1989
Im April ist Vicco von Bülow (Loriot) zu Gast in Bad Doberan.
Im Mai häufen sich laut Kirchenchronik die Beschwerden wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.
Die Münsterführungsgruppe feiert im Juni das 20jährige Bestehen.
Am 11. Juni fassen die Gemeindemitglieder den Beschluss, auch in Bad Doberan Friedensgebete anzubieten und gründen einen Vorbereitungskreis.
Am 20. Juni findet eine Gesprächsrunde des Rat des Kreises und der Pastoren in der Propstei statt. Das Motto lautet „Wir fordern eine gerechte Reiseverkehrsregelung“. Noch ehe diese kommt, flüchten tausende über Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland.
Im September vermerkt der Pastor in der Chronik: „Die Spannung wächst“ und am 7. Oktober zitiert er Erich Honecker: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs‘ noch Esel auf“ und „Die Mauer wird in 100 Jahren noch bestehen…“
Am 25. Oktober findet das erste Friedensgebet im mit 2.000 Menschen hoffnungslos überfüllten Münster statt. Zwei junge Männer enthüllen nach dem Gebet ein Transparent mit der Aufschrift „Freie Wahlen“. Spontan bildet sich ein Protestzug. Hierzu ist folgende Begebenheit vermerkt:
„Das erste Friedensgebet fand in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Hochspannung statt… Die Nachricht, dass im Münster ein Friedensgebet stattfinden soll, verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Stadt- und Kreisgebiet. Reichlich eine Stunde vor Beginn setzte ein regelrechter Menschenzug ein… Nach Beendigung des Friedensgebetes standen einige tausend Menschen vor dem Münster und auf der Klosterstraße. Da fassten sich einige ein Herz und bildeten die Spitze eines Demonstrationszuges. So setzte sich unter Glockengeläut der Zug in die Freiheit nach 40-jähriger kommunistischer Unterdrückung in Bewegung.“
Die Staatssicherheit beobachtet das Geschehen u. a. mit Kameras vom Möckelhaus und aus Gebüschen. Die Demonstranten fordern auch Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit. Juergensohn sagt später : „Wir wollten das System los werden, ein Ende der Gängelei“.
Von nun an finden sich jeden Mittwoch über 1.000 Menschen im Münster zu Friedensgebeten zusammen, der Höhepunkt liegt bei 4.000 Teilnehmern. Während Weihnachten pausieren die Friedensgebete für 3 Wochen. Eingeleitet werden die Gebete durch Pastor Thomas Jürgensohn und die Predigen halten abwechselnd Propst Carl-Christian Schmidt und die Pastoren Burghardt (Kühlungsborn), Frahm und Gauck (beide Rostock).
Am 9. November fällt in Berlin die Mauer und die Grenzen werden geöffnet. In der Stasi-Zentrale in der Goethestraße 1 werden eilig Akten vernichtet, bevor die Büros verlassen werden.
In der Kirchenchronik steht zu lesen „Die Mauer fällt, die Einheit kommt“.
Am 3. Dezember findet das Weihnachtssingen im Münster statt, während ein endloser Autostrom nach Lübeck fließt.
Bauprojekte geraten ins Stocken und bleiben schließlich stehen, der Kammerhof ist zur Hälfte fertig und gerade gegossene Bodenplatten werden nicht weiter bebaut; die Schuhfabrik wird nicht fertig und nimmt ihren Dienst nicht auf. Die Konten der öffentlichen Betriebe werden gesperrt und die Regionalverwaltung übernimmt alle Finanztransaktionen. Nach der Freigabe der Konten ist auf denen des Sanatoriums nichts belastet, sodass Dr. Schütt das Geld in neue Laboreinrichtungen, moderne Lungenfunktionsgeräte, moderne Ausstattung und den Umbau des Küchentraktes investiert.
Bis hier her wurden jährlich 8.000 Kurgäste in Heiligendamm betreut. Die Forschungsinstitute für Balneologie und Kurortwissenschaften Bad Elster und für Badeklimatologie in Berlin-Buch betrieben sehr bedeutende Außenstellen in Heiligendamm.
Die „Palette“ in Heiligendamm eröffnet wieder, die Tonhalle in Bad Doberan wird abgerissen und macht einem Imbissbetrieb (Elefantentränke) Platz. Der Kammerhof ist im Entstehen.
Die erste Zappanale sorgt für Aufsehen und die Frage, was Frank Zappa mit Bad Doberan zu tun hat. Veranstalter des noch recht kleinen Festes, das gerade einmal mit einem Traktoranhänger als Bühne an der Vitakost-Ruine startet, ist der Bad Doberaner Zappa-Fan Wolfhard Kutz, der so in seiner Heimatstadt dem Rockmusiker aus dem fernen Amerika gedenken will – gleichwohl dieser nie in Bad Doberan war.