Brief von 1867 aus Heiligendamm für 60000 Euro versteigert.
Ein Briefumschlag aus Heiligendamm sorgt derzeit für Aufsehen. 60.000 Euro hat jemand bei der Versteigerung bezahlt – das doppelte des ohnehin schon beachtlichen Startgebotes.
Das Kuvert beinhaltete kein bekanntes Schriftstück, wie es durchaus welche gab als Rainer Maria Rilke zu Besuch war oder Adjutant von Moltke seine Notizen machte. Nein – der Absender bleibt unbekannt, denn der Name des Versenders findet sich im Brief und der ist nicht mehr dabei. Damals war es schlichtweg nicht üblich, den Absender auf den Umschlag zu schreiben. Aber der Adressat steht natürlich drauf:
Madame Auguste Barleben
(unleserlich)
Berlin
No. 59. U d Linden
Was das Kuvert so wertvoll macht
Doch auch die Adressatin ist keine Berühmtheit, die den hohen Zuschlag rechtfertigen könnte. Es ist die Kombination aus den mecklenburgischen Postwertzeichen – einer runden Freimarke zu 1 Schilling, einer quadratischen Freimarkte zu 3 Schilling und einer Vierer-Marke zu je einem Schilling aus Mecklenburg-Schwerin und den drei Stempeln HEIL.DAMM E.D. 3|9.
Hinzu kommt das Jahr des Versands: 1867 wurde der Brief verschickt. Zu der Zeit regierte Großherzog Friedrich Franz II. das Land und Heiligendamm war seine Sommerresidenz. Der Absender schickte einen Brief und er muss das aus dem Urlaub getan haben oder einer der wenigen festen Bewohner der Weißen Stadt am Meer gewesen sein. Denn das Postamt im Seebad Heiligendamm hatte nur in der Saison geöffnet. Selbst die Postwertzeichen sind eine Rarität, denn es gibt natürlich allgemein weniger Briefmarken aus den beiden mecklenburgischen Großherzogtümern, als aus den großen Reichen Preußen oder Bayern.
Es ist auch eine der letzten Marken dieser Art, denn 1868 wurde der Norddeutsche Postbezirk gegründet und 1871 das Postwesen dem Kaiserreich unterstellt. Diese Marken wurden nur von 1864 bis 1867 herausgegeben. 1878 erhielt Heiligendamm dann das Kaiserliche Post- und Telegraphenamt -wahrscheinlich zunächst in der Orangerie, später entstand ein eigenes Postgebäude neben den Kolonnaden. Eben das alles zusammen macht diesen Briefumschlag so wertvoll.
Umschlag stammt aus Sammlung von Tengelmann-Mitbegründer Haub
Der Umschlag stammt aus der Sammlung von Erivan Haub (1932-2018). Der Milliardär war 30 Jahre lang Miteigentümer der Tengelmann-Gruppe und gehörte den reichsten Deutschen. Seine enorme Briefmarkensammlung wird bereits seit 2019 in mit dieser bisher 6 Auktionen zu Geld gemacht. Bislang ist eine Briefmarke von 1851 aus Baden das teuerste Stück. Für den „9 Kreuzer-Fehldruck“ wurden 1,26 Millionen Euro geboten.
Am Sonnabend, den 25. September 2021 wurde das Kuvert dann zusammen mit 296 anderen Losnummern im Auktionshaus Heinrich Köhler zur Versteigerung gebracht. Das Aktionshaus ist spezialisiert auf wertvolle Briefmarken. Das Startgebot lag bei 30.000 Euro und wurde schnell in 2000er Schritten hochgetrieben. Bieter waren ein Telefonbieter und ein Internetbieter. Von den im Saal anwesenden Interessenten stiegen drei ein und boten bis 50.000 Euro. Damit schien das Höchstgebot erreicht zu sein, aber jemand aus dem Saal erhöhte um 10.000 Euro und bei dem Gebot fiel nach insgesamt 5 Minuten bei 60.000 Euro der Hammer.
Ein Brief aus Mecklenburg-Strelitz brachte noch mehr Geld
Und es war nicht der einzige Umschlag aus dem Nordosten, der so viel Geld brachte: Am selben Tag ging mit demselben Startgebot, aber aus anderer Quelle ein Brief aus Mecklenburg-Strelitz weg. Schon 1914 hatte es dasselbe Aktionshaus schon mal für 1.645 Reichsmark versteigert, aber dann durch die Inflation und Kriegswirren nicht wieder in den Handel gebracht.
Diesmal fiel der Hammer bei 75.000 Euro. Denn immerhin war es ja ein Brief und nicht nur ein Kuvert. Im Internet kann man Briefe aus den Großherzogtümern Mecklenburgs schon für ein paar Euro ersteigern – es kommt also wirklich auf Details an.
Ein Zufall auch: André Schneider, der Marketingleiter des Auktionshauses, der danach aller Welt erklärte, warum gerade dieser Umschlag so wertvoll ist, kommt aus dem Absendeort Bad Doberan. Heiligendamm ist ein Ortsteil Bad Doberans.
Absender und Inhalt unbekannt
Natürlich hat man versucht, den Absender ausfindig zu machen. Die Recherchen in Berlin an der Empfängeradresse blieben erfolglos. Man weiß nicht mal, wer Madame von Barleben war. So bleibt auch der Inhalt nur ein Anlass für Spekulationen: War es ein Brief unter Familienmitgliedern?
Oder schrieb ein Fremder den Brief? War es ein Drohbrief aus einem Ort, an dem der Absender so leicht nicht zu finden sein wird oder war es ein Liebesbrief eines Jünglings aus dem Ostseeurlaub? Vielleicht findet sich der Brief noch an?
Foto: Heinrich Köhler Auktionshaus