2001
Hauptthemen des Jahres
Heiligendamm
Ministerpräsident Harald Ringstorff besucht am 11. April die Großbaustelle in Heiligendamm.
In Unkenntnis dessen plant das Arbeitsamt eine Großrazzia gegen Schwarzarbeit, bekommt aber am Morgen wegen einer „Landesmaßnahme“ keinen Polizeischutz, taucht darum am Nachmittag nach Ringstorff auf und findet keine Schwarzarbeiter.
Am 31. November feiert das Grand Hotel Richtfest.
335 Mio. DM werden bis zur Fertigstellung verbaut. Eine in der Gärtnerei Klinkosch in Kühlungsborn in 75stündiger Handarbeit gefertigte 3,50 Meter hohe Richtkrone aus 750 in Koniferen eingeflochtenen Rosen, Nelken und Lilien schwebt vor dem Kurhaus empor.
Zu den etwa 1000 Gästen gehört auch der Bundespräsident Johannes Rau.
Bundespräsident Johannes Rau (SPD):
„Alle Welt redet bloß von Heiligendamm. Sylt ist schon abgemeldet. Da frage ich mich, warum ich noch ein Ferienhaus an der Nordsee habe… Mecklenburg-Vorpommern braucht Leuchttürme der Erneuerung, dieses kann einer werden.“
Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD):
„Ich bin froh, dass Heiligendamm 1996 nicht in Torschusspanik verscherbelt wurde… Manchmal stimmt es eben doch: Gut Ding will Weile haben. Und die Entwicklung gibt uns Recht: Mit Fundus ist ein Investor am Werk, der nicht nur Kapital und Know-how, sondern auch viel Herz investiert.“
Investor Anno August Jagdfeld sagt u. a. mit Hinblick auf die teilweise zähen Verhandlungen mit dem Denkmalschutz:
„Eine Legende mit Zukunft… Kultur und Kommerz sind kein Gegensatz.“
Oberpolier Willi Wojtenko von Bilfinger&Berger bringt den Richtspruch aus:
„Ein Richtfest ganz besonderer Art, mein Richtspruch gibt hierzu den Start. Grand Hotel Heiligendamm heißt der Komplex, der nun zum guten Ende wächst.“
Über 11.000 Kubikmeter Beton, über 1.000 Tonnen Stahl und 600.000 Steine sind verbaut worden. Seit Mai 2000 war allein Bilfinger&Berger und seine Subunternehmer mit 250 Arbeitern im täglichen Einsatz. Vier Baukräne drehten sich bis zu diesem Tag über der Weißen Stadt am Meer.
Die meisten Medien erwähnen auch die Aufstellung von Blitzern auf der Strecke nach Heiligendamm durch den Landkreis, denn einige der Gäste sind in die Radarfallen geraten.
Parallel zur Fertigstellung des Rohbaus beginnen in Heiligendamm die Rammarbeiten für neue Buhnen. Der Doberaner Klaus Metz kauft das Max-Planck-Haus und eröffnet nach aufwändiger Sanierung und dem Überbau der Terrasse mit einem Wintergarten das Residenz Hotel Heiligendamm. Auch die „Palette“ wird mehrere Monate lang umgebaut.
Kammerhof
In Bad Doberan startet der 2. Bauabschnitt auf dem Kammerhof.
Die Stichstraße zum Quartier wird „Alte Gärtnerei“ benannt. Die Stadt schließt zugleich im Juni einen städtebaulichen Vertrag mit der für den Bau des Ferienparks zuständigen Otium-Freizeit-Beteiligungsgesellschaft.
Der Vertrag enthält die Formulierung „Errichtung von ca. 320 Ferienhäusern für bis zu acht Personen“, woraus einige Stadtvertreter 2.560 Betten errechnen und (auch angesichts einer Pressemitteilung aus Schwerin, die 1.800 Betten nennt) auf die geforderten 1.600 Betten pochen. Die für den Betrieb des Ferienparks zuständigen Landal Greenparks verkünden, dass die Wirtschaftlichkeit erst ab 1.760 Betten gegeben sei. Trotz der Differenzen hält man an einer Eröffnung im Mai 2003 fest.
Die Investitionssumme beläuft sich auf etwa 100 Mio. DM, die verkehrstechnische Anbindung und den Lärmschutz zahlt der Investor, die Stadt behält aber die Planungshoheit. Ende des Jahres wendet sich schließlich die Agenda-21-Gruppe gegen den aus ihrer Sicht überdimensionierten Ferienpark. Sie hält Bad Doberan für Massentourismus dieser Größe nicht geeignet.
Moorbad
Der Verein „pro medica res Interessenverwaltung Medizingeschädigter Deutschlands“ will das alte Moorbad übernehmen. Recherchen im Februar ergeben, dass ein solcher Verein nirgendwo registriert ist und dass die Adresse und das Konto privat sind. Die Übernahme findet nicht statt. Im April wird dann bekannt, dass die EMEA Unternehmensberatungs- und Handelsgesellschaft mbH aus Schwaan das Moorbad gekauft hat. Geschäftsführer Frank Thee, der die Seniorenresidenz in Schwaan betreibt, kann sich dasselbe auch mit dem Moorbad vorstellen, will und muss aber die möglichen Optionen einer Nutzung mit dem Denkmalschutz abstimmen. Im Juni stellt er dann das Konzept vor. Es soll kein Hotel sein, sondern ein Sanatorium mit Restaurant und Schwimmbad, dem neu zu bauende Wohnhäuser für betreutes Wohnen angegliedert werden sollen. Das 12-Millionen-Projekt soll bis September 2002 fertig sein.
Marktdreieck
Die Lücke am Markt bleibt weiterhin bestehen: Nachdem die Stadtvertreter auch dem dritten Entwurf keine Zusage erteilen, gibt Uwe Frank mit der F&G Immobilien KG das Projekt am 9. März auf.
Politik und Verwaltung
Erstmals wird der Landrat direkt gewählt.
Der amtierende Thomas Jörg Leuchert (SPD) setzt sich in der Stichwahl am 20.05.2001 mit 15.540 Stimmen gegen Joachim Hünecke (FDP) durch. Die Wahlbeteiligung beträgt 36,4% bei der Wahl und 25,8% bei der Stichwahl.
Stadtentwicklung und Baugeschehen
Um Heiligendamm herum entsteht eine Touristische Erschließungsstraße, um die Ortsdurchfahrt Heiligendamm zu entlasten und das Gut, den Biohof und die geplanten Anlagen (Villenviertel, Sporthotel) anzuschließen. 80% der 11,5 Mio. DM an Baukosten kommen aus Fördermitteln, den städtischen Anteil von 20% bezahlt die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm (ECH).
Die durch den Wegfall des zweiten Bahnübergangs (neben dem Moorbad) veränderte Straßenführung macht eine Benennung der Verlängerung des Eickhöfer Weges Richtung Schwaaner Chaussee nötig. Der Abschnitt bekommt auch den Namen Eickhöfer Weg.
Die Touristinformation verlässt ihren Standort in der Goethestraße 1 und zieht an den Alexandrinenplatz 2. Damit steht auch das Haus in der Goethestraße leer.
Am 18. März wird das Rahmenkonzept Klosterbereich vorgestellt. Beteiligt sind die Stadt mit der GSOM, der Klosterverein, das Büro Henschel + Webersinke u.a.. Der Klosterbauverein schlägt die Bewerbung zur Einrichtung einer Jugendbauhütte vor.
Am 10. März wird beschlossen, den beschädigten Anbau am Lindenhof abzureißen und am 21. März wird im Palaisgarten der Veteranentreff (Palaisgartengebäude) abgerissen.
Im März beginnen die Sanierungsarbeiten an der Beethovenstraße samt Schulvorplatz für 2,3 Mio. DM, wovon 1,3 Mio. aus Fördermitteln kommen. In der Beethovenstraße entsteht zugleich der erste Radweg in der Stadt. Für 200.000 DM wird die Brücke in der Klosterstraße saniert.
Bei den Sanierungsarbeiten wird am 4. April n der Beethovenstraße ein Skelett gefunden. Es handelt sich um einen jungen Mann, der Reiter war und vor ca. 300 Jahren gelebt hat. Vermutlich wurde er im 30jährigen Krieg dort verscharrt. In Anlehnung an die im Ötztal gefundene mumifizierte Leiche „Ötzi“ wird der Doberaner Fund „Dobi“ genannt.
Am 6. Juli erfolgt der erste Spatenstich für das Wohngebiet Am Quellholz (neben der MTS-Siedlung). Der B-Plan Nr. 24 sieht zunächst 23 Häuser vor, für die die EBB Bargeshagen die Grundstücke vermarktet. Eine 7.000 qm große Fläche an der Nordseite des Wohngebiets bleibt zunächst unbebaut, soll aber von Trans-o-flex abgekauft und ebenfalls bebaut werden.
Im Juli kauft der Bad Doberaner Unternehmer Harald Frehse (Fresand GmbH) die alte Post am Alexandrinenplatz und lässt durch den Architekten Rolf Lehmann aus Bad Doberan den Urzustand wiederherstellen. Der Glasanbau wird abgerissen, ein zweistöckiger gläserner Trakt wird an die Rückseite hinzu gefügt.
Der 11.395.000 Euro teure gläserne Erweiterungsbau des Gymnasiums wird am 30. August bezogen und am 7. September feierlich eingeweiht. Über vier Etagen stehen den Schülern 6.000 qm zusätzlich zur Verfügung. Das Gymnasium hat nun 1.170 Schüler in 49 Klassen und Kursen der Oberstufe, Biologie, Chemie und Physik werden in der ehem. Ernst-Schneller-OS unterrichtet, die Außenstelle Schwaan wird dafür aufgelöst und auch der Sport von Bargeshagen zurück nach Bad Doberan verlegt. 50% der Schüler sind Doberaner.
Es wird beschlossen, das nicht mehr benötigte und auf Grund des Neubaus etwas deplatzierte Institut des Gymnasiums abzureißen.
Die Lessingschule in der Lessingstraße am Alexandrinenplatz (Prinzenpalais) soll aufgelöst werden und das Amtsgericht einziehen. Dafür werden 7 Mio DM Sanierungs- und Umbaukosten veranschlagt. Auch die Kammerhof-Schule soll aufgelöst werden – beide sollen in die Kampschule integriert werden. Auf dem Kammerhof soll eine Handelsakademie einziehen.
Am 1. September wird mit dem Bau des Zentrums für Betreutes Wohnen in der Thünenstraße 26a und 29a auf dem Kammerhof durch die WIG und das DRK begonnen und am 30. Dezember erfolgt die Einweihung des 2,3 Mio. DM teuren Komplexes mit 12 Wohneinheiten. Das Kervita-Seniorenheim am Maxim-Gorki-Platz erhält zum 117. Geburtstag Ehm Welks am 30. August den Namen des Dichters. Welk hatte testamentarisch einen Teil seines Erbes an die Volkssolidarität verfügt, die es in Bad Doberan verwenden sollte. Zu seinem Gedenken wird am Haus ein Findling aufgestellt. Im von der Volkssolidarität gebauten Kervita-Seniorenheim wohnen 45 Senioren in 37 Wohneinheiten.
Auf dem Buchenberg wird am 7. September für die 7 neuen WIG-Häuser Richtfest gefeiert und am 14. September erfolgt die Grundsteinlegung für die Stadthalle am seit Februar erschlossenen Verbindungsweg. Die Firma imbau aus Kavelsdorf liefert die Fertigteile für die 44×22 Meter große Halle mit 968 qm Nutzfläche. Die 5,3 Mio. DM teilen sich Stadt, Kreis und Land (KIP-Zuschuss), ein Teil ist aus Spenden aus der Bevölkerung finanziert worden. Am 4. Dezember wird das Richtfest gefeiert, von dem besonders die klammen Finger des Bürgermeisters Hartmut Polzin beim Einschlagen des Nagels mediale Beachtung fanden.
Vor dem Schulkomplex wird ein Findling aufgestellt, der anzeigt, dass der neu gestaltete Platz nach Bad Doberans Partnerstadt „Schwartauer Platz“ genannt wird. Die Severinstraße wird am 12. Oktober aus der Sanierung wieder freigegeben. Auch die Gartenstraße in Heiligendamm wird im November zu 2/3 wieder freigegeben. Das restliche Drittel kann aus Kostengründen erst im Folgejahr saniert werden. Die Münsterteiche werden erstmals seit den 1970er für 80.000 DM entschlammt.
Das Forsthaus am Schmarlteich wird saniert und die Deutsche Telekom AG modernisiert den Funkturm an der Polizeistation. Am Maxim-Gorki-Platz 4 weicht die Filiale der Bäckerei Felsky einem Umbau zur Produktionsstätte. Am Kamp 12 richtet Hans-Peter Meisterlein 10 Seniorenwohnungen und Gewerbeflächen für einen Frisör und eine Herrenboutique ein. In der Mollistraße schließt Lothar Peter am 13. Dezember sein 1991 eröffnetes Elektrofachgeschäft. Der seit 1985 selbstständige Elektromeister hängt zum Protest gegen das Ordnungsamt ein Knöllchen in das Schaufenster, das er kurz zuvor beim Beliefern seines Geschäfts bekommen hatte. Der Otto-Shop seiner Frau im Hof des selbst sanierten Hauses bleibt bestehen.
In diesem Jahr fließen 2,5 Mio. DM Fördermittel für die Sanierung von Gebäuden in Privathand. Insgesamt flossen in den letzten 10 Jahren 37.350.000 DM Fördermittel für die Sanierung von Privathäusern, wodurch 120 solcher Häuser saniert werden konnten. Die WIG plant 8,5 Mio. DM für weitere Vorhaben ein, davon sollen 6.792.000 DM in den Bau von 12 Wohneinheiten für betreutes Wohnen mit insgesamt 700 qm fließen und 7 Reihenhäuser auf dem Buchenberg entstehen. Für 167.600 DM soll das Labor auf dem Thünenhof umgebaut werden, hier sind 8 Wohnungen für Feuerwehrleute geplant. Mit 8 weiteren Wohneinheiten will die WIG im Erlengrund präsent sein.
Wirtschaft und Tourismus
Die Glashäger befindet sich in einer Umstrukturierung, bei der die Unternehmensbereiche der Gruppe in Gerolstein gebündelt werden.
Gesellschaft und Stadtgeschehen
Im März finden Bürgeramtsleiter Kukla und Stadtvertretervorsteher Berner auf einem Dachboden des Bauhofs das Goldene Buch der Stadt wieder. Der letzte Eintrag ist vom letzten Nationalfeiertag der DDR, dem 07.10.1989. Die Stadt plant, ein neues Buch anzulegen.
Bei einem Kabinensteward auf der MS EUROPA findet sich Ludwig Bangs Gemälde von der Sage der Entstehung Heiligendamms wieder an. Der Mann will es verkaufen und gibt es zur Restauration an Wolfram Vormelker aus Klingendorf bei Kavelsdorf, bevor er es für 250.000 DM verkauft.
Derweil erfährt der Beton-Schwan am Münster erneut schwere Beschädigungen durch Vandalen, die ihn in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober heimsuchen.
Am 27. November wird die Bronzeglocke von 1301 im Münster deaktiviert und die Reparatur der Zweitglocke von 1960 aus Stahl veranlasst. Der Glockenklang des Münsters verringert sich somit. Um das schnell wieder zu ändern, wird am 1. und 2. Dezember ein Glockenbasar veranstaltet. Konditor Braun bäckt eine Glockentorte, die Designerin Dagmar Hauke-Liebscher baut zum Glockenthema Objekte zum Verkauf aus Ton, Kerzenwachs, Holz und Papier und Jürgen Ernestus schreibt eine Festschrift. Der Basar bringt 1.500 DM für die Glockensanierung ein.
Der Verein „Perspektive“ rekonstruiert den Postwagen 71 der Mecklenburgischen Bäderbahn „Molli“.
Die Stadt will Asylbewerber aufnehmen und plant darum zwei Containerbauten am Ziegenmarkt.
Zahlen und Fakten
– 192.253 Übernachtungen (17,6% Steigerung),
– 11.500 Einwohner, 315 Wohneinheiten Überangebot für die nächsten 15 Jahre
– auf 232 Einwohner kommt in Bad Doberan ein Glücksspielautomat,
das sind 3x mehr als der Bundesdurchschnitt (auf 727 EW ein Automat).
Es gibt 44 Automaten mit Gewinnen und 5 ohne, wobei die mit Gewinnen der Stadt 250 DM bringen und die ohne 80 DM, sodass die sechs Aufsteller insgesamt 140.000 DM pro Jahr an die Stadt bezahlen.