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Stadt blockiert Privatinvestor: Heiligendamm bekommt Strandzentrum „zweiter Klasse“

Das Beste war stets gerade gut genug für Deutschlands erstes Seebad und nur darum blieb es über Jahrzehnte Trendsetter, selbst als es nicht mehr die Nummer eins war. So findet sich im Bebauungsplan Nr. 25 das Baugebiet IV, in dem sich die Stadt schon 2004 ein Strandzentrum wünschte. Eine kleine Seebrücke ist eingezeichnet, Studien zeigten sogar Möglichkeiten auf, den Deich und die Sumpflandschaft touristisch zu nutzen.

Im Jahre 2007 war Heiligendamm in aller Munde und Klaus König aus Templin in Heiligendamm. Er stieß auf die Freifläche und erkannte das Unterangebot und den Bedarf an einem Strandzentrum, erfuhr vom städtischen Wunsch, ein solches zu bekommen und vertiefte sich in Plänen und Planungen.

Heraus kam ein 3-Millionen-Euro-Projekt mit 120 Restaurant-Plätzen, Gewerbeflächen für Shops und einem an dieser Stelle dringend benötigten öffentlichen WC. Einziges Manko: König wollte unter dem Dach Personalwohnungen unterbringen und damit würde das Gebäude 1,5 Meter höher werden, als im B-Plan erlaubt. Das wäre jedoch kein Problem, denn B-Pläne lassen sich ändern. Der Aufwand – eine Änderung kostet einige tausend Euro – muss aber gerechtfertigt sein. Für Personalwohnungen wollte die Stadt den B-Plan nicht ändern, also plante König um, verlegte Räume unter die Erde, wodurch Mehrausgaben von 600.000 Euro entstehen und wollte nun eine Dachterrasse mit Meerblick – eben etwas ganz Besonderes, da in der Form zwischen Warnemünde und Kühlungsborn einmalig.

König glaubte, ein unschlagbares Angebot zu machen aber er irrte: Die SPD-Frontfrau Birgit Mersjann will den B-Plan nicht seinetwegen teuer ändern, der parteilose Jochen Arenz unterstützt dies mit der Begründung, König hätte das Grundstück in Kenntnis des Bebauungsplanes gekauft und der bisher für den Bürgerbund angetretene Guido Lex wirft sogar ästhetische Gründe in den Raum. Bürgermeister Thorsten Semrau (parteilos) geht sogar einen Schritt weiter und offenbarte in einem Gespräch Bedenken gegen den Investor selbst. Das Land teilt diese Bedenken offenbar nicht, denn sie will König Steuergelder für die Mehrausgaben für den Hochwasserschutz bereit stellen.

Der will eigentlich kein „Strandzentrum zweiter Klasse“ und sieht sich nach einer guten Hand voll Änderungen desselben Bebauungsplanes ungerecht behandelt. Für die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm (ECH) habe man den Bebauungsplan immer wieder geändert.

 

Bebauungsplan geht an der Realität vorbei.

Und König hat Recht: Der B-Plan Nr. 25 wurde so oft geändert, wie kein anderer in der Stadt. Er war von Anfang an nicht zu gebrauchen, denn die Planer hatten keine klaren Zielvorstellungen und waren gar nicht darauf bedacht, Heiligendamm kompetent als Seeheilbad am Markt zu positionieren. Es wurde irgendwie irgendetwas gemacht und heraus kam ein B-Plan, in dem sich Villen befinden, die für Millionen saniert oder neu gebaut werden müssen und die von den Erwerbern aber nur ein paar Monate im Jahr bewohnt werden dürfen. Die naheliegende Frage, wer teures Geld für diesen minimalen Nutzen investiert, hat sich scheinbar niemand gestellt und damit am Markt vorbei geplant. Auch die Frage, wo die über 100 Bewohner parken sollen und wie weit weg vom Haus ein Parkplatz sein darf, hat sich die Stadt nicht gestellt. Der B-Plan Nr. 25 geht in großen Teilen an der Realität vorbei und wer heute noch daran festhält, der auch. Darum entwickelt sich Heiligendamm auch nicht weiter.

Eine Gestaltungssatzung sucht man vergebens. Jeder kann bauen wie er will – egal, wie es zu dem Ensemble aussieht. Nierenförmige Stahl- und Glas-Imbisse zwischen historistischen Prachtbauten sind in Heiligendamm erlaubt und in Vorbereitung. Nur hoch bauen darf niemand: Die Ostsee-Urlauber, die da am Meer Urlaub machen wollen und das erste deutsche Seebad – die weiße Stadt am Meer – besuchen, sollen nicht das Meer sehen, sondern die Düne. In Ostholstein hat man irgendwann begriffen, dass Strandpromenaden ohne Seeblick out sind und hat darum die Büsche schnell wieder entfernt. In Heiligendamm gar nicht nötig: Hier würde es reichen, 150 Zentimeter höher bauen zu dürfen – dazu braucht es nur einer B-Plan-Änderung.

Die Folgen: Weil der Bebauungsplan in der Praxis nicht zu gebrauchen ist, musste der B-Plan bereits mehrmals geändert und an die Realität angepasst werden, was Steuergelder kostet. Nun werden auch noch Steuergelder benötigt, damit trotz der Fehler im B-Plan überhaupt etwas gebaut wird, denn ohne die Steuergelder für den Hochwasserschutz müsste König sehen, woher er das nicht eingeplante Gelder bekommt oder sein Projekt aufgeben.

 

Wer nicht weiß, wohin er will, kommt nie an.

Heiligendamm soll ein erfolgreiches Seeheilbad werden. Diesen Tenor stimmen alle Stadtvertreter an. Was sie jedoch tun, passt absolut nicht zu dem, was sie sagen. Der Maßstab ihres Handelns ist nicht, was Heiligendamm am Meisten nützt, sondern sie benutzen Ausreden, um die bequeme und lieb gewordene Blockadepolitik weiter zu betreiben. Jagdfeld ist nur das Prominenteste der „Blockade-Opfer“ und König wohl nicht das letzte. Auch die Strandversorgung neben dem Café am Golfteich ist nach Jahren noch nicht da, weil sie bis zuletzt blockiert wurde. Selbst der Insolvenzverwalter des Grand Hotels bekam die Blockadepolitik zu spüren und war sehr überrascht, auf diese Weise an der Arbeit gehindert zu werden. Doch auch untereinander blockieren sich die Stadtvertreter mit immer neuen Diskussionen um Details bis hin zu Debatten über Nichtigkeiten. Immer wieder aufs Neue werden Beschlussvorlagen eingereicht, um irgend welche Dinge zu ändern, zu blockieren oder verhindern.

Selbst Hand anlegen wollen die Blockierer nicht: Die nicht für den Schiffsverkehr nutzbare geflickte Seebrücke muss – passend zum Dünenblick auf der Dachterrasse – reichen, eine provisorische Sackgassen-Promenade ist besser, als gar keine und Autos können ja nicht reden, also auch auf Schotterparkplätzen stehen. Einen Yachthafen oder ein als Kurmittelhaus taugliches Meerwasserbad könnte die Stadt zusammen mit dem Landkreis mit Fördermitteln bauen – denkt aber gar nicht daran. Jeder Fortschritt würde dem Grand Hotel nützen und damit Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sichern, jede Steigerung der Attraktivität würde auch die Stadtkasse klingeln lassen, denn ein attraktives Heiligendamm würde allen Gastgebern gleichermaßen nützen und jeder Einheimische könnte stolz auf Heiligendamm sein, wie die Kühlungsborner, Reriker, Warnemünder, Graal-Müritzer… auf ihre Stadt. Warum nur begreift das niemand? 

 

Weiterführende Informationen: So könnte ein Strandzentrum aussehen (Entwurf Hass+Briese im Auftrag der ECH)