1822
In Anbetracht seiner bevor stehenden Hochzeit sucht Erbgroßherzog Paul Friedrich einen Bauplatz für eine eigene Sommerresidenz. Mit Interesse betrachtet er den Baufortschritt an Severins Wohnhaus und meldet Interesse an diesem Haus an. Sein Vater bietet Severin den Kauf des Hauses und dafür kostenlos ein Baugrundstück an. Severin protestiert gegen die Lage des Grundstücks am Stadtrand und bittet um ein Grundstück in Stadtnähe, um weiterhin an Gäste vermieten und somit den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Nach Genehmigung des Herzogs beginnt er schräg gegenüber des alten mit dem Bau eines neuen Hauses für sich selbst (Haus „Gottesfrieden“). Das Prinzenpalais wird pünktlich zu Hochzeit Paul Friedrichs fertig gestellt.
Zugleich findet sich auch eine Lösung für den nun benachbarten Apotheker Nizze: Severin errichtet ein neues Wohnhaus für den Apotheker unmittelbar hinter dem alten und nach dem Umzug der Apotheke reißt er das alte Haus nieder. Zum Vorschein kommt die zwischen Haus „Brügge“ und Severins Wohnhaus eingerückte und dadurch die Straßenfront auflockernde Villa „Nizze“.
Erbgroßherzog Paul Friedrich heiratet in Berlin Prinzessin Alexandrine von Preußen.
Großherzog Friedrich Franz I. lässt seine Privatyacht und sein Segelschiff vor dem Heiligen Damm vor Anker legen und bietet beides für Rundfahrten an. Von Pommern her über Ribnitz kommt auch Alexandrines Bruder Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen am 8. Juli zu einem Überraschungsbesuch nach Rostock in das Großherzogliche Palais. Nach Bekanntwerden des Familientreffens versammeln sich die Rostocker Behörden und Bürger vor dem Palais und begrüßen die vom Balkon winkende Familie.
Das Erbprinzenpaar hatte einen feierlichen Empfang im Seebad abgelehnt, trotzdem werden sie von 60 berittenen Bauern des Doberaner Amtes begrüßt. Als Dank spendieren sie einen Tanz und am Nachmittag Speis und Trank. Letztlich wird es doch ein kleines Volksfest bis zum frühen Morgen, auf dem alle Standesunterschiede für ein paar Stunden nichts bedeuten.
Weil das Erbprinzenpaar dem Pferdesport zugeneigt ist, sponsern die Reitsportliebhaber und Pferdezüchter Barone Gottlieb und Wilhelm von Biel am 10. August das erste Rennen mit Vollblutpferden nach festen Regeln zu Ehren Alexandrines. Es ist das erste Rennen auf dem europäischen Kontinent nach anerkannten Regeln. Der Sieger ist Wilhelm von Biel auf „Pamina“. Den Preis in Form eines silbernen Zierbechers überreicht im Erbgroßherzogin Alexandrine.
Am 13. August wird der Doberaner Rennverein gegründet und Paul Friedrich zum Präsidenten des Vereins ernannt. Friedrich Franz I. schenkt dem Thronfolger und seiner Frau eine Rennbahn, mit dessen Bau noch im Herbst desselben Jahres begonnen wird. Es ist die erste Pferderennbahn Festland-Europas.
Auf Wunsch des Großherzogs wird ein großer Bauerntanz zum Bauernrennen veranstaltet. Ein Kammerherr organisiert die Einladungen und belohnt die Bäuerinnen für ihr Kommen mit einem silbernen Löffel oder einem Louisdor. Eröffnet wird der Tanz regelmäßig durch den Dorfschulzen Oeming aus Ivendorf und der Großherzogin. Auf dem Kamp finden ein Markt und viele Spiele statt, darunter Stutenreiten, Karrussellreiten, Ferkelgreifen, Trulltrull und auch Kasperletheater. Abends wird der Kamp feenhaft mit kleinen Blechschalen in verschiedenen Formen beleuchtet, es wird bis Mitternacht getanzt und während der Zapfenstreich geblasen wird, geht die Gesellschaft die Allee entlang um den Kamp und löst sich auf.
Der Erbgroßherzog zieht zusammen mit Alexandrine in das in der Endphase des Baus befindliche Prinzenpalais ein, das sein Vater für ihn von Severin abgekauft hat.
Die Schwefel- und Bittersalzquellen werden gut angenommen: 1.000 Bäder kann der Badearzt verzeichnen. Auch die Eisenquelle wird sehr gut angenommen und vollbringt ihre ersten „Wunderheilungen“. Das Badehaus am Mühlenteich ist aber zu klein für den Bedarf und darum durch Carl Theodor Severin mit dem Bau eines festen Gebäudes (Stahlbad) begonnen. Dahinter entsteht im Amerika-Gehölz eine neue Schießanstalt.
Am 9. August schlägt ein Blitz in die Kapelle zu Althof ein und verwüstet den Bau. Der Großherzog beauftragt Carl Theodor Severin am 11. August mit der Sanierung und Restaurierung der bedeutsamen Kapelle.
Der Arzt Formey schreibt über Doberan:
“ Diese wohltätige Anstalt erhält sich ungeachtet der vielen Seebäder, welche in der Nähe und Ferne entstanden sind, nicht in ihrem Flor, sondern gewinnt mit jedem Jahre an Vollkommenheit.“