Alles auf Rückzug: Gebote, Beschlussvorlagen und Erwartungen werden zurück genommen.
Nicht viel hat sich seit der politischen Sommerpause getan – mit ein Grund, warum es auf ZAM ruhig blieb. Das 230. Jubiläum der Gründung des ersten deutschen Seebades steht bevor und noch immer sieht es dort kaum anders aus, als vor einem Jahrzehnt, als das Grand Hotel eröffnete, das nun in der Insolvenz befindlich in das Jubiläumsjahr geht. Wie ernst die Lage wirklich ist, zeigen zwei Ereignisse:
Median-Klinik zieht Gebot für Grand Hotel zurück.
Für einige war sie der Hoffnungsträger, für andere aber auch das Ende der Wiederauferstehung des ersten deutschen Seebades: Die Median-Klinik aus Heiligendamm mit Sitz in Berlin. Die Klinikgruppe ging 1967 aus der Bauträgergesellschaft Erich Marx GmbH hervor, der deutschlandweit unter anderem alle Median-Kliniken baute und damit Median zur Marke machte.
Darunter auch 1997 die Median-Klinik in Heiligendamm, welche eigentlich in den historischen Gebäuden selbst entstehen sollte, was aber in den Verhandlungen scheiterte, weil eine Bürgerinitiative sich gegen einen Neubau hinter den Cottages wehrte. Der Neubau kam dann an einer ungünstigen Stelle und lief defizitär. Erst nach der Eröffnung des Grand Hotels konnte sich auch die benachbarte Median-Klinik erholen.
Im Jahre 2009 wollte Marx sich zur Ruhe setzen, sah aber sein Vermächtnis gefährdet, weil er keinen Erben hatte. Er verkaufte die Unternehmensgruppe überstürzt an das Immobilienunternehmen Marcol aus London und die Private Equity Gesellschaft Advent International aus New York.
Die allgemein als „Heuschrecke“ beschimpfte Private Equity Gesellschaft (welche jüngst auch Douglas übernommen hat) sanierte die Median-Gruppe nach strengen ökonomischen Kriterien, was sich auch auf das Personal und die Arbeit auswirkte. Die Klinik in Heiligendamm wurde aufgestockt und das Café auch für Tagesgäste öffentlich gemacht – alles unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung.
So war es dann auch nicht in Berlin beschlossen worden, für das renommierte Grand Hotel mitzubieten, sondern in New York. Statt Fünf-Sterne-Luxus sollte ein Angebot für gestresste Manager geschaffen werden, alles andere stand zunächst unter einem großen Fragezeichen, denn eine Kurklinik lässt der Bebauungsplan nicht zu: Das Grand Hotel steht im Sondergebiet Hotel.
Das eigentliche Risiko bei einer Übernahme eines Luxushotels durch eine Klinikgruppe ist, dass diese eigentlich nicht das Know how hat, um Hotels zu führen. Wäre das auch erlernbar, so bleibt ein Risiko für die Stadt, denn die Private Equity Gesellschaft bleibt in einem Unternehmen etwa 5 Jahre, bis sie es weiter verkauft. Das ist in 2-3 Jahren der Fall und was das für Verträge und Vereinbarungen bedeutet, weiß keiner und ob das Hotel dann als Paket verkauft oder zerschlagen wird und an wen was geht, entscheidet allein das Geld. Der ehemalige Bürgermeister Hartmut Polzin fing nach der Wahlniederlage als Berater für die Median-Klinik an.
Eigentlich sollte auch gar keiner wissen, dass Median mit bietet und schon gar nicht sollte die Höhe des Gebots (25 Mio Euro – gekostet hat die Sanierung das Zehnfache) in der Zeitung zu lesen sein. Die Ostsee-Zeitung jedoch jubilierte ob der neuen Perspektiven und verursachte damit genau das Gegenteil von dem, was die beiden Autoren vielleicht wollten: Median wurde prompt überboten und zog nicht weiter nach.
Im Dezember nun wurde bekannt, dass Median sein Gebot ganz zurück genommen hat und nur die Orangerie haben möchte, die der Klinik nahe steht und gut in das Konzept passt: Hier wären die gestressten Manager außerhalb der Klinik in einem ansprechenden Umfeld allein. Ursprünglich sollte dafür die Burg benutzt werden aber die erscheint dafür doch etwas zu groß und nicht intim genug.
Bürgermeister nimmt Beschlussvorlagen zum Heimfall zurück.
Median will das Hotel nicht mehr als Ganzes, von den einstigen vielen Bietern sind nur noch wenige übrig, von sechs amerikanischen Hotelketten zuletzt im Sommer nur noch eine. Von einer Bieterschlacht konnte nie die Rede sein: Der Standort „Ostsee“ taugt nicht für Renditeobjekte, wirft nur im Sommer Gewinne ab und die müssen für die ganze Nebensaison reichen. Die Interessenten stellten sich unter dem ersten deutschen Seebad ein Flaggschiff vor – die Creme de la Creme der deutschen Seebäder, das Brighton an der Ostsee – ein echtes Seebad eben mit allem drum und dran.
Vor Ort dann blankes Entsetzen: Kein Yachthafen, eine Seebrücke ohne Anlegemöglichkeit, ein viel zu kleiner und gar nicht feinsandiger und geharkter Strand, keine schöne lange Seepromenade, keine Bummelmeile, keine Boulevards mit Läden, Shops, Bistros, Imbissen und Gaststätten, kein Marktplatz, keine Museen, Kultur- und Sportstätten, keine anspruchsvollen Parks und Landschaftsgärten, kein Kongresszentrum, kein Schwimmbad, keine Indoor-Sportangebote, kaum Angebote für das Wasser, ja nicht einmal eine Badeinsel. Das soll das mondänste deutsche Seebad sein? Einige konnten gar nicht glauben, dass das überhaupt ein Seebad sein soll – ist doch jedes kleine Fischerdorf mit Seebad-Titel Heiligendamm meilenweit voraus.
Wie viele auf dem Hacken kehrt machten, ist nicht belegt aber gewarnt sind alle, wie damals auch Investor Anno August Jagdfeld gewarnt war, an der Ostsee keine Rendite erwarten zu können. Sein Konzept war Wachstum – Heiligendamm zum deutschen Brighton machen, ohne dabei seine Einzigartigkeit zu gefährden. Jagdfeld wollte die Basics eines Seebades in Heiligendamm erst wieder aufbauen – das versprach Erfolg und da waren sich viele Experten einig: So kann es was werden und wenn es einer schafft, dann Jagdfeld.
Die Stadt sah das anders, wollte weder Wachstum noch Veränderung: Sie wollte das kleine Heiligendamm genau so erhalten, wie es war. Fern jeder wirtschaftlichen Vernunft, denn das kleine Heiligendamm bescherte in seinen 200 Jahren nie einen Gewinn – es wurde immer dazu gebuttert, von Herzögen, Banken, Gesellschaftern, einem Baron, dem Staat und schließlich dem Land. Auch Jagdfelds Anleger und er selbst butterten nur dazu. Jeder Interessent weiß das und darum muss jeder an einem Konzept feilen, um das Grand Hotel in eine Gewinnzone zu bringen und dort auch zu halten, wenn es draußen kalt ist und keiner baden gehen möchte.
Jagdfeld wollte dafür Geld bei seinen Anlegern einsammeln: Die Vergrößerung des SPA-Bereichs mit Außenanlagen und die Einrichtung eines Zentrums für Vitalmedizin (also im Prinzip abgespeckte Vorab-Varianten der geplanten Thalasso- und Ayurvedazentren) und die Schaffung von Sportangeboten sollte die Nebensaison bereichern. Die Anleger aber gaben aus ganz menschlichen Gründen nicht genug Geld (es reichte gerade für die Sportangebote) und damit besiegelten sie das Scheitern ihres Fonds.
Jeder neue Investor muss vor allem zuerst investieren und genau das machen, was Jagdfeld nicht mehr geschafft hat. Schon das schreckt ab aber wer sich in die Materie vertieft stellt fest, dass er gar keinen Raum für Wachstum hat, weil ringsherum alles der ECH, der Forst oder Privatleuten gehört. Die ECH hat signalisiert, mit einem Interessenten zu verhandeln, wenn der ganz speziell etwas zur Erweiterung benötigt. Aber der Insolvenzverwalter hat noch keinen Interessenten so weit, dass er mit ihm zur ECH gehen und verhandeln könnte. Pauschale „Haben-wollen-Aussagen“ hingegen haben und bilden natürlich keine Verhandlungsgrundlage.
So hängt dich derzeit alles von Insolvenzverwalter Jörg Zumbaum ab – die Stadt schaut auf ihn und wartet. Und während sie so wartet wird immer klarer, dass Heiligendamm nicht der Renner ist, warme Semmeln und Glühwein leichter zu verkaufen sind, als Deutschlands ältestes Seebad.
Und natürlich wird dem vernunftbegabten Menschen auch klar, dass die Stadt mit dem Rücken an der Wand steht, keine Forderungen mehr stellen, keine Schachfiguren mehr bewegen kann. Die stärkste Position in der ganzen Geschichte haben die Interessenten, denn sie können sagen: „Wir kaufen, WENN….“ Und die Stadt muss jedem WENN zustimmen, denn sonst kauft keiner, das Hotel wird versteigert und die Gebäude gehen – schlimmstenfalls einzeln – an Meistbietende. Vereinbarungen, Absprachen und alles, woran sich jetzt im Rathaus so geklammert wird, wären dann Pfutsch. Daher ist die Zwangsversteigrung der „worst case“ – der schlimmste Fall, der unbedingt vermieden werden soll und für den dann auch ein wegen seiner Nähe zu Guido Lex abfällig „als Bürgerbundmeister“ oder „Lexrau“ verschriener Bürgermeister die Beschlussvorlagen zum Heimfall zurück ziehen muss, wenn er nicht als der Bürgermeister in die Geschichte eingehen will, unter dem Heiligendamms Wiederaufbau scheiterte.
Die Hoffnung Semraus, man könne vielleicht später noch verhandeln, ist ein Wunschtraum. Mit Anno August Jagdfeld konnte die Stadt immer wieder nachverhandeln. Jeder neue Investor wird aus den Konsequenzen für Jagdfeld seine Schlüsse ziehen und geneigt sein, von vornherein zu diktieren, was nicht verhandelt werden muss.
Dieser Rückzug des Bürgermeisters lässt erahnen, dass der Bürgermeister weiß, wie es wirklich um die Verhandlungen mit den Interessenten und Gläubigern steht. Da ist es angebracht, auch allzu hohe Erwartungen an den Insolvenzverwalter zurück zu nehmen: Er kann nicht zaubern.
Region in Bewegung.
Schaut man einmal über den Tellerrand, ist überall in der Region Dynamik zu beobachten: In Börgerende kehrt Bürgermeister Axel Jaeger in sein Amt zurück, nachdem die Ermittlungen gegen ihn eingestellt und die Suspendierung folgerichtig aufgehoben wurde. Auch in Börgerende rudern die Verantwortlichen in Sachen „Grenzwachturm“ zurück und wollen nun gemeinsam mit dem Kühlungsborner Grenzturmverein eine gemeinsame Lösung für den Erhalt des Turmes finden.
In Kühlungsborn platzt Kaufhaus STOLZ aus allen Nähten und will im Grünen Weg eine Shopping-Mall neu bauen; in Warnemünde ist es das Hotel Neptun, das mit dem „a-ja“-Resort ein enormes Wachstum an den Tag legt und in Bad Doberan geht es jetzt der ehemaligen POS „Ernst Schneller“ an die Substanz: Hier entsteht der zweite Bauabschnitt des Regionalschulkomplexes. Nebenan glänzt ein jahrzehntelanges Sorgenkind in neuer Pracht, die fertige Goethestraße ist auch übergeben und auch hier wird die Hausnummer eins wieder zum Schmuckstück, während am Markt im alten Rathaus fleißig gewerkelt wird und auch für das unbebaute Dreieck an der Nordseite endlich die Zeichen auf Neuanfang stehen. Der Althöfer Bach bekommt seine Brücke wieder und in Heiligendamm soll es 2013 nun endlich mit dem Bau einer kleinen privaten Strandversorgung und – so der Fördermittelgott will – auch ein Spielplatz entstehen.
Während man in Bad Doberan jedoch sehr mit sich selbst beschäftigt ist und sich wegen eigener Versehen und Versagen mit dem Landkreis herum schlägt, soll ausgerechnet Doberans Molli die Region zusammen wachsen lassen: Da gibt es dann die Idee, die Molli-Trasse über Nienhagen nach Warnemünde zu führen und damit den Kreuzfahrern und Pendlern ein Angebot zu machen.
Während die Gesellschafter Kühlungsborn und Bad Doberan das gut finden, bremsen der Landkreis und die Stadt Rostock die Euphorie aus: Oberbürgermeister Roland Methling schickt gern die Kreuzfahrtgäste nach Bad Doberan meint aber, die Molli solle Alleinstellungsmerkmal des Landkreises bleiben. Wichtiger wäre, die S-Bahn von Warnemünde mit dem Überseehafen zu verbinden. Auch in Schwerin setzt man andere Prioritäten: Hier drängen die Deutsche Bahn und die privaten Betriebe auf einen Streckenausbau. Meine Meinung: Mehr nützen würde uns ein ICE zwischen Rostock und Berlin und Rostock und Hamburg. Das würde auch der Molli mehr Gäste bringen.
Das war der Herbst und Winter in Bad Doberan.
Ein großer Jahresrückblick 2012 folgt zwischen Weihnachten und Sylvester.