uns ein mittelmäßiges Einkommen? Was wollen wir haben, was kostet es und was sind wir zu geben bereit?
Die Stadtvertreter zerreden derzeit viele Probleme, weil es kein gemeinsames Ziel und keine gemeinsame Vision gibt. Jeder macht seinen Vorschlag für sein Anliegen – ein gemeinsames Anliegen gibt es ja nicht. Der Versuch, über eine Klausurtagung gemeinsame Ziele auszuarbeiten hatte nur mäßigen Erfolg. Viele Stadtvertreter missverstanden diese Tagung so, dass alle gleicher Meinung sein sollen. Das aber war nicht Ziel des Initiators Prof. Rolf Kuchenbuch (CDU): Er wollte konstruktiv an der Zieldefinierung arbeiten. Die Stadtvertreter und die Stadtverwaltung müssen sich erneut zusammen setzen und in Klausur gehen – sie müssen eine Vision für die Stadt erarbeiten.
Erst dann können sie konstruktiv arbeiten. Mit einer gemeinsamen Vision lassen sich klare Wege aufzeichnen und es gibt keinen Grund mehr, sich zu streiten. Wenn es zwei Wege zum selben Ziel gibt, muss man sich nur einig werden, welchen man geht. Meistens aber führt eh nur ein Weg zum Ziel, sodass es gar nichts zu diskutieren gibt. Schlecht für Leute, die gern laut reden und sich an den Problemen der Stadt profilieren wollen – gut für die Stadt.
Wenn man sich über das Ziel einig ist, kann man sich gezielt Fragen stellen, wie:
Reicht es, sämtliche Grünflächen als Parks zu deklarieren oder sollte man anspruchsvolle Parkanlagen und Landschaftsgärten bauen, die zugleich als Kurpark taugen und damit den Seeheilbad- und Kurortstatus untermauern?
Reicht es, die Straßen mit Autos zu verstopfen oder sollte man die Ruhe und das Idylle betonen und die Architektur in Szene setzen, indem man die Autos „stapelt“ – in Parkhäusern und Tiefgaragen „verschwinden lässt“? Autos stehen für Abgase, schlechte Luft, Krankheit – passt das zum Kurort?
Einladung zu einer Vision.
Ich lade Sie ein, an einer möglichen Vision teilzuhaben und selbst mitzugestalten. Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einer Stadt, die jährlich hunderttausende Gäste anzieht, weil sie für den besten Ostsee-Urlaub des Lebens steht. Stellen Sie sich vor, zufriedene Gäste diese Stadt und ihre Leute loben zu hören, sie sagen zu hören, wie stolz wir auf unsere Stadt sein können und wie sie uns dafür beneiden, dort wohnen zu können, wo andere Urlaub machen.
Bekannt ist diese Stadt als erstes deutsches Seebad und Residenzstadt der Großherzöge Mecklenburgs. Tausende zieht es in das Münster und das Klosterareal, wo sie wie die Mönche speisen, nächtigen und sogar leben und arbeiten können. Aus aller Welt kommen Gruppen und Familien, um einmal für ein paar Tage in die Geschichte einzutauchen und das Abenteuer ihres Lebens zu verbringen. Was woanders Bootcamp und Segeltörn ist, das ist in Bad Doberan der Kloster-Urlaub. Spirituelle und suchende Menschen lieben dieses Angebot und Familien lieben die Möglichkeiten, hier selbst aktiv zu werden, Kräuter zu pflücken und zu bestimmen, Obst und Gemüse zu ernten, Brot zu formen und zu backen, beim Bierbrauen, Schnapsbrennen und Weinkeltern dabei zu sein, Kerzen zu formen, Ziegel zu brennen, gemeinsam mit Holz, Lehm und Ton etwas zu gestalten und gemeinsam etwas aufzubauen.
Genauso beliebt ist der Molli, der durch die Stadt fährt und den es auch als Brot zu kaufen gibt, nach dem ein Lakritzlikör benannt ist und dem ein Restaurant nach empfunden ist. Das Molli-Café in einem ausrangierten Waggon auf dem Bahnhof ist beliebtes Ausflugsziel und ergänzt zugleich das dürftige Bahnhofs-Versorgungsangebot. Mitfahrten, Lok-Führerschein und Ehrenmitgliedschaft sind nach wie vor begehrt und die Kleinen wollen unbedingt die neuen Lokführer-Kinderuniformen tragen. Die Autofahrer nutzen die neuen Park+Ride-Tickets der MBB, lassen ihr Auto im neuen Parkhaus am Bahnhof stehen und fahren mit dem Molli weiter. Perfekte Ergänzung ist die kostenlose Fahrradmitnahme beim P+R-Ticket, denn am Parkhaus gibt es gleich die passenden Leihfahrräder.
Auch das Moor hat wieder seine alte Bedeutung zurück erlangt: Jeder kann Mooranwendungen machen und spezielle Moorprodukte mit nach Hause nehmen. Außer Moorbäder gibt es auch jede Menge anderer Heilbäder, wie Stahlbäder, Schwefelbäder, Kräuterbäder und ayurvedische Behandlungen.
Der größte Renner jedoch ist das Meer mit seinem feinen Sandstrand, nur unterbrochen durch einen Küstenvorsprung in Heiligendamm und die Schleuse vor Börgerende. Auf ganzer Länge von ca. 6 Kilometern können die Gäste baden, an bestimmten Stellen Beachvolleyball spielen, zu den Badeinseln schwimmen, Kiten, Surfen und Wasserski fahren. Am neuen Jachthafen legen immer mehr Jachten an und auf dem Conventer See kann Ruder- und Tretboot gefahren, gepaddelt und gesurft werden. Ein Kurpark verbindet Heiligendamm, Börgerende, Rethwisch, Bad Doberan und die Galopprennbahn mit ihren wieder aufgebauten Tribünen; man kann den Conventer See umrunden, seltene Vogelarten beobachten und auf einem Naturlehrpfad die Flora und Fauna an der Ostseeküste erkunden. Eine Straße führt vom Kreisel zur Seedeichstraße, an der sich ein Parkplatz für Pkws, Busse und Fahrräder, ein Sanitärgebäude und eine Strandversorgung mit großem teilüberdachten Außenbereich befinden. Nach Osten gelangt man über die lange Seepromenade parallel zum Kurpark in das jüngste deutsche Seebad Börgerende mit den ansprechenden Villen hinter dem Deich, dem Vier-Sterne-Hotel in seiner Mitte und dem abwechslungsreichen Angebot an Gastronomie, Kultur, Sport und Erlebnis. Nach Westen geht es in das älteste deutsche Seebad mit seinem großartigen weiß strahlenden Ensemble, in dem das Grand Hotel die Spitze der Luxushotellerie Mecklenburg-Vorpommerns bildet. Vom großen Seebrückenvorplatz direkt neben dem Golfteich geht es vorbei am Thalasso-Zentrum in seinem römischen Tempelstil vorbei über die einladende Promenade an den liebevoll sanierten weißen Villen der berühmten „Perlenkette“ entlang zur kleineren Seebrücke, vor dem sich ein Visitor-Center befindet. Wer mag, kann hier Informationen zu Bad Doberan – Heiligendamm und Börgerende bekommen, sich Fragen beantworten lassen, Tickets und Eintritsskarten kaufen und an Führungen teilnehmen.
Und wem der Fußweg zu anstrengend ist, der leiht sich ein Fahrrad oder lässt sich mit einer Rikscha kutschieren oder steigt in den Mini-Molli der MBB, der zwischen Heiligendamm und Börgerende verkehrt.
Zu guter Letzt: Versuchen Sie es erst gar nicht – Heiligendamm ist unvergleichlich.
In all den Jahren, die ich die Diskussion dokumentiere, hat mich eines am Meisten gestört: Die Leute vergleichen Heiligendamm mit Kühlungsborn, Börgerende, Nienhagen, Warnemünde, Graal-Müritz und Boltenhagen, mit Sylt oder irgend welchen Burgen, Schlössern und Hotelanlagen. Ich möchte Ihnen zeigen, warum das nicht funktioniert:
Fangen wir mit Hotelanlagen an: Es gibt jede Menge Hotelanlagen auf der ganzen Welt, die ohne Zäune auskommen und die auch für Tagesgäste attraktiv sind. Das nächstgelegene Beispiel ist da die wunderschöne „Yachthafenresidenz Hohe Düne“ (YHD) bei Warnemünde. Jeder kann durch das Areal spazieren, in den Läden einkaufen, in den Gaststätten speisen, im SPA baden und saunen oder eben richtig einchecken und sich ein Zimmer nehmen. Das alles kann man jeder auch in Heiligendamm – es weiß nur keiner, weil die einen glauben, dass das sowieso nicht geht (was ihnen ja von Hotel-Gegnern auch vorgegaukelt wird) und die anderen glauben, dass sie es sich sowieso nicht leisten können. Das ist die Eigenart der Sterne-Klassifizierung: Bei vier Sternen glaubt man, sich das noch leisten zu können, bei fünf schon nicht mehr. Die YHD kommt größtenteils ohne Zäune aus, arbeitet dafür aber mit Hecken. Wer es nicht weiß, achtet nicht drauf aber auch hier werden die Besucher ganz gezielt gelenkt und Tagesgäste verirren sich nicht in sensible Bereiche. Das ist bei jedem Hotel so, nur in Heiligendamm hat man richtige Zäune benutzt. In Heiligendamm gab es Gewohnheiten, auf bestimmten Wegen von A nach B zu gelangen und es gab und gibt Leute, die Änderungen nicht akzeptieren und damit auch über Hecken steigen und sogar Bänke aus der Verankerung lösen, Zäune einreißen, Pflanzen ausreißen und über Zäune klettern. Darum sind aus kleinen Holzzäunen massive Metallzaunfelder geworden. Auf der Hohen Düne gibt es dieses Problem nicht: Hier war ein recht karges Brachgelände, das völlig überbaut wurde. Wenn man irgendwelche Hotels vergleicht, dann muss man sie mit dem Grand Hotel vergleichen aber den ganzen Ort ringsherum aussparen. Heiligendamm ist nicht das Grand Hotel, so wie ja auch die Hohe Düne nicht die YHD ist, sondern auch Wohnstätte, Gewerbegebiet, Militärgebiet, Tourismuszentrum und Hafengelände. Vergleicht man nun nur die Hotels miteinander, findet man mehr Gemeinsamkeiten, als Unterschiede.
Nun werden Sie versucht sein, Warnemünde und Heiligendamm zu vergleichen.
Beides sind nur Stadtteile größerer Städte, beide wirken recht eigenständig. Aber Warnemünde war ein Fischerdorf, das über Jahrhunderte entstanden ist und dann entdeckt und zum Tourismusstandort gemacht wurde. Warnemünde entwickelt sich wie eine ganz normale Stadt, es gibt ein Ortszentrum, es gibt Touristenmeilen, Einkaufsmöglichkeiten, Kultur, Kunst, Wissenschaft, produzierendes Gewerbe, Industrie, die Werft, den Hafen, das Kreuzfahrtterminal, den internationalen Bahnhof, Fähr- und Schiffsanleger und eine riesige Tourismusindustrie. Warnemünde ist gemacht für den Massentourismus und die Gäste, die in Warnemünde die Inseln der Luxushotellerie aufsuchen, wollen diesen Trubel, dieses weltstädtische und maritime. Sie kommen wegen all dem, was laut, bunt und schrill ist und sie lieben es.
Heiligendamm ist genau der Gegenpol: Absolut keine Weltstadt, keine Industrie, kein Lärm, kein Trubel. Hier kommt der Gast her, um Ruhe zu genießen, auszuspannen, mit der Natur und dem Meer eins zu werden, sich verwöhnen zu lassen, sich gehen zu lassen (nur das ist damals ausgeartet zu rauschenden Bällen) und um zu sich selbst zu finden. Hier will er das Meer rauschen und die Vögel zwitschern hören, unterbrochen vom Tuten der Molli und hier will er frische saubere Meer- und Waldluft tanken, unterbrochen vom eigenartigen Dampf-Duft der Molli. Alles was hier die Ruhe und Sauberkeit stört, das stört und darum wurde der Massentourismus von vornherein ausgeschlossen. Produzierendes Gewerbe endet beim Biohof und maritim endet bei der Motoryacht. Heiligendamm wurde als Seebad geplant und gebaut – jegliche Infrastruktur war auf das Ensemble ausgerichtet – egal, ob da nun ein Hotel oder ein Sanatorium drin war. Heiligendamm ist ein Stadtteil und das Hotelgelände wiederum ein Stadtteil im Stadtteil. Schon darum MUSS Heiligendamm sich anders entwickeln, als Rostock-Warnemünde. Unvergleichbar also.
Dasselbe gilt für Graal-Müritz, für Kühlungsborn und Boltenhagen.
Alles sind Städte mit eigenem Rathaus, eigener Verwaltung, eigenen städtischen Konzepten und Rahmenplänen, über Jahrhunderte entstanden und gewachsen, ausgelegt für ein breit gefächertes Publikum. Alle verdienen an allen, es gibt Platz für alle und es gibt einen Markt, der alle Touristen in einem ausgewogenen und sich selbst regulierenden Branchen- und Angebotsmix bedient. Alle diese Orte haben ein Zentrum, haben Touristenmeilen, Einkaufsflächen, Gewerbe, mitunter auch Industrie und die maritime Wirtschaft als in Heiligendamm so nicht vorhandenen Standortfaktor. Man kann diese Städte schon kaum mit einem Stadtteil vergleichen, erst recht aber nicht mit einem Hotel oder einem als Seebad konzipierten Ortsteil. Orte vergleicht man am besten direkt mit Bad Doberan unter Einbeziehung Heiligendamms als Stadtteil. Und hier stimmt der Vergleich: Andere Orte sind weiter, weil die Zeichen der Zeit schnell erkannt wurden und wichtige Entscheidungen schneller und unkomplizierter getroffen wurden. Aber die Stadtvertreter werden auch dort von den Bürgern gewählt – die Schuld nur im Rathaus zu suchen, wäre falsch.
Dicht dran und doch daneben: Börgerende und Nienhagen.
Die beiden Nachbarn Heiligendamms – man kann beliebig auch Wittenbeck, Diedrichshagen oder jede andere Gemeinde dazu nehmen – erscheinen auf dem ersten Blick vergleichbar. Wirklich gut vergleichen lassen sich Börgerende und Nienhagen oder eben auch Wittenbeck oder Diedrichshagen. Alle diese Gemeinden haben gleiche Voraussetzungen: Sie liegen mehr oder weniger nah und breit am selben Wasser, sind alle per Auto, Rad und Pedes zu erreichen, es sind alles Wohnorte mit wenig produzierendem Gewerbe, begrenzten Gewerbeflächen und einem überwiegend landwirtschaftlichen und weniger maritimen Umfeld. Alle diese Gemeinden haben ehrenamtliche BürgermeisterInnen und ehrenamtliche GemeindevertreterInnen und gehören einem Amt an, das ihnen Finanzen, Verwaltung und Planung abnimmt. Eigentlich versteht sich das Amt als Dienstleister, einige sehen in ihm aber diktierende Funktionen. Heiligendamm gehört keinem Amt an. Heiligendamm ist Stadtteil, wie Walkenhagen, Althof und Vorder Bollhagen und alle Fäden laufen im Rathaus der Stadt zusammen. Der Bürgermeister arbeitet hauptamtlich, die Stadtvertreter ehrenamtlich und alles was sie beschließen, wird direkt umgesetzt. Damit ist Heiligendamm schon einmal in einer ganz anderen Position: Es gibt keinen Bürgermeister explizit für Heiligendamm und auch keine Stadtvertreter; es gibt nicht einmal einen Ortsbeirat. In einer Stadt fallen mehr Kosten an, als in einem Dorf; die Verteilung erfolgt anders und muss einer größeren Masse an Bürgern gerechtfertigt werden können. Bad Doberan allein hat einen Haushalt, der annähernd die Größe aller 11 Gemeinden des Amtes Doberan-Land hat, nimmt also zwar mehr ein, gibt aber auch mehr aus. Dörfer schwanken stets zwischen Weiter-sein-als-Städte und „Städten-hinterher-hinken“. Derzeit sind sie weiter, als Bad Doberan, durch die Doppik (Doppelte Haushaltsführung in Kommunen) kehrt sich derzeit das Blatt um und der Höhenflug der Dörfer wird gestoppt. Das macht Bad Doberan nicht automatisch schneller, zeigt aber, dass Dörfer und Städte wie früher recht unterschiedliche Gebilde sind, deren Gemeinsamkeiten sich zwar finden aber deren Gesamtsituationen sich nur mühsam tiefgründig vergleichen lassen. Börgerende kann Seebad werden aber nicht Seeheilbad, Wittenbeck kann nur Kurort werden, Nienhagen hingegen könnte es auch zum Seeheilbad schaffen – das sind ganz unterschiedliche Perspektiven und jede Gemeinde tut auch nur das, was ihr nützt.
Ein Vergleich für sich: Sylt vs. Heiligendamm.
Sylt ist noch nicht lange eine eigenständige Gemeinde. Bis vor wenigen Jahren hatte jede Gemeinde eine eigene Verwaltung und nur kleine Gemeinden wurden zusammen gelegt. Da Sylt sich als eigenständiges Ding versteht und stets die ganze Insel und die ganzen Angebote vermarktet, war die Zusammenlegung nur logisch. Sylt begreift sich als Marke, sieht sich als Ganzes und verkauft sich dementsprechend. Die Insel lebt vom Massentourismus, der die Wohnmöglichkeiten der Sylter immer weiter zurück drängt. Ein praktisches Beispiel aus dem Bekanntenkreis (meine erste Freundin ist Westerländerin): Das großelterliche Haus wird nach dem Tod des Ehepaares verkauft, der neue Eigentümer reißt es ab und baut eine Strandresidenz mit mehreren Ferienwohnungen.
Sylt und Heiligendamm haben in der Tat eine ähnliche Geschichte: In Heiligendamm war es der mecklenburgische Adel, der seine Sommerfrische in der kleinen insularen Lichtung an der Ostsee suchte und auf Sylt waren es deutsche Dichter und Künstler, die hier Ruhe und Abgeschiedenheit der kargen Insel nutzten und sich nackt in die Fluten der Nordsee stürzten. Beide Orte erlebten allein durch das Vorhandensein dieser hohen Gesellschaft einen Zustrom bis hin zum Aufschwung.
Während in Heiligendamm zunächst saisonale Logis reichte, setzte man auf Sylt gleich auf private Sommerhäuser. Später nahm der Trend ein wenig ab und es entstanden auch Ferienwohnungen, in Heiligendamm nahm – alles natürlich 100 Jahre vorher – der Trend zu Eigentumshäusern zu. Die Entwicklung beider Orte – die ja beide keine Orte sind – nahm einen ähnlichen Lauf: Den Reichen und Schönen folgten Leute, die an ihnen verdienen wollten und solche, die es ihnen nachmachen wollten. Beide Orte wuchsen, entwickelten sich und wurden zu lebenden Legenden. Wenn man Heiligendamm vergleichen will, dann mit Sylt.
Aber Sylt hat seine goldenen Jahre wie Heiligendamm längst hinter sich gelassen: Die Reichen und Schönen machten Urlaub in Kampen, feierten rauschende Partys, jeder DJ erlangte Kultstatus, selbst Barkeeper und Parkplatzeinweiser wurden berühmt und Sylt avancierte zum Synonym für die High-Society. „Holiday auf Sylt“ wurde besungen, die Ärzte wollten „zurück nach Westerland“. Wer es sich leisten konnte, fuhr im eigenen Porsche, Benz oder Ferrari vor und schlürfte lässig und braungebrannt Champagner. Wer es sich nicht leisten konnte, lieh sich den Porsche, Benz oder Ferrari vom lang ersparten Geld und nahm billigeren Champagner. Es gab sogar Türsteher, die mit geschultem Blick die „Möchtegern-Promis“ abwiesen. Das ist eine Sylt-Eigenart, die von Heiligendamm so nicht überliefert ist. Wohl aber kann man heute Anflüge davon beobachten.
Heute ist Sylt kein Ort der Schönen und Reichen mehr – die haben ihre Zelte abgebrochen und sind nach Süddeutschland und Österreich an die Seen mit den bekannten Namen gezogen oder wenn sie nicht von der Insel lassen konnten, nach Mallorca, Ibiza und Lanzarote. Nur wenige traditionsbewusste oder verharrende Hartgesottene tun sich Sylt noch an – zu normal, zu alltäglich und vor allem zu überlaufen – Tendenz dank dem von echten Syltern verabscheuten Bauboom wieder steigend.
Heiligendamm hingegen hat ein Rezept, um wieder zu werden, was es war: Es konzentriert sich auf die Reichen und Schönen (bitte immer nur als Synonym betrachten) und es vergrault seine Tagesgäste (was zwar nicht Sinn der Sache aber Tatsache ist). Selbst die Gegner Jagdfelds tragen dazu bei, dass Heiligendamm nur noch für Reiche und Schöne attraktiv ist. Während sie sich darauf konzentrieren, jegliche Veränderung in Heiligendamm zu verhindern, blockieren sie auch Investitionen für Tagesgäste: Strandversorgung, Seepromenade, Umfeldgestaltung.
Das Dumme daran ist, dass die Stadt damit Chancen verschenkt, den sprichwörtlichen Benz vermietet, während der Rolls Royce in der Garage rostet. Und möglicherweise dann die Benz-Vermietung auch noch einstellt, „weil es sich nicht lohnt“. Wobei sich im Moment gar nichts mehr richtig lohnt – selbst der Volkswagen bleibt angesichts des schäbigen Autohauses verschmäht. Heiligendamm wird kaputt gemacht – Chancen werden weggeworfen, das Glück mit Füßen getreten. Das geht auf keine Ökonomen-Kuhhaut – ein Berliner Kleininvestor bringt es auf den Punkt: „Bad Doberan lebt unter seinen Möglichkeiten“. Ich lade Sie ein, das zu ändern. Diskutieren Sie mit, teilen Sie Ihre Ideen, äußern Sie Verbesserungsvorschläge, stellen Sie Konzepte vor – bringen Sie unsere Stadt voran!
Schlusswort:
„Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag neu erkenne und nicht der Beständigkeit“. Diese Weisheit Ghandis habe ich mir zu eigen gemacht und wenn Sie ins „Selbstverständnis von zeit-am-meer“ sehen stellen Sie fest, dass ich fähig und willens bin, meine Ansichten immer wieder in Frage zu stellen und meine Meinung zu überdenken, wenn sich neue Fakten eröffnen. Ich diskutiere gern mit dem Ziel, neue Informationen und Sichtweisen zu erfahren, bin bereit, dazu zu lernen und stehe für meine Meinung so lange ein, bis ich sie auf Grund neuer Fakten ändern muss. Wenn Sie also andere Ansichten haben, weil Ihnen andere Fakten vorliegen, dann kann eine vernünftige Diskussion nur erfolgen, wenn Sie vorher die Fakten auf den Tisch legen. Ich möchte sie abgleichen, verifizieren und analysieren können. Auf diese Art interagiere ich gern – jede andere und jede fruchtlose Art lehne ich ab und genehmige schon der Übersichtlichkeit keine Beiträge, die nichts sinnvolles beitragen. Alles andere analysiere und kommentiere ich gern, wenn es mir die Zeit erlaubt.