Stadtvertreter verzichten offiziell auf das Vorkaufsrecht für die Perlenkette.
Fast hätte es der Stadt das Genick gebrochen: FUNDUS-Chef Anno August Jagdeld wartet seit Mitte 2011 auf ein Dokument, das ihm den Verzicht der Stadt auf ihr Vorkaufsrecht für die Perlenkette attestiert. Die Stadtverwaltung hatte vom Vorkaufsrecht aus finanziellen Gründen (und damit wegen fehlender Rechtsgrundlage) keinen Gebrauch gemacht und musste nun ein Attest dafür ausstellen. Dann kamen die Bürgermeister-Wahlen und damit kam das Thema an die Öffentlichkeit und wurde zum Politikum. Stadtvertreter warfen dem Bürgermeister Hartmut Polzin vor, sie umgangen zu haben und forderten trotzig das Vorkaufsrecht ein – zur Not eben zu Gunsten eines Dritten, den FDP-Mitglieder und auch Bürgerbundler immer wieder imaginisierten, ohne Namen oder Fakten nennen zu wollen oder können. Zwei Abstimmungen der Stadtvertreter zum Vorkaufsrecht wurden zum Flop: Dem 9:9 folgte ein 11:11 und damit entschieden die Stadtvertreter, vom Recht keinen Gebrauch zu machen aber auch nicht darauf zu verzichten. Hartmut Polzin war nun genötigt, gegen die Beschlüsse Widerspruch einzulegen, um Schaden von der Stadt abzuwenden, musste aber zugleich sein Amt an den Wahlsieger Thorsten Semrau übergeben. Die ECH ihrerseits schaltete einen Anwalt ein und forderte letztmalig die Herausgabe des ihr zustehenden Attestes und dazu noch den offiziellen Verzicht auf das Vorkaufsrecht – möglichst per Beschluss. Wer das Feuer entfacht, soll es auch löschen. So wurde die letzte Entscheidung zur spannendsten des Quartals: Wie werden die Stadtvertreter angesichts der bevorstehenden Klage, nun mit neuem Bürgermeister im Raum und mit Rücksicht auf die Insolvenz des Grand Hotels reagieren?
Die Verhandlung fand hinter verschlossenen Türen statt. Erstmals wurden auch die Preise genannt. Laut OSTSEE-ZEITUNG standen folgende Preise zur Debatte:
3.208.482,46 Euro soll demnach die neu erbaute Villa „Perle – Großfürstin Marie“ wert sein, 538.103,82 Euro hätte die Stadt für die in Planung befindliche Villa „Greif“ hinblättern müssen und selbst Abrisskandidaten sind ein Vermögen wert: 725.302,91 Euro die innen zur Hälfte bereits eingestürzte Villa „Schwan“. Villa Hirsch – kein Abrisskandidat – ist als kleinste Villa auf kleinstem Grundstück „nur“ 499.444,47 Euro wert. Insgesamt hätte die Stadt 11,7 Millionen Euro für den Vorkauf der Perlenkette und 10,9 Millionen Euro für den Vorkauf weitere Immobilien in Heiligendamm bezahlen müssen. Laut OSTSEE-ZEITUNG (Ausgabe vom 28.03.2012) kursieren diese Zahlen inzwischen in der ganzen Stadt. Während Bürgermeister Hartmut Polzin diese Preise nicht nennen wollte (und auch nicht musste), konnte der neue Bürgermeister Thorsten Semrau das Debakel dadurch beenden, die Zahlen zu nennen. Trotzdem war hierfür natürlich erst ein Beschluss der Stadtvertreter nötig. Die Preise wurden hinter verschlossenen Türen genannt und auch im Nachhinein gaben die Stadtvertreter keine Auskunft. Wie die Ostsee-Zeitung trotzdem an die Preise gekommen ist, ist ein altes Geheimnis, das schon Stadtvertretervorsteher Christian Berner vor fast 20 Jahren öffentlich rügte.
18 Stimmen für den Verzicht auf das Vorkaufsrecht.
Die Zahlen nun kennend, hoben 18 Stadtvertreter die Hand für einen Verzicht auf das Vorkaufsrecht. Damit kriegt Jagdfeld nun sein ersehntes Attest, die Grundbucheinträge können vorgenommen werden und die Villen wechseln höchstoffiziell ihre Besitzer. Was die Ostsee-Zeitung als „nun unwiederbringlich in privaten Besitz übergehen…“ bezeichnet, war schließlich das 1997 vorgelegte und 2004 noch einmal spezifizierte Konzept der FUNDUS-Gruppe: Villen sanieren und zum Verkauf als Ferienobjekte anbieten. Ob der Käufer nun eine Wohnung kauft oder eine ganze Villa, spielt dabei genauso wenig eine Rolle wie die Nutzung für eigene Zwecke oder zur Weitervermietung.
Einzige Bindung, die 2004 in die Verträge aufgenommen wurde: Die Käufer müssen die Wohnungen durch das Grand Hotel bewirtschaften lassen und dafür feste Gebühren entrichten. So wurde neben der zusätzlichen Einnahmequelle für das Hotel (im Gegenzug bekommen die Villenbewohner auch Sonderkonditionen im Grand Hotel) eine Bindung erzielt, die ein einheitliches Bild zur Folge haben soll. Bestes Beispiel: Es mäht nicht jeder seinen Rasen, wann und wie er will, sondern die Gärtner des Grand Hotels mähen alles zusammen mit den eigenen Flächen einheitlich und akkurat. Da stecken wirklich gute Gedanken hinter. Jedenfalls war der Übergang von Staatseigentum zu Gesellschaftseigentum (FUNDUS-Gruppe) und danach zu Privateigentum von vornherein beschlossene Sache und damit eigentlich nach fast 20 Jahren keine Träne mehr wert.
Übrigens: Für Villa „Greif“ laufen bei der ECH die Planungen für die Sanierung und für Villa „Möwe“ plant schon der neue Besitzer, der aber jetzt erst loslegen darf, weil erst jetzt der Grundbucheintrag vorgenommen werden kann. Wären die Stadtvertreter schneller gewesen, hätten schon erste Arbeiten stattfinden können.
Überraschende Wende bei einigen Stadtvertretern.
Einer von denen, die jetzt die Hand hoben, ist nach meinen Informationen auch FDP-Chef Harry Klink, der bisher am Vorkaufsrecht festhielt und seinen Sinneswandel nun gegenüber der OSTSEE-ZEITUNG so begründet: „Semraus Vorgänger, Hartmut Polzin(SPD),hat die Preise den Stadtvertretern ein Dreivierteljahr lang verheimlicht, und so eine sachbezogene Entscheidung verhindert. Damit hat er wahrscheinlich dafür gesorgt, dass gesetzliche Fristen überschritten wurden, die Stadt ihr Vorkaufsrecht gar nicht hätte nutzen können, selbst wenn Geld zum Kauf der Villen da gewesen wäre.“
Nachruf an den scheidenden Bürgermeister verschaukelt Bürger.
Da fragt sich doch, für wie blöd Klink die Bürger verkaufen will: Jeder einfache Bürger hat gewusst, dass die Perlenkette nicht hunderte, nicht tausende, nicht zehntausende und auch nicht hunderttausende kosten würde, sondern Millionen. Jeder einigermaßen intelligente Bürger weiß, dass die Stadt sich nicht einmal eine Million Euro für den Vorkauf leisten kann, liegt doch selbst der Monatshaushalt in diesem Bereich, sodass nichts übrig bleibt. Die Stadt konnte es sich zu keiner Zeit leisten, auch nur ein Haus zurück zu erwerben – beim Moorbad hätte die Möglichkeit auch bestanden und wurde eben deshalb nicht genutzt. Die Stadtvertreter müssen also gewusst haben, dass es in Heiligendamm um Millionen geht und ein Vorkauf nicht in Frage kommt. Fragt man verschiedene Stadtvertreter danach, drängt sich der Anschein auf, als sei nur Harry Klink nicht in der Lage, sich selbst zu informieren. Da scheint der „Nachruf“ an den alten Bürgermeister doch eher wie das Sahnehäubchen in einer Schlacht, die nun zu Ende geht.
Stadtvertreter hatten keine andere Wahl.
Nun einmal ganz ehrlich: Die Stadtvertreter hatten einfach keine andere Wahl. Ein erneutes Nein hätte einen jahrelangen Prozess bedeutet, für den Schwerin kein Geld zur Verfügung gestellt und der damit die Stadt ruiniert hätte. Und die Schuldigen hätten mit Bild und Namen in den Zeitungen gestanden. Dagegen wurde abgestimmt – nicht gegen das Vorkaufsrecht.
Zum vollständigen Artikel:
http://www.ostsee-zeitung.de/doberan/index_artikel_komplett.phtml?param=news&id=3404609