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Heiligendamm: Seltene Einblicke zum Tag des offenen Denkmals

Seit Jahren ist Heiligendamm ein beliebtes Ziel für Interessierte, die am Tag des offenen Denkmals die Denkmäler im Land erkunden. Bisher bot das Grand Hotel Heiligendamm an diesem Tag mitunter auch zusammen mit der EntwicklungsCompagnie Heiligendamm Vorträge und Führungen an, die sehr gut angenommen wurden. In diesem Jahr konnte das geschichtsträchtige Hotel nicht mitmachen, weil eine große Gesellschaft gebucht hatte. Also entschied sich die EntwicklungsCompagnie Heiligendamm recht kurzfristig, am Denkmaltag die Tore zur Perlenkette zu öffnen.

 

Einlass nur mit Anmeldung

Führung in der Professor-Vogel-Straße

Da die ganze Villenreihe eine Baustelle ist, konnte man nicht einfach die Menschen dort laufen lassen. Also entschied man sich für einen Vortrag mit anschließenden Führungen in zwei Gruppen. Trotzdem muss für solch eine Veranstaltung eine Versicherung abgeschlossen werden und das bedingt, dass man eine feste Teilnehmerzahl hat. Auch die Witterung gilt es zu bedenken und darum mussten auf dieser Baustelle passende Räume gefunden werden.

In Villa „Seestern“ gibt es im Erdgeschoss einen noch nicht vollständig zugeschnittenen Raum, in den 100 Stühle in drei Raumteilen dicht an dicht gestellt passen und man die Präsentation auf drei Bildschirmen realisieren kann. Die Größe dieses Raumes war dann auch die Vorgabe für die Größe der Gruppe: 100 Menschen konnten pro Vortrag und Führung teilnehmen – die ersten 100 um 11 Uhr und die zweiten 100 um 14 Uhr. Mehr Termine ließen sich personell nicht realisieren. Schließlich mussten Leute die Vorträge und Führungen machen, die sich sehr gut mit allen Details auskennen und die Fragen beantworten können. Die 200 Plätze waren sehr begehrt und schon nach wenigen Wochen vergeben.

 

Infostand für Unangemeldete

Infostand am Pförtnerhäuschen

Die Medien hatten zwar Kenntnis, dass man nur mit Anmeldung teilnehmen kann, aber sie wussten offenbar nicht, dass keine Plätze mehr frei sind. So kamen etwa 100 Leute im Glauben, sie könnten sich jetzt anmelden und noch teilnehmen. Ermuntert wurden sie auch durch Werbung am selben Tag zum Beispiel im Radio. Zwar konnten sie nicht an den Vorträgen und Führungen teilnehmen, aber der Autor dieser Seite stand auf Bitte der ECH vor dem Tor mit einem Ausdruck derselben Präsentation, jede Menge eigener Fotos und Flyern und Broschüren und dem Programm der anderen Anbieter bereit. Die allermeisten Besucher nahmen das Angebot dankend an, nur ein kleiner Teil diskutierte beim Einlass mit dem Personal. 

 

Infos für Sie

Präsentation in der Villa „Seestern“ (Personen geschwärzt)

Für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es nun ein paar Bilder und Informationen von der Führung. Zuerst der große Trost: Es ging NICHT in die Villa „Möwe“ hinein, weil die Innenarbeiten das nicht zulassen. Vorn sind die Gerüste zwar schon gefallen, hinten stehen sie noch. Was die Gäste von innen gesehen haben, ist der große dreigeteilte und windig-kühle Raum der Villa „Seestern“, in dem sie saßen und auf die Präsentation oder durch die zugigen Fensterhöhlen hinaus schauten.

Führung vor der Perlenkette

Alles andere spielte sich draußen ab: Ein zeitlich langer Rundgang von der Villa „Möwe“ zur Villa „Schwan“ und wieder zurück. Der Rest der Perlenkette ist zu sehr Baustelle, um dort Leute lang laufen zu lassen. Die schon bewohnten Villen „Greif“ und „Großfürstin Marie-Perle“ waren an diesem Tag vom Rest der Perlenkette abgetrennt, um die Bewohner nicht zu stören.

Villa „Seestern“ (Personen geschwärzt)

Die beiden Gruppen wurden abwechselnd von den beiden leitenden Architekten und dem für die Geschichtsforschung zuständigen Berater Jagdfelds geführt. Es gab Erläuterungen und jede Menge Antworten auf die Fragen.

Hier eine kurze Zusammenfassung:

Die Weiße Stadt am Meer ist ein Gesamtkunstwerk, das sieben aufeinanderfolgende Stilepochen vereint. Das erste Badehaus entstand im Stil des Barock, das Kurhaus folgte zwei Jahrzehnte später als übrigens einziges Bauwerk im Stil des Klassizismus in Heiligendamm und darauf wiederum folgte mit großem Abstand die Burg „Hohenzollern“ im Tudorstil, auf deutsch auch „Romantik“. Anschließend wurde die „Perlenkette“ gebaut, deren Villen zwar alle eine ähnliche Kubatur, aber verschiedenes Aussehen haben. Nach den Vorgaben des Großherzogs haben alle Wohnungen Seeblick und Balkone oder Terrassen. Der Regent folgte damit dem Trend der Gäste, am Meer zu wohnen.Einem Trend, den 1792 schon Georg Christoph Lichtenberg erkannte, der daraufhin die Frage stellte: „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?“. Professor Samuel Gottlieb Vogel las das Essay und schlug seinem Dienstherrn Herzog Friedrich Franz I. die Anlegung eines Seebades am Heiligen Damm vor. Der Regent nahm im Juli 1793 ein Bad in der Ostsee, beschloss die Gründung des ersten deutschen Seebades und schrieb damit Geschichte.

Perlenkette der Weißen Stadt am Meer

Die Perlenkette ist eine Blaupause für die Bäderarchitektur. Sie wurde in Heiligendamm geboren. Seit der Fertigstellung der Perlenkette gilt Heiligendamm als die Weiße Stadt am Meer und ist einer von nur vier in Deutschland realisierten „Zaubergärten“.  Das war nur möglich, weil hier zur zeit der Gründung nichts bebaut war. Doberan liegt 6 Kilometer entfernt und der dunkle Wald zieht sich wie ein grünes Band bis an die Küste der Ostsee. Am Ende dieses grünen Bandes in einer schmalen Lichtung direkt am Strand stehen weiße Villen vor dunklem Buchenwald inmitten einer endlosen Landschaft von Wiesen und Feldern. Das ist das Arkadien an der Ostsee. Das Wasser mit seinen Reflektionen schafft eine besondere Stimmung und zur Sommersonnenwende wird die Weiße Stadt am Meer in gold getaucht. 

Vorbild für Villa „Hirsch“ aus den Quattro libri del la architettura (Bild gemeinfrei)

Ein Hauch Italien liegt über Heiligendamm und der Betrachter vermag das gar nicht in Worte zu fassen. Dabei gibt es eine simple Erklärung für diese goldrichtige Empfindung: Alles, was in Heiligendamm gebaut wurde und übrigens auch alles, was noch geplant ist, spricht die Formsprache von Andrea Palladio, der mit seinen Quattro libri del la Architetture weit vor uns in der Zeit der Römer die Grundlage für die Architektur festschrieb: Wenn Sicherheit, Nutzen und Schönheit im Einklang sind, dann spricht man vom idealen Haus. In der Weißen Stadt am Meer orientierten sich alle Architekten über Generationen hinweg an Palladio und darum scheint es, als hätten sie sich abgesprochen und darum liegt was südliches in der Ostseeluft. Abgesehen davon, dass das „Medinis“ im Haus „Bischofsstab“ tatsächlich italienische Düfte von Pizza, Pasta, Rucola und Oliven verströmt. 

Perlenkette vor der Sanierung (2004)

Die Villen wurden zu DDR-Zeiten mit den Möglichkeiten erhalten, die man hatte. Ein Teil des Zierrats ist schon in den beiden Weltkriegen verloren gegangen oder wurde geschleift, weil der Erhalt zu teuer war. Zum Anfang hatte die DDR Millionen in den Wiederaufbau des Ensembles gesteckt, die aber nicht ausreichten, um den Zierrat zu erhalten.

Villa „Schwan“ vor der Sanierung

Nicht erwähnt wurde, dass auch ideologische Gründe zu Verfremdungen führten: Die DDR verehrte den großen Klassiker Goethe und gab dem Klassizismus mehr Gewicht, als der Romantik oder dem Historismus. Letztlich verschwanden viele der Sprossenfenster, der filigranen Balkone und schließlich auch Türme.

Einblick in Villa „Schwan“

Andererseits schuf man neuen Raum, indem man offene Loggien schloss, offene Veranden verglaste oder auch völlig neue Gauben aufsetzte. Nach der Sanierung erstrahlen alle Villen wieder in dem alten Glanz, den sie auf alten Postkarten und Fotos hatten. Denn daran orientieren sich die heutigen Architekten.

Unterkellerung der Villa „Möwe“ (Foto der ECH)

Trotzdem müssen die Villen auch mit in die Zukunft genommen werden. Sie müssen DIN-Normen erfüllen, was besonders bei der Deckenhöhe bedeutet, dass das Dachgeschoss eine Mindesthöhe haben muss, die es damals nicht gab. Zusätzlich muss die dicke Dämmung noch Platz finden.

Neue Nutzung des Dachgeschosses der Villa „Greif“

Das Dachgeschoss nicht auszubauen, wäre wirtschaftlich unsinnig, denn dort finden auch immer noch eine große oder zwei kleine Wohnungen Platz. Das wiederum bedeutet, dass es über den bisherigen Balkonen auch noch einen Balkon geben muss, der aber nicht zu sehen ist. Das realisiert man mit Glaswänden. Man braucht auch eine Tür zum Balkon, muss also mitunter Gauben bauen, wo vorher keine waren. Das tut dem Aussehen letztlich keinen Abbruch. 

Luftbild von der Sanierung der Villa „Möwe“

Die Erwerber wollen auch Kellerräume, denn die Waschmaschine im Bad ist bei dieser Klientel out. Außerdem sind die Bäder nicht riesig, weil man lieber großzügige Wohnräume haben möchte. Also bekommen die einstigen Sommerhäuser nachträglich Keller. Man unterbaut die Häuser mit einem Gerüst, ertüchtigt die Wände, die ohnehin nicht für den Winter gebaut sind und darum auf den neuesten Stand gebracht werden müssen und dann gießt man eine Bodenplatte und Kellerwände und schließt wieder an das bestehende Fundament an. Selbsterklärend, dass solch enormer Aufwand viel Geld kostet, das nur durch hohe Verkaufspreise wieder rein kommt.

Aktuelles Bild der Villa „Möwe“

Die Preise orientieren sich an dem, was man haben möchte. Man kauft seine Wohnung auf dem Papier als Planzeichnung und wenn eine bestimmte Menge an Wohnungen vergeben ist, wird saniert. Die Erwerber können dadurch von der Denkmal-AfA profitieren, also die Sanierung des Denkmals abschreiben. Sie können auch ganz genau die Einrichtung bestimmen. Anno August Jagdfelds Frau Anne Maria ist renommierte Designerin und Innenarchitektin, hat auch das Grand Hotel und das Adlon in Berlin ausgestattet und berät im Showroom die Erwerber direkt an den Mustern.

Visualisierung der Villa „Seestern“ (C) ECH

Zu haben ist derzeit nur noch eine Wohnung im Dachgeschoss der Villa „Seestern“. Mit 185,6 qm ist sie derzeit die größte Wohnung in den bisher sanierten Villen und mit 3.080.960 Euro die teuerste. Außerdem sind in der Villa „Möwe“ noch zwei Studios mit 43,9 qm für 285.617 Euro und mit 43,7 qm für 283.725 Euro zu haben.

Visualisierung der Villa „Schwan“ (C) ECH

Für weitere Villen erfolgt die Vermarktung nacheinander. Das wären dann die schon begonnene Villa „Schwan“ und die beiden noch nicht begonnenen Villen „Hirsch“ und „Anker“. 

Visualisierung der Kolonnaden (C) ECH

Auch in den Kolonnaden, in dem sich einst das Schwanencafé befand, entstehen Wohnungen im Chalet-Stil mit Gärten nach Süden und Seeblick nach Norden. Das Palais der Prinzessin von Reuß am Ende der Perlenkette beherbergt derzeit Mitarbeiter, wurde schon vor dem Kauf durch Jagdfeld saniert und wird nach einer neuen Sanierung auch einmal Wohnungen zum Kauf beinhalten. Außerdem sollen noch zwei neue Bauten zwischen ihn und den Kolonnaden entstehen. Mehr dazu unter „Vision Heiligendamm„.

Einrichtungsbeispiel in Villa „Großfürstin Marie – Perle“ (C) ECH/AMJ

Wer kauft nun diese Wohnungen zu fast 20.000 Euro pro Quadratmeter? Es handelt sich um Unternehmer und Freiberufler aus verschiedenen Branchen, die genau das suchen, wofür Arkadien steht: Ruhe, Geborgenheit und Frieden. Sie arbeiten viel, tragen viel Verantwortung, verdienen dementsprechend auch viel Geld, haben aber wenig Freizeit und diese verbringen sie dort, wo es schön ist. In der Weißen Stadt am Meer bleiben sie unerkannt, wenn sie am Strand spazieren gehen und keiner interessiert sich für sie, wenn sie in der Ostsee baden gehen. Wer sehen und gesehen werden will, kauft sein Sommerhaus auf Sylt – wer Ruhe liebt, geht nach Heiligendamm.

Bett mit Seeblick in der Ferienwohnung in der Villa „Greif“

Außerdem sind diese Menschen schlau: Sie kaufen nicht nur eine Wohnung an der Ostsee und auch nicht nur eine Wohnung in Heiligendamm, sondern sie kaufen eine von ganz wenigen Wohnungen in einer einmaligen historischen Villa. So etwas, wie Heiligendamm gibt es kein zweites Mal auf der Welt und wenn die Wohnungen weg sind, dann sind sie weg. Was immer dann entstehen kann, ist zweite, dritte oder vierte Reihe und hat keine zweihundertjährige Geschichte. Die Leute kaufen etwas, das einmalig ist und das ist letztlich wertvoller, als das Geld, das es kostet. Die Kinder werden es ihnen danken. Schon jetzt sind die zuerst sanierten Wohnungen tausende Euro mehr Wert, als die Erwerber bezahlt haben.  

Modell vom Ensemble Palais (links) und der Villa „Klingler“ (rechts)

Aber die Erwerber von heute kaufen mitten drin in der Wiederauferstehung einer Legende. Heiligendamm kann kein kleines Privatbad bleiben. Es gibt keinen Großherzog mehr, Heiligendamm dient nicht mehr der Sommerfrische des Hochadels. Heute kommen Familien mit Kindern und die brauchen neben der Ruhe und Abgeschiedenheit auch Angebote.

Modell vom Demmler-Park an der Kühlungsborner Straße

Wenn man sonntags erst 6 Kilometer zum Brötchen holen fahren muss, ist das alles andere, als entspannt. Darum werden in den nächsten 10 Jahren auch neue Bauwerke entstehen, wie der Demmler-Park mit Apartments und jeder Menge Gewerbeflächen, in denen sich Geschäfte, Boutiquen, Dienstleister und all das ansiedeln können, was ein Seebad braucht – und das am Ende auch dem Urlauber im Linden-Palais oder bei den Privatvermietern, dem Tagesgast und dem Einheimischen nützt. 

Modell vom Thalassozentrum (vorn) und Ayurvedazentrum (hinten)

Und dann lassen sich auch solche Dinge realisieren, wie ein Thalassozentrum, ein Ayurvedatempel, ein Konferenzzentrum, eine Gastwirtschaft nach dem Vorbild von Siska Marie und all das, was schon 2004 in einem Masterplan vorgestellt wurde, aber über ein Jahrzehnt lang nicht umgesetzt werden konnte, weil der Investor von der Politik im Streit um die Wege in Heiligendamm immer wieder behindert wurde. Die kleine Öffnung heute ist auch ein Zeichen an die Menschen, dass man die Leute mitnehmen möchte.

Und die vielen Menschen vor dem Tor zeigen, dass das Interesse groß ist. Das Feedback sowohl derer, die drinnen die Präsentation sehen konnten als auch derer, die draußen mit den Fotos Vorlieb nehmen mussten, war durchweg gut. Und gute Stimmung braucht Heiligendamm.

 

Mehr Infos zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft finden Sie unter: 

Blick in die Zukunft: So ist Heiligendamm und so soll es werden.

Einblicke in eine Villa bekommen Sie unter:

Selbst getestet: Urlaubsbericht live aus der Villa „Greif“

Die Termine der Führungen durch Heiligendamm mit dem Autor gibt es hier:

 Heiligendamm-Führungen mit dem Autor

 

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