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Corona-Lockdown: Ihr seid nicht abgesagt!

Ihr seid nicht abgesagt!

Liebe Gäste!

Ich wähle das freundschaftliche „Du“, wenn ich heute mal direkt an euch schreibe. Besondere Zeiten erfordern besonderes Handeln. Diese Zeit ist besonders, denn sie stellt vieles auf den Kopf und einiges in Frage, das für uns bisher selbstverständlich war.

Seit dem 19. März ist viel passiert in unserem Land.
Urlauber mussten den Norden verlassen und das brachte einerseits viel Unverständnis, andererseits leider auch unschöne Szenen mit sich. Es gab regelrechte Hetze und das Kfz-Kennzeichen wurde zum vermeintlichen Erkennungszeichen eines Feindes, der bis gestern noch unser Freund und Gast war. Dabei traf es kaum wirklich widerrechtlich im Land gebliebene „Ortsfremde“, sondern viele Menschen, die hier schon lange wohnen und nur ihr Nummernschild mitgenommen haben oder die ein Firmenauto mit auswärtigem Kennzeichen fahren. Das ging so weit, dass die Fahrer Zettel in ihr Auto legten: „Ich bin kein Tourist“.

Wann hat jemals jemand sagen müssen „Ich bin kein Tourist“, um Schaden abzuwenden?! Wenn ich sage „Ich bin kein Tourist“, dann sage ich das aus Stolz, hier zu wohnen, wo andere Urlaub machen. Der Stolz hat ganz schön gelitten in den letzten Wochen. Ich schäme mich für einige meiner Mitmenschen.

Ich bin Gästeführer und lebe Gastfreundschaft.
Auch wenn ich als Mecklenburger nicht mit Verbeugung, Umarmung und Küsschen die Gäste empfange, sondern nordisch-kühl mit Händedruck, Lächeln und kurzem Gruß. Ich schäme mich auch, einmal irgendwo bei Facebook geschrieben zu haben, dass wir die Gäste brauchen, weil hier sonst alles Pleite geht. Das ist nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt.

Es ist nicht euer Geld, das uns antreibt – es seid ihr!
Tausende Menschen leben nur davon, euch einen schönen Urlaub zu machen, egal, ob ihr als Tagesgast kommt oder Stammgast seid, ob Camper oder Luxusurlauber. Sie alle geben jeden Tag ihr Bestes, um euch das Beste zu ermöglichen, hatten gerade ihre Läden renoviert, die Tische und Stühle geputzt, neue Deko bestellt und für Ostern geschmückt, als der Shutdown verkündet wurde.

Wir alle haben uns auf euch gefreut 
Auf euren Besuch, auf eure frohen Gesichter, auf nette Gespräche und darauf, dass ihr uns immer wieder zeigt, wie wunderbar all das ist, was wir schon als alltäglich an- oder gar übersehen. Natürlich freut sich jeder am Ende des Tages über eine gute Bilanz, aber die vielen Momente des Tages mit euch wiegen mehr als die Münzen und Scheine an seinem Ende. Auch euer Feedback, eure Reiseberichte auf Facebook und Instagram oder dem eigenen Blog sind einfach unbezahlbar.

Jetzt, wo ihr nicht da sein könnt, ist es doppelt schlimm. 
Kein Tag voller schöner Momente und auch kein Geld in der Kasse. Es zeigt sich auch, wie sehr hier alles zusammen gehört. Als alles zu war, fiel das kaum auf, aber jetzt wo die Läden wieder öffnen zeigt sich, dass sie ohne die Gäste nicht einmal die Hälfte der Kunden begrüßen können.

Selbst wenn alle Einheimischen in allen Läden der Stadt einkaufen würden:
Ihr seid mehr. Das zeigt schon dieser reine Zahlenvergleich: 1,7 Millionen Einwohner – 30 Millionen Gästeankünfte. Oder im Kleinen in Bad Doberan-Heiligendamm: 15.000 Einwohner, 30.000 Gästeankünfte und über 300.000 Tagesgäste.

Wir leben für den Tourismus und wir leben vom Tourismus – also für euch und von euch.
Da ist es vermessen, wegen ein paar Ignoranten alle Gäste über einen Kamm zu scheren und sie zu beschimpfen.

Wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Wo viele Menschen kommen, da wird es turbulent. Manch einen stören die vielen Menschen, manchen die vielen Autos – besonders wenn das heißt, für einen Parkplatz umher kurven zu müssen. Mitunter stehen Einheimische auch nach Feierabend vor leer gekauften Regalen oder in Warteschlangen, die es in der Nebensaison nicht gibt.

Tourismus führt zu einer Wertsteigerung. Das klingt erst mal gut, ist aber schlecht für Einheimische, die gern hier wohnen bleiben möchten und sich nicht mal mehr eine Wohnung und erst recht kein kleines Grundstück leisten können. Wenn dann im Vergabeverfahren auch noch ein Auswärtiger daher kommt und mehr bietet, weil er einfach mehr verdient und darum mehr hat, dann weckt dies negative Gefühle. Neid mag so ein Faktor sein, wenn „reiche Wessis“ alte Villen kauften und zu Hotels und Pensionen machten oder Projektentwickler Gartenanlagen kauften und auf ihnen Ferienhäuser bauten und dafür beschimpft oder gar bekämpft wurden.

Die Millionen, die nicht nur durch den Solidaritätszuschlag, sondern durch private Investments, mal aus eigener Tasche, mal auf Kredit und immer mit allen Risiken in unser Land investiert wurden, haben die grauen Städte und Dörfer erst wieder zu Schmuckstücken gemacht.

Vom Soli wurden die Straßen und Plätze und die öffentlichen Einrichtungen saniert. Die grauen Häuser und die Schandflecken verschwanden erst durch private Investitionen. Das waren selten Ostdeutsche, denn sie hatten ja gar nicht die Möglichkeit, über Jahrzehnte so viel Eigenkapital anzusparen. Die meisten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern wissen und schätzen das.

Aber es gibt auch Verlierer oder zumindest welche, die sich so sehen. Wer einst sein Haus im Grünen eines kleinen Dorfes hatte und nun mitten in einer quirligen Feriensiedlung lebt, hat etwas verloren. Dass er ein riesiges Potenzial vor der Haustür hat, sieht er vielleicht nicht oder er kann es nicht nutzen. Der Kleingärtner trauert um seine verlorene Parzelle, auf der jetzt Ferienhäuser stehen.

Mancher hat seine Arbeit in einem Sanatorium oder Ferienheim verloren, weil es zum Hotel umgebaut wurde und viele Mieter mussten raus, weil Häuser für den Tourismus umgenutzt wurden. Eigenbedarfe sorgten für Unmut, Neu- und Umbaupläne für Streit. Einstige Badestellen sind nun unerreichbar, gewohnte Wege versperrt und Zugezogene haben in der Politik das Zepter übernommen und machen es anders als bisher. Doch ohne die Menschen aus anderen Bundesländern wäre unser Land nicht so schnell zu dem geworden, was es ist.

Wir haben uns all das hier zusammen mühevoll aufgebaut.
Vieles erst in den letzten 30 Jahren. Zwar waren wir auch in der DDR eine Tourismusdestination, aber letztlich war Tourismus in der DDR ein geplanter Tausch von Süden nach Norden und umgekehrt plus die einheimischen Betriebs-Urlaubsplätze. Erst nach der Wiedervereinigung haben wir uns zum Tourismusland hochgearbeitet – mal hinter Bayern, mal davor – immer an der Spitze der 16 Bundesländer. Ihr kommt nicht zu uns, weil hier die Urlaubsplätze eurer Betriebe oder Gewerkschaften sind, sondern weil ihr einfach gern zu uns kommt.

Ihr kommt wegen der weitgehend unberührten Natur, wegen endloser Strände und dem Meer, wegen der kleinen alten Dörfer und den großen Hansestädten, wegen der Ruhe, aber auch der Kultur und wegen der Gastfreundschaft, die wir euch entgegen bringen.

Darauf können wir stolz sein.
Das haben wir aber auch getan, um mit euch einen guten Deal zu machen: Ihr habt eine gute Zeit, wir haben ein gutes Auskommen. Beide Seiten fühlen sich wohl – es gibt nur Gewinner. Es ist falsch, euch dafür verantwortlich zu machen und euch den eigenen Unmut aufzuladen. Ihr seid nicht die Investoren und Projektentwickler. Ihr wollt Urlaub machen, euch erholen, Spaß haben und zufrieden – oder am liebsten gar nicht mehr – nach Hause fahren.

Wenn ihr euch nicht wohlfühlt, dann verlieren auch wir.
Darum werden die vielen wirklich bemühten Gastgeber jetzt in die Hände spucken – natürlich nur sinnbildlich! – und doppelt so freundlich sein, um die Unfreundlichkeit irgendwie wieder wett zu machen.

Wir sind alle nicht glücklich über die Schließung unserer Grenzen. 
Im Westen ist es gerade die Grenze, auf deren Öffnung wir seit 30 Jahren so stolz sind und sie gerade erst feierten. Es war, wie in einem schlechten Film, als die Polizei die Landesgrenzen sicherte. Wie im TV-Film „Die Grenze“ aus dem Jahr 2010, der an sich gar nicht schlecht war, aber eben Science Fiction sein sollte. 

Der Shutdown für Touristen war eine norddeutsche Aktion.
Jeder Marketer muss anerkennen, dass „der echte Norden“ kein Bundesland allein ist, sondern die Summe aus allen Bundesländern an der Nord- und Ostsee. Wir alle sind der echte Norden, denn wir ticken in dieser Krise alle gleich, fühlen alle gleich, haben alle die gleichen Probleme, Sorgen und Ängste und handeln in dieser Krise auch gleich. Ihr werdet jetzt sagen: „Für uns war immer alles zusammen der Norden“. Wir brauchten wohl erst eine Krise, um das zu erkennen.

Und ja, diese Krise hatte bis jetzt auch ihre guten Seiten.
Die Menschen in den Gemeinden rückten in dem Moment näher zusammen, als sie räumlich voneinander abrücken mussten. Von den Balkonen spielt Musik, an den Fenstern prangen bunte Kunstwerke der Kinder und im Internet heißt es wieder WIR – #wirbleibenzuhause #wirhaltenzusammen #wirstehendasdurch.

In Bad Doberan, wo es schon seit einigen Jahren die Initiative WIR SIND DOBERAN gibt, sammelte der Bürgermeister die Liefer- und Onlineangebote der Händler und Gastronomen und startete zusammen mit den Mitmachern von WIR SIND DOBERAN die Initiative DOBERAN TO GO. Er setzte sich für die Händler ein und bot sogar Hilfe bei Verhandlungen mit den Vermietern oder Empfehlungsschreiben für die Banken an. Er malte Herzen vor die Türen der Gewerbetreibenden und Einrichtungen und als die Geschäfte wieder öffnen durften, verteilte er Schokoherzen. Die aktuelle Aktion aus seiner Feder ist ein Film für euch, der euch sagt:

Ganz spontan haben viele mitgemacht, um mit dem nötigen Abstand und trotzdem ohne nasse Füße ein Herz am Strand von Heiligendamm zu formen und euch zuzuwinken und zu zeigen, dass wir an euch denken. Denn:

Ihr seid nicht abgesagt!

Ihr Martin Dostal

Hier ist das Ergebnis:
https://erstes-seebad.de/wir-freuen-uns-auf-euch-ode-an-die-freude-imagefilm-aus-bad-doberan-heiligendamm/

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