Wer hat Heiligendamm gekauft?
Am Heiligen Damm wurde 1793 durch Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin das erste Seebad Deutschlands gegründet. Unter ihm entstanden das Badehaus und das Kurhaus und einige Wirtschaftsbauten sowie die Badeeinrichtungen, weil zunächst noch alle Annehmlichkeiten in Doberan selbst verblieben. Sein Enkel Paul Friedrich erweiterte das Bad um die „Burg Hohenzollern“ und ließ das Badehaus vergrößern und drei Cottages für seine und die königlich-preußische Schwiegerfamilie bauen. Hintergrund waren Bestrebungen, das Bad kostendeckend zu bewirtschaften, um weniger bezuschussen zu müssen.
Sein Sohn Friedrich Franz II setzte diesen Kurs fort und wollte ein weiteres großes Logierhaus bauen. Aus finanziellen Gründen entschied er sich für den Bau mehrerer kleiner Ferienhäuser – der „Perlenkette“. In dem Zusammenhang entstand auch das Palais der Prinzessin von Reuß – seiner Ehefrau. Großherzog Friedrich Franz II. musste nach dem Beitritt Mecklenburgs zum Deutschen Bund und der damit verbundenen Schließung der Spielbanken das Seebad verkaufen. Anlass waren starke Schäden an den Bauten am Strand und im Wasser nach der Sturmflut von 1872.
Erster Verkauf Heiligendamms 1873
Friedrich Franz II. verkaufte das Bad außer seiner drei Cottages 1873 an den preußischen Rittmeister a.D. Baron Otto von Kahlden. Der Preis soll 500.000 Mark betragen haben. Der Baron bildete eine Aktiengesellschaft mit Herzog Hugo von Hohenlohe-Öhringen und Ujest, erwarb aber später dessen Anteile. Zusammen mit seinem Sohn und Erben Rudolf von Kahlden investierte er in eine Öffnung und internationale Ausrichtung des Seebades. So entstanden an der Kühlungsborner Straße mehrere Hotel garni privater Hoteliers und an der späteren Gartenstraße ein Hotel. Am Ostrand wurden Tennisplätze gebaut. Im Zusammenhang damit entstanden auch die beiden Wohnhäuser der Eigentümer an der späteren Seedeichstraße. Unter dem Baron wurde aus den Logierhäusern ein Großes Hotel, das mit dem Bau des neuen Haupthauses auch dessen Name „Grand Hotel“ übernahm.
Zweiter Verkauf Heiligendamms 1911
Rudolf von Kahlden verkaufte das Bad aus nicht erforschten Gründen 1911 an Walter John, der das Bad mit Hypotheken belastete und sich verspekuliert haben soll und Insolvenz anmelden musste.
Die drei Hauptgläubiger aus Lübeck und Hamburg bildeten ein Konsortium und kauften das Bad auf, um die Hypotheken zu retten. Sie betrieben das Bad als GmbH auf Aktien weiter, gerieten aber in den Strudel von Krieg und Inflation. Nachdem der Rat in Bad Doberan einer Vereinigung Heiligendamms mit Bad Doberan nicht zustimmte, gerieten die Aktien in Abwind und das Bankhaus Louis Wolff als derzeitiger Mehrheitsaktionär ging in den Ruin.
Dritter Verkauf Heiligendamms 1925
1925 kaufe Baron Oskar Adolf von Rosenberg das Bankhaus Louis Wolff KG und auch die Aktien an Heiligendamm für 2500 Goldmark. Als Jude musste er sich hinter einem deutschen Firmengeflecht verstecken, denen vor Ort der Ortsvorsteher Herzog Adolf Friedrich und der Rechtsanwalt Fritz Knaack vorstanden. Die Nationalsozialisten bedrängten den Bruder des Großherzogs, aus dieser „wenig arischen Angelegenheit auszusteigen“, was dieser aber mit Hinblick auf die finanzielle Abhängigkeit des jüdischen Geldgebers ablehnte.
Beschlagnahmung Heiligendamms 1939
1936 wurde das Bad zum KdF-Bad und Rosenberg tilgte weiter die Schulden bei der Dresdner Bank. 1939 beschlagnahmte der Staat das Bad als Reservelazarett. Rosenberg wurde kurz darauf in seiner Villa tot aufgefunden und drei Tage später über sein Vermögen verfügt. Das Bad wurde für 1,7 Mio. RM an die Reichsmarine und einzelne Immobilien an den Gauleiter Friedrich Hildebrandt und den Industriellen Ernst Heinkel verkauft. Das Geld reichte gerade zur Befriedigung der Gläubiger. Die Reichsmarine betrieb bis 1945 eine Reichskadettenschule für junge Matrosen, die auf Grund von Defiziten einen Grundlehrgang bekamen. Wenn sie ihn bestanden, durften sie an die Marineschule Mürwik, andernfalls mussten sie an die Front.
Drohende Sprengung 1945
Als die Russen am 6. Mai 1945 einmarschierten, fanden sie eine grün angestrichene und offensichtlich militärisch genutzte Einrichtung vor, die nach dem Potsdamer Abkommen zu beseitigen war. In Vorbereitung der Sprengung wurden Demontagen vorgenommen. Der Herr des Hauses Mecklenburg – Christian Ludwig – stellte einen Restitutionanspruch für die drei Cottages, der abgelehnt wurde. Christian Ludwig befand sich zu der Zeit in Ludwigslust in der britischen Besatzungszone, die nach der Grenzfestlegung sowjetisch wurde, sodass man ihn festnahm und für 30 Jahre in die Lubljanka schicken wollte, wo er später von der Regierung Adenauer freigekauft wurde. Restitution gab es natürlich trotzdem nicht.
Umwandlung zum Sanatorium 1946
Die in der Entstehung befindliche Regierung der DDR machte aus dem Bad ein Sanatorium, wobei einzelne Häuser nicht dem FDGB unterstellt wurden, sondern z.B. dem Förderausschuss für Geisteswissenschaften oder dem Bund der Verfolgten des Naziregimes. Später wurden Kurkliniken vom FDGB zur Sozialversicherungsanstalt der DDR übergeben – so auch das Sanatorium für Werktätige Heiligendamm. Bis 1989 gehörte es zum SVA der DDR, Eigentümer war das Volk. Für das Sanatorium, deren Mitarbeiter und andere Betriebe entstanden weitere Häuser in Heiligendamm: Eigenheime, Wohnblöcke, ein Klärwerk, ein Heizkraftwerk, eine öffentliche Sauna, ein Anglerheim, ein Forstferienheim, Kleingartenanlagen und Erweiterungen für die Fachschule für angewandte Kunst.
Vierter Verkauf von Heiligendamm 1997
1990 wurde das Sanatorium zur Ostseeklinik GmbH umfirmiert, aber verkleinert. Eigentümer der größten Teile des Ortes war nun der Bund über das Bundesvermögensamt. Verkauft wurden solche Immobilien im Auftrag der Oberfinanzverwaltung durch die Treuhand Liegenschaften Gesellschaft. In Heiligendamm wurden die Immobilien einzeln zum Verkauf angeboten, aber da sich keiner für die sechs großen Gebäude fand, bündelte man 26 Immobilien und Grundstücke 1993 zu einem Paket, das nur als Ganzes erworben werden konnte.
Der erste Interessent war ein kanadischer Hotelinvestor, der seine Idee eines geschlossenen Resorts aber in Deutschland so nicht umsetzen konnte. Der zweite Interessent war die Asklepios-Gruppe, die ein Kurhotel aus dem Ensemble machen wollte, aber für die Finanzierung auch eine Glückspiellizenz haben wollte. Weil man nicht glaubte, dass diese für die veranschlagten 300 Mio. DM Investitionskosten ausreicht, gerieten die Verhandlungen ins Stocken. Parallel verhandelte man mit einem weiteren Interessenten. Die Dr.-Marx-Gruppe wollte aus dem Ensemble eine Median-Klinik machen, aber ein neues Gebäude im Waldstück dahinter errichten. Darüber gab es Streit, sodass die Verhandlungen nicht fortschritten.
Daraufhin erhielt Anno August Jagdfeld einen von Helmut Kohl und Theo Waigel beauftragten Anruf mit der Bitte, sich Heiligendamm (und Wustrow) anzusehen und der Zusicherung, ihn zu unterstützen, wenn er sich bewerben würde. Jagdfeld hatte das Adlon in Berlin fertig gestellt und sein Geschäftsmodell mit geschlossenen Immobilienfonds für Liebhaberstücke schien erfolgversprechend.
Er bewarb sich, bekam für Heiligendamm und auch Wustrow den Zuschlag und wurde 1997 mit der FUNDUS-Gruppe Eigentümer der jeweiligen Immobilien und Grundstücke. Von 2000 bis 2003 sanierte seine EntwicklungsCompagnie Heiligendamm die sechs Hauptgebäude, weil diese Reihenfolge in einem städtebaulichen Vertrag festgelegt worden war. Das Grand Hotel gehörte den etwa 1900 Anlegern des FUNDUS Fonds Nr. 34 Grand Hotel Heiligendamm. Bis 2009 führte die Kempinski-Gruppe das Haus, danach wurde es in Eigenregie weitergeführt.
Insolvenz des Grand Hotel Heiligendamm 2012
Im Februar 2012 musste der FUNDUS Fonds Nr. 34 Insolvenz anmelden, sodass auch das Grand Hotel insolvent war. Es gab verschiedene Interessenten, unter anderem auch vom inzwischen neuen Beteiligungsunternehmen an der Median-Klinik. Auch Szenarien einer teilweisen Zerstückelung durch Einzelverkauf der Orangerie und Burg hat es gegeben. Nach knapp einem Jahr im Insolvenzverfahren wurde ein Käufer präsentiert. Es handelte sich um ein Konsortium aus De&De Holding und Palladio AG. Es kam nicht zur Zahlung und kurz darauf ermittelte die Staatsanwaltschaft. Der Insolvenzveralter Jörg Zumbaum nahm Verhandlungen mit dem unterlegenen Bieter auf. Im August 2013 stellte er diesen vor. Es handelt sich um Paul Morzynski.
Der Wirtschaftsprüfer ist als Unternehmenssanierer durch eine frühere Beteiligung an der Halloren-Fabrik und aktuelle bei Arko, Eilles und Hussel bekannt. Die Familie führt das Grand Hotel in Eigenregie. Zum Grand Hotel gehören das gleichnamige Haupthaus, das Kurhaus, das Haus „Mecklenburg“, die Orangerie, die Burg „Hohenzollern“, das Kinderhaus, das 2000-2003 neu errichtete Severin-Palais und das Wirtschaftsgebäude neben der Median-Klinik.
Trennung von Grand Hotel und Villen 2013
Die Villen und Cottages, die Kolonnaden und einige Gebäude und Grundstücke in zweiter Reihe gehören weiterhin der EntwicklungsCompagnie der Jagdfeld-Gruppe. Die Villen werden seit 2010 saniert, rekonstruiert und Eigentumswohnungen mit Hotelservice verkauft. Eine neue Villa ist im Entstehen, mit dem Ensemble-Palais ist ein weiteres an dieser Stelle vorgesehen und langfristig soll der Ort weiter ausgebaut und die Infrastruktur eines Seebades geschaffen werden.
Fazit 2021
Bei so vielen Verkäufen, wie es Heiligendamm schon erlebt hat, mag man an das Wort „Spekulationsobjekt“ denken. Doch das erste deutsche Seebad entstand ganz klassisch durch Investitionen in etwas, das damals ganz neu und einmalig war, von dem man aber wusste, dass es in England funktioniert. Der Herzog wollte, „dass Geld im Lande verzehrt wird, das auswärtige Bäder demselben entziehen“. Er wollte, dass die Mecklenburger ihr eigenes Karlsbad oder Baden Baden oder Bad Pyrmont haben. Und er hatte Glück, dass Wilhelm von Oranien gerade Söldner brauchte und er welche hatte, die er zu Geld machen konnte.
Was dann entstand, war zunächst nicht mehr, als eine Badeanstalt. Erst nachdem Napoleon besiegt, Europa neu geordnet und Deutschland wieder im Aufbruch war, kam der Gedanke zu mehr. Ein Speise- Tanz- und Gesellschaftshaus sollte es sein und repräsentieren wollte sich der nach der Rangerhöhung nun Groß-Herzog auch. In dem Kontext entstand der Salon – das Kurhaus. Mehr aber auch nicht. Mehr gab es immer nur in Doberan selbst.
Sein thronfolgender Enkel setze auf mehr Betten und ließ das Badehaus vergrößern und die Burg bauen. Nicht der Betten wegen, sondern des Geldes, das diese einbringen. Doch nicht des Gewinns wegen, sondern der Kostendeckung zuliebe. Sein Bad kostete ihn Geld, das er lieber in Schwerin für repräsentative Bauten ausgeben wollte – ein neues Schloss zum Beispiel. Heiligendamm sollte sich selbst finanzieren. Das war auch der Beweggrund seines Sohnes Friedrich Franz II., denn dieser wollte auch lieber Geld in Schwerin investieren, als seine Sommerresidenz subventionieren. Sie sollte sich selbst tragen und dazu sollten wieder neue Betten her.
Dass sich der Großherzog kein neues Logierhaus leisten konnte zeigt schon die prekäre Lage. Er entschied sich, kleine Brötchen zu backen – kleine Logierhäuser zu bauen. Jedes Jahr zwei, gleich in der Kubatur, unterschiedlich im Ansehen und alle mit Terrassen und Balkonen für die neue Klientel – die Familienurlauber, die nicht in Hotels absteigen, sondern Ferienwohnungen mieten wollten. Der Großherzog bediente nur die Nachfrage und damit kam das Geld von allein.
Wobei das Risiko minimiert wurde: Der „Staat“, dem das Bad genau genommen gehörte, vermietete nicht selbst die Wohnungen, sondern verpachtete die Immobilien an einen Generalpächter, der sie dann vermietete, wie es heute Ferienvermietungs-Agenturen tun. So hatte der Staat sein immer gleiches Einkommen – unabhängig von der Belegung. Darum gab es in schlechten Zeiten auch mal eben mehrere Pächterwechsel hintereinander. In guten Zeiten halfen die Pächter sogar mit Geld aus, zum Beispiel für die Erweiterung des Kurhauses.
Ob man Baron von Kahlden Spekulation unterstellen kann, ist schwer zu beurteilen. Wenn er das tat, was man heute „Private Equity“ nennt, dann hat er das gut gemacht, denn der ganze Ort wurde aufgewertet. Sicher ist, dass er durch die Öffnung für mehr Gäste mit weniger Geld und die Bereitstellung von Grundstücken für neue Hotels und Pensionen das Wachstum im Auge hatte. Gewiss lief das auch gut, sonst hätte er nicht für sich und seinen Sohn ein Haus am Rande seines Investitionsobjekts gebaut. Er hat seinem Sohn keine Schulden hinterlassen und der hat auch ein Jahrzehnt sein Erbe weitergeführt, bevor er es an Walter John verkaufte.
Wenn jemand spekuliert hat, dann war es dieser. Walter Johns erste Handlung war, das Bad mit Hypotheken zu belasten und die zweite war, Pleite zu gehen. An der Legende vom verlorenen Spiel in Monte Carlo ist wohl nichts dran – er hatte mindestens drei Hauptgläubiger und die steckten nur Geld in das Bad, um nicht noch mehr Geld zu verlieren. Vielleicht warfen sie schlechtem Geld noch gutes hinterher, vielleicht waren es aber auch nur die Weltwirren, die ihnen die Chance nahmen, die Investition zu amortisieren. Krieg und Inflation rissen sie in den Ruin.
Dann kam das Bankhaus Louis Wolff. Wie genau, ist gar nicht so klar. Vielleicht als Gläubiger der Gläubiger – das würde einleuchten. Vielleicht aber auch als Freund eines der Gläubiger, denn einer von ihnen war wie das Bankhaus aus Lübeck. Jedenfalls hatte das Bankhaus bald die Aktienmehrheit und bald den Verlust, denn die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung Doberans und Heiligendamms zerschlug sich und riss die Kurse in den Keller. Das Bankhaus ging mit wechselnden Geschäftsführern in den Ruin.
Der Schweizer Bankier Oskar Adolf von Rosenberg wurde auf das Bankhaus aufmerksam und kaufte es. Dass er ein Firmengeflecht aufzog, hinter dem er sich als Jude vor dem Antisemitismus verstecken konnte und dass dieses Firmengeflecht vom Doberaner Rechtsanwalt Fritz Knaack und den in Doberan wohnhaften Regenten-Bruder Herzog Adolf Friedrich geführt wurde und einzig darauf angelegt war, Heiligendamm zu übernehmen, dürfte ein Indiz sein, dass es dem Baron nicht um die Pleite-Bank ging, sondern um ihr wertvolles Aktienpaket an Heiligendamm. Er kaufte nicht die Louis Wolff KG – er kaufte Heiligendamm.
Er tat das, was man heute als Private Equity auch tun würde: Er investierte und steigerte den Wert enorm. Nach den goldenen 1820ern erlebte Heiligendamm nun noch mal goldene 1920er – natürlich befeuert durch diese Zeit, durch den „Tanz auf dem Vulkan“. Wie Münteferings „Heuschrecke“ wirkte Baron von Rosenberg jedenfalls nicht, als er auch dann noch die Schulden seiner Vorgänger bei der Dresdner Bank tilgte, als Hitler und Musssolini ein und aus gingen und selbst dann noch Wege fand, als die jüdischen Konten in seiner nun auch deutschen Heimat eingefroren waren. Eigentlich wissen wir nichts über den jüdischen Baron – ob er spekulieren wollte, ob er verliebt war, ob er überhaupt jemals Heiligendamm live gesehen hat. Es steht uns nicht zu, uns da ein Urteil ohne Fakten zu bilden.
Was nach Rosenberg folgte, hatte mit Wirtschaft überhaupt nichts zu tun. Ein Kdf-Bad war ein ideologischer Zweck, eine Reichskadettenschule folgte militärischen Zwecken und ein Sanatorium für Werktätige mindestens sozialen Zwecken, wobei beim Betrachten der Losungen auf Bildern aus der DDR-Zeit auch viel Ideologie zu erkennen ist. Mit wirtschaftlicher Spekulation hat es jedenfalls nichts zu tun, jedes Jahr 1,2 Millionen DD-Mark für die Kuren der Arbeiter und Bauern in Heiligendamm ausgegeben zu haben.
Die Zeit nach 1990 können wir anders betrachten. Kliniken sind wie Hotels inzwischen Wirtschaftsbetriebe, erst Recht Privatkliniken, wie der von Asklepios und Median. Sie wollen Gewinne und da es in dieser Branche nicht um Millionen geht, interessiert es auch keinem.
Anders ist es, wenn ein Investor kommt, der eigentlich gar nicht das Geld hat, sondern es einsammelt und plus Fördermittel investiert. Der muss Rendite erzielen, sonst gibt ihm keiner Geld. Und diese Rendite müssen natürlich über dem liegen, was man auf dem Sparbuch oder Aktienmarkt kriegt. Unter 5-8% gab sich schon 1997 niemand zufrieden. Anno August Jagdfeld lenkte die Aufmerksamkeit auf Besonderheiten: Wer investiert, ist Miteigentümer des Hotels und bekommt Vergünstigungen und kann Abschreibungen vornehmen und auch sein Hab und Gut vererben. Dass ein paar Jahre später das rot-grüne Kabinett Schröder II die wohlschmeckende Suppe durch Gesetzesänderungen versalzen würde, konnte er gewiss nicht ahnen.
Aber Jagdfeld hat reagiert und da Konzept geändert. Statt über denselben oder einen weiteren Fond sollte die Sanierung der Villen klassisch finanziert werden. Ihm wurden Steine in den Weg gelegt, sodass er erst nach einer Mediation 2015 mit der Sanierung beginnen konnte. Hätte er wie geplant 2004 anfangen können, wäre Heiligendamm heute viel weiter. Aber die Preise von heute – um die 22.000 Euro der Quadratmeter“ hätte er damals nicht aufrufen können. Den Mehrgewinn hat er seinen politischen Gegnern im Rathaus zu verdanken.
Doch das hat einen bitteren Nachgeschmack, denn vieles ist nun nicht mehr wie geplant möglich. Statt eines Villenviertels mit Dauerwohnsitzen für wohlhabende Leute können nach der Mediation nur noch Ferienwohnungen entstehen. Das Sahnehäubchen, 300 ha Ackerland zu bekommen und teilweise als Bauland verkaufen zu können, wurde ihm genommen. Er verdient nun über „seinen“ Bauernhof weiter an der Fläche, aber die Pläne von damals waren eben andere.
Auch das Grand Hotel als Herzstück der Residenzen am Meer funktioniert so nicht. Natürlich wird Morzynski sich nicht vor neuen Einnahmequellen für sein Hotel verschließen, aber die Verträge werden andere sein, als zwischen zwei Unternehmen unter demselben Dach. Jagdfeld kann nicht mehr über das Grand Hotel „verfügen“ und ist darauf angewiesen, dass dessen Eigentümer den 5-Sterne-Weg weiter geht. Auch hier hat man reagiert und für die Residenzen ein eigenes Herz geplant, aber das ersetzt nur die Logistik, nicht die Annehmlichkeiten des Hotels.
Paul Morzynski ist Wirtschaftsprüfer und bekannt dafür, auch mal selbst einzusteigen und zu sanieren. Halloren war seine bekannteste Marke, aktuell sind es Hussel, Eilles und Arko, die er unter einem Dach zusammenfassen will. Das Grand Hotel passt da nicht zu und er wurde davor gewarnt, dort einzusteigen. Dass er es dennoch getan hat, ist erstmal positiv zu werten: Er ist emotional mit dem Hotel verbunden, wie Jagdfeld, der sagt, seine Frau bezeichne Heiligendamm als „die Tochter, die er nie hatte“.
Tja… Ist Liebe nicht auch Spekulation?
Das Titelbild zeigt Anno August Jagdfeld beim ersten Spatenstich für den Wiederaufbau der Villa „Großfürstin Marie – Perle“ im Jahr 2010.