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Dieser Urlaub wird anders: Wie Urlaub in Corona-Zeiten geht und was die 60-Prozent-Regel in MV bedeutet.

Der Norden fährt den Tourismus wieder hoch und der Sturm auf die Nord- und Ostsee beginnt. Ab dem 25. Mai darf wieder aus fast überall aus Deutschland nach Mecklenburg-Vorpommern eingereist werden. Pfingsten steht vor der Tür und viele hatten schon gebucht. Nun kommen noch tausende Urlaubswillige hinzu, die in diesem Jahr nicht ins Ausland oder in die Berge fahren möchten. Sie alle wollen Meer. Wir freuen uns. Aber so ganz wie gewohnt wird das nicht funktionieren. Ein Bericht:

 

Nur 60% Auslastung erlaubt

Das Land Mecklenburg-Vorpommern erlaubt nur eine Tagesauslastung von 60% der vorhandenen Betten. Rein statistisch ist diese Obergrenze kein Problem, denn die Auslastung der meisten Hotels lag selbst im Rekordjahr 2019 im Durchschnitt kaum höher, als 60% und in diesem Jahr fallen die ausländischen Gäste weg – in ganz Deutschland waren das im Vorjahr 90 Millionen. Allerdings gilt das nicht für Pfingsten: Da sind die Unterkünfte in MV zu gut 90% ausgebucht.

Der Durchschnitt sagt nichts über die Einzelschicksale aus – über gerade erst gebaute Hotels, die ihre Geldgeber befriedigen müssen, über gerade erst sanierte Hotels, welche die Kosten wieder einspielen müssen, über gerade erst eröffnete Hotels, deren erste Saison so wichtig ist oder über Hotels, die vielleicht mit dieser Saison den Kopf über Wasser behalten hätten und nun Insolvenz anmelden müssen. Auch die vielen privaten Vermieter, die gerade eine Ferienwohnung als Geldanlage erworben haben und nun nicht so viel Geld verdienen können, wie zur Tilgung ihrer Kredite nötig, kann diese nüchterne Zahl nicht darstellen.

 

Es hagelt Stornierungen

Wenn man 10 Betten vermietet hat und nur 6 vermieten darf, müssen 4 wieder freigegeben werden. Also müssen die bis zu 40% Überbuchung storniert werden. Die Gastgeber versuchen zunächst, gemeinsam mit dem Gast einen anderen Termin zu finden. Wenn das nicht gelingt, gibt es das Geld zurück oder einen Gutschein.

 

Wie die 60%-Regel umgesetzt wird

Im Grand Hotel Heiligendamm gibt es zum Beispiel 199 Betten, von denen aber nur 119 zur Verfügung gestellt werden dürfen. In großen Hotels kann man das durch Herausnehmen von Zimmern aus dem Buchungssystem realisieren. So nimmt das Hotel „Nordischer Hof“ in Kühlungsborn die Familienzimmer aus der Vermietung und bietet nur noch Doppelzimmer an.

Bei kleinen Vermietern sieht es anders aus: Die Regel gilt nur für gewerbliche Anbieter. Kleine Privatvermieter oder GbR ohne Gewerbeanmeldung fallen nicht unter diese Regel. Wer gewerblich eine Ferienwohnung mit Doppelbettzimmer für zwei Personen vermietet, darf sie nur an eine Person vermieten. Aufbettungen – wie das Ausziehsofa im Wohnzimmer – zählen nicht mit zu den 60%, aber praktisch würde das auch heißen, dass das Paar bei gebuchtem Doppelzimmer und einer Aufbettung nicht zu zweit im Doppelbett schlafen dürfte.

Hat ein gewerblicher Vermieter mehrere Ferienwohnungen in einem Haus, zählen alle Betten dieses Hauses ohne Aufbettung. Wenn im Haus also 5 verschieden große Wohnungen mit insgesamt 12 Betten sind, dürfen 7 Betten angeboten werden. Dazu kann der Vermieter einzelne Zimmer aus der Vermietung nehmen, aber auch einfach die Betten von einer Wohnung in die andere tragen und aus dem Ein-Bett-Zimmer ein Doppelzimmer machen oder aus einem Doppelzimmer ein Familienzimmer. Innerhalb der Wohnungen eines Anbieters in einem Objekt wird nicht noch einmal die 60-Prozent-Regel angewandt. Die 60% beziehen sich auf die Tagesauslastung. Pro Tag dürfen die 60% Auslastung nicht überschritten werden. Logischerweise ergeben 30 Tage mit je 60% auch eine monatliche Auslastung von 60%, faktisch wird sie aber darunter liegen, weil nicht an jedem Tag die vollen Kapazitäten vermietet werden können. Es gibt aber noch allerhand Unklarheiten. So haben manche Vermieter mehrere Ferienhäuser und es ist nicht klar, ob alle zusammen gezählt werden oder jedes für sich. Dann gibt es Apart-Hotels oder auch Apartmenthäuser mit einer zentralen Ferienvermietung, in denen aber jede Ferienwohnung einem anderen Eigentümer gehört. Nachfragen haben ergeben, dass Betroffene in dieser Woche selbst noch nach Antworten suchen.

 

Beispiel The Grand Ahrenshoop

Das aktuell am besten dokumentierte Beispiel ist das Hotel „The Grand“ in Ahrenshoop auf der Halbinselkette Fischland-Darß-Zingst. Der Betreiber Oliver Schmidt klagt gegen die 60%-Regel. Er rechnet vor, dass sein Haus mit 81 Zimmern nur 48 vorhalten darf. Bei 140 Angestellten lässt sich das Hotel aber nicht wirtschaftlich führen. Hinzu kommt die Frage, wie er mit einer schon vorhandenen Überbelegung umgehen soll.

Schmidt müsste 40% der Gäste zu Pfingsten absagen, aber wo soll er anfangen und wie soll er das formal richtig machen? Schließlich könnten die Storno-Gäste ihn auch in Regress nehmen. Würde er nach Buchungseingang vorgehen, würde er die Frühbucher bestrafen. Das sind einerseits die, die immer günstiger reservieren, aber anderseits auch die, mit denen man schon vor Saisonbeginn rechnen und einen Trend erkennen kann. Ohne Frühbücher wird es in Zukunft schwer und wer heute als Frühbucher die Storno-Karte gezogen hat, bucht beim nächsten Mal lieber später.

Das The Grand würde bei 90% Auslastung jedem Gast knapp 62 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stellen. Bei Ferienwohnungen ist 100% Auslastung möglich, weil dort jeder sich selbst versorgen kann und von anderen getrennt ist. Gerade Hotels sind aber die Zugpferde des Tourismus und die größten Arbeitgeber der Region. Hotelier Schmidt sieht darin eine Ungleichbehandlung und das nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Vergleich zu anderen Bundesländern, die diese Regel nicht haben.

Er könnte das Haus schließen, aber dann wäre das wohl für immer. Seine Versicherung würde nicht zahlen, denn die greift nur bei einer behördlichen Anordnung, wie es der Fall wäre, wenn im Haus Corona ausgebrochen wäre. Da es aber nur eine allgemeine Landesverordnung gibt, hat die Versicherung auch die bis jetzt zwangsweise erfolgte Schließung nicht übernommen.

Wie Schmidt geht es vielen Hoteliers und so bleiben nur Hilfskredite, die in den kommenden Jahren auf den Schultern drücken und deren Tilgung und Zinsen auch erst verdient werden muss – in einer Zukunft, von der niemand weiß, wie sie sein wird.

 

Viel Aufwand für die Gastgeber

Jeder Gastgeber muss täglich beim Robert-Koch-Institut die Risikogebiete abfragen, denn Gäste von dort darf er nicht annehmen. Die Kontaktdaten jedes einzelnen Gastes müssen erfasst werden. Das war zwar bisher ohnehin der Fall, aber das Gesundheitsamt möchte auch Daten haben, die man bisher nicht oder nur freiwillig abfragte.

Es muss auf die Möglichkeit der kontaktlosen Bezahlung hingewiesen werden, ein Wegeleitsystem und Abstandsmarkierungen müssen geschaffen werden und ein einrichtungsbezogenes Hygiene- und Sicherheitskonzept erstellt und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorgelegt werden. Alle Räume mit regelmäßigem Publikumsverkehr müssen regelmäßig gelüftet werden. Das klingt einfach, ist es aber in Zeiten von automatischen Lüftungs- und Klimasystemen nicht. Das Personal mit Gästekontakt muss Mund-Nase-Masken tragen oder es müssen Schutzvorrichtungen gebaut werden.

Manche Hotels bieten das Frühstück in Etappen an. Man muss sich vorher für seine Wunschzeit anmelden und dann hat man z.B. 1,5 Stunden Zeit für das Frühstück, bevor alles gereinigt wird und die nächsten Gäste kommen. Statt Selbstbedienung am Frühstücksbüffet gibt es meistens an den Stationen eine Bedienung. Auch eine Bedienung am Tisch ist möglich – das regelt jedes Hotel für sich.

 

Urlaub könnte teurer werden

Die Anbieter haben aber durch die Regelung gar nicht erst die Möglichkeit, 100% ihrer Betten zu vermieten. Sie haben 40% Umsatzeinbußen bei weiterhin 100% Kosten. Dieser Ausfall lässt sich nur kompensieren, indem man die Preise um 40% erhöht. Dann werden aus 350 Euro für eine Ferienwohnung 490 Euro, also satte 140 Euro mehr. Die Nachfrage ist riesig – die 60% Kapazitäten gehen bei den meisten Anbietern weg, wie warme Semmeln. Es gibt betriebswirtschaftlich keinen Grund, die Preise nicht zu erhöhen, aber gleich mehrere dafür. Noch spricht keiner darüber, denn erst einmal ist jeder froh, dass er überhaupt vermieten darf. Noch ist auch unsicher, ob auch nach der Badesaison noch so viele Gäste kommen wollen, wie es jetzt der Fall ist. Wenn die Nachfrage sich als auch langfristig höher, als das Angebot herausstellt, folgt der Tourismusmarkt den Regeln der Marktwirtschaft. Wer jetzt bucht, zahlt auch nur den Preis, der jetzt gilt.

 

Unbedingt Stornobedingungen beachten

Zuletzt noch ein guter Tipp: Auch wenn Sie erst in der Nebensaison Urlaub machen wollen, also im Herbst 2020, im Winter 2020/2021 oder im Frühling 2021, sollten Sie darauf achten, den Urlaub kostenfrei oder kostengünstig stornieren zu können. Im Sommer wird die Infektionszahl sinken, aber mit der feuchten Jahreszeit, der Erkältungszeit und den weniger werdenden Aktivitäten an der frischen Luft kann COVID-19 sich wieder schneller verbreiten. Schon jetzt gibt es Gedanken zu einem zweiten Lockdown, wenn die nächste Corona-Welle rollt. Sichern Sie sich dagegen ab. Prüfen Sie auch Reiseversicherungen, ob sie Stornokosten auch in solchen Fällen übernehmen.

 

Ein Hinweis zuletzt: Natürlich ist dieser Artikel keine Rechtsberatung und kann morgen schon wieder überholt sein. Da es kaum Texte gibt, die die 60%-Regel erklären, habe ich Hotlines angerufen. Weil ich das nicht als Presseanfrage angegeben habe, darf ich die Quellen nicht zitieren und die Aussagen nicht mit den Quellen in Verbindung bringen.
Bild von Alexandra_Koch auf Pixabay

 

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