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Stichweg-Gedanken

Fünf Jahre ist es her, als die Stadt Bad Doberan mit dem Grand Hotel Heiligendamm vereinbarte, auf einen Stichweg vom Molli-Bahnhof zur Promenade zu verzichten. Das Grand Hotel sollte die Möglichkeit haben, sich zu etablieren und zu beweisen, dass es als umfriedetes Ensemble besser läuft, als zuvor mit Wegen quer durch das Hotelgelände. Voraus gegangen war der Vereinbarung eine lange emotionale Diskussion. Es galt, Wege zu finden, um ein mit einst von der Allgemeinheit genutzten Wegen durchzogenes Klinikgelände in ein für Gäste attraktives Hotelareal zu verwandeln. Tatsächlich fanden die Gäste Heiligendamms während der letzten fünf Jahre andere Wege zur Promenade. Für Auto- und Radfahrer war der Stichweg keine Option. Fußgänger verirrten sich nur so lange in eine Sackgasse, wie diese bestand. Wenige Urlauber mochten sich nicht damit abfinden, nach 180 Metern nicht mehr geradeaus weiter laufen zu können. Nicht viele, oft immer dieselben und meistens welche, die nach der Wende das erste oder zweite Mal wieder in Heiligendamm waren, bemängelten Umwege zum Strand. Ganz einleuchten mag ihre Argumentation nicht, wie ein Blick auf die Karten zeigt: Etwa 180 Meter sind es vom Bahnhof bis zum Sitzrondell im Kurwald. Der alte Trampelweg führte nun etwa 120 Meter bis zur Professor-Vogel-Straße. Von dort konnte man entweder 250 Meter nach Westen zur Seebrücke oder dieselbe Strecke nach Osten zum Haus „Bischofsstab“ gehen. Insgesamt lief man vom Bahnhof also bis vor 5 Jahren immer etwa 550 Meter. Heute ist der kürzeste Weg etwa 580 bis 600 Meter lang und dann steht man neben dem Rettungsturm am Strand. Von dort aus hat man nach Westen etwa 470 Meter feste Promenade, die man sowieso abschreiten muss, um Heiligendamm erleben zu können. Es ist übrigens die Idee der Erbauer, Heiligendamm von Osten nach Westen zu erleben: Das Ensemble öffnet sich mit jedem Meter, den man geht. Fängt man mittendrin an, funktioniert das nicht. Der ganze Streit geht nun darum, dass man heute 30-50 Meter weiter laufen muss, als vor 5 Jahren. Wenn Sie zwei Wege vermissen: Die 320 und 350 Meter langen Wege links und rechts vom Hauptgebäude des Grand Hotels standen nie zur Debatte, weil sie sinnigerweise dem Grand Hotel zugeordnet wurden. Es geht also um ein paar Meter mehr, die der Gast durch den von ihm besuchten Ort laufen muss. Vergessen wird, dass die neue Wegführung im Herzen der neuen Strandversorgung mündet, der Besucher also zuerst auf Gastronomie und Gewerbe stößt, wo er Geld ausgeben kann. Und zwar, bevor er Richtung Westen Heiligendamm verlässt. Die angedachte Variante des Stichweges nimmt den kürzesten Weg durch den Kurwald und führt weg von Waldkapelle, Golfhaus-Café, Jagdhaus, Surfschule und Strandversorgung. Sie schadet den Gastronomen und Gewerbetreibenden mehr, als sie ihnen nützt. Aber genau von diesen Ansiedlungen profitiert die Stadt, denn hier lässt der Tagesgast sein Geld. Solange im Westen kein Rundweg existiert, ist das Interesse an Heiligendamm an der Seebrücke beendet. Dann geht es eben weiter nach Kühlungsborn zum Geldausgeben. Wer also profitiert, wenn die Stadt – möglicherweise auf eigene Kosten – einen Stichweg weg von ihren Einnahmequellen bauen und auf die Grundsteuern der von ihm belegten Fläche verzichten muss? Das Grand Hotel nicht: Seit Wegfall des Stichweges hat sich die Rentabilität des Hotels verbessert. Die Median-Klinik ist zufrieden mit einer gefundenen Lösung und die großen Ferienhäuser in der Gartenstraße werben in Prospekten und im Internet sogar mit kurzen Wegen zum Strand. Ist der Stichweg also nur das Interesse einiger Kommunalpolitiker, die immer noch glauben, ihnen würden wie 2004 Wählerstimmen zufliegen, wenn sie sich für einen Stichweg einsetzen?

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