100 Jahre Kriegsende: Doberan im 1. Weltkrieg
Am 11. November jährt sich zum 100. Mal das Ende des Ersten Weltkrieges.
Am 11.11.1918 schwiegen in Europa nach 1.567 Tagen Krieg die Waffen.
Wie hat Doberan den 1. Weltkrieg erlebt? Wieviele Tote gab es und wie lauten ihre Namen? Wie erinnert Doberan heute an die Opfer des Ersten Weltkrieges? Diesen Fragen bin ich nachgegangen.
Doberan-Heiligendamm 1913 – Ein ganz normaler Sommer
Das Jahr 1913 war noch ganz unbeschwert. Der Dichter Rainer Maria Rilke weilte vom 28. Juli bis zum 16. August auf Einladung seiner Bekannten Helene von Nostitz im Seebad, fand in Heiligendamm am Spiegelsee seine verlorene Inspiration wieder und widmete dem Kleinod das Gedicht „Hinter schuldlosen Bäumen“.
Auch das Folgejahr begann ganz normal. In der Althöfer Straße entstand ein neues Stadthaus, das Pferderennen fand statt und die Saison begann wie immer.
Das Attentat von Sarajewo war der Auslöser des Ersten Weltkriegs
Fernab der Ostsee kam es am 28. Juni 1914 zum Attentat von Sarajevo, bei dem Erzherzog Franz Ferdinand, Thronfolger Österreich-Ungarns, und seine Gemahlin Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, beim zweiten Versuch innerhalb weniger Stunden durch Schüsse ermordet wurden. Hinter dem Attentat stand die serbische Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“. Der Attentäter Gavrilo Princip war Mitglied der serbisch-nationalistischen Bewegung Mlada Bosna.
Durch das Attentat verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zusehends. Der Wiener Hof gab der serbischen Regierung eine Mitschuld und da schon 1907 von Mitgliedern der österreichisch-ungarischen Regierung eine militärische Intervention gegen den Nachbarn gefordert wurde, wurden jetzt wieder Rufe danach laut. Trotzdem blieb die Regierung Österreich-Ungarns zweigeteilt und unentschlossen und suchte Rückendeckung bei Deutschland.
Das Deutsche Reich sicherte Österreich-Ungarn Unterstützung zu
In Potsdam fiel am 5. Juli die Entscheidung für einen Erstschlag gegen Serbien – auch „ernste europäische Komplikationen“ in Kauf nehmend und am 6. Juli sicherte Deutschland Österreich-Ungarn seine Unterstützung zu. Auch Bulgarien, Rumänien und die Türkei sicherten zu, sich auf die Seite des Dreibundes zu stellen, sollte Österreich-Ungarn „Serbien eine Lektion erteilen“ wollen.
Als am 8. Juli noch keine Kriegsvorbereitungen seitens Österreich-Ungarns getroffen waren, zeigte sich der österreichische Graf Berchtold besorgt, dass die schwächliche Haltung die Stellung seines Landes gegenüber Deutschland diskreditieren könne. Der Ministerrat stellte Serbien ein Ultimatum, das von vornherein so redigiert war, dass Serbien die Bedingungen entweder nicht erfüllen konnte oder sie ablehnen musste.
Russland sicherte Serbien Unterstützung zu
Serbien wandte sich an Russland und von dort erbat man sich Aufschub, was Wien auch gewährte. Russland drohte Deutschland mit Mobilmachung und dem Abzug seiner Finanzmittel aus Deutschland und erklärte, im Falle eines Krieges militärisch nicht untätig zu bleiben.
Der Wiener Plan ging auf: Serbien wollte selbst Ermittlungen anstellen und keine Ermittler Österreich-Ungarns akzeptieren, da dies die Souveränität in Frage stellen würde.
Durch die Rückendeckung Russlands wähnte sich die serbische Regierung stark genug, nicht einzuknicken.
Einen Tag vor Ablauf des Ultimatums am 25. Juli erarbeitete Österreich-Ungarn – wiederum gestärkt durch den Pakt mit Deutschland, Bulgarien, Rumänien und der Türkei – eine ablehnende Erklärung.
Frankreich sicherte Russland Unterstützung zu
Frankreich ging in Verhandlungen vom 23. bis 25. Juli eine Allianz mit Russland ein, die besagte, dass im Kriegsfall Frankreich Russland unterstützt. All diese Zusagen waren im Nachhinein betrachtet Blanko-Schecks und ein Freibrief für die beiden Streitparteien, zu pokern. Nur durch diese Zusagen kam es schließlich zu einem Krieg, dessen Fronten nicht zwischen Serbien und Österreich-Ungarn blieben.
Österreichs Kriegserklärung löste Kettenreaktion aus
Serbien begann mit der Mobilmachung, um sich verteidigen zu können und Österreich-Ungarn erklärte Serbien am 28. Juli den Krieg. Nun setzte eine Kettenreaktion ein, die nicht mehr aufzuhalten war.
Kaiser Wilhelm wollte das Ruder noch herumreißen und beschwor seinen Vetter, den Zaren Nikolaus II., die Mobilmachung zu stoppen. Deutschland stellte Russland ein Ultimatum, aber die Russen ließen es verstreichen. Am 1. August erklärte Deutschland Frankreich den Krieg und zwei Tage später bekam Russland die Kriegserklärung von Deutschland.
Das Deutsche Reich wandte sich zuerst dem direkten und vermeintlich leichter zu besiegenden Gegner zu und marschierte am 3. August durch die neutralen Staaten Belgien und Luxemburg in Frankreich ein. Belgiens Garantiemacht war Großbritannien und so erklärten die Briten den Deutschen am 4. August auch den Krieg.
In Europa gingen die Lichter aus
Der britische Außenminister Edward Grey, 1. Viscount Grey of Fallodon, stand am Abend des 3. August mit einem Freund am Fenster seines Zimmers im Foreign Office. Es dämmerte und auf der Straße wurden die Lampen angezündet. Edward Grey sagte zu seinem Freund:
„Die Lampen gehen in ganz Europa aus, wir werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen.“
Die Mobilmachung in Rostock ging durch Doberan
In Bad Doberan wurde man sich des Kriegsbeginns erstmals am 2. August richtig bewusst. Vom Rostocker Friedrich-Franz-Bahnhof starteten die 90er Füsiliere im Stundentakt Zug um Zug vorbei an Doberan Richtung Wismar.
Dort gingen sie mit dem Mecklenburgischen Grenadier-Regiment 89 der 17. Division aus Schwerin und Neustrelitz zusammen und rückten täglich 60 Kilometer auf Paris vor.
Am 4. August gab die ROSTOCKER ZEITUNG den Fahrplan der Militär-Lokalzüge an Rostock heraus.
Vom 3. bis 6. Mobilmachungstag rollten die Züge täglich im Vier-Stunden-Takt Richtung Wismar und Hagenow. In Bad Doberan hielt der Zug erstmals um 06:03 Uhr und dann alle vier Stunden.
Die Badegäste verließen fluchtartig das Seebad
Mit Einsetzen der Mobilmachung kam der Badebetrieb in Heiligendamm schlagartig zum Erliegen. Die süddeutschen Gäste wollten schnellstens in die Heimat und ihr Hab und Gut in Sicherheit bringen.
Die Gäste verließen fluchtartig die mecklenburgischen Badeorte und da der Zugverkehr durch die Mobilmachung stark eingeschränkt war, kam es zu Überlastungen und langen Wartezeiten.
Verwaltungstechnisch war Doberan während des 1. Weltkrieges de facto ohne Bürgermeister. Die Verwaltung war im Kriegszustand zentralisiert und somit trat Staatsminister von Bülow an die Stelle von Bürgermeister Carl Reeps. Er findet sich deshalb als kommissarischer Bürgermeister in den Büchern der Doberaner Historiker. Möglicherweise handelt es sich um Carl-August von Bülow, der seit 1909 Amtsverwalter in Doberan war.
Das Gymnasium bereitete auf den Kriegsdienst vor
Am Gymnasium hielt der Krieg Einzug in die Lehrpläne und Veranstaltungen. Die Schüler wurden körperlich und geistig für den Kriegsdienst vorbereitet. Am 6. und 7. August legten 10 Oberprimaner die Reifeprüfung vorzeitig ab. Schuldirektor Carl Lüth vermerkte in der Schulchronik:
„Alle traten als Kriegsfreiwillige bezw. Fahnenjunker in das Heer ein.“
Nach jeder Siegesmeldung wurde der Unterricht ausgesetzt und gefeiert. So am 24. August beim Sieg bei Metz.
Die Niederlage an der Marne trat nicht ins Bewusstsein
Bald aber wurden die Siegesmeldungen spärlicher und am 7. September gelang es den Franzosen mit britischer Hilfe, die Deutschen entlang der Marne aufzuhalten. Der Pastor von Parkentin notierte in der Kirchenchronik, dass „die unglückliche Wende, die der Ausgang der Marneschlacht herbeiführte, uns allen damals nicht ins Bewusstsein trat“.
Der Kriegszustand wurde alltäglich
Der Krieg wurde zum Alltag. Die Oberschicht war ohnehin nicht sehr vom Kriegsgeschehen betroffen und machte weiterhin Urlaub in Heiligendamm. Nach der Pleite Walter Johns musste das Konsortium aus den drei Hauptgläubigern, die das Bad aufgekauft hatten, um wenigstens ihre Hypotheken zu retten, weiterhin Geld verdienen. Die Ostseebad GmbH unterhielt den Badebetrieb im kleinen Rahmen weiter.
Die Sportstätten allerdings verfielen mangels ausreichender Pflege zusehends. Heiligendamm war strategisch nicht ganz unwichtig und so erhielt das Seebad wie schon zu Zeiten der Napoleonischen Kriege eine kleine Kriegsbesetzung zur Beobachtung der Aktivitäten auf der Ostsee. Im September wurde eine Matrosenleiche angespült und mit militärischem Ehren bestattet.
Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben
Direktor Carl Lüth trug in die Schulchronik die Namen der Gefallenen ein. Unter ihnen war auch der Kandidat für das höhere Lehramt, Ernst Westendorf, der am 17. November gefallen war. Carl Lüth vermerkte dazu einen Spruch des römischen Dichters Horaz, der sich bald tief ins Bewusstsein der Doberaner einprägen sollte:
„Dulce et decorum est pro patria mori“
Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.
Zum Jahreswechsel meldete sich auch General von Blume angesichts der immer weniger werdenden Siegesfeiern in einem Kommentar zum Jahreswechsel in der MECKLENBURGISCHEN ZEITUNG zu Wort:
„Der Siegeslauf hat Hemmungen erfahren, die Hoffnungen auf nahen Frieden sind unerfüllt geblieben. Neue Einberufungen folgten. Fieberhaft wurde nachgerüstet, auch geistig.“
Derweil verschlechterte sich die Versorgungslage in Mecklenburg und Großherzog Friedrich Franz IV. geriet in Kritik, weil er seinen sehr aufwändigen Lebensstil nicht zu ändern gedachte. Der Regent schätzte die politische und militärische Lage zunächst nicht richtig ein und obwohl er den Rang eines Generals bekleidete, bekam er kein eigenes Kommando.
Das Friedrich-Franz-Gymnasium hingegen hatte 1915 sogar eine eigene Jugendwehr mit 48 Schülern im Alter von 15 Jahren. Hingegen fiel das Pferderennen 1915 erstmals aus.
Im Gymnasium Doberan wurde geistig aufgerüstet
Ein Jahr nach Kriegsbeginn wurde am 25. August 1915 im Friderico Francisceum die Fachkonferenz Geschichtsunterricht veranstaltet. Schon in der Unterstufe lernte man nun die großen Führer und Helden des Krieges kennen und wurde mit den Namen Hindenburgs und des U-Boot-Kapitäns Wedding vertraut gemacht. Die Erdkundelehrer legten am 30. August fest, dass die Schüler außer der klassischen Erdkunde auch die Bedeutung des Geländes für die Art der Kriegsführung vermittelt bekommen sollten. Die Gesamtkonferenz berichtete darüber, wie in den Schulfächern und bei Feiern der Krieg als Lernziel zu vermitteln sei.
Politiker aus dem Wahlkreis Rostock-Doberan spaltete die SPD
Einer der ersten Politiker, die es wagten, gegen den zunehmend als sinnlos betrachteten Krieg zu stimmen, war der SPD-Abgeordnete Joseph Herzfeld aus dem Wahlkreis V – Rostock-Doberan. Er stimmte im Reichstag offen gegen Kriegskredite. Der gebürtige Westfale fügte sich anschließend zunächst dem Willen der Mehrheit der SPD für die Bewilligung der Kriegskredite.
Er beteiligte sich dann aber an der Gründung der USPD durch den linken Flügel der SPD, der sich in der Frage um die Kredite von der Partei abspaltete. Damit war er einer der Mitwirkenden der ersten großen Krise in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
In Rostock erinnert die Joseph-Herzfeld-Straße in der Südstadt an das Wirken des 1939 im Exil in der Schweiz verstorbenen Rechtsanwalts.
Im Steckrübenwinter wurde der Kamp zum Acker
Im Winter 1915/16 herrschte dann auch in Doberan große Not. Auf dem Kamp wurden Kartoffeln und Steckrüben angebaut.
Die Einwohner beschafften sich Holz nicht nur aus den Wäldern, sondern auch von der ungenutzten Rennbahn, deren Tribünen aus Holz waren. Auch die anderen Sportstätten verloren Teile ihrer hölzernen Bauten. Damit die Doberaner nicht erfrieren.
Das Jahr 1916 ist übrigens auch das Todesjahr Gotthilf Ludwig Möckels. Von weltweiter Bedeutung war aber die Skagerrakschlacht vor Jütland, die die Deutschen gegen die Briten für sich entscheiden konnten. Strategisch hatte das keinen Wert, aber es war das benötigte Erfolgserlebnis Deutschlands.
In Doberan fand eine feierliche Nagelung zum Regentengeburtstag statt
Zum Geburtstag des Großherzogs setzten die Doberaner wie es sich gehörte ein Wahrzeichen des Weltkrieges. Am Sonntag, dem 9. April fand eine Feierliche Nagelung des Wahrzeichens des Weltkrieges statt. Die Teilnehmer schlugen Nägel in eine vorgefertigte Schablone, die das Siegel mit dem Eisernen Kreuz zeigte. Man wollte den Gefallenen ein Denkmal und den Überlebenden ein Dankopfer geben und forderte zur Nacheiferung für die kommenden Geschlechter auf, also zum Kämpfen. Die Einladung dazu lautet wie folgt:
Noch nie ward Deutschland überwunden,
– wenn es einig war.
(Sr. Majestät der Kaiser am 6. Aug, 1914)
Wie überall in deutschen Landen rüstet man sich auch in Doberan zur
Nagelung eines Gedenkzeichens
um Erinnerungen an die große Zeit zu schaffen, zugleich aber auch durch Bereitstellung größerer Mittel das Liebeswerk, welches die Not unserer Krieger lindern will, zu fördern.
Die treue Hingabe unserer Krieger in diesem schweren Kampf um das Dasein und die Freiheit des deutschen Volkes verpflichtet die Daheimgebliebenen auf das tiefste.
Dieser Ehrenpflicht gegenüber den Männern, welche in diesem großen Kriege Kraft, Gesundheit, Blut und Leben darangesetzt haben, um die teure Heimat, unser geliebtes deutsches Vaterland zu schützen und zu retten, wollen wir uns zu einem kleinen Anteil entledigen durch die
Nagelung unseres Kriegswahrzeichens
Der tiefen Innerlichkeit des deutschen Wesens entspricht es, daß die Gaben für diese Nagelung angesehen und dargebracht werden
als eine heilige vaterländische Pflicht jedes Einzelnen,
als eine Denkmals-Spende für die Gefallenen und
als ein Dank-Opfer für die Überlebenden.
Möge unser Wahrzeichen das Denkmal einer großen Zeit werden, welches ein großes Geschlecht sand.
Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern
in seiner Not uns trennen und Gefahr
(Schiller)
Die Spenden aus Anlaß der Nagelung sollen der Kriegsfürsorge zugute kommen. Der Ertrag wird je zur Hälfte an die Landesausschüsse für die Kriegsgeschädigten und für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen zu Händen des hiesigen Magistrats abgeführt werden.
Der Verkauf der Nägel erfolgt gegen Gutscheine, welche in hiesigen Geschäften und außerdem durch Sammler von Haus zu Haus demnächst vertrieben werden sollen. Es werden Nägel verkauft zum Preise von 100, 20, 10, 5, 3 und 1 Mark.
Verlauf der Feier am 9. April 1916:
2 1/2 Uhr: Aufstellung des Feldzuges auf dem Markt, Umzug durch die Stadt
3 Uhr: Aufmarsch des Feldzuges vor dem weißen Tempel auf dem Kamp, Festrede und Übergabe des Kriegswahrzeichens. Darauf Nagelung, Eintragung in das Gedenkbuch und Konzert.
Doberan, im März 1916
Magistrat und Bürgerausschuß. Großherzogliches Amt.
Marien-Frauen-Verein
(Druck Carl Boldtsche Hofdruckerei Rostock)
An der Spitze des Springbrunnenplatzes – ungefähr, aber nicht exakt dort, wo heute die Frank-Zappa-Büste steht, wurde vom Militärverein Doberan am 9. April ein Gedenkstein aufgestellt, auf dem stand:
Allezeit treu bereit für des Reiches Herrlichkeit
Für dieses Ereignis wiederum wurden Postkarten gedruckt.
Oktoberrevolution in Russland, Kriegseintritt der USA
Für das Jahr 1917 gibt es in Doberan derzeit nichts zu finden, aber dieses Jahr war von großer Bedeutung weltweit.
In Russland musste die Gattin des Zaren, Alexandra, ihren Mann Nikolaus II. vertreten und war damit überfordert, sodass es zu Versorgungsengpässen bei den Soldaten und zum Zusammenbruch der Front kam.
Auch das Volk war unzufrieden mit der Versorgungslage und so kam es zu Unruhen.
Revolutionäre stürmten den Winterpalast in Sankt Petersburg und zwangen Zar Nikolaus II. zur Abdankung für sich und seinen Sohn Alexej zu Gunsten seines Bruders Michail Romanow. Die Zarenfamilie wurde verhaftet, getrennt, teilweise in die Verbannung geschickt und teilweise unter Arrest gestellt. Letztlich wurden alle Mitglieder der Zarenfamilie auf unterschiedliche Weise ermordet, verscharrt und ausgeraubt.
Russland blieb aber am Krieg beteiligt und so gab es 1917 zwei recht starre Fronten und einen zermürbenden Zweifrontenkrieg, in dem keine Seite sich mehr bewegen konnte. Allerdings trat nun auch die USA in den Krieg ein, weil sie durch den U-Boot-Krieg betroffen war. Die Deutschen hatten versucht, Großbritannien auf dem Seeweg von den USA als Hauptlieferanten abzuschneiden.
Krieg führte indirekt zur Wiedervereinigung Mecklenburgs
Das Jahr 1918 brachte dann die lang ersehnte Wende. Zunächst gab es im Strelitzer Landesteil einen folgenschweren Todesfall. Großherzog Adolf Friedrich VI. wurde am 24. Februar tot im Kammerkanal aufgefunden.
Laut Testament sollte sein Patenkind die Erbfolge antreten und dazu nach Neustrelitz umziehen und eine dynastische Absprache vornehmen. Das aber widersprach den Hausgesetzen Mecklenburgs. Im Falle des Aussterbens der einen Linie hatte er Landesteil an die andere Linie zu fallen.
Also wurde der Schweriner Großherzog Friedrich Franz IV. Verweser des Landesteils Mecklenburg-Strelitz. Er versuchte trotzdem eine dynastische Absprache, aber der unter Umständen erbberechtigte Carl lebte im Exil und durch den Krieg war ein Kontakt zu ihm nicht möglich.
So fiel Mecklenburg-Strelitz an Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg war indirekt durch den 1. Weltkrieg nach 217 Jahren wieder vereint.
Russland war raus, Deutschland verlor die Frühjahrsoffensive
Als nach der Novemberrevolution 1917 die Bolschewiki in Russland an die Macht kamen, schlossen sie einen Separatfrieden ab und Russland schied aus dem 1. Weltkrieg aus. Auch Rumänien verließ den Kriegsschauplatz. Dadurch konnten die Deutschen sich voll auf die Westfront konzentrieren und die Frühjahrsoffensive starten und die Entente-Mächte überrumpeln.
Das Ziel war, Paris einzunehmen und den Ärmelkanal zu besetzen, um Frankreich von Großbritanniens Hilfe abzuschneiden und dann zu erobern. Zwischen Frankreich und Großbritannien kam es zur Krise, aber dann einigte man sich auf Grund der Lage und konnte die deutsche Offensive mit Unterstützung der American Expeditionary Forces und weiteren verbündeten Nationen zum Erlahmen bringen.
Deutschland bat um Waffenstillstand
Mitte Juli 1918 hatte die Entente die Oberhand gewonnen und am 4. August 1918 wurde das Hoflager der Gendarmeriestation in Heiligendamm aufgelöst.
Bisher hatte der deutsche Kaiser die Information, dass Deutschland den Krieg gewinnen könne und er setze er große Hoffnung in die Marine. Die Oberste Heeresleitung widersprach dem erstmals am 29. September 1918 und drängte auf einen Waffenstillstand. Inzwischen waren die Verbündeten zusammengebrochen. Am 4. und 5. Oktober ersuchte der Reichskanzler Max von Baden die Alliierten um einen Waffenstillstand.
Meutereien gegen das letzte Aufgebot
Die Deutsche Regierung wollte einen „ehrenvollen Untergang“ und befahl am 24. Oktober die deutsche Flotte zur bisher vermiedenen und aussichtslosen Entscheidungsschlacht mit der britischen Grand Fleet. Die Matrosen erkannten dies und verweigerten in wachsender Zahl den Befehl.
Aus der Meuterei einiger Schiffsbesatzungen wurde schließlich am 3. November der Kieler Matrosenaufstand. Die Seekriegsleitung gab zwar den Schlachtplan auf, ließ aber auf der Rückfahrt einige hundert Matrosen verhaften und heizte damit die Stimmung in Kiel noch mehr an. Die Kieler Arbeiterschaft schloss sich den Protesten gegen die Inhaftierungen an und schnell wurde das Ganze zu einem allgemeinen Protest gegen die festgefahrenen Strukturen, die Elite und das System.
Vom Kieler Matrosenaufstand zur Novemberrevolution
Der Aufstand konnte nicht mehr unterdrückt werden und Teile des Heeres schlossen sich den Aufständischen an. Aus dem Aufstand wurde eine Revolution, Arbeiter- und Soldatenräte brachten die wichtigsten deutschen Städte unter Kontrolle, entwaffneten Militär und Polizei und forderten nicht weniger, als die Abdankung des Hohenzollernhauses.
Der Kaiser dankte ab und die Republik wurde proklamiert
Während sich die Lage in Kiel am 6. November wieder beruhigte, ergriffen die Sozialisten um Friedrich Ebert und Karl Liebknecht in Berlin die Chance. Am 9. November gab Kaiser Wilhelm II. dem Druck der Revolutionäre nach und dankte ab.
Dann übergab er die Regierungsgeschäfte wie gefordert Friedrich Ebert. Philipp Scheidemann rief vom Balkon des Reichstags die Erste deutsche Republik aus und Karl Liebknecht proklamierte am Stadtschloss die Freie Sozialistische Republik. Am 10. November übernahm der Rat der Volksbeauftragten die Regierungsgeschäfte.
Am 11.11.1918 um 11:11 Uhr schwiegen in ganz Europa die Waffen. Edward Grey sollte nicht Recht behalten und noch fast zwei Jahrzehnte das Licht in Europa wieder leuchten sehen. Sein Satz aber ist zum Synonym für dieses dunkle Kapitel geworden.
Großherzog Friedrich Franz IV. verkannte die Situation
Großherzog Friedrich Franz IV. schätzte die Situation erneut falsch ein. Er war gegen den Waffenstillstand und wollte einen Verständigungsfrieden.
Zusammen mit dem Staatsminister Adolf Langfeld wollte er die Gunst der Stunde durch die Verwesung des Strelitzer Landesteils nutzen, um die mecklenburgische Verfassung zu ändern. Dazu plante er noch für November eine Verkündung aus eigener Hand vor dem Landtag.
Die Konsequenzen aus der Proklamierung der Republik verkannte der Großherzog und wurde völlig überrascht, als die Arbeiter- und Soldatenräte am 8. November in Mecklenburg einzogen.
Selbst als der Kaiser abdankte, kam dem mecklenburgischen Regenten der Thronverzicht noch nicht in den Sinn.
Abdankung vier Tage nach dem Deutschen Kaiser
Erst am 14. November, als die Volksregierung berufen wurde und der Großherzog nun völlig machtlos neben dem neuen System stand, dankte Friedrich Franz IV. ab.
Er war nicht ganz der letzte Regent, der abdankte. Auch sein entfernter Verwandter Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha dankte an diesem Tag ab.
Nach dem mecklenburgischen Fürsten entschieden sich aber noch drei weitere Fürsten als Nachzügler für die Abdiktion: Am 15. November Adolf II. von Schaumburg-Lippe, am 22 November Friedrich II. von Baden und als wirklich letzter deutscher Fürst am 22. November der auch entfernt verwandte Fürst Günther Victor zu Schwarzburg-Rudolstadt und Sondershausen.
Enteignung führte zum Behördenstreit um Heiligendamm
Friedrich Franz IV. glaubte möglicherweise trotzdem nicht an ein Ende, denn er bestimmte Christian Ludwig als seinen Nachfolger und Chef des Hauses, bevor er sich zu seiner Schwester Alexandrine ins Exil nach Dänemark begab. Alexandrine war mit König Christian X. von Dänemark verheiratet.
Im Zuge der Revolution wurden die Fürsten enteignet. Weil Heiligendamm nur zum Teil der Herzogsfamilie gehörte und zum anderen Teil den Anteilseignern der Ostseebad Heiligendamm GmbH und Privatleuten, kam es zu einem Streit der Ämter um die Zuständigkeit für die Verpflegung der Soldaten. Am Ende bekamen alle ihre Besitztümer zurück und die Herzogsfamilie durfte die drei Cottages weiterhin nutzen und bekam im Rahmen der Fürstenabfindung auch das Jagdschloss Gelbensande wieder.
Fremdenverkehr sollte bleiben und neuer Wohnraum entstehen
Ein Herr Stüdemann wurde erster Bürgermeister Doberans in der Weimarer Republik. Der neue Rat befasste sich mit den Problemen der Stadt und kam zu dem Schluss, dass die Fremdenindustrie weitergeführt und nach der Abdankung des Großherzogs auch neu ausgerichtet werden muss.
Zunächst musste aber die durch demografische und soziale Verschiebungen entstandene Wohnungsnot beendet werden, wozu am Parkentiner Weg 49 Grundstücke für die Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern mit Garten verkauft wurden. Auch dieses Wachstum ist also eine Folge des Krieges.
Bilanz nach 1.567 Tagen: Millionen Tote, Verwundete und Vermisste
Im ganzen Reich gedachte man den Gefallenen und Toten des 1. Weltkrieges. In Deutschland waren 2 Millionen der 13,25 Millionen Soldaten im Krieg gefallen, war zahlenmäßig die höchste Opferzahl aller Länder waren. Prozentual aber hatte Rumänien mit 28% die höchsten Verluste in seiner Armee.
Insgesamt kamen fast 10 Millionen Soldaten ums Leben und etwa 20 Millionen wurden verwundet, darunter viele bis zur Vollinvalidität.
Doch es sind ja nicht nur Soldaten gefallen, sondern auch Zivilisten kamen ums Leben. Auf 7 Millionen wird die Zahl der Toten in der Zivilbevölkerung beziffert. Unter ihnen sind auch die bezifferten 424.000 oder nach Vermutungen gar 733.000 Toten, die im „Steckrübenwinter“ 1918 elendig verhungert sind und die Millionen, die an der Spanischen Grippe gestorben sind – in Deutschland sollen es zwischen 209.000 und 300.000 Todesfälle durch die Spanische Grippe gewesen sein.
Der Erste Weltkrieg veränderte die ganze Welt
Die Folgen waren in ganz Europa dramatisch. Viele Familien blieben ohne Haupternährer zurück, die Witwen und Waisen waren auf Schlag arm. Auch politisch veränderte der 1. Weltkrieg die Welt. Die europäischen Staaten hatten 1.016 Milliarden Goldmark direkt für den Krieg ausgegeben, davon 268 Milliarden allein Großbritannien, das nun vom größten Gläubiger zum größten Schuldner wurde.
Die Verlierer mussten an die Siegermächte Reparationen leisten und die Siegermächte wiederum wurden zu Schuldnern bei den USA, die seitdem unangefochten zur Weltmacht aufstieg. Die europäischen Großreiche zerfielen und die Kolonien der Verlierer gingen fast alle an die Siegermächte über, die so noch größer wurden. Kaum war das russische Riesenreich zerfallen, wurde mit der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) ein neuer Riese geschaffen.
Auch der Nahostkonflikt hat seine Wurzeln im 1. Weltkrieg und auch der Krieg in Syrien ist im weiten Sinne ein Produkt des 1. Weltkrieges.
Deutschland fiel in eine noch nie dagewesene Inflation, die die Not noch weiter verstärkte. Viele Banken und Unternehmen gingen bankrott und so war auch das Seebad Heiligendamm zahlungsunfähig geworden.
Doberan trauerte um 214 Tote
In Doberan trauerte man um 214 Todesopfer, davon 111 Schüler und 6 Lehrer des Gymnasiums. Man nahm man das Horaz-Zitat des Direktors des Gymnasiums wieder auf und schuf eine Gedenktafel mit den Worten „Dulce et decorum est pro patria mori“
Im heutigen Kühlungsborn waren es 119 Kriegsopfer und in Neubukow 74.
Der Ostsee-Bote meldete am 18. November:
„Acht Söhne für den Heeresdienst gestellt hat die Witwe Sophie Both zu Roggow bei Neubukow, von denen leider drei gefallen sind. Der Mutter ging jüngst ein Gedenkblatt mit einer Widmung vom Großherzog sowie sein Bildnis zu.“
Die Namen der Toten
175 Namen umfasst die Gedenktafel an die Gefallenen im Doberaner Münster. Ob diese Liste identisch mit der im Backenzahn ist, konnte ich noch nicht klären. Auch, was mit den anderen 39 Toten ist, muss noch geklärt werden. Es liegen zwei Varianten nahe: Entweder korrigierte man die Gesamtzahl nach Fertigstellung der Tafeln durch neue traurige Gewissheiten oder es handelte sich um zivile Opfer, die dementsprechend nicht in einem Kriegerdenkmal auftauchen. Möglicherweise wurden aber auch Angehörige der im Münster begrabenen Adelshäuser in ihren Familiengruften separat geehrt. Sowie ich neue Erkenntnisse habe, erfahren Sie dies.
Hier ist die Liste der Namen von der Gedenktafel im Doberaner Münster:
Heinz Alwardt, Paul Baade, Franz Barner, Wilhlem Barten, Friedrich Beese, Willi Beese, Wilhelm Beese, Erich Behrens, Friedrich Beutenhauer, Karl Blum, Wilhelm Bobsin, Heinrich Boeckmann, G. Borgwardt, H. Buddenhagen, Wilhelm Bull, Wilhelm Brockmann, H.-J. v. Dechend, Herm. Dedow, Willi Dehn, Erich Dehn, Hans Dethloff, Karl Dethloff, Emil Dettmann, Paul Dettmann, Ludwig Diederichs, Wilhelm Ebert, Paul Eberhardt, Otto Elies, Kurt Eggerss, Wilhelm Fahs, Friedrich Fick, Willi Fick, Adolf Flint, August Frahm, Gustav Freundt, Theodor Frenz, Heinrich Franke, Paul Garbe, Alfred Gaster, Hartwig Gratopp, Karl Grewe, Wilhelm Grewe, August Greifhahn, Paul Grüder, Friedrich Wilhelm Haacke, Paul Haacke, Paul Hamann, Otto Hameister, Fr. Hasselfeldt, Hermann Havemann, W. Havemann, H. Havemann, Adolf Hennings, Karl Hennings, Willi Hesfehr, B. Heydenreich, Willi Holst, Hugo Huhsfeld, Christian Iben, Otto Isenberg, Adolf Jahncke, Adolf Jenss, Hermann Johannsen, Bernhard Kallies, Joh. Knüppel, Friedrich Konow, Alfred Kramer, Hans Krempin, Wilhelm Krohn, Richard Kruse, Max Keicheldorf, Ernst Kruth, Alexander Kophamel, Werner Lau, Willi Lange, Adolf Lettow, Hans Lobsin, Ludwig Lobsin, Wilhelm Lembke, Hermann Lorenz, H.-H. v. Lücke, Helm. v. Mallzahn, Heinrich Matthews, Karl Matthews, Paul Metzner, Paul Meyer, Wilhelm Monich, Franz Müller, Hans Ness, Hermann Ness, Louis Niebelschütz, Fr. Niemann, Paul Otum, Walter Otum, G. v. Oldenburg, D. v. Oertzen, G.- U. v. Oertzen, Wilhelm Paetow, Friedrich Pentzien, Otto Pentzin, K. -A. v. Plessen, A. Pollheim, Ludwig Prützing, Hans Ramm, Paul Ramm, Friedrich Rasenack, Gerhard Reeps, Hans Reincke, Otto Rowoldt, Hermann Ross, Ernst Rutz, Johann Sass, Hans Sass, Gustav Schaumann, Hermann Schleede, Wilhelm Schult, Heinrich Schütt, Mart. Schrader, Paul Schiefer, Paul Schröder, Herm. Schlutow, Paul Schlutow, P. Schünemann, R. Schwanbeck, Willi Schwerin, Walter Staffeldt, Franz Strzelecki, Karl Strübing, Hermann Stuhr, Paul Stuhr, Heinrich Stuhr, Georg Störze, Paul Schön, Otto Schön, Hans Schwarck, Friedrich Techel, Albert Tamms, Heinrich Tamms, Ernst Tetzner, Philipp Thiel, Franz Thiel, Ernst Thiessen, Fritz Trete, Franz Thöl, Friedrich Uplegger, Franz Urban, Paul Uteß, Karl Vanheiden, Hans Vick, Paul Vick, Karl Vick, Karl Warning, Hermann Waack, Wilhelm Waack, Gotth. Walter, W. Weißhahn, Ludwig Wendt, Wilhelm Wendt, H. Weinschenk, H. Westendorf, E. Westendorf, O. Westendorf, Hans Wiedow, Max Winter, Paul Wilken, W. Winkelmann, Fr. Wolfsdorff, W. Wolfsdorff, H. Wramp, Har. v. Zawazky, Wilhelm Ziems, Gustav Zierjaks, Hans Rowoldt, Karl Lembke
Doberaner wollten ein sichtbares Denkmal setzen
Die Tafel mit den Namen der Todesopfer ist heute noch im Doberaner Münster zu finden. Doch in Doberan wuchs der Wunsch, nicht nur mit dieser Tafel in der Kirche, sondern öffentlich sichtbar den Toten des 1. Weltkrieges zu gedenken. Dazu sollte ein monumentales Denkmal aus roten Steinen geschaffen werden, das in seiner Form zugleich eine Symbolik erfüllen sollte. Zu dieser Zeit entstand z.B. auch das monumentale Marine-Denkmal in Laboe bei Kiel, das die Form eines riesigen Segels hat.
In Doberan verfolgte man einen anderen Ansatz: Das neue Denkmal sollte die Form eines Zahnes haben – vielleicht des Zahnes, der den Deutschen mit der Niederlage im 1. Weltkrieg gezogen wurde, vielleicht aber auch des Zahnes, der eine große Lücke hinterlässt, wie das Fehlen der Männer, deren Namen auf den Tafeln stehen. Man kann es nur vermuten. Stifter und auch Künstler des Denkmals war Hans Carlson und nur er weiß, warum das Denkmal so aussehen sollte. Leider ist über Carlson nichts überliefert.
Der Entwurf aus Holz war wohl 1925 fertig – zumindest werden Fotos vom Modell des Backenzahns aus dem Archiv Beckmann auf dieses Jahr datiert. Auf Urkunden, die als Spendenquittungen anlässlich der Grundsteinlegung an die Spender herausgegeben wurden, steht das Jahr 1926. Auf ihnen stand zu lesen:
Zur Erinnerung an die, die ihre Treue zum Vaterlande mit dem Tode besiegelt haben. Im Jahre tieffster Erniedrigung Deutschlands und größter wirtschaftlicher Not 1926/27 opferte unser lieber Mitbürger … zur Errichtung des Ehrenmals für die im Weltkriege 1914/18 gefallenen Helden einen Geldbetrag von … RM, was mit tiefem Herzensdank bescheinigt wird.
Diese Zeilen zeigen, wie wichtig den Doberanern dieses Denkmal war, wie sehr sie trotz der Not dieses Denkmal für die Gefallenen und dieses Mahnmal für die Hinterbliebenen setzen wollten.
Dieser Wunsch überlebte auch den Nationalsozialismus, wenngleich mindestens einmal eine Veranstaltung am Backenzahn zum Heldensonntag verboten wurde. Die Nationalsozialisten sahen sich in der Tradition Preußens und das Denkmal an sich störte die Ideologie nicht. Auch das Geschichtsverständnis in der DDR war keine Bedrohung für das Denkmal, passte es doch bestens zum Motto „Nie wieder Krieg“.
Nach der Wiedervereinigung: Vergessen statt Gedenken
Am Ende war es das Vergessen, welches das Denkmal zerstörte. Das neue Deutschland will nicht ideologisch sein, es will sachlich sein und nach vorn schauen. Es ist vorsichtig mit der Vergangenheit und will zeigen, dass es stark, aber nicht gefährlich ist.
Heldenverehrung passt nicht zum vereinten Deutschland und die Erinnerung an den 1. Weltkrieg ist längst verblasst. Keine Witwe lebt mehr, kein Waisenkind erinnert sich noch an seinen Vater, der im Krieg geblieben ist. Der Backenzahn blieb vor den Augen der Doberaner, aber er war nicht mehr in ihren Köpfen.
Erst der Abriss des Ehrenmals sorgte für Aufsehen
Der Backenzahn verfiel. Die Stadt hatte kein Geld, um ihn zu retten. Engagierte Bürger gründeten den Verein „Denkmale Bad Doberan e.V. und sammelten Spenden. Das Landesamt für Denkmalpflege stellte Fördermittel in Aussicht und die Stadt erlaubte dem Verein, die Sanierung zum Erhalt des Denkmals vorzubereiten. Zu dem Zeitpunkt standen noch die Klinkerumfassung und die gemauerte Säule in der Mitte.
Der Zustand war schlecht, aber sanierungsfähig. Aber die Sanierung ließ auf sich warten. Am 22. Dezember 2000 kam der Stadtrat zu dem Schluss, dass eine Gefahr vom Backenzahn ausgehe. Er drohe, einzustürzen und dann würden Teile auf die Bundesstraße gefallen. Ohne große Ankündigung verschwand das Denkmal binnen eines Tages Anfang 2001.
Die Terrakottaplatten wurden eingelagert, alles andere wurde zu Bauschutt. Vereinsmitglieder stellten ein großes weißes Holzkreuz und viele kleine weitere weiße Holzkreuze auf. All das blieb nicht unbeachtet und sorgte für Diskussionen. Der Backenzahn muss wieder her – da war man sich in Bad Doberan einig.
Der Wiederaufbau erfolgte durch engagierte Helfer
Ein Jahr später wurde das charismatische Denkmal dann wiederaufgebaut. Initiatoren waren der Verein Denkmale Bad Doberan und der neu entstandene Freundeskreis Backenzahn. Der Neubau wurde vom Verein „Perspektive 50plus“ realisiert und kostete 252.000 Euro. Das weiße Holzkreuz blieb bestehen.
Der Backenzahn ist jetzt nur noch ein hohler Zahn
Aber seitdem fehlt etwas und das macht das Denkmal zu einem Ort, den Unkundige nicht verstehen können. Die Tafeln mit den Namen der Gefallenen, an die das Denkmal schließlich erinnern soll, sind an einem geheimen Ort eingelagert und warten seit 2002 darauf, wieder angebaut zu werden. Das ist nicht ganz so einfach, denn dazu müssten die „Wurzel“ des „Backenzahns“ neu aufgebaut werden und die Tafeln anders als bisher befestigt werden. Die Tontafeln vertrugen sich nämlich nicht mit dem Beton der Anlage. Dazu aber braucht es einen Beschluss der Stadtvertreter und die haben das Thema längst vergessen.
So gibt es keinen Hinweis auf die Funktion des Denkmals. Ein Unkundiger weiß nicht, welchen Zweck das Denkmal hat, geschweige denn, dass es überhaupt eines ist. Er sieht nur eine quadratische Halle mit einem grauen Betonfußboden und graffitibeschmierten Wänden mitten im Wald, durch den nur Trampelpfade zu diesem Monument führen, an dem es keine Bänke, kein Licht und nicht einmal eine gepflegte Grünfläche gibt. Hoch oben und für alle sichtbar ist das Denkmal vor den Augen, aber aus dem Sinn.
Hundert Jahre nach dem Ende des 1. Weltkrieges ist das Mahnmal eine leere Hülle und manifestiert damit genau das, was wir heute tun:
Nicht wissen. Nicht erinnern. Nicht denken. Nicht lernen. Und all das auch nicht wollen.