Nachrichten

Kündigung der Verträge für Heiligendamm: Eine Stadt ruiniert sich selbst.

Die Stadtvertretung hat den Bürgermeister in der gestrigen Sitzung (27.01.2014) beauftragt, Rechtsgutachten einzuholen und Wege auszuloten, wie die Stadt den Grundlagenvertrag mit Heiligendamm-Investor Anno August Jagdfeld und seinen Unternehmen kündigen kann.

Was simpel klingt, dürfte die Stadt ruinieren: Jagdfeld ist dem Rathaus längst voraus und hat bereits deren Absichten einer rechtlichen Einschätzung unterziehen lassen. Das Ergebnis: Die Stadt müsste für die Kündigung teuer bezahlen. Und das nicht nur mit Geld. Hier ein paar Zitate aus dem Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Christian Hamann von der Kanzlei Gleiss Lutz aus Berlin an die ECH I GmbH & Co. KG, die dieses Schreiben auch den Stadtvertretern sandte, nachdem Bürgermeister Thorsten Semrau eine Verteilung verweigerte.

 

Stadt irrt in vielen Punkten.

Der Rechtsanwalt der ECH weist darauf hin, dass schon viele Sachverhaltsannahmen falsch sind und es rechtliche Fehleinschätzungen seitens des von der Stadt beauftragten Rostocker Kollegen Dr. Beutin (von der Kanzlei Klopsch, Rostock) gibt.Dr. Hamann:

 

Die von Herrn Beutin angenommene Störung der Geschäftsgrundlage ($ 60 VwVfG, $ 313 BGB) liegt nicht vor. Daher ist die Stadt auch nicht berechtigt, vom Grundlagenvertrag zurückzutreten oder weitreichende Änderungen des Vertrages zu verlangen.

 

Fakt 1: Wirtschaftliches Gesamtkonzept hat sich nicht geändert.

Dr. Beutin erklärt für die Stadt, dass das wirtschaftliche Gesamtkonzept für Heiligendamm sich seit Abschluss des Grundlagenvertrages wesentlich geändert habe, weil die ECH zwischenzeitlich das Eigentum am Grand Hotel verloren habe. Hier zeigt sich, dass die Stadt das Konzept Jagdfelds gar nicht verstanden hat und auch ihr Anwalt Probleme mit dem Verstehen von Fondsgeschäften hat.Dr. Hamann erklärt:

 

Offenbar war Herrn Dr. Beutin nicht bekannt, dass das Hotelgelände
bereits seit dem 30.03.2000 nicht mehr im Eigentum der ECH steht.
Dies war bei Abschluss des Grundlagenvertrages im Jahr 2007 allen Parteien bewusst.
Die zwischenzeitlich eingetretene Insolvenz der damaligen Eigentümergesellschaft des Hotels

und der Übergang auf einen neuen Käufer haben die Situation für die ECH weder rechtlich noch tatsächlich wesentlich verändert.Soweit für einzelne Entwicklungsmaßnahmen in Heiligendamm eine Einbeziehung des Hotels erforderlich ist, muss sich die ECH wie bisher um entsprechende Vereinbarungen bemühen.Davon abgesehen werden die ECH und ihr Konzept für Heiligendamm
von dem Eigentümerwechsel im Hotel nicht berührt.

Einfach gesagt: Es gab schon seit dem Jahr 2000 zwei Akteure (1. Fonds-KG mit den 1900 Anlegern des Grand Hotels und 2. die ECH) innerhalb des einen großen Konzepts und daran hat sich durch den Verkauf des Grand Hotels nichts geändert. Solange sich Grand Hotel und ECH einig werden, hat sich an den Umständen nichts verändert und damit auch nichts an der Vertragsgrundlage. Würde man nun auf die Idee kommen, deswegen Morzynski und Jagdfeld gegeneinander auszuspielen, wäre das das Ende Heiligendamms und damit auch der endgültige Niedergang Bad Doberans.

 

Fakt 2: Jagdfeld hat Pläne nicht aufgegeben.

Bürgermeister Thorsten Semrau erzählte (auch mir gegenüber, Anm. Martin Dostal), dass die Vertreter der ECH in einem Gespräch im Rathaus erklärt hätten, ihre Pläne für einzelne Vorhaben aufgegeben zu haben. Die ECH-Vertreter bestreiten dies, sodass Semrau sich inzwischen auf ein Protokoll des Gesprächs vom 23.09.2013 bezieht, in dem die ECH mit der Aussage zitiert wird, eine Realisierung des Thalassozentrums sei nicht mehr geplant. Pikant: Das Gesprächsprotokoll wurde von der ECH gar nicht autorisiert und sie bestreitet, diese Aussage gemacht zu haben. Abgesehen davon gehören solche Details eines persönlichen Gespräches nicht durch den Bürgermeister an die Öffentlichkeit und Presse getragen. Das schreckt jeden Investor ab.Dr. Hamann zu dem Sachverhalt:

 

Möglicherweise war Herrn Dr. Beutin nicht bekannt, dass die ECH gegenüber dem Bürgermeister mehrfach klargestellt hat, dass diese Aussage in dem Gespräch so nicht gefallen ist und inhaltlich jeder Grundlage entbehrt. ECH hat das Gesprächsprotokoll nicht autorisiert. Es ist daher nicht geeignet, die Schlussfolgerungen von Herrn Dr. Beutin zu stützen.

 

 

Fakt 3: Nicht die ECH bestimmt die Sanierungsreihenfolge.

Immer wieder fordern Stadtvertreter und Stadtverwaltung die Sanierung von Gebäuden außerhalb der Perlenkette und verweisen auf ein so genanntes „Baurecht“ der ECH. Juristisch gibt es kein „Baurecht“, sondern nur eine „Baugenehmigung“ und diese gilt für mehrere Jahre und kann verlängert werden, wenn nicht gravierend etwas dagegen spricht. Im Falle der Perlenkette musste am 05.12.2013 ein Gericht entscheiden, dass die Baugenehmigung zu verlängern ist.

Die ECH wird nicht müde, auf eine festgelegte Reihenfolge der Sanierung zu verweisen und auch auf ZAM ist ausführlich erklärt, warum zuerst das Grand Hotel, dann die Perlenkette und dann die anderen Bauten zu sanieren sind. Weder der Bürgermeister, noch der Bauamtsleiter wollen etwas von dieser Reihenfolge wissen und die Stadtvertreter folgen je nach Intention der einen oder anderen Version, ohne den Grundlagenvertrag zu verstehen. 
Dr. Hamann erklärt:

 

Der Grundlagenvertrag sieht eine „schrittweise Realisierung (der) Vorhaben (…)
in einer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechenden Zeitfolge“ (§ 6 Abs. 1 Satz 1)
und nach Maßgabe gesonderter städtebaulicher Verträge (§ 1 Abs. 1) vor.
 Der Grundlagenvertrag enthält also gerade keine festen zeitlichen Vorgaben für die Realisierung der Vorhaben in Heiligendamm, von denen die ECH einseitig abweichen könnte. Dieser Verzicht auf feste Umsetzungsfristen war eine bewusste Entscheidung der Vertragsparteien, denen klar war, dass sich Heiligendamm nur schrittweise in dem Sinne entwickeln lassen würde, dass die verschiedenen Investitionsvorhaben zeitlich nacheinander angegangen werden, wobei jedes neue Vorhaben den wirtschaftlich erfolgreichen Abschluss des vorherigen Projekts voraussetzt. Der erste dieser Schritte war der Wiederaufbau des Grand Hotels. Der zweite Schritt ist die Wiedererrichtung bzw. Sanierung der historischen Strandvillen. Aus den Erlösen dieser Maßnahmen werden dann im dritten Schritt die weiteren Vorhaben im Plangebiet I (u.a. das Ensemble-Palais) finanziert.Dieser Mechanismus des Ineinandergreifens der einzelnen Investitionsvorhaben in Heiligendamm wird beispielhaft u.a. in der Begründung des Bebauungsplans Nr. 25 erläutert, worauf zuletzt das Verwaltungsgericht Schwerin in der mündlichen Verhandlung am 5.Dezember 2013 hingewiesen hat. Er ist entscheidend für das Verständnis des Grundlagenvertrages.

 

 

Fakt 4: Stadt hat Sanierung verhindert und damit für Stillstand gesorgt.

Aufbauend auf Fakt 3 gibt es eine wichtige Aussage des Rechtsanwalts zur Sanierungsreihenfolge:

 

An der Sanierung der Strandvillen als Voraussetzung für die weiteren Investitionsvorhaben 
in Heiligendamm ist die ECH in den vergangenen Jahren de facto durchgehend gehindert gewesen.
Zunächst dauerte es bis ins Jahr 2010, bis die Stadt
die erforderliche Änderung des Bebauungsplans Nr. 25 in Kraft setzte. 
Anschließend blockierte die Stadt durch die rechtswidrige Verweigerung der Bestätigung
ihres Vorkaufsrechtsverzichts fast zwei Jahre lang die Übertragung der Strandvillen auf die
für die Realisierung der Maßnahmen gegründete Projektgesellschaft. 
Schließlich wird der ECH seit mehr als einem Jahr und bis heute (Anm. ZAM: Das Urteil vom 05.12.2013 ist noch nicht umgesetzt worden) die Verlängerung der Baugenehmigungen für die Strandvillen verweigert. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, die ECH habe sich einseitig von den zeitlichen Festlegungen des Grundlagenvertrages gelöst.

 

 

Fakt 5: Stadt ignoriert erbrachte Leistungen der ECH.

Einmal abgesehen von der Kritik an Details zur Sanierung, die das sprichwörtliche Haar in der Suppe sucht und dabei die Tatsache übersieht, dass ohne Sanierung nichts saniert wäre, ignorieren viele der Kritiker des Vorhabens Jagdfelds das Erreichte. Auch Rechtsanwalt Dr. Beutin verliert offenbar kein Wort über die sechs sanierten Häuser des Grand Hotels, die sanierte Villa „Großfürstin Marie – Perle“, das sanierte „Marien-Cottage“, die Neubauten für das Hotel und damit die Wiedererschaffung des Grand Hotels. Die detaillierten Ausführungen Dr. Hamanns lassen zumindest darauf schließen:

 

Die Stellungnahme von Herrn Dr. Beutin beruht auch insofern auf einem unvollständigen bzw. verzerrten Sachverhalt, als sie mit keinem Wort die Leistungen erwähnt, die die ECH zur Erfüllung des Grundlagenvertrages bereits erbracht hat. Zu nennen sind insoweit u.a. die vollständige Wiedererrichtung des Grand Hotels, der Beginn der Sanierung der Strandvillen (Haus Perle), die Sanierung des Hauses Marie, die Herrichtung des Kurwaldes, die Herrichtung des Hotelparks, der Bau des Steges über die Stein-Packungen sowie die hohen Zahlungen, die ECH an die Stadt geleistet hat, um die Wahrung des Status ,,Seeheilbad“ für Heiligendamm zu unterstützen. Die Stadt hat im Gegenzug bis auf die Herstellung des Liegnitzsteges 
(wobei auch hierfür die ECH den nicht förderfähigen Aufwand der Stadt übernommen hat)
keine ihrer vertraglich übernommenen Pflichten (z.B. Herstellung der Kinderstrandstraße, Errichtung von Parkplätzen am Heizkraftwerk und Anbindung an Kinderstrandstraße, Herstellung eines Rad-/Wanderweges Kinderstrandstraße) erfüllt.
Da Herr Dr. Beutin diese Tatsachen nicht berücksichtigt, beruht seine rechtliche Würdigung
auf einem unvollständigen Sachverhalt und ist daher in ihren Ergebnissen nicht haltbar.

 Der Anwalt macht deutlich, dass die Stadt ihren Verpflichtungen aus dem Grundlagenvertrag zu keiner Zeit in einem nennenswerten Maß nachgekommen ist. Die Partner wollten zusammen ein exklusives Seeheilbad entwickeln, tatsächlich hat die Stadt nichts entwickelt und die ECH alles allein machen oder die Kosten übernehmen lassen.

 

Fazit: Die Stadt irrt, ignoriert Fakten und riskiert eine Schadenersatzklage.

Für beide Parteien ist es natürlich interessant, was eine Beendigung des Vertrages für sie bedeuten würde. Nach meinen Informationen hat Dr. Beutin den Stadtvertretern bereits klar gemacht dass die Stadt viele teure Nachteile aus einer Kündigung des Vertrages hatte. Das Millionengrab auf dem Kammerhof sollte die Stadtverwaltung und Stadtvertreter bereits dafür sensibilisiert haben, dass in Heiligendamm das nächste Millionengrab ausgehoben ist. Trotz Warnung (ZAM vom 17.01.2014, Stadtanzeiger vom 26.01.2014) entschieden sie sich für eine Prüfung der Rücktrittsmöglichkeiten.

Natürlich wollte auch die ECH wissen, welche Folgen eine Kündigung hätte. Schon unabhängige Juristen sprachen von „der Chance auf einen goldenen Handschlag für Jagdfeld“, warnten aber vor den Folgen nicht nur für die Stadtkkasse, sondern auch für das Ansehen der Stadt (die nach der nächsten Pleite übrigens vom Innenministerium zwangsverwaltet würde).  

Rechtsanwalt Dr. Hamann fasst seine Einschätzung in einem kurzen Absatz zusammen, der für sich sprechend diesen Artikel beenden soll:

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es entgegen der Einschätzung von Herrn Dr. Beutin nicht zu einer wesentlichen Änderung der Gesamtumstände gekommen ist, die nach $ 60 VwVfG eine Anpassung des Grundlagenvertrages erforderlich machen oder gar die Stadt zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde. Die möglichen Folgen einer Beendigung des Grundlagenvertrages müssen daher meines Erachtens nicht vertieft geprüft werden (interessanterweise verzichtet auch Herr Dr. Beutin auf eine solche Prüfung). Allerdings dürfte klar sein, dass ein Rücktritt vom Grundlagenvertrag
der Stadt keine wirtschaftlichen Vorteile bringen würde.
Da die Stadt auf der Grundlage des Vertrages keine Leistungen an die ECH erbracht hat und ihr auch sonst kein erkennbarer Vermögensschaden entstanden ist, sind Ersatzansprüche der Stadt ausgeschlossen.  Umgekehrt ist es sehr wahrscheinlich, dass die ECH im Falle der Rückabwicklung des Grundlagenvertrages die von ihr erbrachten (Bau-)Leistungen und Zahlungen von der Stadt zurück- bzw. ersetzt verlangen könnte ($$ 60, 62 VwVfG, 346 BGB).

Kommentare sind geschlossen.