NDR-Landparte in Heiligendamm und auf Wustrow
Heike Götz radelt, was die Beine hergeben. Diesmal war sie wieder einmal in Heiligendamm. Anders als sonst, ging es diesmal nicht um das Grand Hotel Heiligendamm oder die Sanierung der Villen der „Residenzen Heiligendamm“ und auch die Geschichte kam nur am Rande vor.
Stattdessen durfte der Zuschauer dem Sternekoch Alexander Ramm vom Jagdhaus Heiligendamm bei der Zubereitung eines Wildschweinfilets im Speckmantel mit Reibekartoffeln zuschauen. Strand, Landschaft, Schönheit und Meer gab es natürlich trotzdem zu sehen.
Letzte Station: Die Halbinsel Wustrow
Etwas aufregender war die letzte Station. Heike Götz radelte durch Rerik und traf sich am Zaun, der die Halbinsel Wustrow vom Wustrower Hals trennt, mit Anno August Jagdfeld. Mit dem Rad ging es über die „verbotene Halbinsel“ und ihr Eigentümer Jagdfeld erzählt von der Geschichte Wustrows im Dritten Reich. Heike Götz ist kurz nicht im Bilde und denkt, er würde aus der DDR-Zeit erzählen.
Wie gleich und gleich doch die Geschichte der Halbinsel Wustrow in der Zeit der Nationalsozialisten und in der DDR war, als die Westgruppe der Roten Arme (GSSD) auf Wustrow stationiert und die Garnisonsstadt hermetisch abgeriegelt war. Bis vor Kurzem war gleich und gleich noch allgegenwärtig – inzwischen gibt es Führungen nach Wustrow-West und Kutschfahrten auf die Halbinsel.
Die Planungen endeten vor 16 Jahren im Streit
Am Strand von Wustrow erzählt Jagdfeld von der Munitionsbelastung und, dass man da niemanden baden lassen kann. Jüngste Munitionsfunde bestätigen ihn und auch so zollt Heike Götz ihrem Gastgeber Verständnis. Bei den Einheimischen hat es der Immobilienentwickler nicht so leicht. Zuerst scheiterte die Zusammenarbeit mit der Stadt 2003 daran, dass man sich nicht über die infrastrukturelle Erschließung der Halbinsel einigen konnte. Die Stadt will keinen Verkehr über den Wustrower Hals, für Jagdfelds EntwicklungsCompagnie Wustrow (ECW) gibt es keine tragbare Alternative dazu. Die Gutachten der Experten sind auf Jagdfelds Seite: Die Stadt muss ihren Verkehr aus dem Ort raus aus an den Stadtrand bringen und den Wustrower Hals verkehrsberuhigen.
Für manche Einheimische ist es schwer vermittelbar, dass „die Reichen“ mit dem Auto über den Wustrower Hals fahren dürfen, alle anderen aber nicht mehr direkt am Strand parken dürfen. Hinzu kommt die Angst, der Öffnung der Halbinsel Wustrow könnte gleich wieder eine Schließung folgen, kaum dass die Gartenstadt fertig und das Wohneigentum an den Mann gebracht ist.
Stillstand hat dieselben Gründe, wie in Heiligendamm
Wie in Heiligendamm geht es um Gewohnheiten, aus denen sich einige Gewohnheitsrechte interpretieren. Heiligendamm als Vergleich zieht aber längst nicht mehr, denn dort hat die Stadt Bad Doberan letztlich auf Drängen der IHK mit Jagdfeld an einen Tisch gefunden und das einzig vernünftige getan: Auf den direkten kurzen Weg zum Strand über das Villen- oder Hotelgelände verzichtet. Seitdem geht es in Heiligendamm sichtbar voran – das Projekt, das 11 Jahre durch politischen Streit verzögert wurde, wird umgesetzt und die Käufer rennen Jagdfeld selbst die Türen der Gebäude ein, die noch gar nicht saniert sind. Heiligendamm lehrt die Reriker einmal mehr, was sie tun sollten, wenn sie wirklich an einer Entwicklung der Halbinsel Wustrow interessiert sind.
Jagdfelds Pläne haben sich geändert
Und das sind sie, sonst hätte der Bürgermeister Wolfgang Gulbis nicht 2012 nach der Vermeldung der Insolvenz in Heiligendamm versucht, nach fast 10 Jahren plötzlich wieder mit Jagdfeld an einen Tisch zu kommen. Es ging darum, dem scheinbar angeschlagenen Investor zu Zugeständnissen zu bewegen. Dazu kam es nicht. Und trotzdem ist alles gar nicht mehr so groß geplant, wie damals, als Jagdfeld das Potenzial Wustrows analysieren ließ und dabei ein Masterplan herauskam, der den einstigen Militärstandort zu einem Paradies für Wassersportler machte. In Chalets sollten sie wohnen, die Gartenstadt sollte wieder so aussehen, wie sie damals gebaut wurde und auch ein Hotel war angedacht. Natürlich sollte es einen Golfplatz auf Wustrow geben und es sollte eine Marina gebaut werden, an der auf dem Wustrower Hals eine Art Leuchtturm stehen sollte – fast schon symbolisch für dieses Leuchtturmprojekt, denn das war damals einmalig.
Es soll einen weiteren Interessenten gegeben haben
Anno August Jagdfeld berichtet auch, wie damals der Finanzminister Theo Waigel und der Bundeskanzler Helmut Kohl ihn regelrecht baten, Wustrow zu kaufen. Heute weiß man in Rerik, dass es auch einen anderen Interessenten gab. Mit Namen hält man sich bedeckt, aber hinter vorgehaltener Hand erzählt man, dass der Interessent damals schon Kontakte zu den lokalen Entscheidern geknüpft und ihnen gewisse Vorteile versprochen habe. Man stelle sich vor, man würde auf Wustrow ein Grundstück versprochen bekommen und dann kommt jemand anderes und macht diesen Traum zunichte. Wie würde man diesem gegenüber gesonnen sein und was würde man ihm noch gönnen? Es ist erst einmal nichts weiter, als ein Gerücht, denn Beweise gibt es keine. Trotzdem haben auch Gerüchte Auswirkungen. Die Gerüchteküche brodelt in Rerik ohnehin gerade wieder sehr intensiv. Von tausend neuen Einwohnern ist die Rede und daran hält man sich fest.
Minimum statt Maximum und Bio statt Beton
Doch es ist nicht mehr die Rede von Hotel, Marina und Golfplatz, von großen Häusern und Bettenburgen. Jagdfeld betont in der Sendung mehrmals – es klingt fast schon, wie ein Mantra – dass er eine kleinteilige Bebauung will – naturnah und ökologisch.
Da spricht jemand, der als Nebenberuf Biobauer ist und das Gut Vorder Bollhagen vom Massenproduktionsbetrieb zu einem Biolandgut umgewandelt und den Fuhrpark seines Unternehmens auf sparsame Kleinwagen umgerüstet hat. Die Leute wollen Bio: Reinheit, Natürlichkeit, Gesundheit – sie wollen intakte Natur und zurück zu den Wurzeln. Oder wie man heute sagt „sich erden“, „eins sein“. Das hat der Investor erkannt und darum soll Wustrow nicht das werden, was es maximal könnte, sondern das, was gefragt ist.
Kein Ort eignet sich besser für Natur pur, Ruhe und Bio. Jagdfeld wäre dumm, wenn er das mit Bettenburgen für die Masse zupflastern würde. Hier kann die Klasse sein, denn die kann sich richtiges Bio leisten.
Gartenstadt ist nicht nur ein Name, sondern ein Prinzip
Die Gartenstadt, wie sie Ebenezer Howard 1898 in England entwarf, ist naturnah, fast schon natürlich und sie ist kleinteilig, mit Einfamilienhäusern, maximal Doppelhäusern.
So soll übrigens auch das Villenviertel in Heiligendamm werden, denn das ist eine Reinform von Howards Ideen: Keine Prachtstraßen voller Villen, wie die Bad Doberaner Goethestraße, sondern kleine grüne Paradiese, die jede für sich ein Heim und als Ganzes eine Siedlung ergeben, dessen Maße man vor lauter Natur kaum erahnt.
Da auf Wustrow durch die militärische Nutzung auch große Bauten entstanden sind, müssen auch diese in das Gesamtkonzept integriert werden. Die Geschichte der letzten 80 Jahre leugnen soll das Konzept auch nicht. Wustrow wird immer mit seiner Geschichte verbunden bleiben.
Das Schöne kommt zum Schluss
Die Landpartie endet mit dem Sonnenuntergang über der Halbinsel Wustrow. Sie ist eine gute Werbung für die Region und trägt sogar noch ein wenig zum Verständnis bei. Verständnis, das die Menschen in Rerik dringend brauchen und Verständnis, das sie einander entgegenbringen müssen. Sonst bleibt Wustrow die verbotene Halbinsel und leben auf ihr nur Wildschweine, Hirsche und Vögel.
Die Sendung gibt es hier in der Mediathek des NDR:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/landpartie_im_norden_unterwegs/Landpartie-Ostseekueste,landpartie1538.html
Heiligendamm beginnt bei 0:34 und Wustrow bei 1:19
Führungen auf Wustrow:
Infos zur Planwagenfahrt und geführten Wanderung auf rerik.de
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(Das Standardwerk in 7. aktualisierter Auflage)
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