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Stadtvertreter beschließen weitere Hängepartie in Heiligendamm und vertagen Kino-Rettung.

Die Stadtvertreter Bad Doberans waren in der letzten Januar-Woche aufgefordert, über Beschlussvorlagen zum Vorkaufsrecht in Heiligendamm abzustimmen. Die Stadtverwaltung hatte empfohlen, auf das Vorkaufsrecht zu verzichten und die Stadtvertreter sollten nun darüber abstimmen. Nicht alle Mandatsträger kamen zur Sitzung, wohl aber alle Mitglieder von Bürgerbund und Linke waren anwesend. So ist das für die Ostsee-Zeitung überraschende Ergebnis gar nicht so überraschend: 9 Stadtvertreter stimmten für einen Verzicht auf das Vorkaufsrecht und 9 dagegen. Damit gilt die Beschlussvorlage als abgelehnt – die Stadt greift also nach dem Vorkaufsrecht in Heiligendamm. Gleich danach verdeutlichten dieselben Stadtvertreter, dass sie nur das Recht haben, es aber nicht ausüben wollen. Damit besiegeln sie eine weitere Hängepartie in Heiligendamm. Mehr noch: Die ECH droht jetzt mit Klage:

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Ostsee-Zeitung vom 31.01.2012:

Heiligendamm: Stadtvertretung versinkt im Abstimmungs-Chaos

Der Streit um die „Perlenkette“ ist seit gestern Abend verfahrener denn je.
Die Stadt will nicht auf ihr Vorkaufsrecht verzichten, sie will es aber auch nicht ausüben.

Von Andreas Meyer

Bad Doberan/Heiligendamm – Der Streit um Heiligendamm wird weitergehen. Und eine Lösung ist noch lange nicht in Sicht. Das ist die ernüchternde Erkenntnis nach der gestrigen Sitzung der Bad Doberaner Stadtvertretung. Denn in der Frage, ob die Stadt Immobilien von der Entwicklungs-Compagnie Heiligendamm (ECH) zurückkauft, gab es am Abend keine eindeutige Entscheidung. Sie will auf ihr Recht nicht erzichten,
sie will es aber auch nicht ausüben. Die ECH droht mit Klage.

Zum Hintergrund: Die ECH will gleich mehrere Immobilien in bester Lage – unter anderem Seevillen in der sogenannten „Perlenkette“ –an Tochterfirmen verkaufen. Das geht aber nur, wenn die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht nutzt. Denn laut Denkmalschutzgesetz kann Bad Doberan die Villen erwerben, wenn Gefahr für die historischen Bauten besteht. Gestern Abend sollten die Stadtvertreter in dieser Frage nun Farbe bekennen, taten es aber nicht. Der Vorschlag der Stadtverwaltung, auf das Kaufrecht zu verzichten, erhielt neun Ja-, aber auch neun Nein-Stimmen. Er gilt
damit als abgelehnt. Aber nur weil die Stadt nicht auf das Vorkaufsrecht verzichtet, heißt das nicht, dass sie es auch nutzen will: Ein Antrag des Bürgerbunds, der ECH mitzuteilen, dass die Stadt den Kauf erwägt, fiel auch durch. Ebenfalls mit neun zu neun Stimmen. Was die kuriose Patt-Situationzu bedeuten hat, vermochte gestern Abend keiner zu beurteilen: „Darüber muss ich erst nachdenken“, so Bürgermeister Hartmut Polzin (SPD).

Stadtvertretervorsteher Guido Lex (Bürgerbund) hatte vor der Abstimmung dafür geworben, in Verhandlungen mit der ECH einzutreten – damit der neue Eigentümer die Pflichten der Compagnie übernimmt. Mit den neuen Verträgen wollte Lex für den Fall einer Insolvenz der ECH vorbeugen. Er kam mit dem Vorschlag aber nicht durch. „Ich frage mich,ob sich einige Stadtvertreter ihrer Verantwortung bewusst sind“, wetterte der Richter. Auch er wisse nicht, wie es weitergehen soll: „Wir haben den Verzicht nicht erklärt. Es bleibt alles offen.“

„Die Hängepartie geht weiter – und die Stadt blockiert die Entwicklung in Heiligendamm“, lautet das Fazit des fraktionslosen Stadtvertreters Jochen Arenz. „Die Situation ist verfahrener als zuvor.“ Einzig Harry Klink (FDP) interpretiert das Abstimmungs-Chaos anders: „Wir haben bekundet, dass wir das Kaufrecht nutzen wollen.“ Jetzt müssten Preise auf den Tisch. „Es ist sehr bedauerlich, dass der Verzicht nicht erklärt worden ist – auch für die Stadt. Denn damit ist verbunden, dass die Sanierung blockiert ist“, sagte ECH-Sprecher Christian Plöger am Abend zur OZ.

 
Kino: Entscheidung vertagt

Bad Doberan – Auch die Zukunft des Kinos in BadDoberan bleibt weiter ungewiss. Die Stadtvertreter vertagten gestern Abend eine Entscheidung über mögliche Finanzhilfen für einen neuen Investor. Ein Antrag des FDP-Fraktionschefs Harry Klink zu dem Thema schaffte es nicht einmal auf die Tagesordnung.

Klink hatte gefordert, dass die Stadt einem neuen Investor mit GeldzurSeite steht:So wollte er prüfen lassen, ob aus der Stadtkasse rund 25 000 Euro für den Einbau digitaler Filmtechnik ins Kino gezahlt werden könnten. Auch ein Darlehn über 20 000 Euro will die FDP dem Kühlungsborner Kino-Betreiber Peer Kretzschmar zur Verfügung stellen. Kretzschmar hat Interesse, das Lichtspielhaus in der Münsterstadt fortzuführen.

Allerdings wollten die Stadtvertreter über die Vorschläge nicht beraten: „Ich hatte den Antrag fristgemäßgestellt.Es ist mir ein Rätsel,warum es nicht auf die Tagesordnung geschafft hat“,klagt Klink. Stadtvertretervorsteher Guido Lex konnte ihm das beantworten: „Nach Auskunft der Verwaltung lag der Antrag nicht rechtzeitig vor.“ Als die Politikerdann eine Dringlichkeit ablehnten, schimpfte Klink: „So können wir nicht mit Menschen umgehen, die Gutes für unsere Stadt wollen.“ am
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2 Kommentare

  1. Hintergrundinformationen und Kommentar:
    Es ist eine sehr abstrakte Position, die die Stadtvertreter Bad Doberans da eingenommen haben: „Wir wollen das Vorkaufsrecht haben aber nicht nutzen.“ Die Hintergründe nennt die Ostsee-Zeitung nicht:

    Den Stadtvertretern war bis zu Sitzungsbeginn der Kaufpreis für die Flächen nicht bekannt, über die sie abzustimmen hatten. Stadtvertreter quer durch die Parteienlandschaft hatten den Bürgermeister aufgefordert, die Summe zu nennen, um die es bei den Verkäufen geht. Hartmut Polzin aber nannte diese Summe nicht.

    Während der Sitzung wurde klar, dass der fraktionslose Stadtvertreter Jochen Arenz den Betrag in Erfahrung bringen konnte, sodass die Stadtvertreter ihn bedrängten, den Betrag zu nennen – obwohl dies Aufgabe des Bürgermeisters gewesen wäre.

    Nachdem klar wurde, dass der Verkaufspreis dreimal höher als der städtische Haushalt ist, sahen die Stadtvertreter zwar die letzte Chance auf einen Rückkauf Heiligendamms – wozu auch immer – schwinden, beschlossen aber Kraft der Mehrheit von Bürgerbund und Linke über die Abwesenheit möglicher Andersstimmender, das Vorkaufsrecht zwar zu behalten aber nicht anzuwenden.

    Der Bürgerbund-Beschlussvorschlag, der ECH eine Mitteilung zukommen zu lassen, wurde abgelehnt – es wäre ohnehin Unsinn und taugte nur für Öl-ins-Feuer.

    Öl ins Feuer ist diese Wankelmütigkeit dennoch, denn nun droht die Klage der ECH gegen die Stadt. Wer jedoch die Diskussion um Heiligendamm verfolgt, muss sich vor allem eine Frage stellen:

    Was ist nur mit dem Bürgermeister los?

    Wir erinnern uns: Hartmut Polzin war stets der Verfechter dessen, was in Heiligendamm passierte. Er verhandelte mit der ECH und dem Grands Hotel, fand Kompromisse und Lösungen und boxte einige Dinge auch gegen die Stadtvertreter durch. Dafür erntete er viel Kritik und Gegenwehr und einige Stadtvertreter versuchten immer wieder, ihn zu stürzen.

    Vor der letzten Bürgermeisterwahl kam dann die Kehrtwende: Polzin verkündete einige Möglichkeiten in Heiligendamm, die er noch zwei Jahre vorher nie laut ausgesprochen hätte. Vom Vorkaufsrecht war die Rede und sogar vom Stichweg. Während er in der ersten Runde nicht mit den FUNDUS-Gegnern rechnen konnte (diese wählten durchgehend Birgit Schwebs), mag er sich in der Entscheidungsrunde gegen Thorsten Semrau Stimmen aus dem Bürgerbund- und Linke-Lager ausgerechnet haben. Wenn, dann ging die Rechnung nicht auf: Semrau gewann mit klarem Vorsprung.

    Vielleicht ist es nun Polzins Ansinnen, durch die Blockade von Haushalts-Beschlüssen und die Zurückhaltung von Informationen Semrau einen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Taktisch wäre das dumm, denn er selbst stand 1994 (und dann offiziell 1996) vor einem Scherbenhaufen aus dem Hause der CDU und konnte diesen Haufen mit Bravour bewältigen, was ihm und der SPD ein ganzes Jahrzehnt eine Mehrheitshochburg verschaffte. Semrau einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, kann ihm mehr nützen als schaden.

    Vielleicht will der Bürgermeister aber den unliebsamen Stadtvertretern auch einen Denkzettel verpassen und sie als letzte Amtshandlung in ein offenes Messer laufen lassen, aus Rache für die ganzen Verschwörungen, Abwahlanträge, Dienstaufsichtsbeschwerden und Schmutzkampagnen. Wer mag es ihm verdenken? Nur: Warum lässt er dann auch die Stadtvertreter auflaufen, die immer gut mit ihm zusammen gearbeitet haben? Und wo bleibt in diesem Theater die Stadt mit ihren Bürgern?

  2. Was sagt das Gesetz dazu?

    Von einer Rechtsanwältin erhielt ich folgenden Tipp:

    Denkmalschutzgesetz (DSchG M-V)
    In der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Januar 1998
    Fundstelle: GVOBl. M-V 1998, S. 12
    Zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.5.2006, GVOBl. M-V 2006, S. 194

    § 8
    Veräußerungs- und Veränderungsanzeige

    Wird ein Denkmal veräußert, so haben der frühere und der neue Eigentümer den
    Eigentümerwechsel unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb eines Monats, der
    für die Führung der Denkmalliste fachlich zuständigen Behörde anzuzeigen. Die
    Anzeige eines Pflichtigen befreit den anderen.

    § 22
    Vorkaufsrecht

    (1) Der Gemeinde steht beim Kauf von Grundstücken, auf oder in denen sich
    Denkmale befinden, ein Vorkaufsrecht zu. Es darf nur ausgeübt werden, wenn
    dadurch die dauernde Erhaltung des Denkmals ermöglicht werden soll. Das
    Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer das Grundstück an
    seinen Ehegatten, Lebenspartner oder an eine Person veräußert, die mit ihm in
    gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten
    Grad verwandt ist. Das Vorkaufsrecht steht der Gemeinde nicht zu beim Kauf von
    Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz und bei Erbbaurechten.

    (2) Das Vorkaufsrecht kann nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des
    Kaufvertrages durch Verwaltungsakt gegenüber dem Veräußerer ausgeübt
    werden. Die §§ 504 , 505 Abs. 2 , §§ 506 bis 509 und 512 des Bürgerlichen
    Gesetzbuches sind anzuwenden. Nach Mitteilung des Kaufvertrages ist auf
    Ersuchen der Gemeinde zur Sicherung ihres Anspruchs auf Übereignung des
    Grundstücks eine Vormerkung in das Grundbuch einzutragen; die Gemeinde
    trägt die Kosten der Eintragung der Vormerkung und ihrer Löschung. Das
    Vorkaufsrecht ist nicht übertragbar. Bei einem Eigentumserwerb aufgrund der
    Ausübung des Vorkaufsrechts erlöschen rechtsgeschäftliche Vorkaufsrechte.
    Wird die Gemeinde nach Ausübung des Vorkaufsrechts im Grundbuch als
    Eigentümerin eingetragen, so kann sie das Grundbuchamt ersuchen, eine zur
    Sicherung des Übereignungsanspruches des Käufers im Grundbuch
    eingetragene Vormerkung zu löschen; sie darf das Ersuchen nur stellen, wenn
    die Ausübung des Vorkaufsrechts für den Käufer unanfechtbar ist.

    (3) Der durch das Vorkaufsrecht Verpflichtete hat der Gemeinde den Inhalt des
    mit dem Dritten abgeschlossenen Vertrags unverzüglich mitzuteilen; die
    Mitteilung des Verpflichteten wird durch die Mitteilung des Dritten ersetzt. Das
    Grundbuchamt darf bei Veräußerungen den Erwerber als Eigentümer in das
    Grundbuch eintragen, wenn ihm die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des
    Vorkaufsrechts nachgewiesen ist. Besteht ein Vorkaufsrecht nicht oder wird es
    nicht ausgeübt, hat die Gemeinde auf Antrag eines Beteiligten darüber
    unverzüglich ein Zeugnis auszustellen. Das Zeugnis gilt als Verzicht auf die
    Ausübung des Vorkaufsrechts.

    (4) Die Gemeinde kann das Vorkaufsrecht zugunsten einer anderen juristischen
    Person ausüben; bei juristischen Personen des Privatrechts besteht diese
    Befugnis nur, sofern die dauernde Erhaltung der in oder auf einem Grundstück
    liegenden Baudenkmale oder ortsfesten Bodendenkmale zu den
    satzungsmäßigen Aufgaben der juristischen Person gehört und bei
    Berücksichtigung aller Umstände gesichert ist. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt
    entsprechend. Die Gemeinde kann das Vorkaufsrecht zugunsten eines anderen
    nur ausüben, wenn ihr die Zustimmung des Begünstigten vorliegt.

    § 23
    Entschädigung
    Haben Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes enteignende Wirkung, ist eine
    Entschädigung nach Maßgabe des § 5 des Enteignungsgesetzes zu leisten.

    Warum Jagdfeld meint, es bestünde kein Vorkaufsrecht, ist unklar. Entweder wurde Gesetz nicht zu Ende gelesen oder es erfolgt der Verkauf an einen Angehörigen (§ 22 Abs. 1). Wenn nun aber darum abgestimmt wurde, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird, dann hat Jagdfeld ein Anrecht darauf, dass man ihm das bescheinigt und es geht weiter. Hier könnte man auch an die Zweimonatsfrist denken, was ist denn mit der???

    Norbert Sass (Bauamt), hat aber völlig zu Recht auf die Entschädigung hingewiesen. Außerdem: Vorkaufsrecht geht nur, wenn dadurch die dauernde Erhaltung des Denkmals gesichert werden soll. Will Jagdfeld abreißen? Nein, also irrelevant.

    Der Einwand, nicht alle Vertragsdetails lägen vor, ist auch irrelevant, denn sie haben darüber abgestimmt. Das wäre ein Fall des venire contra factum proprium, haben sich sozusagen rügelos eingelassen.

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