1945

Am 11. April enden der 5. und 6. Lehrgang der Reichskadettenschule und eine Woche später wird die Schule wegen der vorrückenden Roten Armee durch den Kapitän zur See Hans Bartel aufgelöst. Ausbilder, Offiziere und Unteroffiziere erhalten einen Schnellkurs in der Handhabung der Panzerfaust und es wird Alarmbereitschaft ausgerufen. Im Angesicht der auf Doberan vorrückenden Russen wird am  1. Mai die Truppe umgebildet zur Einsatzgruppe Kpt-z.S. (Ing.) Bartel und weg von der russischen Übermacht nach Westen zum neuen Einsatzort Wismar verfrachtet.

Die Rote Armee erreicht am 2. Mai  von Osten her Bad Doberan. Die mit Flüchtlingen vollgestopfte Stadt (15.000 Bewohner) entgeht durch die kampflose Übergabe durch die drei Bad Doberaner Dr. Willi Brandt, H. Grünberg und P. Schlünz einer Katastrophe. Von den Grauen des Krieges, Plünderungen und Vergewaltigungen bleiben aber auch die Bad Doberaner nicht verschont. Im Münster werden Kreuz und Altar zerschlagen, das Reiterstandbild von Behr zerstört und Altarbekleidung gestohlen. Die Gottesdienste bleiben nach den Aufzeichnungen von Pastor Eherls aber weitgehend ungestört und es nehmen auch russische Soldaten daran teil.

In Heiligendamm nehmen sich 3-5 Betreuer aus Angst vor den einrückenden Rotarmisten das Leben. Diese besetzen Heiligendamm, ziehen dann aber weiter. Jedoch bleibt das Land der Besatzungsmacht unterstellt. Friedrich Franz IV. flieht vor den Russen mit der Familie nach Glücksburg, um dann nach Dänemark zu seiner älteren Schwester und dänischen Königin Alexandrine auszuwandern. Dazu kommt es wegen einer Erkrankung des Familienoberhauptes nicht mehr: Auf Grund der schlechten Versorgungslage stirbt Friedrich Franz IV. am 17. November in Flensburg. Schon 1943 bestimmte er Christian Ludwig als Nachfolger, weil Friedrich Franz V. eine unebenbürtige Ehe eingegangen war. Der neue Chef des Hauses blieb im britisch besetzten Ludwigslust. Als Briten und Russen die Grenzen festlegen und Ludwigslust an die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) fällt, flüchtet auch Christian Ludwig nach Glücksburg.

Am 8.Mai um 23:01 Uhr endet der 2. Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands.

In Bad Doberan bezieht die Kommandantur das aufgelöste Kinderheim in der Villa Winter in der Dammchaussee und in Heiligendamm das Alexandrinencottage, aus dem gerade zuvor der deutsche Kommandeur ausgezogen ist. Hermann Wirths zwar nicht betriebenes aber noch vorhandenes Institut wird im Dezember ins Möckelhaus verbracht, wo zugleich auch Flüchtlinge unterkommen.

Gerade einmal vier Wochen nach Kriegsende veranstaltet die Rote Armee am 3. Juni ein Galopprennen auf der Doberaner Rennbahn. Es bleibt bei diesem einen Rennen.

Am 1. Oktober eröffnen die Schulen wieder, das Stahlbad nimmt seinen Betrieb wieder auf, spezialisiert sich aber auf Moorbäder und heißt deshalb von nun an Sanatorium Moorbad. Pächter Alwis Ludwig aus Bad Doberan gibt das Café im Gespensterwald am Kinderstrand ab.
Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) deklariert Heiligendamm auf Grund der durch den nicht zum Anschluss gekommenen Verkaufes unklaren Eigentumsfrage zum herrenlosen Gut. Sie sieht in den grün getarnten und von Seekadetten genutzten Gebäuden eine militärische Einrichtung und befielt gemäß dem Potsdamer Abkommen die Sprengung Heiligendamms. Zuvor sollen die Gebäude leer geräumt und alle Installationen von einer Berliner Firma als Reparationen nach Russland verbracht werden.

Christian Ludwig kehrt von Glücksburg nach Ludwigslust zurück, um den Familienbesitz wieder an sich zu nehmen. Er protestiert gegen den Umgang mit dem Seebad und stellt einen Restitutionsantrag für die drei Cottages. Die SMAD verhaftet ihn daraufhin und verschiebt ihn in mehrere Gefängnisse, bis er schließlich nach Moskau gebracht und in der Lubjanka zu 25 Jahren Haft „als Mitglied einer Kaste, die immer schon Kriege geplant und ausgeführt hat“ verurteilt wird. Die lokalen Medien nutzen das Ereignis als Propagandafeldzug gegen den Feudalismus.

Kurze Zeit später stoppt man den Abriss Heiligendamms, weil man die Gebäude doch nutzen möchte.

 

Im November wird ein neuer Kirchenrat gewählt und der wieder entstandene Kirchenchor gibt sein erstes Konzert. Zu Sylvester wird die Glocke erstmals nicht mehr geleiert, sondern getreten, wofür ein Gemeindemitglied freiwillig zur Verfügung steht. Es entstehen drei neue Klosterteiche in Hütten und Pastor Ehlers vermerkt über diese direkten Nachkriegstage:

„Wie in Staat und Leben regt sich auch auf dem kirchlichen Sektor neues Leben.“

Kurz nach Ende des Krieges bestellt die SMAD den ehemaligen Chef der Haliflor-Company zum Leiter des Finanzamtes Rostock. Zugleich baut Glaser die Liberal-Demokratische Partei (LDPD) in Mecklenburg auf und wird 1946 Stadtrat für Finanzen in Rostock.