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Heiligendamm polarisiert. Ein persönlicher Rück- und Einblick.

Heiligendamm polarisiert. Immer wieder und immer wieder aufs Neue. Deutschlands ältestes Seebad steht an einem Wendepunkt, Schnittmengen verschwinden und es gibt nur noch „schwarz“ und „weiß“. Eine Diskussion zu dokumentieren, erscheint da schwierig aber diese Diskussion um Heiligendamm ist einer der wichtigsten Teile der Geschichte der Weißen Stadt am Meer. In diesen Tagen entscheidet sich, ob die Legende fortgeführt wird oder ob sie und damit der ganze Ort stirbt.

Wer sieht das schon so genau in diesen turbulenten Tagen? Wer sieht die Tragweite der Entscheidungen, die heute zu treffen sind und wer weiß schon, was in 50 Jahren über ihn in den Geschichtsbüchern stehen wird? Werden wir die „Walter Johns“ der Neuzeit sein, die das Bad verscherbeln oder die „Rosenbergs“, die mit Herzblut versuchen, zu retten, was zu retten ist? Oder werden wir jene namenlosen Akteure sein, unter denen das Seebad umfunktioniert wird und die Legende – diesmal vielleicht für immer – stirbt, sodass keiner nach uns mehr Geld damit verdienen kann und Doberan-Heiligendamm in die Bedeutungslosigkeit versinkt, die man 1879 verhindern wollte? Werden wir die Retter Heiligendamms oder werden wir seine Totengräber?

 

Seit 2003 beschäftige ich mich intensiv mit Heiligendamm, gelte in den Medien und vor Ort gewissermaßen als „Kenner der Materie“ oder wie die Ostsee-Zeitung schreibt, als „Heiligendamm-Kenner“, wo ich aber jeden Heiligendammer als besser geeignet ansehe. Ein Grund für den Beginn meiner Tätigkeiten im Jahre 2003 war, die Geschichte des ersten deutschen Seebades zu erkunden. Ich war stolz auf Heiligendamm als Stück meiner Heimat und auf die nun anlaufende „Wiederauferstehung der Legende“, die uns so viele Chancen gab und noch immer gibt.

Aber ich wollte nicht nur mit Fotos zeigen, was ich da sah – ich wollte es auch verstehen.
Dazu musste ich viel lesen und ich las viel Widersprüchliches. Hier vom „guten Investor mit Herzblut“ und dort vom „bösen reichen Wessi, der alle vertreiben will“. Hier von „hinterhältigen Verlierern, die sich zu Hetze und Verleumdung gegen den Investor formieren“ und dort von „braven Bürgern, die gegen Unrecht und Kungelei kämpfen“.

Was sollte ich davon glauben? Im Zweifelsfall das, was die Masse glaubt, denn sie wird sich doch nicht irren: Böser Investor, gute Bürger. Das glaubte ich und ich verstehe jeden, der es damals auch tat und heute immer noch tut. Wer seine Meinung nur aus Zeitungen bildet, KANN es nicht besser wissen.

Irgendwann aber reichte es mir nicht, nur zu WISSEN, dass der Investor böse ist.
Alle schimpften auf ihn, beschuldigten ihn und sagten, dass er das Recht mit Füßen treten und Gesetze brechen würde. Aber keiner TAT etwas dagegen! Es konnte doch nicht sein, dass da jemand Gesetze bricht, das Recht mit Füßen tritt und sich in die Politik einmischt, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Über jedem Recht steht ein Gesetzbuch und über jedem Gesetzbuch das Grundgesetz. Anderswo werden Vergehen bestraft – warum sollte das bei uns nicht auch möglich sein? Irgendjemand musste doch die Stadt vor so etwas beschützen.

Also wollte ich ganz genau wissen, wo Jagdfeld gegen welche Gesetze verstößt, in welchen konkreten Fällen er welches Recht bricht. Ich befragte selbstverständlich die, von denen die Anschuldigungen kamen: Zuerst die Bürgerinitiative „ProHeiligendamm“, von der ich nichts weiter als eine Wiederholung der Anschuldigungen ohne jede Konkretisierung bekam. Und eine Kopie eines Schreibens des Ministeriums, dass der Kleine Wohld auch dort weiter betreten werden darf, wo die Forst und ECH Holzzäune aufgestellt hatten.

Das war nun so gar nicht zu gebrauchen, also befragte ich auch den gerade formierten Bürgerbund, der wieder nur das wiederholte, was er schon in den Medien verbreitet hatte: Anschuldigungen ohne konkrete Beispiele. Ich dachte mir, dass es vielleicht leichter wäre, wenn ich dem Bürgerbund beitreten und an seiner Arbeit teilhaben könnte. Noch informierte ich mich weiter aber alles was an Schriftverkehr zwischen ihm und mir lief, war so furchtbar unfruchtbar: Da war nichts, woraus man auch nur hätte eine Anklage machen können – alles nur Aussagen und wenn mal ein konkretes Beispiel genannt wurde, dann fehlte jeglicher Bezug zu den Anschuldigungen. Angeblich seien Wege der Öffentlichkeit entzogen worden und das sei unrechtmäßig. Ja und nun? Dann muss man eben ein Gericht damit beauftragen, das rückgängig zu machen. Langsam glaubte ich, dass es gar nicht darum ging, die Rechtmäßigkeit objektiv überprüfen zu lassen. Was, wenn doch alles rechtmäßig war – was, wenn die Anschuldigungen alle unhaltbar sind? Was, wenn Jagdfeld gar nichts unrechtes getan hat?
Ich bekam meine Zweifel an dem, was ich las, hörte und glaubte. Geht Ihnen das auch manchmal so?

Diese Zweifel wurden immer stärker, umso mehr ich mich mit der „Gegenseite“ beschäftigte.
Die ECH brachte einen Flyer und später eine Zeitung heraus und mit beiden ging sie auf die Anschuldigungen ein und erklärte ihre Sichtweise. Natürlich gab ich nicht viel darauf aber ich musste zugeben, dass alles was sie schrieb, Hand und Fuß hatte und besser zusammen passte, als die Aussagen gegen sie. Ich erklärte mir das damit, dass der Bürgerbund ja nur eine kleine Gruppe von Freizeitpolitikern sei, die gar nicht in der Lage sind, so professionelle PR-Aktionen wie Jagdfeld aufzuziehen. Vielleicht hatte der Bürgerbund recht aber es wirkte unprofessionell und die ECH lügt aber es wirkt professionell. Nein, die Masse war immer noch gegen Jagdfeld, also war ich es auch.

Drückend wurden die Zweifel, als ich bei den Recherchen zu Heiligendamm auch auf viele andere Artikel anderer Zeitungen stieß. Warum las sich die WELT, ZEIT, der SPIEGEL, das Hamburger Abendblatt, die Frankfurter Allgemeine usw. so extrem anders, als die Ostsee-Zeitung? Immer wieder entdeckte ich völlige Gegensätze bei ein- und denselben Themen. Wie kann es sein, dass der eine über eine Sache dieses schreibt und der andere über dieselbe Sache etwas ganz anderes? Ich entschloss, nicht nur im Nachhinein zu lesen, was gesagt und getan wurde, sondern dabei zu sein.

Weil ich in Rostock wohnte, konnte ich nicht an jeder Sitzung teil nehmen aber ich konnte ja Stadtvertreter befragen. Der „lauteste“ war Harry Klink, als Vorsitzender der FDP in einer zumindest bekannten und deutschlandweit tätigen Partei organisiert. Als Liberaler wird er mir schon fern von linken oder rechten Parolen Fakten nennen können.

Der Kontakt erwies sich als etwas schwierig: Klink stellte etwas fest und wenn ich es hinterfragte, gab er mir keine Hintergrundinfos sondern fing an, seine Feststellungen wieder zu relativieren oder auf das nächste Thema zu lenken. Am Ende hatte er zig Themen angeschnitten aber ich Null Erkenntnisse.

Also forderte ich ein wenig Struktur und Ordnung ein und die bekam ich dann auch in Form einer großen Tabelle, in der Anschuldigungen standen, dann Zitate von Jagdfeld, der ECH, Zeitungen, Politikern und aus Verträgen. Das Ganze hatte keinen Zusammenhang – zumindest nicht für mich. Und wie ich später erfuhr, auch nicht für die Stadtvertreter, die die Tabelle ebenfalls bekamen und nach dem Überfliegen achtlos bei Seite legten.

Auch auf diese Tabelle ging die ECH ein und während das verzerrte und nie klar gezeichnete Bild von Bürgerbund und FDP immer mehr an Gestalt verlor, wurde das Bild der ECH immer klarer. Wieder hatte alles was sie schrieben Hand und Fuß. Trotzdem änderte ich meine Meinung nicht:
Jagdfeld hatte Böses vor und dagegen musste gekämpft werden. Ich klammerte mich an meinem Stück Heimat, das mir der „böse Wessi“ wegnehmen wollte, indem er es einzäunte. Ich kämpfte mit Worten gegen Zäune. Sinnlos, was? Aber wem sagen Sie das?

Irgendwann zwischen G8 und Perlenkette stieß ich dann auf eine rege Diskussion des „Stadtanzeiger am Samstag“. Dieser hatte mich bis dahin nicht interessiert, weil er völlig entgegen gesetzt zur Ostsee-Zeitung berichtete und ich einfach annahm, es wäre eine Pro-Jagdfeld-Zeitung. Es konnte ja nur Pro oder Contra geben. Weil ich nun aber schon so viele renommierte Zeitungen anders als die OZ schreiben sah, war ich offen dafür, mich hier zu irren. Damals war eine lange Diskussion in den Foren des Stadtanzeigers am Laufen und es gab da in erster Linie ein paar „Meckerer“, die Parolen nachplapperten und dazu dann einige wenige Leute, die das Ganze differenziert sahen. Hervor stach CDG-Mitglied Horst Gühler, mir namentlich bekannt und offenbar sehr fleißig. Ich verschlang seine langen sachlichen Erklärungen und es formte sich ein ganz neues Bild, das dem der ECH ähnlicher war, als dem ihrer Gegner.

Eine Anschuldigung nach der anderen fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Gühler erklärte und konnte vieles davon auch belegen. Erstmals überhaupt sah ich Belege für irgendwelche Aussagen in der Heiligendamm-Diskussion. Wichtiger aber: Ich sah die Diskrepanz zwischen Beschlussvorlagen und Sitzungsprotokollen auf der einen und der Berichterstattung der Ostsee-Zeitung auf der anderen Seite. Die Ostsee-Zeitung vermischte Fakten mit Meinungen und mir schwante, dass die Masse die Meinungen von nur drei Redakteuren einfach als bare Münze übernahm.

Was sollte ich tun?
Ich hatte die Ostsee-Zeitung immer als DAS Medium angesehen, seriös, neutral und sachlich. Dieses Bild wurde schwer erschüttert und ich erkannte, dass ich meine Meinung aus persönlichen Ansichten statt aus Faktenlagen gebildet hatte. Ich begriff, dass meine Abneigung gegen Jagdfeld und seine Unternehmen keine Grundlage hatte, sondern ich mich von der Macht der Medien benutzen lassen und einfach mit der Strömung schwimmend blind und faul die Meinung anderer übernommen habe. Und auch heute erwische ich mich immer wieder dabei, Dinge nicht zu hinterfragen, weil es bequem ist, sie einfach zu übernehmen. Das letzte Mail fiel ich dabei mit einem einseitigen Bericht über die Kino-Diskussion auf die Nase: Ich berichtete eine Variante aber nicht die andere und damit schnurstracks an der Wahrheit vorbei. Wenn viele mitlesen, merkt man solche Patzer schnell.

Was tut man, wenn man seine Meinung ändern muss, weil sie ganz offensichtlich nicht in die Faktenlage passt? Ich finde, dass es ja schon ein Fortschritt ist, überhaupt seine Meinung zu ändern. Manche können das nicht und vertreten weiter ihre Meinung, obwohl sie wissen, dass sie Unsinn machen. Schauen wir uns das Dritte Reich an – schauen wir uns auch die DDR an. Oder gehen wir gar nicht so weit zurück und schauen uns den Irak, Ägypten oder Libyen an. Diese Systeme haben nur so lange gehalten, weil genug Leute nichts hinterfragt und nicht selbst gedacht haben. Und nach zwei Diktaturen ist das auch bei uns Deutschen nicht raus. Logisch, dass Selbstdenker da wie Fremdkörper wirken und dass wer gegen den Strom schwimmt, von den mit ihm Treibenden dumm angeguckt wird.

Man kann auch seine Meinung vom einen ins andere Extrem ändern und einfach die eine Schablone weg legen und die andere in die Hand nehmen. Das sieht man in der Politik ja oft und genau das erwarten einige wenige Leute auch von mir: Wenn ich nicht Contra-Jagdfeld bin, dann muss ich wohl Pro-Jagdfeld sein. Schwarz und weiß, Plus und Minus – Heiligendamm polarisiert. Ich finde es lustig und amüsiere mich über solche Leute; ärgere mich dann aber auch wieder über diese Verbohrtheit.

Ein wenig bedaure ich die Leute, die so „denken“ und um ehrlich zu sein, widme ich ihnen diesen Beitrag aus Mitleid und möchte sie anregen, festgefahrene Denkstrukturen zu verlassen und wieder selbst die Macht über ihr Gehirn zu übernehmen. Ich möchte nicht ihre Meinung ändern – wer bin ich denn? – ich möchte ihnen helfen, wieder selbst zu denken. Die Gedanken sind frei. „Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen mit Pulver und Blei: Die Gedanken sind frei.“ In diesem Sinne wünsche ich mir, dass auch mir die Freiheit meiner Gedanken und Meinung zugestanden wird, wie ich es bei Ihnen stets tun werde und wie es in einer Demokratie dazu gehören sollte.
Mir nützt Ihre Meinung in keiner Form – ich muss sie nicht ändern.

Mich erreichen zum Glück nur wenige unsachliche Schreiben, die meine Meinung ändern, mich belehren oder die eigene Unfähigkeit ihrer Verfasser auf mich transportieren möchten – zum Glück auch zu 99% mit echten Namen und nicht anonym und feige aber es gibt sie, die Meinung einiger weniger, ich sei ein Jagdfeld-Verfechter. Irgendwo zwischen Anfragen von Zeitungen, TV-Produktionen, Archiven und Bibliotheken an mich, „weil ich alles so differenziert sehe“ gibt es sie. Und irgendwo zwischen zehn „Danke-weiter-so-Kommentaren“ gibt es auch einen „Hör-bloß-auf-Kommentar“. Zwischen 50 Zehn-Sterne-Bewertungen ist auch eine Ein-Stern-Bewertung dabei. Und das ist gut so. Denn ich brauche jedes Feedback und nur aus der Summe kann ich mir ein Bild machen. Man kann sich schließlich auch einreden, auf dem richtigen Weg zu sein – wissen kann man es nur durch Feedback und eben darum habe ich es ja recht einfach gemacht, mir dieses zu geben – ein Klick genügt dafür. Das Feedback ist umwerfend und Leute, mit denen ich zum ersten Mal zu tun habe, loben beim ersten Vernehmen meines Namens meine Artikel. Natürlich gibt es auch alle paar Monate mal einen, der es anders sieht. Solange das sachlich geschieht, habe ich kein Problem damit und die Hand voll „Meckertüten“, die sich ihre Meinung über ihnen persönlich völlig unbekannte Menschen zu bilden erlauben, die kann ich getrost in den Mülleimer werfen (also die Mails, nicht die „Meckertüten“). Es haben sich auch aus kritischem Feedback wunderbare Kontakte entwickelt – so will ich das! Wir sind doch alle Menschen und keiner darf sich zu ernst nehmen.

 

Was halte ich denn nun von Jagdfeld?

Was soll ich von einem Mann halten, den ich nur aus Zeitungs-Interviews, dem Fernsehen oder aus der Zuschauerreihe auf der Tribüne seine vorgefertigte Rede haltend kenne? Ich habe nie ein Wort mit ihm gewechselt, es gab zwei Briefe, die ich an ihn geschickt habe aber wo die Antworten darauf nicht von ihm kamen. Wie soll ich jemanden unterstützen, den ich gar nicht kenne? Wie soll ich mir eine Meinung über einen Menschen bilden, von dem ich nur lese, was andere sich von ihm eine Meinung bildende über ihn geschrieben habe. Bestenfalls seine persönlichen Worte in der „Zukunft Heiligendamm“ geben mir einen kleinen Einblick in seine Persönlichkeit. Aber weiß ich, dass das alles er allein formuliert hat?

In sporadischen Abständen löchere ich abwechselnd die ECH oder Herrn Plöger mit Fragen – dasselbe mache ich aber auch mit Lokalpolitikern, dem Rathaus und den Bürgermeistern. Und natürlich auch der Insolvenzverwalter und die Behörden des Landkreises und Landes bleiben nicht verschont. Das gehört einfach dazu und das ist es ja schließlich, was mich auf Grund des Hintergrundwissens zum „Kenner“ macht. Ich lasse gern an diesem Wissen teil haben weil ich weiß, dass nun mal nicht jeder der sich informieren will diesen Aufwand betreibt und sich an diese Stellen wendet. Wohl darum höre ich immer wieder, ZAM sei ein „Medium“, als das ich es nie geplant und gemacht hatte. Aber eine Diskussion zu dokumentieren, ist schwierig. Wie platziert man Aussagen, damit bei zwei gegensätzlichen keiner das letzte Wort behält? Wie erklärt man Hintergründe, ohne dabei eine Sache so zu beleuchten, dass es wie „Schwärmerei“ aussieht? Und wie erklärt man, das fast 70% der Leser einer Zeitung gegen einen Stadtvertretervorsteher sind, ohne dass es so aussieht, als wäre man selbst auch dagegen? Anders herum auch: Wie erklärt man einen Plan, von dem man überzeugt ist so, dass es nicht aussieht, als würde man sich für den Planer in die Bresche werfen? Ein gelernter Journalist wird wissen, wie man all das macht. Ich bin aber gelernte Bürokraft, verstehe zwar betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, habe aber nie gelernt, für Zeitungen zu schreiben. Gerade das macht aber meine Artikel aus: Sie sind von Leuten wie Sie und Ihren Nachbarn und nicht von einem der gelernt hat, Worte wie Werkzeug zu benutzen.  

Natürlich ist mir aber auch klar, dass es so aussehen muss, als ob ich Jagdfeld unterstütze:
Ich bin für ein Fünf-Sterne-Hotel, weil nun einmal der Platz zum Geldverdienen in Heiligendamm begrenzt ist und man auf kleinem Raum möglichst viel bieten muss, um damit viel Geld zu verdienen. Damit teile ich freilich die Meinung von Herrn Jagdfeld, der ja genau das entwickeln wollte. Aber das war auch 1997 die Meinung der Landesregierung, Oberfinanzdirektion und des Rathauses. Wenn die Stadt der Meinung ist, ihr reichen weniger Steuereinnahmen, dann ist das eben so – es ändert aber nicht meine Meinung, dass man mehr aus Heiligendamm machen kann. Die Stadt tut, was ihre Bürger wollen und wenn die eine Klinik wollen, um die jeder wie bis vor 10 Jahren wie er mag herum laufen kann, dann ist das eben so und ich kann und werde es nicht ändern.

Auch in meiner Zustimmung zum Bau eines Meerwasser-Tempels, einer Bummelmeile und eines Ballsaals; der Nutzung Heiligendamms als schließlich ganz besonderer Konferenz-Standort (Wer bietet Konferenzen am Meer?) und dem Bau eines Ayurveda-Tempels als Krönung der Angebote liege ich natürlich gleichauf mit Herrn Jagdfeld, der ja genau das plant. Was aber nicht heißt, dass ich ihm die Realisierung des Ganzen noch zu traue – das werden eher seine Kinder und Enkel vollenden, so man diese dann auch lässt. Aber es war auch nie gesagt, dass in 10 Jahren alles fertig ist. Besser wäre es gewesen aber das dürfte niemand ernsthaft geglaubt haben, dass das geht.

Jagdfeld erinnert mich ein wenig an Helmut Kohl: Wenn der 1989 gesagt hätte, dass wir hier im Osten „Scheiße fressen“ müssen und auch in 20 Jahren noch nicht das West-Niveau erreicht haben werden – wenn er also die knallharte Wahrheit gesagt hätte, statt uns blühende Landschaften zu versprechen – hätten Sie den dann gewählt? Moralisch richtig wäre gewesen, wenn Herr Jagdfeld gesagt hätte, dass es Jahrzehnte dauern und Milliarden kosten wird, bis Heiligendamm wenigstens eine Nullrechnung wird und dass er es auf keinen Fall allein schafft, sondern Land, Landkreis und Stadt Millionen investieren müssen, um überhaupt Heiligendamm da hin zu kriegen, wo die Konkurrenz schon vor 50 Jahren war. Jagdfeld hätte nicht versprechen dürfen, dass er das alles allein schafft und Leute finden wird, die ihm das Geld geben. Aber hätte man ihm dann Heiligendamm verkauft? Vielleicht ja – weil es gar kein anderer mehr haben wollte; er war ja schon der letzte Bewerber, nachdem Median wegen des Streits um 80 Buchen das Handtuch geworfen hat. Aber vielleicht eben auch nicht.

Jagdfeld hat nach eigenen Angaben auf die Unterstützung des Landes und Bundes gehofft, deren hohe Vertreter sich damals mit dem Prestigeobjekt schmückten und die nun heute enttäuscht zusehen, dass sie ihn los werden, um alles an andere zu verscherbeln. Ich möchte nicht in der Haut von Herrn Jagdfeld stecken: Er ist finanziell dort, wo wir – mal ehrlich – jeder gern hin wollen aber er zahlt den Preis, den keiner von uns zu zahlen bereit ist. Warum sollte ich mir seine Schuhe anziehen und seine Probleme zu meinen machen? Ich lebe von einer EU-Rente und habe genug eigene Probleme und eigene Träume; muss nicht anderer Leute Traum träumen. Ich sehe keinen Grund, mich gegen die zu stellen, die in Heiligendamm sichtbar etwas geschafft haben. Aber das heißt nicht um Umkehrschluss, dass ich  mich hinter sie stellen muss. Ich kann auch einfach neben ihnen gehen und sie ein Stück begleiten. Das ist schließlich originär die Tätigkeit eines Chronisten, als der ich auch wider Willen betitelt werde. ZAM ist mein Hobby! Wie sollte ich damit auch Geld verdienen? (Wenn Sie Ideen haben…).

Zurück zur Schnittmenge: Ich bin auch dafür, dass Heiligendamm einen Yachthafen bekommt, weil man das von einem Seebad einfach erwartet und Heiligendamm einst die ersten Yachten überhaupt vermietete. Dass dazu eine neue Seebrücke nötig sein könnte, ist eine Chance, statt des langweiligen Steges etwas richtig Attraktives zu bauen und damit Sellin und Heiligenhafen zu toppen. Schließlich muss sich Heiligendamm an einem Markt behaupten, an dem es die letzten 100 Jahre nie teil nahm. Und Heiligendamm war auch nie ein rentables Bad – das muss es aber in Zukunft sein, denn es gibt keinen Herzog oder reichen Baron mehr, der Geld dazu buttert. Und das Land will nicht mehr dazu buttern – das war ja überhaupt der Grund, warum es 1993 die 26 Häuser los werden wollte.

Zuletzt sehe ich auch ein, dass Heiligendamm wachsen muss. Wenn ich an einem lauen Sommerabend auf der Seebrücke sitze, hinter mir das ruhige Meeresrauschen, von vorn einen leichten salzigen Wind und ich schaue, wie die Sonne in den Fenstern dieser herrlichen und traumhaften Kulisse versinkt; wenn ich die Leute bedächtig flüstern höre und diese unendlich schöne positive Energie spüre und diese großartige ruhige Stimmung mir einen Seufzer und eine Träne entlockt, dann will ich, dass alles so bleibt: So schön, so einmalig, so ruhig und so einsam. Dann kann ich mir keine Yachten und Dampfer vorstellen, keine lauten Menschenmengen oder Musik, kein reges Treiben und keine Partys. Aber ich weiß um die Vergänglichkeit dieser Schönheit, denn nur solange das Geld reicht, kann erhalten werden, was da ist. Und das Geld reicht nicht – sonst wäre das Hotel nicht insolvent. Es reichte nie in der Geschichte Heiligendamms, die mir inzwischen vertrauter als mein eigener Lebenslauf ist.

Solange das Seebad existiert, wurde immer in Wachstum investiert, auch wenn die kritische Größe nie überschritten und darum Heiligendamm nie ein sich selbst tragendes Bad wurde. 1872 legte man Pläne für ein „Versailles am Meer“ vor und damit hätte man die kritische Größe knapp überschritten und wenigstens die Chance gehabt, rentabel zu laufen. Es fehlte aber da schon am Geld für die Realisierung solcher Projekte. Jagdfelds Urbanisierungsexperte Robert A. M. Stern hat wieder Pläne für ein Wachstum gezeichnet und daran orientiert sich Jagdfeld, will ein großes Villenviertel bauen, mit dem er dann letztlich auch Geld verdienen könnte, so es denn jetzt noch realisierbar sein sollte.

Hier gibt es aber auch die erste Differenz: Jagdfeld will Heiligendamm nach Süden wachsen lassen – ich bin mit Hinblick auf die übliche Entwicklung der Seebäder der Meinung, dass Heiligendamm zuerst nach Osten entlang der Küste wachsen muss, bevor es ins Hinterland wächst. Natürlich geht das nicht so einfach: Da müssen sehr viele an einem Strang ziehen. Es zeigt sich doch aber an Kühlungsborn, Warnemünde und Graal-Müritz, dass es der richtige Weg ist.

Ja und auch hier gibt es Differenzen: Ich hasse die vielen schmucklosen Zäune um das Grand Hotel herum. Dass es eine gesamte Einfriedung geben muss, kann ich nachvollziehen und ich denke, jeder Besitzer eines Grundstücks möchte auch nicht auf seine Einfriedung verzichten. In Bad Doberan ist fast jede Villa einzeln eingezäunt und jedes Grundstück hat einen anderen Zaun. Keiner würde auf die Idee kommen, da eine Entfernung der Zäune oder die Einfriedung der Dammchaussee und Goethestraße jeweils als Ganzes (also die ganze Straßenseite mit nur einem Zaun und Gartentor) zu fordern. Um die Einfriedung an sich geht es mir nicht – man kommt ja problemlos auf das Hotelgelände, nur eben nicht hindurch. Ich habe vier Jahre in der Dammchaussee auf einem Grundstück gewohnt, wo regelmäßig Leute vorn über den Rasen und dann über unsere Terrasse und durch den Garten und unsere Carports zur Seestraße – und umgekehrt – gelaufen sind. Immer ging das Licht an, immer erschreckte man sich, wenn man abends auf dem Sofa saß und plötzlich dunkle Gestalten vorbei huschten und einmal waren morgens sogar drei Pollerleuchten umgeworfen und einen anderen Tag die Heckscheibe unseres Autos eingeschlagen. Unter den Carports wurde Rast gemacht und getrunken – die Hinterlassenschaften durfte ich dann beseitigen. Selbst Hundekot lag auf dem Grundstück, obgleich keiner einen Hund oder Besuch mit Hund hatte. Vor diesem Hintergrund kann ich jeden verstehen, der sein Grundstück einzäunt, auch wenn er damit anderen Wege abschneidet. Der neue Eigentümer des Hauses hat das gleich als erstes getan.

Ich bin aber der Meinung, dass Hecken, Erdwälle, Natursteinpackungen, Weidengeflecht, Schautafeln, Kunstausstellungskästen, evtl. sogar Aquarien oder lange Schaukästen zum Thema „Ältestes deutsches Seebad“ oder auch „Lebensraum Ostsee“ ebenso eine einfriedende Wirkung hätten, wie hässliche MZS-Metallgitterzäune in grün und grau. Selbstverständlich kenne ich die Bilder aus dem vorigen Jahrhundert, wo Burg, Perlenkette, Cottages und Ensemble jedes für sich mit weißen Lattenzäunen eingefriedet waren und natürlich ist mir bewusst, dass die ECH dem Gutachten Prof. Behnkensteins folgend nur das tut, was man schon seit über hundert Jahren tat – was nur eben 40 Jahre mal nicht der Fall war. Aber es ginge auch dekorativer!

Zu allen Zeiten gab es vor dem Kurhaus auch ein schönes Rondell mit meistens irgendetwas in der Mitte – mal ein Blumenrondell, mal ein Springbrunnen, mal einen Obelisk – auch zu DDR-Zeiten gab es dieses Rondell. Heute ist da nur eine grüne Wiese, die als Puffer gegen „laute Touristen“ dienen soll aber andererseits zwei Fußballtore enthält, damit Kinder der Hotelgäste dort spielen können (garantiert nicht leise). Ich wäre dafür, dort wieder ein Rondell zu machen, das ja auch etwas kleiner und mit Blumenrabatten und kleinen Hecken den öffentlichen Bereich vom Hotelgelände trennen kann. Für den Durchgang vor dem Haus „Mecklenburg“ und das Tor zum Hotel wäre trotzdem Platz – die Tagesgäste könnten halt nicht zur Kühlungsborner Straße hindurch laufen aber sie könnten eine Runde im Ensemble laufen, statt nur davor zu stehen. Und geschickt gemacht schauen sie trotzdem nicht auf die Teller. Die Mitte des Rondells – da stelle ich mir aus weißen Blumen und blauem Wasser das Logo des Grand Hotels vor. Sie werden es erraten: Derartige Vorschläge stießen nicht auf Gehör. Andere wären jetzt eingeschnappt und würden sich eine schlechte Meinung von Jagdfeld bilden.

Mir kam noch eine Idee seinerzeit, als die Prof.-Vogel-Straße noch offen war und geschlossen werden sollte. Ich hätte die Straße zu einem Gehweg gemacht, die Kolonnaden zu Geschäften und den Weg dicht an den Kolonnaden und damit weit genug weg von den Perlen entlang geführt. Auch hier alles mit Arkaden, um einen Blick in die Fenster zu verhindern. Damit die Hotelgäste nicht über diesen Weg rüber laufen müssen, wenn sie von einem Haus ins andere wollen, stellte ich mir einen Tunnel unter der Straße hindurch vor. Aber nicht einfach nur eine Betonröhre, sondern eine kleine Grotte mit Separés, Aquarien, einer Salzgrotte, einem Solarium, einem Raum mit Lichtliegen, vielleicht auch einem Kino für die Hotelgäste. So etwas hatte ich in Dänemark einmal in vereinfachter Form gesehen und es hat mich sehr fasziniert. Der SPA-Bereich liegt eh im Souterrain, von daher wäre alles kein Problem. Und auch hier gab es in der Geschichte Heiligendamms Pläne, eine Verbindung der beiden Hauptgebäude zu schaffen – allerdings oberirdisch durch Arkaden.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der nun wirklich nicht „Jagdfeld unterstützen“ genannt werden kann: Ich bin für einen kurzen direkten Weg vom Bahnhof zum Strand. Nur würde ich das nicht „Stichweg“ nennen, weil dieser im Verlauf schon festgelegt ist (zwischen Kolonnaden und Severin-Palais an der Liegewiese vorbei, dann zwischen Grand Hotel und „Perle“ hindurch an deren Terrasse und Balkone vorbei zum Seebrückenvorplatz). Diesen Stichweg halte ich für Unsinn und abgesehen davon, dass er an Liegewiese, Terrassen und Balkonen vorbei führt, habe ich dafür mein ganz eigenes Argument:

Die Idee der Erbauer Heiligendamms ist es, das Ensemble von Osten nach Westen zu erleben. Wenn Sie am Golfteich auf die Promenade gehen, sehen Sie nur Haus „Mecklenburg“ – der Rest ist vom Haus „Bischofsstab“ verdeckt. Passieren Sie nun dieses, sehen Sie zum ersten Mal die Perlenkette, die sich nun im Laufen Stück für Stück in voller Pracht eröffnet. Erst wenn Sie Villa „Perle“ umrunden, kommt das Kurhaus zum Vorschein, erst wenn Sie ein paar Schritte weiter gehen, das Grand Hotel und Severin-Palais. Die nächste Entdeckung wäre dann beim Umrunden des Ensembles die Burg, danach eröffnen sich eine nach der anderen die Cottages und schließlich schließt sich das Ganze wieder. Das geht aber nur, wenn man im Osten anfängt. Darum ist es totaler Unsinn, den Stichweg mitten hinein zu führen. Die Hauptattraktion ist doch nicht die langweilige Seebrücke!

„Mein“ Stichweg setzt im Kurwald am Sitzrondell an und führt dann in einem sanften Bogen zum Prinzessin-von-Reuß-Palais. Dort führt er zwischen dem Palais und dem Haus Bischofsstab zur linken und dem Thalasso-Tempel zur rechten im sanften Bogen auf die Promenade und kommt direkt neben „Coco“ raus. Wenn man schlau ist, spendiert man dem Thalassozentrum im Erdgeschoss ein paar Läden und gastronomische Angebote und verdient an „meinem“ Stichweg. Von hier nun eröffnet sich das Ensemble. Damit man nicht in der Sackgasse landet, muss natürlich der von der FDP und Polzin ausgehandelte Rundweg gebaut werden und dieser in einer Höhe, das man wenigstens noch mit dem Kopf über die Flutschutzmauer ragen kann, damit sich auch die Burg noch eröffnet.

Sie werden auch hier erahnen, dass „mein“ Stichweg mein Traum bleibt.
Aber selbst für den von der Stadt geplanten Stichweg – den Jagdfeld ja nun einmal gar nicht will – habe ich Ideen. Den könnte man nämlich in Form eines Arkadenganges gestalten. Die Idee kommt nicht ganz von mir: Die Architektengruppe PPP Petersen Pörksen Partner aus Rostock schlug im Expertenkolloquim 2004 einen Arkadengang vom Grand Hotel zum Golfteich vor, um die Tagesgäste hinten um die Perlenkette herum zur Promenade zu führen, ihnen aber den Blick auf die Perlenkette frei zu geben. Das wäre noch mehr meine Vorstellung – ich hätte den Plänen von PPP damals schon zugestimmt. Aber es sollte halt nicht sein. Darum würde ich wenigstens den geplanten Stichweg als Arkadengang mit einem kleinen Sitzhalbkreis im Kurwald und einem am Seebrückenplatz realisieren. Immer da wo Gäste auf Terrassen schauen würden, könnte man Infotafeln zur Geschichte oder längliche Glaskästen mit Kunstwerken, Informationsausstellungen, Strandgut o. ä. aufstellen, sodass die Tagesgäste nicht auf die Terrassen gucken aber trotzdem etwas interessantes sehen können.

Grundsätzlich ist es so, dass zu viele einen Stichweg wollen, als das Jagdfeld diesen Willen ignorieren kann. Es ist nicht gelungen, den Stichweg „wegzuerklären“, gleichwohl ich auch über die kargen Argumente für ihn immer wieder lachen muss. Es gibt nur ein Argument für diese Variante: Sie ist die kürzeste vom Bahnhof zum Strand. Wobei die meisten Touristen mit dem Auto direkt hinter den Dünen parken aber okay – den Molli- und Median-Gästen würde es halt nützen. Spätestens hier dürfte aber klar werden, dass ich kein guter Freund von jemanden wäre, der partout keinen Stichweg und die Zäune um das Hotel möglichst weit außen haben will.

Und wie steht es mit dem Bürgerbund – bin ich denn jetzt gegen ihn, nachdem ich ihm 2004 noch beitreten wollte? Ich muss mir diese Frage immer wieder selbst stellen. Sind die Leute vom Bürgerbund alle bösartig oder dumm? Ich mag nicht an das Schlechte im Menschen glauben, warte im Prinzip heute noch auf Beweise, kriege aber statt dessen nur von irgend so einem sich anonym währenden Schreiber eine wörtliche Kopie der Bürgerbund-Thesen und wenn ich dann nach Belegen frage, heißt es, dass der Bürgerbund eine arme kleine Gruppe unterdrückter und es wirklich gut meinender Bürger sei, die sich gegen die „etablierten Parteien“ nicht durchsetzen kann. Warum klagt der Bürgerbund nicht gegen die vielen „Vergehen“, warum ruft er nicht die Kommunalaufsicht an? Das sind dann wieder Fragen, die unbeantwortet bleiben. Was soll ich da vom Bürgerbund halten? Was KANN ich denn davon halten, wenn da nichts zum Festhalten ist?

Trotzdem zitiere ich den Bürgerbund und seine Akteure, transportiere damit seine Ansichten weiter, obwohl ich sie nicht teile. Ich versuche, gegensätzliche Aussagen zu einer Sache gegenüber zu stellen, wie es gelernte Journalisten (ich gehöre wie gesagt nicht dazu) eigentlich tun müssen und was dann nicht bedeutet, dass sie Partei ergreifen, sondern dem Leser zum Selbstdenken anregen soll. Ich habe grundsätzlich gegen keinen der Akteure des Heiligendamm-Theaters etwas, kenne nur wenige persönlich und vertraue grundsätzlich keinem, sondern überprüfe jede Aussage – auch mit Hilfe Außenstehender. Ich habe auch generell nie etwas gegen Menschen, sondern höchstens etwas gegen ihr Tun.

Nehmen wir zum Beispiel Guido Lex: Ich halte ihn für fachlich die bestgeeignetste Person, die wir in der aktiven Stadtvertretung derzeit für das von ihm geräumte Amt haben. Wer hat schon einen Berufsrichter als Stadtvertreter-Vorsteher? Lex ist fleißig – daran besteht kein Zweifel – und er weiß, was er tut. Das sind die guten Eigenschaften, die ich – der ihn auch nur vom Sehen her kennt – an ihm finden kann. Er hat sicherlich mehr, die ich noch nicht finden konnte. Die Frage ist ja, was davon für das Ehrenamt wichtig ist. Lex ist durchsetzungsstark, was sicherlich nützlich wäre, wenn die Art denn eine andere wäre.

Der Ton macht die Musik und die Töne von Lex sind laut und scharf und haben eine Melodie, die einfach kein stimmiges Werk einer Stadtvertretung ermöglicht. Was in der Armee oder dem Chef-Büro eines Kleinunternehmens ein stimmiges Stück sein mag, klingt in der Politik wie das Spiel der ersten Flöte, die so laut ist, dass man den Rest des Orchesters nicht mehr hört. Spielt die Flöte schief, hat schnell das ganze Gremium den Ruf als „Blockflöten“ weg – egal, wie gut die Geigen, Gitarren und Klaviere klangen, die man nicht hörte. Lex war nicht in der Lage, Sitzungen zu moderieren, er war selten Schlichter, sondern immer der knallharte Richter. Er sagte, was seiner Meinung nach Recht ist und wer etwas dagegen zu sagen hatte, der hatte Unrecht und den Mund zu halten.

Die Art, wie er mit denen umging, die von uns Bürgern gewählt wurden und die Tatsache, dass er denen, die von uns den Auftrag haben, den Mund aufzumachen und etwas zu tun eben diesen Mund verbot und sie davon abhalten wollte, das zu tun, wofür wir sie gewählt haben, ist für mich ein schwerer Schlag gegen die Wählerschaft und damit gegen die Demokratie. Ich bin ein Kind dieses Landes, war zehn, als die Diktatur fiel und darum mit der Demokratie aufgewachsen. Sie ist nicht perfekt aber sie ist auf dem Weg und derzeit m. M. das beste System. Ich möchte, dass auch meine Kinder und Enkel einst so wie wir heute in Freiheit leben, selbst denken und ihre Meinung äußern können. Ich sehe das als großes Geschenk, mich nicht darum sorgen zu müssen, ob das was ich denke verboten ist und das was ich sage mich ins Gefängnis bringt. Was sind ein paar böse Worte nicht so gut informierter Leute aus der Ferne gegen das, was mir vor 20 Jahren geblüht hätte, wenn ich einen Politiker kritisiert hätte? Und tut das nicht jeder und noch weiter oben – auf Bundesebene, wo alle Politiker von den Bürgern ihr Fett weg kriegen? Das ist echte Freiheit und die dürfen wir uns nicht nehmen oder zu Narrenfreiheit verbiegen lassen. Wer als ihr Vorsteher den Stadtvertretern den Mund verbietet, der greift die Demokratie bereits auf einer hohen Ebene an. Da kann ich nicht weg sehen und zum Glück andere auch nicht. Denn wer würde als nächstes als Einzelperson welchem Gremium den Mund verbieten, wenn so etwas Schule machen würde? Bis zum Bundeskanzler sind es nur vier Ebenen.

Darum zuletzt mein Apell an Sie:
Bilden Sie sich zum Thema Heiligendamm Ihre eigene Meinung und akzeptieren Sie, wenn andere Leute sie nicht teilen. Versuchen Sie nicht, Mitmenschen zu überzeugen – legen Sie Fakten dar, beweisen Sie diese und jeder der denken kann, wird aus diesen Informationen selbst seine Schlüsse ziehen. Wenn nicht, dann ist das eben so – Die Gedanken sind frei. Lesen Sie nicht – zu keinem Thema – nur eine Zeitung. Lesen Sie immer drei aus ganz verschiedenen Verlagen und googlen Sie auch mal nach dem Thema, das Sie interessiert. Niemand muss zu allem eine Meinung haben und niemand muss ständig seine Meinung sagen. Wichtig ist, was der Mensch TUT, nicht was er SAGT. Reden verändert die Welt nicht – Schreiben ebenso wenig. Nur HANDELN verändert die Welt. Bevor Sie also irgend welche Leute wegen dem kritisieren, was sie Kraft der Freiheit ihrer Gedanken zu Heiligendamm denken und sagen, fragen Sie sich einmal, was Sie, liebe Leserin, lieber Leser für Heiligendamm TUN.

Und dann fragen Sie auch, was die anderen für Heiligendamm tun:
Worauf können Sie mit dem Finger zeigen und sagen „Der hat das gemacht“?
Ich finde auf Anhieb viele Dinge, wo ich sagen kann, dass Jagdfelds Unternehmen sie realisiert haben und ich finde auch viele Dinge, die ohne die ECH nicht möglich gewesen wären. Auch der Landkreis, StAUN, Forst und Denkmalschutz haben deutliche Spuren in Heiligendamm hinterlassen – nicht zu vergessen die mutigen Leute, die trotz des schlechten Umfeldes hier ihre Gaststätte, ihr Café, ihren Imbiss oder eine Segel- und Surfschule eröffneten oder ein Apartment oder eine Ferienwohnung anbieten, mit denen sie woanders viel mehr verdienen könnten. Diese Leute mag ich unterstützen, über sie schreibe ich gern. Wer aber immer nur meckert und mit dem Finger auf andere zeigt, ohne selbst je etwas zu leisten, der ist mir eben weniger sympathisch.

Dann gibt es da noch die Stadt, die zwar den Weg für Jagdfelds Investitionen frei gemacht aber ihn nie wirklich unterstützt hat. Was wäre, wenn die Stadtvertreter schon 2006 der Tiefgarage und dem Dauerwohnrecht zugestimmt hätten und nicht erst Ende 2009? Wäre es nicht zumindest wahrscheinlich, dass dann mehr als eine Villa jetzt saniert wäre?

Wenn statt acht Jahre über Zäune, Stichweg und Hotelpark zu streiten, diese Zeit für echte Sacharbeit genutzt worden wäre, könnten da nicht schon Strandversorgung und Strandzentrum längst fertig sein und Gäste bedienen?

Überlegen Sie mal: Acht Jahre wurde nur über Zäune und Stichweg gestritten und immer nur ge- und zerredet. Was hätte man in dieser Zeit alles schaffen können? Was wurde da nur für Zeit vergeudet! Diese Zeit kriegen wir nie wieder – sie ist verschenkt an die Mitbewerber auf dem hart umkämpften Markt, denen wir acht ganze Jahre Vorsprung einfach so geschenkt haben. Ist das nicht erschreckend?

Wenn das Image Heiligendamms nicht in den Medien durch die Provinzposse gelitten hätte – wie wahrscheinlich wäre es, dass der G8-Gipfel für eine Initialzündung gesorgt hätte? Heiligendamm wurde 2007 weltbekannt wie kein anderer Ort unseres Landes. Aber entwickelte sich so langsam, wie ebenfalls kein anderer Ort unseres Landes. Warum?

Und warum nur hier – warum entwickeln sich Kühlungsborn, Warnemünde, Graal-Müritz, Boltenhagen und alle Orte um uns herum so prächtig aber Heiligendamm steckt immer noch im Jahr „1996 plus 1“ (2007 ging es ja noch einmal voran) fest? Kann da nur ein einzelner Mensch die Ursache für sein? Warum SOLLTE er dann alles allein machen? Diese Fragen muss man sich stellen, wenn man die Diskussion um Heiligendamm verstehen will. Und wenn auch nicht Sie und ich, so müssen doch bestimmte Leute Konsequenzen aus den Antworten auf diese Fragen ziehen und endlich zueinander finden, statt sich wie Kinder im Sandkasten zu beharken. Schließlich geht es hier nicht um eine Sandburg, sondern um unser Heiligendamm!

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes neues Jahr und Heiligendamm den Wendepunkt, den es jetzt braucht, um nicht den Wasserfall hinunter zu gleiten. Es ist zu schaffen. Aber nur gemeinsam und auf keinen Fall gegeneinander.

 

Ihr Martin Dostal