Erpressung oder geschickte Taktik? Nutzt das Rathaus die Orangerie als Druckmittel, um Stichweg & Co. durchzusetzen?
Der Verkauf der Orangerie des Grand Hotels wird zum Politikum: Stadtvertretervorsteher Guido Lex (Bürgerbund) hat erreicht, dass die für den Verkauf nötigen Beschlüsse der Stadtvertreter nicht gefasst werden. Damit will er laut „Ostsee-Zeitung“ das Land von der Stadt abhängig machen und eigene Bedingungen diktieren.
Die Median-Klinik will die Orangerie kaufen, um dort Angebote für stressgeplagte Führungskräfte einzurichten (ZAM berichtete). Dazu muss die Orangerie jedoch aus dem Sondergebiet Hotel entfernt und in das Sondergebiet Klinik eingeordnet werden, wozu nur eine B-Plan-Änderung nötig ist, die der Zustimmung der Stadtvertreter bedarf.
Stadtvertretervorsteher Guido Lex (Bürgerbund) will jedoch nach einem Bericht der Ostsee-Zeitung vom 10.01.2013 die Zustimmung von einigen Bedingungen abhängig machen. Zunächst möchte Lex die Sitzung des neuen Heiligendamm-Beirats abwarten, dem er selbst angehört, an dem Investor Jagdfeld jedoch moniert, „als größter Grundbesitzer in Heiligendamm nicht beteiligt zu sein“. Bürgermeister Thorsten Semrau (parteilos) relativiert, dass Jagdfeld „bei Bedarf eingeladen“ wird.
Artikel-Autor und Redaktionschef Andreas Meyer von der Ostsee-Zeitung bringt Lex‘ Vorgehen mit dessen Plänen in Zusammenhang, einen Stichweg vom Molli-Bahnhof zur Seebrücke und einen Küsten-Wanderweg vor dem Hotel durchzusetzen und zitiert Lex: „Das Land ist von uns abhängig. Die wollen verkaufen.“, was Meyer wiederum so auslegt: „Das Stadtoberhaupt (gemeint ist der Stadtvertretervorsteher Lex, Anm. ZAM) möchte Land und Hotel-Gläubigern seine Visionen aufzwingen. Die Orangerie ist das Druckmittel.“ Weiterhin wird Lex zitiert: „Wir sichern damit unsere Verhandlungsposition.“
Bauausschusschef Joachim Seehaus (CDU) und Bauamtsleiter Norbert Sass drängen dennoch zur Eile: „Median will seine Pläne zeitnah umsetzen. Die brauchen unsere Zustimmung.“ so Sass. Die Bauausschuss-Mitglieder jedoch folgten Lex und vertagten die Abstimmung.
Kommentar
von ZAM-Autor Martin Dostal
Der nun schon als „Stadtoberhaupt“ titulierte Vorsteher der Stadtvertreterversammlung (Stadtoberhaupt ist Bürgermeister Thorsten Semrau, auch wenn einige das bezweifeln.) will die Verhandlungsposition der Stadt stärken – glaubt man der Ostsee-Zeitung, will er in den Verhandlungen die Sache des Bürgerbunds durchsetzen und den Stichweg und den Küsten-Wanderweg durchsetzen. Das waren die Themen, mit denen seine Partei 2004 in das Rathaus einzog und wo sie mangels Erfolgen und mangels alternativen Themen 2014 wieder ausziehen könnte.
Gibt es überhaupt eine Verhandlungsposition für die Stadt?
Das Grand Hotel ist seit einem Jahr in der Insolvenz, es gibt keine Bieterschlacht, es gibt nur zähe Verhandlungen mit Interessenten, die eben nicht in Heiligendamm das Schnäppchen sehen, wo man einfach schnell zuschlagen muss. Wie schon 1997 will wieder keiner Heiligendamm haben. Damals ging es um 26 Häuser, heute nur um acht. Damals blieb nur Investor Jagdfeld mit seinen Luxushotel-Plänen übrig und Favorit MEDIAN begnügte sich mit seinem Neubau. Heute gibt es nicht einmal einen einzigen Namen, nur kleiner werdende Zahlen. Median will nur die Orangerie, nachdem Mitinhaber Advent International gemerkt hat, dass man gar nicht alle 8 Häuser kaufen muss, sondern die Orangerie auch ohne das Grand Hotel bekommen kann.
Wie ist also die Verhandlungsposition der Stadt? Was kann sie fordern, was diktieren?
Median geht nicht unter, wenn der Kauf der Orangerie nicht klappt. Und dass jemand Median das Haus vor der Nase weg schnappt, ist derzeit fraglich. Die Stadt steht mit dem Rücken an der Wand, kann mit Forderungen bestenfalls für Belustigung sorgen.
Was es wirklich braucht, ist die Beantwortung der Frage
„Warum wollte 1996 keiner Heiligendamm haben und warum will es jetzt wieder keiner haben?“
Median will die Orangerie kaufen. Aber die Stadt will das Grand Hotel verkaufen und wer ein Zahnrad blockiert, der blockiert das ganze Getriebe. Was wäre, wenn ein potentieller Investor nach der Herauslösung der Orangerie meint, dass er sie doch gern mit im Hotel gehabt hätte? Wäre es nicht vernünftiger, erst das Grand Hotel „so wie es ist“ zu verkaufen und dann zu sehen, was der neue Eigentümer nicht gebrauchen und daher Median anbieten kann?
Das Spektakel verdeutlicht jedoch eines: Heiligendamm als Ganzes wird untergehen.
Was die Beteiligten da tun, ist offensichtlich der Versuch, zu retten was zu retten ist. Man versucht, die wenigen begehrten Filetstücken zu Geld zu machen und die Stadt will nun schnell das tun, wofür sie zuletzt vier Jahre brauchte: Den B-Plan ändern, damit die Orangerie zu Geld gemacht und die Gläubigerschaft (außer Jagdfelds „bona“) befriedigt werden kann. Dieses ganze Verhalten ist bereits „Mit-dem-Rücken-an-der-Wand-stehen“.
Zugleich wollen vornehmlich Bürgerbund und FDP immer noch unter dem Deckmantel der „öffentlichen Interessen“ ihre Abkürzungen und Wanderwege durchsetzen (auf die Gefahr hin, dabei bald durch eine Geisterstadt zu laufen). Keiner der derzeit Handelnden scheint jedoch einen auch nur halbwegs brauchbaren Plan zu haben, wie Heiligendamm denn ein Erfolg werden könnte – sonst bräuchte man ja keinen Beirat mit Experten.
Um herauszufinden,
wie Heiligendamm ein Erfolg werden kann,
ist die entscheidende Frage zu beantworten:
Warum wollte 1996 keiner Heiligendamm haben
und warum will es jetzt wieder keiner haben?