Vitakost-Ruine: Millionen-Investition oder Millionengrab?
Klosterruine Vitakost in Doberan soll neues Dach bekommen. Brauer will Mühle betreiben. Gastronomie mit Biergarten geplant. Doch es sind viele Fragen offen. Ein Kommentar.
Durch Brandstiftung zur Ruine geworden.
Im Volksmund wird sie nur „Vitakost“ genannt, weil zuletzt eine Schulspeisung in den alten Mauern beherbergt war. „Zuletzt“, das war bis zum 8. März 1979 – an diesem Tag ging das große Backsteingebäude inmitten des Klosterhofes in Flammen auf und kämpften Feuerwehrleute gegen die Flammen, die von einem aus ihren Reihen gelegt worden waren. Es heißt, er habe mal als erster am Einsatzort sein wollen. An diesem Internationalen Frauentag verlor die „Vitakost“ ihr Dach, ihre Fenster und ihr Leben. Kein Schüler und kein Lehrer aß hier mehr zu Mittag und ganz im Gegenteil musste die Vitakost-Ruine immer mal wieder gesichert und gesperrt werden, denn der Zahn der Zeit nagt am alten Backsteinbau.
Wirtschaftshaus ist über 700 Jahe alt.
Dabei ist „alt“ wörtlich zu nehmen. Das 40 Meter lange Gebäude entstand vor 700 Jahren, nämlich um 1290 als Wirtschaftsgebäude des Zisterzienser-Konvents, dessen Mönche das Kloster Doberan gegründet haben. Hier wurde gebraut und gegerbt, Korn gemahlen und hier hatten die Handwerker unter den Konversen ihren Arbeitsplatz. Unter dem Dach wurden Kräuter gelagert – jeder Raum wurde ausgenutzt und alles hatte seinen Zweck. Nach der Reformation und der Säkularisierung des Klosterbesitzes wurde hier weiterhin gebraut und auch gebrannt. Erst zu DDR-Zeiten, als das Kornhaus zur Schule und später zum Haus der Pioniere wurde, machte man das Wirtschaftsgebäude zur Schulspeisung.
Junge Generationen kennen nur die Ruine.
Über drei Jahrzehnte steht die „Vitakost“ nun ohne Dach. Die jüngeren Doberaner und Doberanerinnen kennen sie nur so und vielen von ihnen ist selbst die Bezeichnung „Vitakost“ gar kein Begriff mehr, sondern sie nennen sie nur „Ruine“ oder „Klosterruine“, was angesichts der ebenfalls nur noch als Ruine existenten Wollscheune (oder Wolfsscheune) zu Verwirrungen führt. Diese Ruine allerdings ist das Resultat des Steinbruchs, den die weltlichen Herrscher mit den Klosterbauten betrieben, nachdem sie durch die Auflösung der Konvents und Orden an die Landesherren fielen. Viele Klosterbauten verschwanden auf diese Art und Weise – das Wirtschaftsgebäude blieb.
Günstigster Zeitpunkt für neues Dach.
Kurz vor dem Jubiläum des Brandes – das natürlich niemand feiern wird – gibt es nun die Option, der Wirtschaftsruine wieder ein Dach zu spendieren und damit den weiteren Verfall zu stoppen. Grund ist die finanzielle Lage des eigentlich immer klammen Bad Doberans, das durch den Verkauf von hunderten Grundstücken im „Ostsee-Wohnpark“ ordentlich Geld einnimmt. An den Chausseen nach Heiligendamm entsteht an Stelle des nach der Wende geplanten Ferienparks ein großes Wohngebiet mit vielen Einfamilienhäusern und einigen Mehrfamilienhäusern, das der Münsterstadt gut tausend neue Einwohner beschert. Die Grundstücke sind so gut wie alle verkauft, für viele gab es gleich mehrere Interessenten und da man gar nicht so schnell erschließen konnte, wie die Bauherren kamen, gibt es sogar Wartelisten.
Stadt muss Eigenanteil bezahlen.
Die Sanierung der Wirtschaftsruine wird über 10 Mio. Euro kosten und es gibt dafür Mittel aus einem Fördertopf des Bundes. Der Topf wird aber bald nicht mehr existieren, sodass die Stadt jetzt zugreifen muss und nicht lange warten kann. Allerdings hat sie gut 3 Mio. Euro selbst zu stemmen, denn es gibt bei Fördermitteln immer einen Eigenanteil. Ein Gedanke bei dieser Praxis ist, dass Kommunen nicht Fördergelder für sinnlose Bauvorhaben abgreifen sollen. Der Eigenanteil schreckt vor sinnlosen Investitionen ab. Das Geld für den städtischen Anteil ist jetzt da, bzw. wird 2018 in die Stadtkasse fließen, sodass der Zeitpunkt nur jetzt günstig ist. Das erklärte Bauamtsleiter Norbert Sass auch den Bürgern auf einer Informationsveranstaltung im Sommer.
Neues Dach = neues Leben?
Ein neues Dach allein haucht der Ruine jedoch noch kein Leben ein. Für neues Leben soll die Nutzung des Hauses sorgen: Eine Backhausmühle wurde wieder in den alten Mühlenteil eingebaut und mit Dieter Heinen aus Bayern ein engagierter echter Brauer gefunden, der das Ganze auch bedienen kann und das in einer Schaumanufaktur vor den Augen der Gäste tun soll. Für die soll es dann im Brauhaus auch Essen und Trinken geben und natürlich einen Biergarten im Freien. Außerdem soll über der Mühle ein Raum für Ausstellungen entstehen. Im ehemaligen Kloster Doberan sind heute mit dem Klosterverein, dem Münsterverein, dem Kornhausverein, dem Münsterbauverein und vielen weiteren eine ganze Menge Vereine tätig, die auch ihren Platz brauchen. Das Wirtschaftsgebäude würde das her geben. Langfristig soll auch im jetzt nicht überdachten Bereich – also dem, was eigentlich die Ruine ist – neues Leben einkehren. Multifunktionale Räume für Konzerte, Konferenzen, Ausstellungen, Lesungen, Theater usw. sollen entstehen und Gästezimmer das Angebot abrunden.
Guter Wille, aber keinen Plan.
Da allerdings hakt das Ganze: Es gibt den Willen, das alles zu machen, aber außer dem Brauer keinen Betreiber und kein Konzept. Selbst mit Heinen ist nichts in trockenen Tüchern. Er will es machen und damit er es kann, müssen eben Millionen in die Hand genommen werden. Ob aber jemals der städtische Anteil irgendwie wieder in das Stadtsäckel zurück kommt und ob die Brauerei überhaupt wirtschaftlich erfolgreich sein kann, steht eher in den Sternen, als auf dem Papier.
Wichtige Fragen ungeklärt.
Bei allem guten Willen sind viele Fragen ungeklärt: Wo parken die Gäste, die mit dem Auto anreisen? Der kleine Parkplatz am Kornhaus fasst gerade mal 20 Autos und dort parken auch die Mitarbeiter. Zu erreichen ist er über einen Weg, der als befahrbarer Fußgängerweg konzipiert wurde. Von woanders kommt man nicht dort hin. Wo wird der Biergarten entstehen? Wird er vielleicht noch Parkplätze kosten? Wie viele Gäste braucht so eine Gastronomie und werden die alle einen Parkplatz finden? Wenn nicht – rentiert es sich dann überhaupt?
Auch konzeptionell muss man sich die Frage beantworten, was das Klosterareal ausstrahlen soll. Soll es ein abgeschiedener Bereich sein, der abseits von Strand und Straße Ruhe und Einkehr – auch in sich selbst – bietet? Passt dann ein Biergarten, in dem es auch mal fröhlich-laut zugehen kann? Wie weit schallt so eine gesellige Runde – stört doch einigen schon der Sportplatz um die Ecke?
Was sagt der Denkmalschutz?
Nicht zuletzt muss der denkmalschutzrechtliche Aspekt beachtet werden. Eine Wassermühle zu rekonstruieren passt, dem Denkmal eine kulturelle Nutzung zukommen zu lassen, ist meistens auch kein Problem. Nun aber geht es um eine gewerbliche Nutzung mit Gastronomie mit Schankwirtschaft und Außenbestuhlung und allem drum und dran. Diese Fragen lassen sich nicht fiktiv klären – die Stadt muss mit konkreten Konzepten an die Denkmalschutzbehörden heran treten und sich grünes Licht holen – und zwar vorher und nicht erst, wenn Millionen investiert sind.
Eilen, ohne zu überstürzen!
Bei aller Eile, die sein muss, um ein neues Dach für ein neues Leben zu realisieren, darf nichts überstürzt werden, denn das schickste Gebäude verfällt schnell wieder, wenn es nicht genutzt wird. Die Verwaltung muss sich mit den potenziellen Betreibern zusammen setzen, es müssen die Rentabilität geprüft und sicher gestellt und die Finanzierung gesichert werden. Aller Wille nützt nichts ohne das liebe Geld und alle Mühe nichts ohne tragfähiges Konzept, damit dem Fleiß auch der Preis folgt und nicht die Katz.