Villa „Hirsch“ (Haus 11, Karl-Liebknecht-Haus)
Alte Namen: „Karl-Liebknecht-Haus“ (Haus 11)
Standort:
Prof.-Dr.-Vogel-Str. 12
54°08’38.2″N 11°50’47.6″E
Bauzeiten: 1861-1862
Bauherr: Großherzogliche Badeintendantur / Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg
Architekt: August Rathsagg
Sanierung: ab 2021
Bauherr: EntwicklungsCompagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG
Architekt: über den Projektentwickler EntwicklungsCompagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG
Eigentümer: Großherzogliche Badeintendantur / Großherzöge von Mecklenburg(bis 1873), Aktiengesellschaft Baron Otto von Kahlden (1873-1900), Rudolf von Kahlden (1900-1911), Herzog Hugo von Hohenlohe-Öhringen und Ujest (1873-1885), Walter John (1911), Ostseebad Heiligendamm GmbH unter Gläubigerkonsortium (1911-1922), unter Baron O. A. Rosenberg (1922-1938), Beschlagnahmung durch das Deutsche Reich (1938), Reichsmarine (1938-1945), Beschlagnahmung durch die SMAD, herrenloses Gut (1945-1949), DDR über den FDGB (1949-1952), DDR über die Sozialversicherungsanstalt (1952-1990), Ostseeklinik Heiligendamm GmbH (1990-1993), BRD über Oberfinanzdirektion (1993-1997), FUNDUS-Gruppe über EntwicklungsCompagnie Heiligendamm I GmbH & Co. KG (1997-2022), Wohneigentümergesellschaft (seit 2022)
Nachgewiesene Nutzungen Vermietung durch die (Groß)herzogliche Badeintendantur (bis 1872), Badedirection (1872-1938), Kraft durch Freude (1936-1938), Reichsmarine (1938-1945), SMAD (1945-1948), Sanatorium für Werktätige Heiligendamm (1948-1990), Ostseeklinik Heiligendamm (1990-1997), Leerstand (1997-2021), Sanierung (2021-2022), Eigentumswohnungen (seit 2022)
Beschreibung:
Die Villa „Hirsch“ wurde 1861-1862 als letzte Villa in die Lücke der nicht gebauten Restauration gebaut. Augenscheinlich orientierte man sich hier ebenfalls am „Schweizer Stil“, aber viel ähnlicher als der Volksarchitektur sieht es den Entwürfen der Villen „Garzadore“ und „Antonini“ in den „Quattro libri del la architecture“ von Andrea Palladio, der sie um 1570 skizzierte.
Auch die Villa „Conaro“ sieht verblüffend ähnlich aus. Wie im Palladianismus üblich, lassen sich die beiden Seiten der Villa „Hirsch“ spiegeln. Vier Achsen, davon zwei im Altan und je eine links und rechts, zwei geschlossene Loggien mit je einer Treppe im Erdgeschoss, zwei breite Rundbogenfenster je im Erd- und Obergeschoss und rechts und links je ein normales Rundbogenfenster sorgen für ein gleichmäßiges Aussehen. Im Obergeschoss hat die hier nun als Veranda ausgeführte Konstruktion sechs Achsen, wirkt aber durch die schmalen Säulen des Baldachins offener. Man ist draußen und doch drinnen – das ist in der Form bei keiner anderen Villa umgesetzt worden.
Rathsagg orientierte sich zwar an jahrhundertealten Vorbildern, bei der Ausführung griff er aber auf modernste Methoden zurück. Nutzte er bei Villa „Möwe“ noch Holz für die Balkone, ließ er hier in Hamburg Gusseisenelemente für die filigrane Verzierung der Veranda anfertigen. Mit Balustrade, Baldachin und Zahnkranzgesimse zog der Baumeister alle Register der Verzierung.
Die Rückseite ist einfacher gehalten. Statt eines Altans gibt es hier einen Dreiecksgiebel und die übliche dreiachsige Aufteilung.
Bei den Umbauphasen 1950 und 1968 blieb Villa „Hirsch“ fast verschont. Es wurden lediglich die unteren Loggien verglast und die Treppen entfernt. 1984/85 erfolgte eine Renovierung der sanitären Anlagen.
Zunächst standen in der Villa vier Familienwohnungen und das Mezzanin für die mitgebrachten Angestellten zur Verfügung. Man konnte sich Kanonenöfen ausleihen, nach dem Verkauf Heiligendamms 1872 bekam es feste Öfen. Während der Nutzung als Reichskadettenschule von 1938 bis 1945 diente das Haus als Unterkunft für Kadetten und später Flüchtlinge.
1949 ging die Villa zunächst an die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK), die aber in die Regierung der DDR aufging. Daraufhin wurde Villa „Hirsch“ dem Sanatorium als Patientenhaus zugeordnet.
1953 wurde das Haus in „Karl-Liebknecht-Haus“ umbenannt. 1990 hielt es seinen alten Namen zurück. Dass der Name der Villa nicht wie fast alle anderen einen maritimen Bezug hat, liegt daran, dass man wie bei der nebenstehenden Villa „Schwan“ ein Doberaner Wappentier als Namensgeber wählte.
Spätestens Ende 1997 stand das Haus leer und wurde gesichert und klimatisiert. Seit 2015 laufen die eigentlich zehn Jahre früher geplanten, aber durch jahrelangem Streit zwischen Stadt und Investor verzögerten Sanierungen der Villen. Villa „Hirsch“ wurde 2020 in der Sanierungsreihenfolge etwas verschoben, um die Straße nicht durch die Sanierung zu verstopfen. Zuvor werden die Kolonnaden saniert und die Villa „Klingler“ gebaut. Die Vermarktung der Villa „Hirsch“ soll voraussichtlich 2022 erfolgen.