Heiligendamm: Ist Morzynski der nächste Jagdfeld?
Jagdfeld muss weg – darin sind sich die Stadt Bad Doberan, der Landkreis Rostock und das Land Mecklenburg-Vorpommern einig. Als der Investor aus Düren bei Köln 1997 als nach Querelen zwischen der Stadt und einem Interessenten letzter verbliebener Interessent den Zuschlag zum Kauf des 26-Häuser-Pakets von Heiligendamm bekam, war er der Hoffnungsträger des ganzen Landes. Zwar haderten in Bad Doberan einige Stadtvertreter mit der Idee eines Luxushotels an Stelle der von ihnen gewünschten Kurklinik, aber am Ende lockte das Geld und davon hatte der „reiche Onkel aus dem Westen“ schließlich genug. Etwa 1.900 Anleger brachten fast 130 Millionen für die Sanierung des Grand Hotels zusammen, das Land gab Fördermittel dazu und die Stadt schloss Verträge zur gemeinsamen Entwicklung eines Seeheilbades auf hohem Niveau. Jagdfeld wurde hofiert und mit dem Bundesverdienstkreuz 2. Klasse für die Wiederaufbauleistung ausgezeichnet. Alles was Rang und Namen hatte, schmückte sich mit ihm.
Zehn Jahre später:
Alles was in Heiligendamm gut aussieht, haben Jagdfeld und seine Leute geschaffen: Das Grand Hotel mit seinen fünf alten und zwei neuen Häusern strahlt in Weiß, drei Villen und drei weitere Häuser tun es ihm gleich. Eine touristische Erschließungsstraße führt um den Ort herum, ein historisch bedeutsamer Steg von der Steilküste zum Strand hinunter und ein Kurwald wurde extra für den Erhalt des Seeheilbadstatus geschaffen. Alles mit Geldern der zur Jagdfeld-Gruppe gehörenden ECH, die großzügig die städtischen Anteile zahlte, obwohl sie das Geld selbst nötig für Investitionen brauchte. In der Anfangszeit haben die Behörden vieles vereinfacht, damit es schnell voran geht. So wurde extra wegen Heiligendamm eine Kurwaldverordnung erlassen.
Die klamme Stadt hat selbst nichts vollbracht: Die drei sanierten Straßen und drei größeren Parkplätze, die provisorische Promenade samt Strandabgängen und die Pflasterung des Seebrücken-Vorplatzes zahlten Land und Bund im Zuge der Vorbereitung des G8-Gipfels, um den Gipfelort wenigstens äußerlich nach etwas aussehen zu lassen. Seit dem Gipfeljahr 2007 hat sich Heiligendamm nicht verändert: Nur ein Schotterparkplatz ist dazu gekommen, gebaut von der Stadt, bezahlt vom Land und gedacht als Geldquelle, denn anders als im servicefreundlichen Ostholstein kostet das Parken an der mecklenburgischen Rivera richtig viel Geld.
Ironischer weise ist Jagdfeld zugleich an allem schuld, was in Heiligendamm eben nicht gut aussieht: Die unsanierten Villen gehören der ECH und die für Bebauung vorgesehenen, aber noch nicht bebauten Flächen auch. Sanieren wollte er schon 2004, das Ursprungskonzept mit Hotelsuiten in den Villen machte aber nach den enttäuschenden Zahlen des Grand Hotels wirtschaftlich keinen Sinn mehr und seine Pläne für Ferienwohnungen mit Dauerwohnrecht wurden von den Stadtvertretern ebenso abgelehnt, wie die für sie nötigen Stellplätze unter der Erde. Erst nach Klage-Drohungen und einem Machtwechsel im Rathaus wurden die Pläne nach acht Jahren Stillstand Ende 2009 genehmigt. Zugleich arbeiteten einige Stadtvertreter gegen mit hauchdünner Mehrheit gegen all das, was sie gerade genehmigten. Erst im Frühjahr 2010 konnte die ECH mit der Sanierung der ersten Villa beginnen.
Während die erste Villa wuchs, sollten die anderen zur Risikostreuung an Sanierungsträger innerhalb der Firmengruppe übertragen werden – ordentlich mit Kaufverträgen und echtem Geldfluss. Bei denkmalgeschützten Gebäuden und bei Grundstücken ist es üblich, dass die Gemeinde ein Vorkaufsrecht hat und wenn sie das Gebäude oder Grundstück nicht selbst kaufen will, ein Negativattest ausstellt. Im Sommer 2011 endete die Frist zum Vorkauf, statt aber wie von Amts wegen üblich das Negativattest auszustellen, wollte der sich im Wahlkampf befindliche Bürgermeister Hartmut Polzin (SPD) das die Stadtvertreter tun lassen, die nun auf Kosten der Steuerzahler über Monate Scheindebatten zum längst nicht mehr vorhandenen Vorkaufsrecht führten und mit abstrusen Ideen, wie dem Vorkauf zu Gunsten Dritter Jagdfeld die Villen entziehen wollten.
Erst die auch durch diese Verzögerung indirekt herbei geführte Hotel-Insolvenz Ende Februar und die Niederlage Polzins gegen Thorsten Semrau brachten die Stadtvertreter von ihrem Vorhaben ab. Das Hotel war Pleite und nun hoffte man auf einen Rückzug Jagdfelds. Der neue Bürgermeister fand eine Möglichkeit, die Stadtvertreter gesichtsbewahrend aus der Sackgasse zu holen, in die sie sich mit Pauken und Trompeten begeben hatten. Obwohl Jagdfeld das nicht musste und darum auch nicht wollte, sollte er die Kaufpreise der Villen nennen und Stadtvertretervorsteher Guido Lex diese im nichtöffentlichen Teil einer Sitzung vorlesen dürfen. So bekamen die Stadtvertreter ihren Willen, um auf Grund dieser horrenden Summen den „Beschluss“ zu fassen, auf das (seit Monaten nicht mehr vorhandene) Vorkaufsrecht zu verzichten. Den eigentlichen Schaden hatte Jagdfeld, weil er den Stadtvertretern dadurch aus der Patsche helfen musste, etwas zu tun, was er nicht tun musste und auch nicht tun wollte – die Kaufpreise nennen. Auch diese nichtöffentliche Sitzung blieb nicht ohne Zwischenfälle: Sie wurde illegal abgehört und tags darauf standen die Kaufpreise in der Ostsee-Zeitung. Somit hatte Jagdfeld den doppelten Schaden und wieder einmal die Bestätigung, dass es im Guten nichts bringt, mit den Stadtvertretern zusammenzuarbeiten.
Land und Landkreis werfen Verwaltungsgrundsätze über Bord.
Mit der Hotel-Insolvenz war ein neues Mittel gefunden, um Jagdfeld weiter zu blockieren: Die Stadt bat den Landkreis darum, die auslaufenden Baugenehmigungen nicht mehr zu verlängern. Durch die Insolvenz des Grand Hotels sei das im B-Plan Nr. 25 festgesetzte „Wohnen mit Hotelservice“ nicht mehr gegeben. Juristen verneinten diese Annahme, der Landkreis fragte in Schwerin nach und von dort kam nicht nur ein einfaches „okay“, sondern die Anweisung, die Baugenehmigungen nicht zu verlängern. Damit durfte Jagdfeld nichts mehr sanieren. Seine ECH legte Widerspruch ein, der Landkreis bearbeitete die Widersprüche ein Vierteljahr lang nicht. Die ECH reichte Untätigkeitsklage ein, der Landkreis nahm die Widersprüche zur Hand und lehnte sie ab. Die ECH klagte vor dem Verwaltungsgericht Schwerin gegen den Entzug der Baugenehmigungen und dieses gab ihr am 5. Dezember 2013 Recht: Der Entzug der Baugenehmigungen war rechtswidrig, der Landkreis verliert den Prozess und muss über 50.000 Euro aus Steuergeldern dafür bezahlen. Der jedoch gibt nicht auf und will prüfen, ob er in die zweite Instanz geht. Das Gericht macht derweil klar, dass Schwerin zum Baustopp in Heiligendamm gedrängt und den Landkreis ins offene Messer laufen lassen hat.
Die Stadt Bad Doberan jedoch fährt immer zwei Schienen gegen Jagdfeld: Auf der einen benutzt sie das Wohlwollen der Behörden des Landkreises und Landes und all jener, die ebenfalls Jagdfeld los werden wollen und auf der anderen wird sie selbst aktiv. Sie hob die Bebauungspläne für das Villenviertel zwischen Heiligendamm und Vorder Bollhagen auf und erklärt das teure Bauland zum Gebiet für Vögel. Alles, was die ECH hier geplant hat, ist dahin und Bauland wird zu Ackerland. Die ECH klagt auch hier – eine Alternative hat sie ja nicht.
Grand Hotel ist dem Rathaus egal.
Nun soll auch der Hotelpark wieder zurück in einen öffentlichen Wald umgewandelt werden. Die ECH hat den Wald für viel Geld mit Wegen durchzogen und alte Sichtachsen wiederhergestellt, damit die Hotelgäste etwas mehr Privatsphäre haben. Nach dem Willen der Stadt soll die ECH das für die Bürger und Tagesgäste getan haben – die Zäune sollen weg und der Park wieder öffentlich gemacht werden – mit Verbindung zur Promenade.
Dass es dem Grand Hotel mehr schadet als nützt, spielt dabei im Rathaus keine Rolle. So wichtig ist einigen das Grand Hotel auch wieder nicht und überhaupt sollte man auch dort als Bürger und Tagesgast ungestört hindurch laufen können – wie früher. Morzynskis und Webers Warnungen werden ignoriert: Er hat einen Stichweg versprochen, also wird man ihn einfordern. Spurt er nicht, geht es ihm sehr schnell so, wie seinem Nachbarn Jagdfeld.
Der sieht sich nun dem nächsten „Vorhaben“ der Stadt gegenüber: Sie will die Verträge mit ihm „überprüfen“, sie vielleicht zu ihrem Gunsten nachverhandeln und ändern, vielleicht aber auch einfach kündigen. Wie immer währt sie sich in Sicherheit und wie immer fährt sie das Geschütz mit Pauken und Trompeten auf. Wie immer wird das auch diesmal scheitern – wenigstens auf diese Konstante ist in der Provinz Verlass. Nur wird diesmal niemand da sein, der die Stadtvertreter aus ihrer Sackgasse holt, denn jeder der es versucht, wird sich daran verbrennen. Die Stadtvertreter sind sich nicht zu fein zu sagen, dass Jagdfeld am Ende sei und aufgeben wird. Eine grandiose Fehleinschätzung: Der kämpft jetzt erst recht.
Und diesmal wird es richtig viel Geld kosten, denn Jagdfeld hat nach den jüngsten Erfolgen den Glauben an Recht und Ordnung wieder erlangt und den Rechtsweg für sich entdeckt. Geredet wird über Anwälte und da sind die Berliner am längeren Hebel, als die Rostocker. Zweistellige Millionenforderungen stellt Jagdfeld der Stadt in Aussicht und die glaubt ob seiner bisherigen Zurückhaltung, es sei nur Säbelrasseln. Das glaubte sie beim Kammerhof-Investor auch, bis das Projekt scheiterte und der Stadt ein Millionenloch in die Stadtkasse riss. Diesmal droht das Ende: Die Zwangsverwaltung durch das vom Bürgermeister und einigen Stadtvertretern so verabscheute, aber als Mittel zum Zweck stets genügend gute Güstrow (ähnliches gilt für Schwerin).
Morzynski soll Heiligendamm retten.
Hinter den aktuellen Vorhaben steckt aber ein plausibler Gedanke: Jagdfeld hat dem Anschein der Stadtvertreter nach kein Geld mehr und Morzynski zeigt spätestens nach dem Arko-Kauf, dass er welches hat. Er ist der neue reiche Onkel aus dem Westen und ihm will man nun all das in die Hände legen, was man Jagdfeld wegzunehmen versucht. Nein, die ZEIT irrt: Die Doberaner misstrauen Morzynski nicht. Die einen grübeln, wie man den Hannoveraner gefügig machen können und die anderen, wie lange er das durchhält und wann auch er verbraucht ist und Insolvenz anmelden muss.
Es klingt alles durchaus verlockend, denn in der Tat wäre ein reicher Scheich die Lösung aller alten Probleme (und die Schaffung neuer, wenn der dann das macht, was er unter einem Resort versteht). Paul Morzynski aber ist kein reicher Scheich, sondern ein Wirtschaftsprüfer, der einen Sinn für Zahlen und Prozesse hat und der weiß, wie er das Grand Hotel zum Laufen bringt. Solche Unsinnigkeiten wie den Stichweg hat er gar nicht im Auge: Der Tagesgast ist willkommen, um sein Geld da zu lassen, aber nicht auf dem Hotelgelände, sondern davor. Das tut weh, aber dafür fehlt ihm derzeit der Sinn. So wie Jagdfeld damals vor lauter Zahlen der Sinn für die Emotionen der Bevölkerung fehlte. Schwerin ist ein Stichweg übrigens egal und auch in Güstrow schert man sich nicht um diese Doberaner Erfindung. Einen Stichweg über das Hotelgelände wird es nicht geben, heißt es von Morzynski neuerdings in der ZEIT.
Damit erfüllt er die wichtigste Bedingung der obersten Bewertungsorgane der Stadt schon mal nicht: „Ich habe das Gefühl, der neue Eigentümer macht da weiter, wo der alte aufgehört hat“ sagte jüngst UDI-Gründer und Ex-Bürgerbund-Chef Guido Lex. Damit fällt Morzynski in diesem Punkt schon einmal durch den Stadtvertreter-TÜV.
„Paule, was hast du dir da wieder aufgeladen?“
Durch alle anderen Punkte kann er nur auch hindurch fallen, denn der Halloren-Retter hat noch nie Stadtentwicklung betrieben, noch nie ein Seebad auf den Markt gebracht. Er braucht dazu Experten, die ihm genau das erzählen, was andere Experten Jagdfeld erzählt haben und die Stadt nicht hören will. Er hat sehr wahrscheinlich auch nicht das Geld für einen Yachthafen, eine Seebrücke, eine Bummelmeile, ein Konferenzzentrum, eine ordentliche Promenade, einen Kurpark und all das, was ein Seebad überhaupt erst ausmacht, aber Heiligendamm nicht hat.
Genau das erwarten aber Bad Doberan, Güstrow und Schwerin: Dass Morzynski nicht nur das Grand Hotel rettet, sondern ganz Heiligendamm. Dass er das Imageprojekt zu dem Leuchtturm des ganzen Landes macht, den Schwerin in Heiligendamm stehen sehen will. Morzynski soll das schaffen, woran Jagdfeld gescheitert ist, von dem 1997 alle sagten „Wenn es einer schafft, dann er.“ Schafft auch Morzynski es nicht, wird auch er vertrieben – umso mehr Gegenwehr, umso fieser und präziser – ganz nach alter Manier. „Paule, was hast du dir da wieder aufgeladen?“ zitiert Morzynski seine Vertrauten. Ob sie ahnen, was er sich da aufgeladen hat? Und ob er selbst es ahnt?
++Update++ Die ZUKUNFT HEILIGENDAMM sieht die Sache inzwischen ähnlich:
http://www.zukunft-heiligendamm.net/wie-bad-doberans-stadtvertreter-an-der-nase-herumgefuehrt-werden/