Hinweis: Bitte beachten Sie den Hinweis zur Aktualität und Richtigkeit der Informationen und den Rechten an den Bildern.

Bauwerke in Heiligendamm

Deich und Küstenschutz

Bauzeit: seit 1793

Beschreibung:

Heiligendamm liegt zusammen mit Börgerende in einer Niederung zwischen zwei Steilküsten. Die Conventer Niederung ist ein Hochmoorgebiet, das durch regelmäßige Überflutungen intakt blieb. Eine natürliche Nehrung aus angespültem Sand sorgte für einen natürlichen Schutz vor Hochwasser. Der künstliche Schutz wurde erst 1793 mit der Gründung des Seebades und der einsetzenden Bebauung überhaupt relevant. Bis 1872 konnte man ihn aber vernachlässigen, da die Fluten nicht bis an die Gebäude heran reichten und die hölzernen Bauten auf dem Strand und im Wasser günstig zu ersetzen waren. Es gibt dennoch Überlieferungen, dass der „Heilige Damm“ Ende des 17. Jahrhunderts schon geflickt wurde.

Die größten Windgeschwindigkeiten und häufigsten Windanteile kommen aus WNW bis W . Die Küstennormale verläuft etwa in Richtung Nord (357°). Heiligendamm ist daher anfällig für Seegang aus westlichen, nördlichen und östlichen Richtungen. Die Sturmflutgefahr, verbunden mit starken Seegängen, ist aufgrund der Windwirklänge und der Gestalt der Ostsee am größten bei den weniger häufigen Winden aus nördlichen Richtungen.

Zur bisher verheerendsten Sturmflut am 13.11.1872 ist folgender Bericht überliefert:

„Die Herren und Damenbäder auch das sogenannte Waschhaus mit der Wohnung des Bademeisters sind gänzlich zerstört. Die Wohnung und Stallung des Schleusenwärters hat stark gelitten und sind dessen Vorräthe an Korn und Futter auch theilweise das Mobilar verdorben und 2 Kühe, 1 Stärke, 2 Schweine, 9 Schafe und sämmtliches Federvieh ertrunken. Die Promenaden sind theilweise versandet, das hohe Ufer stark abgeschwemmt und eine sehr große Anzahl Buchen niedergebrochen. Die Communikation nach Börgerende war unterbrochen.“

Ähnlich sind die Berichte von 31.12.1913:

„… So haben wir das Meer noch nie gesehen! …Die Böschung ist zerrissen und abgestürzt. Spalten ziehen sich durch den Weg… Einige Häuser stehen in einem See, die Keller sind voller Wasser. Hoch spritzt das Wasser über das Dach des Herrenbades, trotzdem es weit höher liegt, als die Damenbadeanstalt. Drinnen ist es lebensbedrohlich, kein Menschenfuß betritt mehr die Stätte, wo die Elemente wüten.“

(Die Heimat Nr. 11 vom 25.1.1914, S. 83f.)

 

(Urheber unbekannt, verm. Joh. Bitter, Doberan)

Erste Pfahlbauten sind vor Börgerende in den 1890ern nachgewiesen und der erste planmäßig angelegte Seedeich 1886. In Heiligendamm folgte man 1889 mit Deckwerk aus Natursteinen. Im Laufe der Zeit gewann der Küstenschutz an Bedeutung und man probierte verschiedene Arten von Wellenbrechern aus.

Nachdem die Landzunge vor dem Alexandrinencottage verschwunden war und die Steilküste ausgehöhlt zu werden drohte, baute man um die Jahrhundertwende eine Ufermauer vor das Cottage. Auch der Küstenübergang von der Steilküste zur Flachküste vor dem Haus „Mecklenburg“ wurde mit einer Mauer befestigt und zu DDR-Zeiten schuf man einen Geröllwall entlang der ganzen Küste von Heiligendamm bis Börgerende. Die Steilküste versuchte man zusätzlich mit einer Mauer zu schützen, die aber schon in den 1970ern zerstört war.

Einen Deich baute man schon zu DDR-Zeiten und ersetze die Schleuse Anfang der 1960er Jahre durch ein Betonbauwerk. Es gab mehrere Rekonstruktionen der Ufermauern und des Packwerks, aber bei der Sturmflut von 1995 zeigte sich, dass die Küstenschutzbauwerke unterdimensioniert und auf Strand und Schorre nicht in der Lage sind, starke Sturmfluten zu kehren. Darum wurden umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen vorgenommen.

Von 1993 bis 2005 wurden 78 Reihen Buhnen vor Heiligendamm und Börgerende in die See gerammt. Allein die erste Maßnahme kostete 2,86 Mio. Euro. Die Buhnen werden fortlaufend erneuert, zuletzt 2009. Man nutzte dafür Eukalyptusholz, weil das für die buhnenzerstörende heimische Fauna nicht interessant ist.

Von 2001 bis 2006 wurden 270.000 Kubikmeter Sand aufgespült. Diese Maßnahme kostete 1,73 Mio. Euro. Es wird fast im Jahrestakt in Heiligendamm neu aufgespült. Allein das Grand Hotel zahlt für seinen Strandabschnitt nach eigenen Angaben etwa 200.000 Euro pro Jahr und die Stadt für ihren Strand nach eigenen Angaben eine halbe Million pro Aufspülung, die allerdings nicht im Jahrestakt, sondern nach Bedarf erfolgt.

Für diese Nachbesserungen werden meistens keine Spüleinrichtungen, sondern Lkws, Traktoren und Bagger genutzt. Um unter der Seebrücke hindurch zu kommen, muss eine Fahrrinne ausgehoben und permanent mit Pumpen freigehalten werden. Die Deckwerke wurden 1996 bis 2003 auf 1.840 Metern Länge für 6,26 Mio. Euro erneuert. Von 1998 bis 2001 wurden auf 2.300 Metern Länge für 2,08 Mio. Euro die Geröllwälle erneuert.

Die Ufermauern in Heiligendamm wurden von 2002 bis 2004 auf 1.000 Metern Länge für 1,27 Mio. Euro erneuert und schließlich 2005 der Deich auf 1.500 Metern Länge für 0,63 Mio. Euro. Das Absperrbauwerk (Schleuse) wurde 1997 und 2006 für zusammen 2,33 Mio. Euro saniert. Die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm (Jagdfeld) beteiligte sich an den Kosten. Zu DDR-Zeiten war die Wasserwirtschaftsdirektion Küste (jurz Wasserwirtschaft) für den Küstenschutz in der DDR zuständig.

1991 wurde das Staatliche Amt für Umwelt und Naturschutz (StaUN) gegründet – heute heißt es „Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt“ (StALU). Dieses kam zu dem Ergebnis:

„Das vorgefundene Küstenschutzsystem „Heiligendamm“ war zu diesem Zeitpunkt wegen der schlechten Bausubstanz, der unzureichenden Dimensionierung der Küstenschutzbauwerke und der schlechten Sedimentbilanz auf Strand und Schorre nicht in der Lage, eine sehr schwere Sturmflut mit Bemessungshochwasser von +2,80 Meter HN zu kehren. Dies wurde erneut nach der schweren Sturmflut von 1995 deutlich, die in diesem Küstenbereich erhebliche Schäden verursachte.

Mit dem „Generalplan Küsten- und Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern“ (1994) verfügten die StÄUN erstmalig über eine wissenschaftlich fundierte und langfristig angelegte Handlungsrichtlinie, auf deren Grundlage die gesamte Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns küstenschutztechnisch sicherer werden sollte. Zwischenzeitlich war 1992/93 ein Buhnensystem, bestehend aus 13 einreihig dichten Holzpfahlbuhnen (Kiefer), errichtet worden. Die Seeteile waren leider nicht lange von Bestand, die seit 1993 an der Küste von Mecklenburg-Vorpommern dauerhaft heimische Schiffsbohrmuschel zerstörte die unbehandelten Kiefernpfähle, so dass sie 2005 ersetzt werden mussten (Weitere 40 Buhnen wurden zwischen 1998-2000 vor Börgerende gebaut).

Als sich 1997 die Konturen einer künftigen Nutzung und deutlichen Aufwertung des Seebades abzeichneten, wurde auch der zu diesem Zeitpunkt noch unzureichende Sturmflutschutz schnell als Problem erkannt und mit den zuständigen Behörden diskutiert. Es lag nahe, dass die umfassende Sanierung des historisch wertvollen Ortskerns des Seebades Heiligendamm auch die schnellstmögliche Rekonstruktion der Küstenschutzanlagen in diesem Bereich erforderlich machte.

Besondere Berücksichtigung fanden bei der gesamten Planung des neuen Küstenschutzsystems die Belange der Denkmalpflege – im Sinne der Minimierung notwendiger Eingriffe. Nach intensiver Vorplanungsarbeit im StAUN Rostock für den ca. 2 km langen Teilabschnitt wurden ab dem Jahr 2000 die weiteren Planungsstufen bis hin zur Ausführungsplanung für den seewärtigen Bereich (Geröllwall, Strand, Schorre) durch das StAUN erarbeitet. Für den landwärtigen Bereich (Ufermauern, Deckwerke, Hochwasserschutzwand) wurden umfangreiche Planungsaufträge an entsprechende, fachlich versierte Planungsbüros vergeben.

 

Modell der ehemaligen Rettungsstation Heiligendamm-Börgerende

 

Gesamtübersicht über die realisierten Aufgaben zum Küstenschutz

Heiligendamm-Börgerende,

1992-2009 Gesamtinvestition ca. 20 Mio €:
1992/93 Buhnenbau Heiligendamm (13 Buhnen)
1998 Geröllwall Börgerende
1998-2000 Buhnenbau Börgerende (40 Buhnen)
1999 Packwerkerhöhung Jemnitzschleuse
2001 Strandaufspülung Heiligendamm (1,5 km)
2001/02 Buhnenbau Heiligendamm (25 Buhnen)
2001/02 Ufermauer Heiligendamm
2002 Rekonstruktion Ufermauer West Heiligendamm
2002 Geröllwall Heiligendamm
2002/03 Geländemodellierung Heiligendamm
2002/03 Deckwerkserweiterung Heiligendamm mit Hochwasserschutzwand
2003/04 Mobile Hochwasserschutzwand
2004 Geröllwallverstärkung Börgerende
2005 Verstärkung Landesschutzdeich Börgerende
2005 Buhnenseeteile aus Tropenholz (13)
2005/06 Ersatzneubau Jemnitzschleuse
2006 Molensanierung Jemnitzschleuse
2006 Renaturierung „Conventer See“
2006 Strandaufspülung Heiligendamm
2009 Buhnenbau Börgerende (10 Buhnen)

Der Deich Heiligendamm-Börgerende ist ein Landesküstenschutzdeich, kombiniert mit einer Landesküstenschutzdüne, einem Buhnensystem, Deckwerk, einer Ufermauer, einem Geröllwall und einem Absperrbauwerk. Damit umfasst er 7 der 10 Sicherungssysteme, die ein Küstenschutzsystem an der deutschen Ostseeküste haben kann.

Nach Tief Benjamin 2019

Das Bemessungshochwasser (BHW) betrug in Heiligendamm (und Kühlungsborn, Börgerende und Nienhagen 3 m ü.NHN, ähnlich wie auf ganz Usedom. Durchschnittlich betragen die BHW an der Ostsee 2,35-2,95 m. Nur neun der 19 Küstenabschnitte haben BHW über 3,00, die höchsten haben mit 3,50 Metern Pötenitz und Rosenhagen.

Geröllwall als Deichfußschutz im von der Schleuse b bis Heiligendamm

Der Deich hat verschiedene Höhen. Von Börgerende nach Osten Richtung Zeltplatz ist er 4 Meter hoch, vor der Niederung nur 2,80 Meter, aber es ist durchgehend ein 3-5 Meter hoher Geröllwall vorgelagert. In der Ortslage Börgerende ist dieser nicht mehr erkennbar, da er versandet ist. Dadurch hat sich zwischen Deich und Geröllwall ein Gewässer gebildet, das sich ungünstig auf den Deich auswirken kann. Der Geröllwall kann letztlich auch nicht wie der Deich vor Hochwasser schützen.

Deich auf der Gemarkung Börgerende

Darum ist der Norden Börgerendes auch ein Überschwemmungsgebiet nach der aktuellen Hochwasserrisikorichtlinie. In Heiligendamm ist der Deich 4,00 bis 4,20 Meter hoch. Da die Promenade tiefer liegt, lagert in der Gartenstraße eine mobile Schutzwand, die binnen einer Stunde vom Mauerende am Haus „Bischofsstab“ bis zum Tor des Grand Hotels aufgebaut werden kann. Ab dort liegt die Promenade höher und kann notfalls mit Sandsäcken gesichert werden. Selbst Sturmtiefs wie Zeetje und Benjamin reichten nur bis auf die Düne und brachten nur Gischt und Sand auf die Promenade.

Geröllwall, Deich und Ufermauer in Kombination

Dem Deich sind ab Börgerende Geröllwälle vorgelagert. Auch die Ufermauer in Heiligendamm ist mit einem Geröllwall geschützt. Sie wirken singulär seegangsdämpfend und gehören zu vier Geröllwällen auf knapp vier Kilometern Länge im ganzen Bundesland.

Jemnitzschleuse mit Randkanal (Foto: M. Sander)

Wichtig für den Deich vor Börgerende und Heiligendamm ist auch die Jemnitzschleuse, die nicht nur den Wasserhaushalt des Conventer Sees und der Ostsee in diesem Bereich regelt, sondern auch auf den Wasserstand reagiert. Es können gezielte Salzwassereinbrüche gesteuert werden, ansonsten hält die Schleuse bei hohem Wasserstand in der Ostsee das Salzwasser zurück, sodass es nicht in die Conventer Niederung und den Conventer See fließt.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert