Nase voll: Kino-Interessent Kretzschmar springt ab.
Über ein Jahr ist es her, als der Kühlungsborner Kinobetreiber Peer Kretzschmar die Übernahme des Bad Doberaner Kamp-Theaters verkündete. Mit Hilfe der Stadt bei der Modernisierung des Gebäudes und der Einführung der Digitaltechnik wollte er das aus gesundheitlichen Gründen des Betreibers inzwischen geschlossene Kino retten. Die Stadtvertreter liefen in verschiedene Richtungen, fanden wieder zusammen aber man fand nicht zueinander: Soll die Stadt einen Gewerbebetrieb retten, nur weil er für den Tourismus der Münsterstadt wichtig ist? Und wie schwer ist „wichtig“ gemessen an den anderen Lokalitäten, die für den Tourismus nicht weniger wichtig sind? Während die einen sich mit diesen rationalen Fragen beschäftigen, ist die Kino-Schließung ein gefundenes Fressen für all jene, die sich profilieren wollen.
Heiligendamm funktioniert nicht mehr: Wer hier mit dem Finger auf andere zeigt, bekommt ganz viele Zeigefinger zurück, denn zu offensichtlich ist, dass Bürgerbund und FDP auf Polzins versäumten Negativattest reiteten und damit das Grand Hotel möglicherweise ruinierten, zumindest aber der ECH die Unterstützung des Hotels unmöglich machten.
Kino-Rettung ist Politikum.
Der Verlust des Kinos ist eine willkommene Abwechslung für alle, die regelmäßig in den Zeitungen erscheinen wollen. Ob das auch die Intention von FDP-Ortschef Harry Klink ist, weiß man nicht aber er steht mit der Kino-Diskussion in enger Verbindung. Er und Parteifreund Tom Wosar kämpfen für die Rettung des Kinos. Bisher ohne Erfolg, denn da sind ja noch die Rationalisten, die wissen, dass die Stadt keinen Gewerbebetrieb unterstützen kann, weil ihr die Kommunalaufsicht einen Strich durch die Rechnung machen würde.
Wider den Tatsachen: Kino-Problem taugt zur Selbstinszenierung.
Aber was interessieren Tatsachen? 25.000 Euro aus der Stadtkasse für die Digitalisierung und noch einmal 20.000 Euro als Darlehen, auch aus der Stadtkasse – das sollte der Preis für die Rettung des Kinos durch die beiden FDP-Leute sein. Die Stadtvertreter jedoch wollten das nicht, zuletzt sollte eine Genossenschaft her. Diese würde sehr gut dazu taugen zu sehen, wem es ernst um die Kino-Rettung ist, denn wer das Kino retten will, könnte das am Besten durch einen Eintritt in die Genossenschaft tun.
Beteiligte brauchen Klarheit: Ein Grundsatzbeschluss muss her.
Grundsätzlich bedarf es aber eines Grundsatzbeschlusses, ob die Stadt überhaupt das Kino retten will, erst dann kann man sich zusammensetzen und über Einzelheiten reden. Diese Feststellung wurde in der letzten Ausschusssitzung zwar von Stadtvertreter Frank Pieplow (fraktionslos, angetreten für das BfBD) gemacht aber es wurde nichts unternommen, um einen gemeinsamen Grundsatz zu beschließen.
Stadt hat eigentlich keine Mittel und kaum Möglichkeiten.
Stadtvertreter Jochen Arenz (parteilos) macht klar: Für 2012 gibt es noch keinen Haushalt und wenn dieser beschlossen wird, dürfte er defizitär sein, sodass eine Unterstützung des Kinos kaum gerechtfertigt werden kann. Schwierig ist auch, überhaupt einen Gewerbebetrieb zu unterstützen.
Damit hängt das Kino weiter in der Warteschleife und Betreiber Peer Kretzschmar muss einsehen, dass die Lokalpolitik nicht in der Lage ist, sich hier zeitnah zu einigen. Hinzu kommt, dass die Stadt einen neuen Interessenten prüft (der sich in besagter Ausschusssitzung vorstellen durfte), sodass Kretzschmar nicht mehr alleiniger Favorit, sondern wieder in die Rolle der Interessenten abgerutscht ist.
Auch der Hauseigentümer braucht Klarheit.
In der Ostsee-Zeitung vom 20.04.2012 wird auch darauf verwiesen, dass der neue Betreiber die Sanierung des Hauses stemmen müsste und damit überfordert wäre. Nachvollziehbar ist das nicht: Das Haus gehört dem Bad Doberaner Hugo Rauchstädt und der ist allein verantwortlich für doe Sanierung. Lediglich für die Mietsachen – also Wohnungen, Gewerbeflächen und eben das Kino – sind die Mieter selbst verantwortlich. Wenn die Stadt helfen könnte, dann bei der Renovierung des Kinos, nicht des Hauses. Wobei es Rauchstädt auch daran gelegen sein dürfte, wieder ein Kino in die dafür nun einmal umgebaute Mietfläche zu bekommen, sodass er eigentlich selbst etwas für die Renovierung tun könnte. Aber auch er braucht dazu Gewissheit, dass das Kino auch eröffnet und läuft – auch Rauchstedt braucht einen Grundsatzbeschluss der Stadtvertreter.
Kretzschmar gibt auf und zieht sich zurück.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht es sicherlich keinen Sinn, an einem ungewissen Projekt festzuhalten und dafür ein bestehendes zu vernachlässigen. Kretzschmar zog die logische Konsequenz und gibt den Standort Bad Doberan auf, löst die Gewerbeanmeldung auf, zieht den Fördermittelantrag zurück und schließt damit das Kino offiziell wieder,
Für den nächsten Interessenten bedeutet dies, dass er das Kamp-Theater nicht übernimmt und weiterführt, sondern neu eröffnet. Dafür gibt es dann keine Fördergelder, was den Neuanfang wieder schwerer macht.
Gibt es noch eine Rettung?
Eigentlich schon: Die Stadt muss sagen, ob sie das Kino haben will und was sie dafür zu tun bereit ist. Das Mindeste, was die Stadt tun kann, ist ähnlich wie bei der WIG Wohnungsgenossenschaft sich an einer Kino-Genossenschaft zu beteiligen. Klingt einfach aber auch diese Mittel müssen in den Haushalt eingestellt und begründet werden, besonders wenn zugleich Vereinen, Kindergärten und Schulen Mittel gestrichen werden.
Die Genossenschaft wäre auch eine Möglichkeit, um Unternehmer am Kino zu beteiligen, die dann vergünstigt oder kostenlos im Kino werben dürfen und auch Privatpersonen könnten Genossenschaftler werden, indem man ihnen Vergünstigungen gegenüber den normalen Besuchern gewährt. Selbst Schulen und Kindergärten könnten sich mit festen Beträgen an der Genossenschaft beteiligen und dafür vom Kino profitieren. Kino-Vergünstigungen sind auch für Kurkliniken und Hotels interessant, die über ihre Genossenschaftsanteile Vergünstigungen erlangen und diese an ihre Gäste weiter geben können.
Das Ganze muss natürlich gut kalkuliert werden, denn Ziel der Vergünstigungen muss sein, die Besucherzahlen zu erhöhen und oben zu halten. Zusammen mit guten Marketinginstrumenten, wie Kino-Flatrates, Familientage und Sonderangeboten kann auch ein Kleinstadt-Kino erfolgreich sein. Wenn man es denn lässt und aufhört, sich auf dem Rücken der Interessenten zu profilieren.
Mehr Informationen
in der Ausgabe der Ostsee-Zeitung vom 20.04.2012:
http://www.ostsee-zeitung.de/doberan/