Chemiefabrik Doberan
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Brache der Chemischen Fabrik wird beräumt

Die letzten Tage der alten Chemiefabrik im Doberaner Ortsteil Walkenhagen sind gezählt. Die Stadtvertreter gaben grünes Licht für die Beräumung der Industriebrache.

Gebaut wurde die Chemiefabrik 1922 als Chemische Werke Doberan, in denen unter anderen aus Tabakresten Pflanzenschutzmittel hergestellt wurde. Später übernahm das Werk auch Rüstungsaufträge und um diese zu verhindern, hatte ein Saboteur 1930 versucht, die Dampfkraftanlage zu beschädigen und dann einen Motor manipuliert. Die Chemischen Werke setzten eine Belohnung von 200 Reichsmark aus, konnten den Saboteur aber nicht überführen.

 1962 zog der Metallverarbeitungsbetrieb aus dem Klosterhof in die Fabrikhallen in Walkenhagen um und 1974 wurde der Betrieb mit der IKS Schiffbau verschmolzen. Fortan war der Betrieb in Walkenhagen der einzige in der DDR, der Schiffslüftungsanlagen baute. Das Werk schloss 1995 seine Pforten und stand von nun an leer. Um die Restitution gab es einen jahrelangen Rechtsstreit, der 2002 damit endete, dass der Eigentümer-Familie Lotz die alte Fabrik endgültig zugesprochen wurde.

Zur Müllkippe verkommen

Über Jahrzehnte war die Ruinenlandschaft eine illegale Müllkippe, in der von Bauschutt über alte Reifen bis hin zu Gefahrenstoffen alles Mögliche illegal entsorgt wurde. Ende 2012 stahlen Diebe Stahlträger eines Gebäudes, das daraufhin zum Jahreswechsel einstürzte.  Kurz darauf ermittelte die Staatsanwaltschaft, aber nicht gegen die Metalldiebe, sondern gegen einen Unternehmer aus der Nachbarschaft, dem vorgeworfen wurde, sich das Grundstück anzueignen und den bisherigen Eigentümer mit einem Trick zu enteignen. Exakt soll der Geschäftsmann 2009 vor dem Amtsgericht Bad Doberan eine Zwangsversteigerung erstritten haben, mit der Begründung, die Eigentümerin schulde ihm Geld. Da er weder Rechnungen noch Mahnungen vorlegen konnte, obwohl der Geschäftsmann sich als Vertretungsberechtigter der Eigentümerin ausgab, nahm die Rechtspflegerin Kontakt zur Eigentümerin auf, die dadurch erst von diesem Versuch erfuhr. Einen zweiten Versuch gab es 2012, als derselbe Nachbar ein Versäumnisurteil vor dem Landgericht Rostock erwirkte und die Einbestellung eines Notgeschäftsführers beantragt hatte. Dieser sollte Medienberichten zu Folge ihm dann das Areal verkaufen. Der Beschuldigte bestritt die Aussagen und sagte, er habe kein Interesse mehr an der Brache.

Streit um Entsorgung entbrannt

Zugleich entbrannte ein Streit um die Zuständigkeit für die Beräumung des Areals. Die Stadt sah das Land in der Pflicht, aber das StALU pochte darauf, dass die Stadt für Ordnung zu sorgen hatte. Die Behörde bot auch an, den größten Teil aus Fördertöpfen zu finanzieren, aber angesichts der geschätzten 2 Millionen und der Unsicherheit, was bei der Beräumung noch ans Tageslicht kommt, zögerte man im Rathaus uns saß das Problem aus. Das StaLU drängte aber die Eigentümerin zum Verkauf, ansonsten müsse sie das Gelände beräumen. Dass sie es nicht bezahlen kann, war dem StaLU durchaus klar. Darum hat es auch keine Ersatzvornahme angeordnet, denn das Geld hätte die Behörde nicht von der Eigentümerin eintreiben können. Bridget Lotz stellte 2016 einen Insolvenzantrag für die Chemischen Werke und über das eigene Vermögen. Sie beschuldigte die Stadt, die Sicherungsmaßnahmen nicht überwacht und damit die Vermüllung nicht verhindert zu haben. Diese wies die Zuständigkeit von sich – das Land habe bereits Asbest fachmännisch entsorgen lassen.

Stadt musste Areal kaufen

Das StaLU schlug einen Solarpark vor, damit der Boden versiegelt und somit nicht ausgetauscht werden müsste. Für die Stadt ist die 5 Hektar große Fläche aber auch die letzte Fläche, die sie als Gewerbegebiet nutzen darf, sodass ein Solarpark nicht in Frage kam. Die Stadt wollte lieber die Fläche erwerben, beräumen und an Investoren veräußern.

Erst 2016 rang sich die Stadt durch, das Areal unter bestimmten Voraussetzungen zu kaufen – nämlich denen, dass es Fördermittel bekommt – um es als Gewerbegebiet zu entwickeln und damit Einnahmen zu erzielen. Ein Jahr später war der Verkauf dann geregelt und 2018 sollte es mit der Beräumung los gehen.

So könnte es weiter gehen

Laut Bebauungsplan darf sich auf der Fläche nur produzierendes Gewerbe ansiedeln. Da es Überlegungen gibt, das bestehende Gewerbegebiet „Eikboom“ in Richtung Althof zu erweitern, macht es auch Sinn, den ursprünglichen Planungswillen weiter zu verfolgen und das produzierende Gewerbe nicht dort in Wohngebietsnähe anzusiedeln, sondern ihnen Walkenhagen anzubieten. Allerdings gibt es auch Überlegungen, den Thünenhof in direkter Nachbarschaft zur Wohnbebauung freizugeben, was dann die Randlage sehr stark relativieren würde. Die Stadt braucht also eigentlich erst einmal ein Gesamtkonzept für den Bereich Walkenhagen. Dann könnte der B-Plan geändert werden, was angesichts der langen Nichtnutzung der Fläche ein nachvollziehbarer Vorgang wäre. Dann allerdings könnte die Stadt dort auch jede Art von Gewerbe zulassen. Es gibt Befürchtungen, dass dort neue Discounter oder Supermärkte entstehen könnten, die angesichts solcher Möglichkeiten nicht abwegig sind. Allerdings wird es nach der Bereinigung in diesem Jahr frühestens 2020 zum Verkauf der Flächen kommen können und bis dahin wollen sich bereits neue Märkte an der Nienhäger Chaussee angesiedelt haben.

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